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9 Einzelfallstudien

9.1 Ewald

9.1.5 Biografische und aktuelle Ressourcen

Dieser Teil gibt Auskunft über Ewalds biografische und aktuelle Ressourcen, die be-reits zu einer positiv verlaufenden Entwicklung und zu einer möglichen Problembe-wältigung beigetragen haben bzw. auf die Zukunft ausgerichtet, beitragen werden.

Ressourcen mit mittlerer Stärke sind vor allem in der Sozialkompetenz, was Selbst-behauptung, Anpassungsfähigkeit und die Fähigkeit zur Selbstkontrolle betreffen, zu finden. Dazu gesellen sich Ressourcen in gleicher Stärke bezüglich psychisch-emotionaler Zuwendung, wie Einfühlsamkeit, Geborgenheit und Trostspenden.

Ein positives Erziehungsverhalten und die Förderung unterstützender Beziehungen in der Schule, im Heim, sowie in der Freizeit tragen und trugen zu einer positiven Persönlichkeitsentwicklung Ewalds bei. Verbesserungswürdig scheint vor allem die soziale Integration im Sinne der Ausbildung eines Zugehörigkeitsgefühls zu einer Gruppe zu sein und die Erhöhung der Leistungsmotivation und -fähigkeit im Freizeit- und Sportbereich, wobei unterstützende Beziehungen zu professionellen Helfern, wie LehrerInnen, BetreuerInnen und TherapeutInnen zum Ressourcenaufbau genützt werden müssten.

9.1.6 Förderliche Methoden zur Prävention seiner Aggressions- und Gewalt-bereitschaft

Ewald hat im Forschungszeitraum von einem halben Jahr an allen Übungen teilgenommen und mit seiner Mitarbeit zu einer vollständigen Datenerhebung und -auswertung beigetragen.

Die Methoden und Praktiken wurden genau in der Reihenfolge zur Anwendung ge-bracht, wie sie ab dem Kapitel 6.4 detailliert beschrieben wurden.

Nachfolgende Tagebuchaufzeichnungen, die chronologisch und teilweise verkürzt wiedergegeben werden, sollen beispielhaft einen Einblick in sein Mitwirken und einen Aufschluss über Erfolg oder Misserfolg der eingesetzten Übungen bzw. Spiele ge-ben.

A) Entspannungsübungen, -techniken:

a) Autogenes Training - (2. und 3. Jännerwoche)

07.01.2008:

Ruheübung: (…) versucht sich im Liegen gut zu konzentrieren; kann sich fallenlassen; reagiert positiv auf die tief angelegte Stimme des Klassenlehrers; verspürt nach eigenen Angaben ein angenehmes Ruhe- und Schweregefühl; keine Störungen in den nachfolgenden Stunden gemel-det; gibt eine sehr gute Bewertung für diese Übung;

9.01.2008:

Schwereübung: (…) Ewald musste in der 2. Stunde eine Impfung über sich ergehen lassen und war dadurch in seiner Befindlichkeit leicht angeschlagen; fällt durch Unkonzentriertheit und unru-higes Gehabe auf, lässt aber seine Mitschüler in Ruhe; Übung kann ohne Probleme beendet werden; bewertet den Erfolg dieser Übung mit „Gut“; in den nachfolgenden Stunden werden kei-ne gravierenden Störungen vermerkt;

14.01.2008:

Wärmeübung: (..) kann immer besser die Anleitungen umsetzen; Gefühl der Ruhe, Schwere und Wärme wirken nach eigenen Angaben einige Zeit lang nach; positive Wirkung auf seine Konzent-ration und sein Verhalten gegenüber seinen Mitschülern; eigene Bewertung der Übung: „Sehr gut“;

Wie aus den Ergebnissen des Fragebogens hinsichtlich der Belastungsfaktoren zu entnehmen ist, spielen in Ewalds Sozialverhalten psychische Aggressionen, wie ver-bale, auf Beleidigung und Entwürdigung abzielende Reaktionen und physische Ag-gressionen, die auf eine Schädigung oder Verletzung von Personen ausgerichtet sind, eine nicht unwesentliche Rolle. Es war daher wichtig, ihm als Liegeposition eine Stelle in der Klasse zuzuweisen, wo kein unmittelbarer Sichtkontakt zu seinen Mit-schülern gegeben war und somit keine Beeinträchtigung seiner Konzentration erfol-gen konnte.

