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B) Barthel-Index

4. Ergebnisse und Diskussion

4.3 Eltern von Patienten mit schizophrenen Störungen weisen eine stärkere psychische Belastung auf als Eltern von SHT-Patienten

4.3.1 Zusammenfassung und Diskussion Entsprechend der Hypothese zeigte sich, dass

 Eltern von Patienten mit schizophrenen Störungen zum Interviewzeitpunkt stärkere posttraumatische Belastungsreaktionen berichteten und hinsichtlich ihrer Leistungsfähigkeit stärker beeinträchtigt waren als Eltern von SHT-Patienten

und dass

 Eltern von Patienten mit schizophrenen Störungen höhere 4-Wochen- und Lebenszeitprävalenzen psychischer Störungen aufwiesen. Dieser Unterschied fand sich in der Häufigkeit für Angststörungen und Störungen durch Alkohol wieder.

Diese Befunde könnten dafür sprechen, dass die Auswirkungen beider Erkrankungen für die jeweiligen Eltern ähnlich belastend sind. Für diese Interpretation der Ergebnisse würde sprechen, dass verschiedene kognitive Symptome und Verhaltensauffälligkeiten bei beiden Krankheitsverläufen auftreten können (vgl. Magliano et al., 2005). Zudem erlitt ein Großteil der Eltern von SHT-Patienten erst nach der Erkrankung des Kindes eine erste Major Depression.

Eltern von schizophrenen Patienten scheinen keine höhere Vulnerabilität für die Entwicklung depressiver Störungen aufzuweisen als Eltern von SHT-Patienten: der Unterschied in der Häufigkeit einer Major Depression vor der ersten Klinikbehandlung des Kindes wurde nicht signifikant (χ2(1) = 3,521, p = 0,061, bei zweiseitiger Testung). Die Eltern der psychiatrischen Patienten erfüllten zwar häufiger die Kriterien für eine Angststörung als die Eltern der SHT-Patienten, im Vergleich zur Allgemeinbevölkerung war die Rate aber nicht erhöht.

Für die posttraumatischen Belastungsreaktionen in Zusammenhang mit der Erkrankung des Kindes fand sich ein hypothesenkonformer Unterschied zwischen den beiden Elterngruppen.

Das Ergebnis einer höheren Belastung der Eltern von Patienten mit schizophrenen Störungen könnte dafür sprechen, dass diese Eltern durch die Erkrankung „Schizophrenie“ an sich stärker belastet sind, unabhängig von den möglicherweise ähnlichen Folgebeeinträchtigungen durch die jeweilige Erkrankung des Kindes. Stigmaerfahrungen und/oder –befürchtungen sowie Schuldgefühle der Eltern haben hier vielleicht eine Rolle gespielt, denn 48,1% der Eltern der Patienten mit schizophrenen Störungen gaben für die vergangenen sieben Tage vor der Befragung Schuldgefühle an, in der Gruppe der Eltern der SHT-Patienten waren es nur 24%.

In der Untersuchung von Magliano et al., (2005) berichteten Angehörige von Patienten mit

Bezugspersonen von körperlich Kranken. Bezeichnenderweise war die Unterstützung der Angehörigen durch ein soziales Netzwerk in Notfallsituationen bei den psychiatrischen Patienten drastisch geringer als bei den körperlich Kranken. Diejenigen Angehörigen von Patienten mit schizophrenen Störungen, die ein geringeres Ausmaß sozialer und professioneller Unterstützung angaben, litten unter einer stärkeren objektiven und subjektiven Belastung (Magliano et al., 2005).

Eine spezifische Belastungsquelle für die Angehörigen von Patienten mit schizophrenen Störungen scheint also im Vergleich zu Angehörigen von Patienten mit körperlichen Erkrankungen die geringere soziale Unterstützung darzustellen. Vorbehalte und Vorurteile von Menschen ohne Erfahrung mit psychischen Erkrankungen könnten dabei eine Rolle spielen.

Stigmatisierungserfahrungen oder –befürchtungen könnten andererseits aber auch auf der Seite der Angehörigen von psychiatrischen Patienten in einem sozialen Rückzug münden.

