• Keine Ergebnisse gefunden

B) Barthel-Index

4. Ergebnisse und Diskussion

4.1 Eltern von Patienten mit schizophrenen Störungen sind im Vergleich zur Allgemeinbevölkerung psychisch stärker beeinträchtigt

4.1.4 Zusammenfassung und Diskussion

Im Sinne der Hypothese wiesen Eltern von schizophrenen Patienten im Vergleich zur Allgemeinbevölkerung

 eine höhere 4-Wochen- und Lebenszeitprävalenz für irgendeine psychische Störung, für eine Major Depression und für eine Störung in Zusammenhang mit Alkohol;

 eine höhere Belastung auf der Skala Somatisierung und hinsichtlich der Intensität der Antworten (PSDI) auf der Symptom-Checkliste und

 eine höhere Belastung auf den IES-R-Skalen Intrusionen, Vermeidung und Übererregung auf.

Die Annahme einer höheren psychischen Belastung der Eltern von Patienten mit schizophrenen Störungen im Vergleich zur Allgemeinbevölkerung konnte aufgrund der Befunde der vorliegenden Arbeit größtenteils gestützt werden. Das Ergebnis einer höheren subjektiven Belastung für den Bereich der Somatisierung steht in Einklang mit früheren Studien, welche ebenfalls eine hohe Belastung bei Angehörigen psychisch Kranker hinsichtlich Depressivität und Somatisierung fanden (vgl. Benazon & Coyne, 2000; Angermeyer et al., 1997; Reinhard, 1997;

Greenberg et al., 1993).

Die subjektiv berichteten posttraumatischen Belastungsreaktionen der Eltern der Patienten mit schizophrenen Psychosen waren im Vergleich zu einer nicht-traumatisierten Kontrollgruppe stärker ausgeprägt. Da die Eltern hier ein Referenzereignis in Zusammenhang mit der Erkrankung ihres Kindes genannt hatten (zumeist „die Krankheit an sich“), könnte dies dafür sprechen, dass die Erkrankung selbst zur psychischen Belastung der Eltern beiträgt.

Verschiedentlich wurde allerdings hinterfragt, ob IES und IES-R lediglich generellen „distress“

erfassen.

Auch in der vorliegenden Untersuchung bestand ein signifikanter Zusammenhang zwischen dem Summenwert der IES-R und dem Global Severity Index (GSI) bzw. der Globalen Leistungsfähigkeit (GAF) (rs = 0,509, p < .001 bzw. r = -0,377, p = 0,003). Ferring und Filip (1994) sahen die Skalen Intrusionen und Vermeidung als Maße, die „jeweils zu etwa gleichen Anteilen stabile interindividuelle Unterschiede zwischen den Probanden abbilden wie auch Spezifika der zu den einzelnen Messzeitpunkten realisierten Situationen Rechnung tragen“ (S.

358). Ähnlich sahen dies Maercker und Schützwohl (1998), indem sie sich ebenfalls dafür aussprachen, dass sich die IES-R in der Lage zeigt, „den Störungsbereich der posttraumatischen Symptome von anderen klinischen Beschwerden abzugrenzen“ (S. 139). Die Ergebnisse der

vorliegenden Untersuchung sprechen aufgrund der berichteten signifikanten Korrelationen zumindest für einen mäßigen Zusammenhang zwischen der IES-R und globalen Belastungskennwerten wie dem GSI und der GAF.

Die 4-Wochen- und Lebenszeitprävalenzen für irgendeine psychische Störung der Eltern der Patienten mit schizophrenen Störungen waren höher als die aus der Allgemeinbevölkerung berichteten (Jacobi et al., 2004) und sprechen für eine ausgeprägte psychische Belastung eines beträchtlichen Teils der Eltern.

Unipolare Depressionen, Angststörungen und der Missbrauch bzw. die Abhängigkeit von Alkohol befanden sich unter den häufigsten psychischen Störungen und spiegeln das in der Allgemeinbevölkerung gefundene Bild wieder (vgl. Jacobi et al., 2004; Meyer, Rumpf, Hapke, Dilling & John, 2000a). Die Somatoformen Störungen hingegen befanden sich bei den befragten Eltern im Gegensatz zur Allgemeinbevölkerung (vgl. z.B. Jacobi et al., 2004; Wittchen, Müller, Pfister, Winter & Schmidtkunz, 1999) nicht in der Gruppe der häufigsten psychischen Störungen.

Erklärt werden könnte diese Diskrepanz dadurch, dass in der Untersuchung von Jacobi et al. (2004) in der Kategorie der Somatoformen Störungen der Somatische Symptom Index (SSI 4.6) mit einer 4-Wochenprävalenz von 3,1% enthalten war. In der vorliegenden Untersuchung war dieser nicht kodiert worden. Zudem erfordert die Diagnose einer Somatoformen Störung Kenntnis über medizinische Befunde bzw. körperliche Ursachen der Beschwerden, welche in der Befragung nicht vorlagen und Grundlage der Einschätzung die Aussagen der Eltern waren. Eine gesicherte Diagnosestellung einer Somatoformen Störung war aufgrund dessen erschwert und mag zu der vergleichsweise niedrigen Prävalenzrate geführt haben.

