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7 Methodenkatalog zur Prävention von destruktiver Aggression an der ASO Josefinum

7.5 Fantasiereisen

Fantasiereisen sind geleitete Entspannungsübungen, die Ruhe-Oasen im hektischen Alltag sein können. Sie sind fast universell zu allen Themenbereichen einsetzbar und beflügeln und inspirieren die eigene Vorstellungskraft, indem sie selbst gemachte Erfahrungen mit Impulsen von außen zu neuen Bildern im Kopf zusammenfügen (vgl. Adams 2007, S. 8).

Im Zuge meiner Forschungstätigkeit als teilnehmender Beobachter wurden Fantasie-reisen zur körperlichen Regenerierung und Entspannung als Präventionsinstrument von Gewalt und Aggression eingesetzt. Die SchülerInnen sollten ihren Kopf wieder

„frei“ bekommen und sich während der Übungsphase nicht von negativ geleiteten Gedanken und Gefühlen vereinnahmen zu lassen. Dem natürlichen Bedürfnis des Körpers nach Ruhe und Entspannung wurde damit Rechnung getragen.

Nach der Entspannungsphase wurden eigene Erlebnisse und Situationen reflektiert, oder aber die Fantasiereise beflügelte die SchülerInnen, sich mit einem Thema ge-nauer zu beschäftigen und damit tiefer in die Materie eines Themenkomplexes einzu-tauchen. Kreative Prozesse wurden dadurch initiiert und Ansätze zu Problemlösun-gen in Gang gesetzt.

Da die SchülerInnen meiner Klasse so empfänglich und anfällig für die vielen, zum Großteil negativen auf sie einwirkenden Impulse sind, empfand ich als meine vor-dringliche Aufgabe, jene Inputs zu verstärken, die ihrem Gemüt, ihrem Herz und ihrer Seele besonders zuträglich sind. Positiv und lebensbejahend vermittelte Werte las-sen in den SchülerInnen das Gefühl heranreifen, dass ihr Leben sinnvoll ist und sie in der Lage sind, es erfolgreich zu meistern. Mit hoher Wahrscheinlichkeit werden sie auch als Erwachsene inneres Glück und Geborgenheit finden (vgl. Garth 1998, S.

11).

Wie bereits erwähnt erfolgte nach der Entspannungsphase ein anschließender Aus-tausch über Inhalte und Erlebnisse während der „Reise“.

Erst im nachfolgenden Gespräch zeigte sich, wie vielfältig Situationen erlebt werden.

Die wahrgenommenen Erfahrungen sollten zum Anlass genommen werden, Denken und Handeln in Zukunft objektiveren Maßstäben zu unterziehen.

Das Lernziel bestand darin, Vorurteile abzubauen, die Empathie zu fördern, und die Anteilnahme für andere Menschen, deren Situation und Probleme, ihre Einzigartig-keit und Individualität zu wecken.

Fantasiereisen sind auch Gruppenerlebnisse. Sie unterbrechen die gewohnten Ab-läufe des Unterrichtsgeschehens und schaffen Gemeinsamkeiten durch das gemein-same Still-Sein. Gemeingemein-same Erlebnisse ermöglichen einen gemeingemein-samen Ge-sprächsstoff zu generieren, der die Gruppen zusammenwachsen lässt und weniger Spielraum für aggressive Tendenzen zulässt (vgl. Adams 2007, S. 17).

Fantasiereisen brauchen Rahmenbedingungen. Dazu gehört die Bereitstellung von Decken oder einer anderen weichen Unterlage, damit sich die Kinder im Liegen wäh-rend der Übungsphase wohl fühlen und sich ganz auf die Übung konzentrieren kön-nen. Geräuschquellen sollen soweit wie möglich ausgeschaltet werden und die Aus-wahl der Musik, sowie die Lautstärke sollten ur Stimmung und zu den Bildern der Übung passen.

Als Voraussetzung für einen erfolgreichen Einsatz dieser Methode ist es sinnvoll, die Kinder im Vorfeld über den Ablauf der Übung, den zeitlichen Umfang und den Zweck dieser Übung zu informieren. Außerdem sollte der Übungsleiter mit der Durchführung von Fantasiereisen vertraut sein, um sein Sprechtempo und die Länge der Pausen richtig dosieren zu können. Vor allem die Pausen sind sehr wichtig, um die einzelnen Szenen zu internalisieren, damit sie die TeilnehmerInnen ohne Mühe visualisieren und sich in sie einfühlen können.

Von entscheidender Bedeutung ist auch die Art und Weise, wie die Stimme einge-setzt wird. Es hat sich herausgestellt, dass es am besten war, die Stimmhöhe etwas zu senken, in beruhigendem Tonfall zu sprechen und dabei immer langsamer zu werden. Eine Stimme, die tief und entspannt ist, hat etwas Hypnotisches an sich.

Der zeitliche Umfang der Übung, inklusive der Reflexionsphase, sollte zehn Minuten nicht überschreiten, da für das geordnete Einsammeln der bereitgestellten Utensilien ebenfalls Zeit berechnet werden muss.