Der Einsatz des Autogenen Trainings kann durchaus als erfolgreich bewertet wer-den, da vor und während der Übung keine gravierenden Störungen aufgetreten sind und Ewald selbst die Übungen überwiegend positiv bewertete. Was mich in meiner Annahme bestärkt, das Autogene Training als probates Mittel zum Abbau von kör-perlicher Erregung und Gefühlen der Angespanntheit einzusetzen, ist die Tatsache, dass vor allem in den nachfolgenden Stunden keine Auffälligkeiten im Sinne von Gewalt- und Aggressionstendenzen vermerkt wurden.

Dennoch muss festgestellt werden, dass sich sein nach wie vor vorhandenes Ge-walt- und Aggressionspotential durch das Autogene Training ruhig stellen, aber nicht beseitigen lässt.

b) Progressive Muskelentspannung - (4. Jännerwoche)

21.01.2008:

(..) durch die Abwesenheit des ewigen Störenfrieds Peter herrscht als Ausgangsbasis eine ange-nehme und ruhige Atmosphäre; Ewald kann sich mit dieser Übung nicht anfreunden; versucht durch Zwischenbemerkungen die Übung ins Lächerliche zu ziehen; Mitschüler werden verunsi-chert; interessanterweise treten keine weiteren Störungen in den nachfolgenden Stunden auf;

eigene Bewertung der Übung: „Zufrieden stellend“;

25.01.2008:

(..) Ewald ist für diese Übung nicht empfänglich; er ist nicht in der Lage einzelne Muskelgruppen gezielt anzuspannen; kann Übungsablauf nicht internalisieren; ist für Störungen jeglicher Art of-fen; Störungen pflanzen sich in den nachfolgenden Stunden fort; eigene Bewertung der Übung:

„Nicht zufrieden stellend“;

Ewalds Belastungsfaktoren auf kognitiver Ebene und im Sozialverhalten sind Hemm-schuhe für die korrekte Ausführung der Übungen. Es gelang ihm nicht, sich auf diese Übung einzulassen, so dass seine Aktivitäten eher die Störung derselben zum Ziele hatten. Mit einer Verlegung der Sitzposition zur Einschränkung des Sichtkontakts zu seinen Mitschülern konnte auch keine Verbesserung erreicht werden.

Die Progressive Muskelentspannung scheint für Ewald, der immer unter „Strom“, im Sinne von hoher Anspannung, Überreiztheit und innerer Nervosität steht, nicht das geeignete Mittel zur Prävention von Gewalt und Aggression zu sein. Zudem sind Versagensängste als Ursache seiner Störungsbereitschaft nicht auszuschließen.

B) Spiele und Übungen zum Abbau von Unruhe und Erregung:

„Arbeitnehmer“, „Gehen wie ein alter Mann“,“ Pferderennen“, „Rhythmus-Lawine“ - (1. und 2. Feberwoche)

29.01.2008:

(…) macht pantomimische Bewegungen, so gut es geht, nach; Schwierigkeiten bei Häufung von auszuführenden Tätigkeiten; motorische Defizite werden mit bizarren Bewegungsabläufen über-tüncht; richtet dadurch die Aufmerksamkeit seiner Mitschüler auf sich; bewertet die Übung mit

„Sehr zufrieden stellend“;

01.02.2008:

(…) ist begeistert bei der Sache; Übungen erfordern keine motorischen Glanzleistungen; lechzt nach Widerholung der Übung; eigene Bewertung: „Sehr zufrieden stellend“; keine Störaktionen in den nachfolgenden Stunden vermerkt;

