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b) Externe Unterstützung Betroffener

6.7.5 Vorschläge für verbesserte Sanktionen

In den Vertiefungsinterviews wurden die existierenden Maßnahmen und Strafen zur Sanktionierung von sexueller Belästigung am Arbeitsplatz von den Betroffenen auf allgemeiner Ebene positiv bewertet und als wichtig empfunden. Es wurde aber auch hervorgehoben, dass die Sanktionen gegen sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz tatsächlich angewendet und nicht nur auf Papier existieren sollten, damit sexuelle Belästi-gung am Arbeitsplatz verhindert werde. Es sollten klare und konsequente Sanktionen gegenüber belästi-genden Personen erfolgen, z. B. auch Abmahnungen, Versetzungen, Kündigungen, Anzeigen und härtere Strafen.

Wie bereits zu den innerbetrieblichen Maßnahmen angesprochen, werden offene Diskussionen über den Fall und die Konsequenzen im Unternehmen von vielen als eine wichtige Maßnahme gesehen.

Eine Betroffene argumentierte:

„[…] Denn das ist halt verboten und wird unter Strafe gesetzt und da, das muss nur an die große Glocke gehangen werden. Das muss veröffentlicht werden, dann werden solche Dinge auch halt verhandelt und verurteilt […].“

116 Ergebnisse der qualitativen Vertiefungsbefragungen

Mehrere Betroffene erwähnten, dass sie es wichtig fänden, dass die Verursacher_innen der sexuellen Be-lästigung am Arbeitsplatz die Auswirkungen ihres Verhaltens auf die Betroffenen tatsächlich verstehen. Das heißt, dass die Sanktionen in Form von verpflichtenden Trainings für den_die Verursacher_in stattfinden könnten, welche auch zu Lernerfahrungen führten.

Vielen Betroffenen war es auch wichtig, eine Entschuldigung des Verursachers zu bekommen.

Einige Betroffene erwähnten auch, in welchen Situationen Sanktionen besonders wichtig seien. Vor allem bei körperlichen und massiveren Übergriffen sollte es zu Sanktionen kommen.

Eine Betroffene erklärte:

„[…] Gut das liegt jetzt auch ein bisschen an der Schwere der Sache. Ja also, wenn man da jetzt irgendwie, wie gesagt, blöde Bemerkungen macht. Dann finde ich, ist das nicht, sagen wir mal so, dass jemand entlassen werden sollte, der müsste vielleicht zurechtgewiesen werden. Aber ich denke schon, wenn jemand da massiv übergriffig wird, dann sollte das auch ernste Konsequenzen haben, also unter Um-ständen vielleicht auch, dass man sowas strafrechtlich verfolgt oder jemanden entlässt […].“

Auch andere erwähnten, dass bei wiederholten Situationen von sexueller Belästigung am Arbeitsplatz der_die Verursacher_in gekündigt werden müsse. Eine Betroffene betonte, dass vor allem Vorgesetzte, die sexuell belästigen, gekündigt werden sollten:

„[…] also von mir aus kann der GEHEN. Weil so jemand ist ja nicht fähig, eine Führungsposition inne zu haben, wenn er so etwas macht […].“

Bei den von den Betroffenen in den Vertiefungsinterviews genannten Maßnahmen und Empfehlungen handelt es sich natürlich nicht um ausentwickelte differenzierte Konzepte und Maßnahmenvorschläge zur Verhinderung von sexueller Belästigung am Arbeitsplatz. Es wurden aber wichtige Erläuterungen zu einzelnen Aspekten gegeben, die außerordentlich hilfreich und gewinnbringend für die wirksame Kon-zeptentwicklungen sein können, da die Betroffenen als Expert_innen der erlebten Situationen über Er-fahrungswissen verfügen und einschätzen können, was in ihrer jeweiligen Situation hilfreich oder weiter-führend war oder gewesen wäre. Die Vorschläge aus den Vertiefungsinterviews wurden auch im Rahmen der Fokusgruppen weiter reflektiert, welche im nächsten Kapitel dokumentiert sind (s. Kapitel 7).

