• Keine Ergebnisse gefunden

Wenn man die Biografie aller fünf beobachteten Schüler nochmals Revue passieren lässt, kann festgestellt werden, dass das Auftreten von Gewalt und Aggression in allen Fällen durch längerfristige ungünstige Sozialisationseinflüsse bestimmt ist.

Ausschlaggeben war die familiäre Situation, in der ein Klima von Kälte, Emotionslo-sigkeit, Strenge und Unterdrückung vorherrschte. Dazu gesellte sich eine missliche Lebenslage, die durch eine instabile Lebensbewältigung, eine inkonsequente Erzie-hung, sowie im Falle Ewalds durch einen autoritären Erziehungsstil, gekennzeichnet war und damit den Nährboden für Gewalt und Aggression aufbereitete.

Die in den betreffenden Familien zur Lösung von Konflikten eingesetzte Gewalt stand an der Tagesordnung. Diese schließt nach Gelles (2002) nicht nur psychische Ge-walt, sondern alle Handlungen mit ein, die dem Opfer Schaden zufügen (vgl. Gelles 2002, S. 1043 ff).

Philipp, Konrad und Peter waren körperlichen Übergriffen, psychischen Aggressio-nen und erzieherischen Vernachlässigungen ausgesetzt, während Ewald und Marcel insbesondere Vernachlässigungen im emotionalen Bereich mit unzureichender Erfül-lung von Bedürfnissen nach Liebe und Geborgenheit ertragen mussten. Dieser Man-gel stellte bei den letzt Genannten ein Hindernis für die Entwicklung eines gesunden Selbstwertes dar.

Erschwerend kommt im Falle Philipps ein sexueller Missbrauch hinzu, dessen Aufar-beitung professionelle psychotherapeutische Hilfe erforderte.

Physische Gewalterfahrungen offenbaren sich nach Garbarino und Bradshaw (2002) in Defiziten an sozialen Kompetenzen, des Beziehungsaufbaues, der Autonomie und des Selbstwertgefühls. Die Folge davon sind kognitive und intellektuelle Beeinträch-tigungen, die das Leistungsverhalten negativ beeinflussen und antisoziales Verhal-ten, Aggression, Gewalt, Beziehungsunsicherheit und Kommunikationsprobleme ge-radezu begünstigen (vgl. Garbarino und Bradshaw 2002, S. 899 ff.).

Alle in den Fallstudien beschriebenen Schüler sind mit den letzt genannten Beein-trächtigungen ausgestattet und damit prädestiniert, abweichendes Verhalten an den Tag zu legen.

Peters abnormes Verhalten ist zudem noch mit einer Persönlichkeitsstörung in Ver-bindung zu bringen, die Anzeichen einer antisozialen Störung offenbart. Eine geringe Selbstkritik, ein Mangel an Empathie, Egozentrizität, Gefühlskälte und ein impulsives bindungsschwaches Verhalten sind dafür kennzeichnend (vgl. Zlanabitnig 2007, S.

223).

Es ist außerordentlich schwierig, ein einigermaßen erträgliches Zusammenleben im System Schule zu verwirklichen, wenn die Belastungsfaktoren der Schüler eine Komplexität aufweisen, die insbesondere Heimschülern eigen sind. Es bedarf dazu ein Repertoire an Präventionsmaßnahmen, die der Lehrer bei aufkeimenden Gewalt- und Aggressionstendenzen sofort einsetzen kann, wie ich sie im Kapitel 6.3 näher zu beschreiben versucht habe.

Es wäre vermessen zu behaupten, dass spezielle Wundermittel von mir gefunden und eingesetzt wurden, die befähigen, Gewalt und Aggression völlig aus dem Schul-leben zu verbannen. Tatsache ist aber, dass es mit den genannten Methoden gelun-gen ist, die Beeinträchtigungsfaktoren im emotionalen und sozialen Bereich zu mini-mieren.

So konnte in den Fallstudien eindeutig bewiesen werden, dass sich das Autogene Training in allen Fällen als probates Mittel zum Abbau körperlicher Erregung und Ge-fühlen der Angespanntheit erwiesen hat und damit partiell ein Beitrag zur Prävention von Gewalt und Aggression geleistet wurde. Eine Ausnahme bildete Peters grenz-überschreitendes Verhalten, das nur in Kombination von pädagogischen und psychi-atrischen Maßnahmen in den Griff zu bekommen sein wird.