04.02.2008:

(…) Anordnung der Sitzposition ist entscheidend für das Aufflammen von Gewalt- und Aggressi-onsakten; eigene Entscheidung zur Sitzwahl wird akzeptiert; Ewald muss von seinem Angriffsziel Marcel möglichst weit entfernt positioniert werden; hohe Bereitschaft mitzutun; von Begeisterung beseelt; keine Störungen in den nachfolgenden Stunden vermerkt; eigene Bewertung: „Sehr zu-frieden stellend“;

07.02.2008:

(…) ruhige und entspannte Atmosphäre; Defizite im auditiven Bereich erkennbar; versucht miss-lungenes Nachklatschen durch bizarre Bewegungen zu kaschieren; zunehmend ungenaue

Ap-perzeption bei steigendem Schwierigkeitsgrad; unruhiges Verhalten bessert sich in den nachfol-genden Stunden; eigene Bewertung: „Zufrieden stellend“;

Um Ewalds aktuelle biografische Ressourcen ein wenig ins rechte Licht zu rücken, ist es angebracht, gerade bei diesen Übungen, die Förderung unterstützender Bezie-hungen zu erwähnen.

Um Ewalds „Opfer“ Marcel aus dem Schussfeld seiner fast täglichen verbalen Atta-cken zu nehmen, ist der Aufbau einer für beide Seiten erträglichen Beziehungsbasis unabdingbar. Dem Lehrer kommt dabei eine Katalysatorfunktion zu, indem er einer-seits Marcels musikalische Fähigkeiten als Unterstützung und Hilfe für Ewald anbie-ten und andererseits Marcels soziale Kompeanbie-tenz und Empathie in aufkeimenden Ag-gressions- und Gewalttendenzen hervor streichen kann.

Natürlich können Ewalds Defizite im motorischen und auditiven Bereich durch den Einsatz genannter Übungen und Spiele nicht kompensiert werden, doch für den Ab-bau von Bewegungsdrang zur Dämpfung seiner Nervosität und Unruhe, zur Schu-lung der Konzentration, der Aufmerksamkeit und der rhythmischen Erziehung eignen sie sich in hervorragender Weise. In weiterer Folge tragen sie einen kleinen Teil zur Prävention von Gewalt- und Aggression bei.

C) Spiele zum Still-Werden und Wahrnehmen

„Stillhalte-König“, „Telegrafieren“ - (3. Februarwoche)

12.02.2008:

(…) macht begeistert mit; ist vom Ehrgeiz besessen, die Spielleiterfunktion einnehmen zu können;

identifiziert sich mit der neuen Rolle als Spielleiter; erfindet selbst neue Kommandos; eigene Bewer-tung: „Sehr zufrieden stellend“; keine Störungen in den nachfolgenden Stunden vermerkt;

15.02.2008:

(…) Beachtung von Ewalds Sitzposition sehr wichtig, da Berührungsängste mitspielen können; seine freie Entscheidung zur Sitzwahl wird akzeptiert; Schwierigkeiten beim Übernehmen und Weitergeben von nicht eindeutigen Bildern oder Ziffern; bevor Eskalation von Aggression, Einschränkung auf „Tele-grafieren“ von Ziffern im Zahlenraum Hundert; gute Mitarbeit; keine gravierenden Störungen in den nachfolgenden Stunden vermerkt; eigene Bewertung: „Sehr zufrieden stellend“;

Ewalds Belastungsfaktoren offenbaren sich auch in einem gestörten Körperbewusst-sein, das nicht in der Lage ist, gut gemeinte Körperkontakte aufzunehmen, sondern sanfte Berührungen als körperlichen Angriff deutet und insofern seiner Gewalt- und Aggressionsbereitschaft Vorschub leistet.

Mit dem Einsatz dieser beiden Spiele wurde ein positiver Beitrag zum Abbau von Be-rührungsängsten und zum Aufbau eines freundschaftlichen Klimas geleistet. Durch ihre präventive Wirkung sollten sie Aufnahme im Maßnahmenkatalog zur Prävention von Gewalt und Aggression finden.