6.8 Fazit

In diesem Kapitel wurden aus den Vertiefungsinterviews 56 Fälle von sexueller Belästigung am Arbeits-platz aus unterschiedlichen Arbeitskontexten analysiert. Die Analyse zeigt auf, dass die Fälle je nach Form, Branche und Beziehungskontexten unterschiedliche Bedeutungen und Qualitäten aufweisen und sich auch die Handlungsoptionen von Betroffenen dadurch unterscheiden. Es wurden elf typische Muster von sexueller Belästigung am Arbeitsplatz herausgearbeitet, die oft auch mit unterschiedlichen Bedeutungen, Reaktionsmustern, Folgen und Verläufen verknüpft waren.

Die Analyse verweist darauf, dass besondere Schutz- und Unterstützungsbedarfe dort bestehen, wo Macht- und Abhängigkeitsverhältnisse zu Ungunsten der Betroffenen eine Reaktion und Beendigung der Situati-on erschweren (etwa bei sexueller Belästigung durch Vorgesetzte oder gegenüber strukturell schwächeren Personengruppen im Betrieb oder Unternehmen). Sexuelle (verbale) Belästigungen durch gleichgestellte Arbeitskolleg_innen (sowie das Aufhängen sexistischer Bilder) können dagegen häufig zeitnah von den

Betroffenen selbst gelöst und beendet werden, auch wenn weitergehende Aufklärungsarbeit erforderlich ist, um diese Formen der alltäglichen Diskriminierung von Frauen am Arbeitsplatz abzubauen.

Der sehr häufig genannte Kontext von sexueller Belästigung durch Kund_innen, Patient_innen und Klient_

innen erfordert dagegen andere Maßnahmen und wird auch, gerade im Bereich von medizinischen, thera-peutischen und Pflegeberufen häufig konsequenter gelöst und / oder als gemeinsam zu lösende Aufgabe angesehen, sodass hier die Betroffenen weniger stark isoliert und handlungseingeschränkt sind als bei anderen Konstellationen. Zugleich wird aber im Hinblick auf sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz im me-dizinisch-therapeutischen Bereich und in der Pflege kein oder nur wenig Spielraum für grundlegende Ver-änderungen oder die Verbesserung der Situation gesehen, da die Belästigungen als normaler Bestandteil des Berufsfeldes gesehen werden. Diese Einschätzung ist auch vor dem Hintergrund, dass hier besonders viele Fälle von sexueller Belästigung am Arbeitsplatz auftreten (siehe auch Kapitel 5), nicht unerheblich.

In Bezug auf Maßnahmen zur verbesserten Prävention und Intervention wurde von den Betroffenen von sexueller Belästigung am Arbeitsplatz, anders als in der Literaturanalyse, ein starker Fokus auf individuelle Reaktionen der Betroffenen auf die Belästigungen gelegt. Mehr Bestärkung, sich klar gegen sexuelle Be-lästigungen zur Wehr zu setzen und auch Dritte einzuschalten (Vorgesetzte, Kolleg_innen), wurde als wich-tige Voraussetzung für die schnellere und nachhalwich-tige Beendigung der Situationen gesehen. Darüber hin-aus wurden aber auch innerbetriebliche Maßnahmen und eine klare Haltung von Vorgesetzen empfohlen, ebenso wie die Bereitstellung interner und externer niedrigschwelliger Unterstützung, die ergebnisoffen und vertraulich beraten muss. Auch wurden sowohl die Öffentlichkeitsarbeit als auch die gesamtgesell-schaftliche Prävention im Sinne des Abbaus ungleicher Geschlechterverhältnisse als wichtige Präven-tionsmaßnahmen erachtet.

118 Ergebnisse der qualitativen Vertiefungsbefragungen