Die Progressive Muskelentspannung nach Jacobson entfaltete nur im Falle Konrads und Philipps ihre positive Wirkung. Mit dieser Methode konnte bei beiden Schülern schon im Ursprung eine Reduktion der Spannung herbeigeführt werden und damit dem Aufbau aggressions- und gewaltgeleiteter Tendenzen entgegengesteuert wer-den.

Der Einsatz der Progressiven Muskelentspannung zur Prävention von Gewalt und Aggression war im Falle Marcels und Philipps kontraproduktiv, da sich eher nachtei-lige Reaktionen in ihrem Verhalten bemerkbar machten. Peters Teilnahme an der

Progressiven Muskelentspannung war zu kurz, um eine seriöse Aussage über Erfolg oder Misserfolg ihres Einsatzes zu treffen.

Der Einsatz der Übungen und Spiele zum Abbau von Unruhe und Erregung brachte im Falle Ewalds, Marcels und Philipps den gewünschten Erfolg, da mit der Reduktion ihres Bewegungsdranges zur Dämpfung der Nervosität und Unruhe, sowie der Ver-ringerung ihrer Impulsivität, ein kleiner Beitrag zur Prävention von Gewalt und Ag-gression geleistet wurde.

Im Verhalten Peters und Konrads konnte keine Änderung festgestellt werden, damit blieb der Einsatz der oben genannten Übungen und Spiele wirkungslos.

Die Übungen zum Still-Werden und Wahrnehmen konnten in allen Fällen ihren posi-tiven Beitrag zum Abbau von Berührungsängsten und Aufbau eines freundschaftli-chen Klimas beitragen und haben daher indirekt ihre präventive Wirkung gegen Ge-walt und Aggression nicht verfehlt. Auch hier bildete Peter eine Ausnahme, da seine ausgeprägten Belastungsfaktoren ein unüberwindbares Hindernis für einen erfolgrei-chen Einsatz darstellten.

In den Übungen und Spielen zum Umgang mit Gewalt und Aggression ist es in allen Fällen gelungen empathische Fähigkeiten zu fördern und Gefühle der Wut, des Är-gerns und der Aggression einer kontrollierten und konstruktiven Bewältigung zu un-terwerfen. Peter muss auch hier als Negativbeispiel herangezogen werden, da es ihm nicht möglich war, einen adäquaten Umgang mit Gewalt und Aggression zu pfle-gen.

Der Einsatz von Rollenspielen hat sich in allen Fällen bestens bewährt, da die Akteu-re gleichsam ein Ventil vorfanden, ihAkteu-ren aufgestauten AggAkteu-ressionen fAkteu-reien Lauf zu lassen und nicht in Versuchung gerieten, diese zielgerichtet auf einen Mitschüler zu lenken. Rollenspiele leisteten auch einen unverzichtbaren Beitrag zur Entspannung, zu akzeptablen Konfliktlösungen und zu einer positiv bejahenden Lebenseinstellung.

Auch der Einsatz von Fantasiereisen war in allen Fällen von durchschlagendem Er-folg begleitet, da die beruhigende Atmosphäre und das Wohlfühlklima nicht dazu prä-

destiniert waren, Gewalt- und Aggressionsbestrebungen wach zu rufen.

Zusammenfassend ist festzustellen, dass die überwiegende positive Bilanz des Ein-satzes der Methoden nicht dazu verleiten soll, ein Allheilmittel zur Prävention und Minimierung von Gewalt und destruktiver Aggression zur Verfügung zu haben, mit deren Hilfe Erfolge in gleichen oder ähnlich gelagerten Fällen gleichsam vorpro-grammiert sind.

Ein Allheilmittel zur vollkommenen Eindämmung von Gewalt und Aggression wird es nie geben, dazu sind die Belastungsfaktoren der Zielgruppen zu unterschiedlich.

Dennoch möchte ich abschließend meiner Hoffnung Ausdruck verleihen, dass die positiven Ergebnisse meiner Studie Kolleginnen und Kollegen dazu animieren sollen, im Bedarfsfall gleiche oder ähnliche Methoden aufzugreifen, um der Komplexität der Erscheinungsformen von Gewaltphänomen nicht hilflos ausgeliefert zu sein.