D) Spiele und Übungen zum Umgang mit Gewalt und Aggression

a) Aggressive Gefühle wahrnehmen und ausdrücken

„Wenn ich wütend bin“, „Tierisch wütend“, „Mich ärgert an dir“ - (4. Februarwoche und 1.

Märzwoche)

25.02.2008:

(…) kann sich mit dieser Übung sehr gut identifizieren; steigert sich bis zum Exzess hinein; zieht dadurch die Aufmerksamkeit seiner Mitschüler auf sich; seine bizarre Gesten verstärken ihr Inte-resse; muss durch Ermahnen in die Realität zurückgeholt werden; unruhiges Verhalten setzt sich in den nachfolgenden Stunden fort; eigene Bewertung: „Sehr zufrieden stellend“;

03.03.3008:

(…) fiktive Bedrohungen richten sich hauptsächlich auf Marcel; Ewald ist bei der friedlichen Kon-ferenz um „Schadensbegrenzung“ bemüht; versucht Vorschläge für eine gütliche Einigung einzu-bringen; keine weiten Störungen bekannt; eigene Bewertung: „Sehr zufrieden stellend“;

06.03.2008:

(…) legt seine Abneigung gegen Marcel in unmissverständlichen Worten dar; augenscheinlich ruhig in seiner Argumentation; tadelt Marcels unruhiges Sitzen und unkontrollierte Körpergeräu-sche; das facettenreiche Verhalten seiner Mitschüler wird von ihm bedingungslos akzeptiert; kei-ne weiteren massiven Störungen in den nachfolgenden Stunden; eigekei-ne Bewertung der Übung:

„Sehr zufrieden stellend“;

Alle genannten Übungen und Spiele sind im großen Topf der Interaktionsspiele zu finden, deren hauptsächliche Aufgabe darin besteht, Möglichkeiten zu eröffnen, Ge-fühle und Bedürfnisse offen auszusprechen, ohne dafür Gefahr zu laufen, mit Sankti-onen rechnen zu müssen. Ewald ist für diese Spiele sehr zugänglich, da er im Spiel seine innersten Gefühle nach außen kehren darf und er insofern sein mit Aggression und Gewalt gespicktes Handeln einigermaßen erklärbar machen kann.

Ziel der genannten sozialen Spiele und Übungen ist der Abbau von Wut und Aggres-sion, sowie die Stärkung des Selbstwertgefühls. Ewalds Belastungsfaktoren sollten dadurch minimiert und sein Gewalt- und Aggressionspotential auf einem niedrigen Level gehalten werden.

b) Ich-Stärke und Selbstwertgefühl aufbauen

„Ich bin stolz“, „Einerseits und andererseits - (2. Märzwoche)

12.03.2008:

(…) vorerst verbale Demonstration seiner Aggressionsgefühle; späteres Abschwächen und Ein-gehen auf das Thema; fühlt sich sichtlich stolz, wenn er einen persönlichen Hilfseinsatz schildert;

nachfolgende Stunden ohne Störungen; eigene Bewertung der Übung: „Sehr zufrieden stellend“;

14.03.2008:

(…) Selbstbeschreibungen anfangs auf seine negative Eigenschaften ausgerichtet; allmählicher Schwenk auf sein positiven Potentiale; merkbarer Gefühlswandel; nachfolgende Stunden ohne nennenswerten Störungen; eigene Bewertung der Übung: „Sehr zufrieden stellend“;

Der Einsatz dieser beiden Übungen rechtfertigt mein Bestreben, Ewalds biografische und aktuelle Ressourcen bezüglich des Selbstwertes und der Fähigkeit zur Selbst-kontrolle zu stärken. Sind seine Äußerungen zur Selbstbeschreibung vorerst haupt-sächlich mit negativen Zuschreibungen besetzt, um einen möglichen Einsatz von Gewalt- und Aggression zu rechtfertigen, ist ein allmählicher Schwenk, im Sinne ei-nes Hervorhebens seiner positiven Potentiale, unverkennbar. Nun gilt es diese posi-tiven Signale aufzufangen und entsprechend zu transportieren.