Der Reflexionsphase wird im Anschluss an die Fantasiereisen, also nach dem „Auf-wachen“ und wenn die Zeit der Stille vorbei ist, Raum gegeben. Die Kinder können nun ihre Eindrücke schildern, die sie während der Übung verspürt haben. Danach bieten sich Impulsfragen an, die anregen sollen, kurze Erfahrungsberichte ab-zugeben.

Folgender Fragenkatalog kam dabei zur Anwendung:

Wie hat euch die Übung gefallen?

Was hast du aus dieser Reise gelernt?

Welches Ziel hatte diese Übung?

Was ist dir dabei schwer gefallen?

Was ist dir dabei leicht gefallen?

Wie fühlst du dich nach der Übung?

Wie ist die Situation für dich, in der Gruppe ganz leise nebeneinander auf dem Boden zu liegen?

Wie und wo findest du sonst noch Entspannung, Ruhe und inneren Frieden?

Ein Beispiel einer Fantasiereise Ruhe und Gelassenheit

Lege dich in einer für dich angenehmen Liegeposition auf den Boden. Am Be-quemsten ist die Rückenlage, die Beine parallel nebeneinander und die Arme neben dem Körper.

So kannst du es einige Zeit aushalten.

Schließe deine Augen und lasse Ruhe in deinen Körper einkehren.

Lenke deine Gedanken, deine Aufmerksamkeit jetzt auf deinen ganzen Körper.

Sei ganz bei dir, in dir, ruhe in dir selbst.

Dein Körper füllt sich jetzt langsam mit Schwere und Wärme.

Schwere und Wärme entfalten sich und breiten sich im ganzen Körper aus: in den Beinen und Füßen, in Schultern, Armen und in den Händen, bis dein ganzer Körper von Ruhe, Gelassenheit, Schwere und Wärme erfüllt ist.

Dann löse deine Aufmerksamkeit und lasse deine Gedanken treiben.

Über dir leuchtet ein wunderschöner Stern. Der Stern ist mit weißem Licht gefüllt.

Lass dieses Licht vom Stern in deinen Körper fließen, bis dein Herz voll Liebe ist für alle Menschen, seien sie groß oder klein.

Dein Schutzengel wartet schon auf dich. Er legt seine goldenen Flügel um dich und geht mit dir zum Sorgenbaum. Lass alles, was dich bedrückt, beim Baum. Dann öff-net der Schutzengel das Tor und geht mit dir in den Garten.

Im Garten wachsen die schönsten Blumen; das Gras ist dunkelgrün und der Him-mel tiefblau mit kleinen weißen Wolken. Alle Besucher des Gartens sind friedlich und begegnen sich freundlich und nett.

Ruhe und Frieden herrscht überall ……….

Komm jetzt mit deiner Aufmerksamkeit wieder zu deinem Körper zurück.

Nimm die Umgebung bewusst wahr: die Musik, meine Stimme.

Mit jedem Atemzug vertreibst du die Schwere immer mehr aus deinem Körper.

Es ist Zeit, den Körper wieder zu aktivieren, ihn zu bewegen, sich zu strecken, zu gähnen und sich von der Schwere zu befreien.

Wenn du von der Reise wieder zurückgekehrt bist, setze dich auf und schaue dich um (vgl. Adams 2007, S. 38).

Praktische Umsetzung der Methoden

8 Beschreibung der Ausgangslage in der 4. Klasse

Im Rahmen der Eröffnungskonferenz des Schuljahres 2007/08 wurden schon im Vor-feld Überlegungen angestellt, die Organisation der Klassen so vorzunehmen, dass die Zuteilung von SchülerInnen mit Gewalt- und Aggressionstendenzen auf alle Klas-sen gleichmäßig erfolgen sollte, damit eine gewisse Ausgewogenheit bezüglich der Belastungseinflüsse auf die einzelnen Lehrkräfte herrschen sollte. Dieser Anspruch konnte jedoch nicht immer realisiert werden, da der schulstufengerechten Zuteilung absoluter Vorrang einzuräumen war.

Die 4. Klasse der Allgemeinen Sonderschule Josefinum setzte sich am Anfang des Schuljahres 2007/08 aus zwei Mädchen und sechs Knaben zusammen, wobei sechs Schüler davon schon in der 3. Klasse gemeinsam die Schulbank drückten. Ein Mäd-chen gesellte sich aus der Parallelklasse dazu, um die Diskrepanz des Geschlech-terverhältnisses ein wenig auszugleichen.

Alle SchülerInnen waren mit einem Sonderpädagogischen Förderbedarf, der vom zuständigen Bezirksschulrat der Heimatgemeinde nach Einholung der erforderlichen Gutachten und der gesetzlichen Beobachtungszeit von fünf Monaten zuerkannt wur-de, ausgestattet.