Zu dieser Entwicklung tragen womöglich Selbstvorwürfe und Schuldgefühle der Angehörigen zusätzlich bei. Crandall und Moriarty (1995) fanden – allerdings in Zusammenhang mit körperlichen Erkrankungen – die Tatsache einer wahrgenommenen Selbstverschuldung als ausschlaggebend für die Wahrung „sozialer Distanz“. Dahingehend könnte auch der Befund des höheren Wertes auf der Skala Vermeidung der Eltern der Patienten mit schizophrenen Störungen interpretiert werden. Es wird angenommen, dass emotionsfokussierte Copingstrategien – wie vermeidendes Coping – dann zum Einsatz kommen, wenn man aufgrund des primären Bewertungsprozesses über einen Stressor zu der Annahme gelangt, dass dieser die eigenen angenommenen Copingstrategien übersteigt. Die Folgen des Bewertungsprozesses würden in solch einem Fall negative emotionale Zustände einschließen (vgl. Raune, Kuipers & Bebbington, 2004). Hierfür würde eine positive Korrelation zwischen der Skala Vermeidung und dem Global Severity Index (GSI) für beide Elterngruppen sprechen (Eltern von Patienten mit schizophrenen Störungen: rs = 0,406, p = 0,001; Eltern von SHT-Patienten: rs = 0,453, p = 0,023).

Die beiden Elterngruppen waren hinsichtlich einiger Belastungsmerkmale in gleichem Ausmaß betroffen. Auch Magliano et al. (2005) fanden keinen Unterschied in der durchschnittlichen subjektiven Belastung von Angehörigen von Patienten mit schizophrenen Störungen und Angehörigen von Patienten mit Gehirnverletzungen. Im Vergleich zur Belastung der engsten Bezugspersonen von Patienten mit Diabetes, Herz-, Nieren- und Lungenerkrankungen war die subjektive Belastung der Angehörigen von Patienten mit schizophrenen Störungen und von Patienten mit Gehirnverletzungen am höchsten. Atkinson (1994) berichtete ebenfalls keinen Unterschied hinsichtlich Symptomen von Angst und Depressivität bei Eltern von Patienten mit schizophrenen Störungen und Eltern von Kindern, die eine Gehirnverletzung erlitten hatten.

Einen möglichen Auslöser für die Entwicklung depressiver Symptome bei Eltern von Patienten mit schizophrenen Störungen kann der wahrgenommene „Verlust des früheren Selbst des Kindes“, ein Verlust an Entwicklungsmöglichkeiten und der Beziehung zum erkrankten Kind darstellen, was wiederum zu einem Verlust von Hoffnungen und Plänen für die Zukunft des eigenen Kindes führen kann (vgl. Foldemo, Gullberg & Bogren, 2005; Miller, Dworkin, Ward &

Barone, 1990). Dass Eltern von SHT-Patienten aufgrund einschneidender Veränderungen ihres Kindes infolge der Erkrankung einen ähnlichen Trauerprozess durchlaufen, erscheint einleuchtend und wird durch Ergebnisse von Magliano et al. (2005) unterstrichen, bei dem die Hälfte der Angehörigen von Patienten mit schizophrenen Störungen oder Gehirnverletzungen von einem überdauernden Gefühl eines Verlustes berichteten. Gefühle von Trauer standen in einer Untersuchung von Eakes (1995) meist in Zusammenhang mit einer von den Eltern chronisch psychisch Kranker als nicht endend wahrgenommenen Verantwortlichkeit für das erkrankte Kind. Es gibt sogar einige Belege für eine stärker bzw. vergleichbar ausgeprägte chronische Trauer bei Verwandten eines chronisch psychisch Kranken im Vergleich zu Verwandten, die den Tod eines Angehörigen zu verkraften hatten (vgl. Atkinson, 1994; Miller et al., 1990).

Die initiale Trauerreaktion scheint zwar bei Eltern, deren Kind verstorben ist oder ein SHT erlitten hat, höher; Angehörige von Patienten mit schizophrenen Störungen scheinen aber zu einem späteren Zeitpunkt nach Ausbruch der Erkrankung durch chronische Trauer stärker belastet (vgl. Atkinson, 1994; Miller et al., 1990).

Diese Befunde unterstreichen, dass die Belastung der Eltern unabhängig von der Erkrankungsdauer des Kindes ist und sprechen für die längerfristige Notwendigkeit professioneller Unterstützung aller Eltern, unabhängig von der Erkrankung ihres Kindes, deren Dauer oder Schwere.

4.4 Mütter von Patienten mit schizophrenen Störungen sind psychisch