c) Nicht aggressive Beziehungen aufnehmen

„Gute Nacht“, „Freundschaft zaubern“ - (1. und 2. Aprilwoche)

02.04.2008:

(…) bekommt zufälligerweise seinen Widersacher Marcel als Spielpartner zugewiesen; geht er-staunlich gut mit Berührungsangst um; akzeptiert seinen „Partner“; wirkt ruhig und gelassen; kei-ne kei-nenkei-nenswerten Konflikte in den nachfolgenden Stunden; eigekei-ne Bewertung: „Sehr zufrieden stellend“;

10.04.2008:

(…) betrachtet vorerst den Effekt der Übung mit Skepsis; Reaktionen der Teilnehmer bewirken in ihm einen Meinungsumschwung; konzentriert bei der Sache; keine Störung während der Übung und in den nachfolgenden Stunden; eigene Bewertung: „Sehr zufrieden stellend“;

Die Belastungsfaktoren bezüglich anhaltender Ängste und Unsicherheiten sind E-walds stetige Begleiter. Mit den beiden genannten Übungen ist es gelungen, zumin-dest ansatzweise Berührungsängste abzubauen und Unsicherheiten, die sich auch im Nicht-Zulassen von körperlicher Nähe ausdrücken, zu minimieren und dem Ziel, seine Gefühle für andere positiv zu besetzen und nicht-aggressive Beziehungen im Sinne der Prävention von Gewalt und Aggression aufzubauen, näher zu kommen.

c) Konflikte friedlich lösen

„Streitspiele“ - (3. Aprilwoche)

16.04.2008:

(…) spontane Bereitschaft die Rolle des Täters zu übernehmen; übersteigerte Identifikation mit der Täterrolle; will Aufmerksamkeit auf sich lenken; löst allgemeine Unruhe aus; bei Rollenwech-sel kleinlaut; Opferrolle scheint ihm nicht zu behagen; ist bei Konfliktlösung wenig kreativ und bringt nicht annehmbare Vorschläge ein; fällt in nachfolgenden Stunden eher durch störendes Verhalten auf; eigene Bewertung der Übung: „Zufrieden stellend“;

In dieser Übung kommen Ewalds Beeinträchtigungen im Konfliktverhalten in der Rol-le des Täters klar zum Vorschein. Seine bereits manifestierten abnormen Vorstellun-gen von KonfliktlösunVorstellun-gen, die seines Erachtens nur durch Machtkämpfe oder Streit

beizulegen sind, werden klar widerlegt, indem er auch die Rolle des Opfers über-nehmen und eine für beide Kontrahenten annehmbare Konfliktlösung anstreben muss.

Diese Übung bot ihm die Chance zur Klärung gegensätzlicher Standpunkte und zur Verbesserung gegenseitiger Beziehungen. Er hat sie teilweise genützt.

E) Rollenspiele

„Streit in der Schule“ - Kasperlbühne mit Puppenfiguren - (4. Aprilwoche; 1. und 2. Maiwo-che)

22.04.2008:

(…) sucht sich als Spielfigur den „Räuber“ aus; kann perverse sexuelle Kraftausdrücke damit realitätsnaher unter das Volk bringen; steigert sich in die Rolle hinein; muss in seiner Spontanei-tät gebremst werden; erzeugt allgemeine Erregung und Unruhe, die in den nachfolgenden Stun-den nur wenig abklingt; eigene Bewertung des Spiels: „ZufrieStun-den stellend;

07.05.2008:

(…) sucht sich als Spielfigur das Mädchen „Gretl“ aus; muss in die Rolle eines Mädchens schlüp-fen; keine Ansätze von Gewalt oder Aggression; ist um gütliche Konfliktlösung bemüht; stellt sich auf die Seite des Opfers; keine Störungen in den nachfolgenden Stunden; eigene Bewertung der Übung: „Sehr zufrieden stellend“;

Da die Handlung des vorgegebenen Konfliktthemas „Streit in der Schule“ von den Akteuren bestimmt wird, kann nicht vorhergesagt werden, wie stark sich die Akteure mit der Rolle identifizieren. Ewald muss in der Rolle des Täters an die Einhaltung strikter Regeln erinnert werden, da er nicht in der Lage ist, seine Gefühle bei Gewalt-szenen entsprechend zu kontrollieren.