Wie fast in allen Sonderschulklassen in Kärnten wird der Unterricht von zwei Lehr-kräften abgehalten, um einerseits die Lernbedingungen und Lerninhalte besser den Bedürfnissen der SchülerInnen anzupassen und andererseits auftretende Verhal-tensauffälligkeiten sofort im Ansatz zu erkennen und im Keim ersticken zu können.

Den Lehrkräften unserer Schule werden aber noch zusätzliche Belastungsfaktoren aufgebürdet, die sich durch den Heimaufenthalt der SchülerInnen und der damit ver-bundenen temporären Trennung von der Familie ergeben.

Schon nach wenigen Wochen, wie schon im Kapitel 6.2.7 kurz angedeutet, zog ein Mädchen ihre MitschülerInnen durch indirekte Formen aggressiven Verhaltens, wie Verleumdungen, üble Nachrede und vor allem durch Widerstand gegen jegliche

Form schulischer Mitarbeit in ihren Bann. Sie setzte Aggression als Instrument zum Gewinn von Macht und Kontrolle über andere SchülerInnen ein. Das zweite Mädchen war von ihrer Vorgangsweise derart fasziniert und geblendet, dass sie ebenfalls ne-gative Reaktionen zeigte, die ihr vorher niemand zugetraut hätte.

Diesem Treiben standen wir alle, ich als Schulleiter und Klassenlehrer, meine Assis-tenzlehrerin und alle anderen Lehrkräfte, die in dieser Klasse zu unterrichten hatten, ratlos und fast hilflos gegenüber.

Nach vielen gemeinsamen Überlegungen kamen wir zu dem Entschluss, die Klasse mit der Auflage einer zeitlichen Befristung zu trennen. Die „Rädelsführerin“ wurde fortan mit zwei anderen Mitschülern, die ihr nicht so gewogen waren, von der Assis-tenzlehrerin in einem anderen Raum unterrichtet, während ich den Rest der Klasse zu übernehmen hatte. Das zweite Mädchen wurde ab sofort in der Parallelklasse un-tergebracht, was sich in Folge als günstig herausstellte, da ihre schulische und per-sönliche Entwicklung einen absolut positiven Verlauf nahm.

Mittlerweile war es Weihnachten geworden und der Entschluss meine Forschungstä-tigkeit bezüglich Prävention von Gewalt- und Aggression in die Tat umzusetzen war endgültig. Es standen zwar nur mehr fünf Knaben als „Forschungsobjekte“ zur Ver-fügung, doch die Beschreibung derer Auffälligkeiten könnte allein mehrere Bände füllen. Sie schienen mir daher geeignet zu sein, als Extrembeispiele für meine quali-tative wissenschaftliche Forschungstätigkeit als teilnehmender Beobachter im Rah-men der Aktionsforschung zu dienen.

Im Jänner 2008 begann ich mit meiner Forschungstätigkeit und machte in einem Ta-gebuch, bezüglich der Mitarbeit und Fortschritte der teilnehmenden Schüler, penible Aufzeichnungen. Mich interessierte vor allem die Wirksamkeit der eingesetzten Me-thoden in Bezug auf Prävention und Abbau von Gewalt und Aggressionstendenzen.

Am Ende jeder Übungsphase hatten die Schüler die Möglichkeit, ihre Zustimmung oder Ablehnung in einer Skala von 1 bis 5 durch Ankreuzen eines entsprechenden Symbols zu dokumentieren.

Am Anfang des zweiten Semesters wurde ein Schüler aus der separierten Gruppe in die Neuropsychiatrie des Kindes- und Jugendalters des LKH Klagenfurt überstellt, um die Ursache seines gewalt- und aggressionsgeleiteten Verhaltens abzuklären.

Somit verblieben in der kleineren Gruppe nur mehr das für die Separierung der

Klas-se verantwortliche Mädchen und ein Knabe. Meine Assistenzlehrerin und ich als Klassenlehrer hatten nun Überlegungen anzustellen, ob eine Zusammenführung der beiden getrennten Gruppen zu diesem Zeitpunkt sinnvoll wäre.

Erst im Mai 2008 konnte diese Absicht realisiert werden und die beiden wieder verei-nigten Gruppen konnten wieder als Klasse geführt werden. Meiner Forschungstätig-keit tat dies keinen Abbruch, da die Aufzeichnungen weiterhin nur die ursprünglichen fünf Schüler betrafen. Der Zeitraum für den neu hinzugekommenen Schüler und die Schülerin war einfach zu kurz bemessen, um treffende Prognosen hinsichtlich Prä-vention von Gewalt und Aggression durch Einsatz bestimmter Methoden zu erstellen.

Die Anzahl der teilnehmenden Schüler an der Aktionsforschung reduzierte sich An-fang Juni 2008 auf vier, da ein Schüler auf Grund gewalttätiger Auseinandersetzun-gen in seiner Wohngruppe eine akute Aufnahme in der Neuropsychiatrischen Abtei-lung des Kindes- und Jugendalters im LKH Klagenfurt finden musste.