Befindet er sich aber in der Rolle des Opfers, ist er um Ausgleich und gütliche Kon-fliktlösung bemüht. Im Rollenspiel offenbart sich die durch den Perspektivenwechsel geänderte ambivalente Einstellung von Ewalds Konfliktlösungen, die mit dem Eltern-verhalten im Einklang stehen. Seine dominante Mutter, die in der Erziehung den au-toritären Stil bevorzugte und sein Vater, der stets um gerechte Konfliktlösung bemüht war, scheinen allgegenwärtig präsent zu sein und sein Verhalten virtuell zu beein-flussen.

Die Hauptaufgabe des Rollenspiels liegt darin, Ewalds soziale Ressourcen in den

„lebendig“ zu spielenden Rollen so zu stärken, dass er ohne virtuelle Einflussnahme der Eltern, sein Verhalten selbst steuern kann und kreative Entwicklungen möglich macht. Der Weg zu diesem Ziel scheint aber sehr mühsam zu sein.

F) Fantasiereisen

„Stern, Schutzengel und Sonnenschein“, „Der alte Baum und seine Freunde“, Stille aufnehmen“, „Sonnenschein - (3. und 5. Maiwoche; 1. und 3. Juniwoche)

19.05.2008; 27.05.2008; 05.06.2008;13.06.2008:

Zusammenfassend sind folgende Anmerkungen von Interesse:

(…) lässt sich alsbald in die Fantasiewelt „entführen“; entspannende Wirkung erkennbar; strahlt Ruhe und Gelassenheit aus; in der Reflexionsphase Schilderung einer Vielfalt von Eindrücken;

keine Störungen in den nachfolgenden Stunden; eigene Bewertung der Fantasiereisen: „Sehr zufrieden stellend“;

Fantasiereisen zeitigten in Ewalds Verhalten die größten Erfolge. Es sind die lebens-bejahenden und positiv vermittelten Werte, die ihm das Gefühl gaben, sein Leben sinnvoll und erfolgreich meistern zu können. Die Belastungsfaktoren, die sich manch-mal durch Gefühle der Leere, Resignation und Niedergeschlagenheit äußern, wurden dadurch im Zaume gehalten.

Zur körperlichen Regenerierung gesellte sich noch eine entspannende und beruhi-gende Atmosphäre, die nicht dazu angetan war, Gewalt und Aggressionsakte zu set-zen.

9.1.7 Resümee

Nach fast einem halben Jahr Forschungstätigkeit, in der ich Ewalds Verhalten inten-siv beobachten und dokumentieren konnte, ist infolge des kontinuierlichen Einsatzes der von mir ausgewählten Methoden, eine merkliche Änderung seines ursprüngli-chen Verhaltens eingetreten. Das heißt aber nicht, dass Ewald zum Musterknaben mutierte, sondern lediglich besser im Stande ist, mit seinen Beeinträchtigungen um-zugehen. Es gelingt ihm immer öfter, seine gewalt- und aggressionsgeladenen

Aus-brüche in den Griff zu bekommen und die Zeitspanne von einem Ausbruch bis zum nächsten auszudehnen.

Ewald war besonders empfänglich für das Autogene Training, das für den Abbau von körperlicher Erregung und Gefühlen der Angespanntheit verantwortlich zeichnet, was aber nicht bedeutet, dass sein nach wie vor vorhandenes Aggressions- und Gewalt-potential durch das Autogene Training beseitigt, sondern nur ruhig gestellt ist.

Die Progressive Muskelentspannung nach Jacobsen scheint zumindest für Ewald kein probates Mittel zur Prävention seiner Verhaltensauffälligkeiten zu sein, da seine Belastungsfaktoren einem erfolgreichen Einsatz dieser Methode entgegenstehen.

Mit den Übungen zum Abbau von Unruhe und Erregung konnten Ewalds Defizite im motorischen und auditiven Bereich zwar nicht kompensiert werden, doch für die Re-duzierung seines Bewegungsdranges zur Dämpfung der Nervosität und Unruhe, zur Schulung der Konzentration, der Aufmerksamkeit und der rhythmischen Erziehung haben sie einen positiven Beitrag zu einem gewissen Grad geleistet.

In den Spielen zum Still-Werden und Wahrnehmen wurde sein gestörtes Körperbe-wusstsein in normale Bahnen geleitet und Berührungsängste abgebaut, damit ein freundschaftliches Klima entstehen konnte, welches indirekt präventiv gegen Gewalt und Aggression gerichtet war.

Die Spiele zum Umgang mit Gewalt und Aggression dienten zur Wahrnehmung und zum Ausdruck seiner aggressiven Gefühle, zum Aufbau der Ich-Stärke und seinem Selbstwertgefühl, zur Aufnahme nicht aggressiver Beziehungen und zur friedlichen Lösung von Konflikten.

Ewald konnte trotz seiner komplexen Beeinträchtigungen einen Zugewinn von posi-tiven Einsichten verbuchen und somit seine Gewalt- und Aggressionsbereitschaft reduzieren.

Von besonderer Bedeutung für Ewalds Reduktion von Gewalt- und Aggression sind Rollenspiele und Fantasiereisen, die einen wesentlichen Beitrag zur Entspannung,

zu einer beiderseitigen akzeptablen Konfliktlösung und zu einer positiven, lebensbe-jahenden Einstellung leisteten.

Zusammenfassend kann gesagt werden, dass im Falle Ewalds, der Einsatz der ge-wählten Methoden zur Prävention von Gewalt- und Aggression gerechtfertigt und großteils von Erfolg gekrönt war.

9.2 Peter (Name geändert) 9.2.1 Familiärer Hintergrund

Peter lebt bei seiner erziehungsberechtigten Großmutter, da sein Vater nicht gewillt war, die Erziehungsrolle zu übernehmen und der Aufenthaltsort seiner leiblichen Mut-ter bis heute unbekannt ist. Die GroßmutMut-ter steht noch im Berufsleben, so dass seine Tante am Nachmittag als Aufsichtsperson fungiert.

Infolge der Überbefürsorgung ist der Blick der Großmutter für die tatsächlich vorhan-den extremen Verhaltensprobleme eingeengt. Ihrer Einschätzung nach ist Peter ein im Verhalten unauffälliges Kind. Sein Vater ist derselben Meinung, lediglich auf der Skala für aggressives Verhalten sieht er seinen Sohn im Signifikanzbereich.

Für beide gibt es keine Hinweise für eine internalisierende Störung, während alle an-deren relevanten Bezugspersonen schon im Kindergarten und im ersten Schuljahr sein auffälliges, nicht der Norm entsprechendes Verhalten, aufzeigten. Verbale Be-drohungen und sogar tätliche Angriffe auf Mitschüler und Bezugspersonen standen an der Tagesordnung, so dass er mehrmals in der Neuropsychiatrischen Abteilung des Kindes- und Jugendalters im LKH Klagenfurt, anfangs voll- und später teilstatio-näre Aufnahme fand, um vor Ort, mittels neurologischen und klinisch-psychologisch-psychopathologischen Untersuchungen, den Ursachen seines abnormen Verhaltens auf den Grund zu kommen.

Alle getroffenen Maßnahmen zum Zwecke einer positiven Verhaltensänderung

Alle getroffenen Maßnahmen zum Zwecke einer positiven Verhaltensänderung