Die 4-Wochen- und Lebenszeitprävalenzen für eine mögliche psychotische Störung der befragten Eltern waren im Vergleich zur Allgemeinbevölkerung nicht erhöht. Dieser Befund steht im Gegensatz zu Untersuchungen, in denen ein erhöhtes Risiko für psychotische Störungen bei Verwandten 1. Grades von Patienten mit schizophrenen Störungen im Vergleich zu Kontrollpersonen gefunden wurde (vgl. Kendler & Gardner, 1997; Kendler et al., 1985).

Möglicherweise nahmen von psychotischen Störungen betroffene Eltern eher nicht an der Untersuchung teil. Dafür könnte sprechen, dass für acht der in Frage kommenden Eltern (2,9%) eine Teilnahme aufgrund einer „eigenen schweren psychischen Erkrankung“ nicht möglich war.

Eine ausgeprägtere Belastung der Eltern der Patienten mit schizophrenen Störungen im Vergleich zur Allgemeinbevölkerung zeigte sich unter anderem für einen Schädlichen Gebrauch und eine Abhängigkeit von Alkohol. Die Eltern wiesen eine höhere 4-Wochen- und Lebenszeitprävalenz für Störungen in Zusammenhang mit Alkohol auf, welche vermutlich nicht

einer spezifischen Vulnerabilität der Verwandten 1. Grades von schizophrenen Patienten zuzuschreiben ist (vgl. Kendler & Gardner, 1997). Der deutliche Unterschied in den Prävalenzraten für alkoholbezogene Störungen zwischen den befragten Eltern und der Allgemeinbevölkerung könnte aber auch Ausdruck folgender Ursachen sein: ein Großteil der befragten Eltern befand sich in der Altersgruppe der 45- bis 65-Jährigen bzw. der Gruppe der 50- bis 59-Jährigen, für welche Bronisch und Wittchen (1992) sowie Meyer, Rumpf, Hapke, Dilling und John (2000b) die höchste Prävalenz für eine Alkoholabhängigkeit angaben; durch das persönliche, nicht-computerisierte Vorgehen war der Aufbau einer vertrauensvolleren Atmosphäre möglich, die es den Betroffenen vermutlich erleichterte, über schambesetzte Themen wie „Alkoholkonsum“ zu sprechen; unter den Verweigerern in anderen Untersuchungen könnten sich viele Alkoholabhängige befunden haben, die aus Scham oder Angst vor Stigmatisierung nicht an den Befragungen teilnahmen.

Bronisch und Wittchen (1992) argumentierten in eine ähnliche Richtung. Sie fanden ebenfalls eine recht hohe Lebenszeitprävalenz eines Missbrauchs bzw. einer Abhängigkeit von Alkohol (nach DSM-III) in der Allgemeinbevölkerung (13%, damals bezogen auf West-Deutschland). Die 6-Monats-Prävalenz für Alkoholmissbrauch oder -abhängigkeit war in dieser Untersuchung allerdings gering und lag bei 1,2%. Bronisch und Wittchen (1992) vermuteten, dass es den Teilnehmern leichter fiel, vergangene alkoholbezogene Symptome zuzugeben als gegenwärtige und dass sich womöglich unter den Verweigerern Personen mit alkoholbezogenen Störungen befanden.

Sowohl die 4-Wochen- als auch die Lebenszeitprävalenz für eine Major Depression war für die Eltern der Patienten mit schizophrenen Störungen im Vergleich zur Allgemeinbevölkerung deutlich erhöht. Diese Ergebnisse stehen in Einklang mit den Befunden von Angermeyer et al.

(2002), die ähnlich hohe 4-Wochen- und Lebenszeitprävalenzen für Depressive Störungen bei Eltern von Patienten mit schizophrenen Störungen fanden. Die hier befragten Eltern litten bereits vor dem 1. psychiatrischen Krankenhausaufenthalt ihres Kindes häufiger unter einer Major Depression und einer Störung in Zusammenhang mit Alkohol als die Allgemeinbevölkerung. Dies könnte für eine zugrunde liegende Vulnerabilität der Eltern für die Entwicklung von depressiven Störungen und gegen die Belastungshypothese sprechen.

Einige Autoren kamen allerdings zu dem Schluss, dass die meisten affektiven Störungen und auch Angststörungen wahrscheinlich wenig Beziehung zur Schizophrenie aufweisen (Prescott & Gottesman, 1993; Kendler, McGuire, Gruenberg, O’Hare, Spellman & Walsh, 1993;

Frangos, Athanassenas, Tsitourides, Katsanou und Alexandrakou, 1985). Dem entgegen stehen wiederum Befunde von Gershon et al. (1988), die eine höhere Prävalenz unipolarer Depressionen sowohl bei Verwandten 1. Grades von Patienten mit schizophrenen als auch von Patienten mit

schizoaffektiven Störungen im Vergleich zu Kontrollpersonen fanden. Kendler et al. (1993) berichteten eine erhöhte Auftretenswahrscheinlichkeit für irgendeine affektive Erkrankung für Verwandte von Menschen mit einer schizoaffektiven Störungen im Vergleich zu Kontrollpersonen. Maier, Lichtermann, Minges, Hallmayer, Heun, Benkert und Levinson (1993) fanden ein höheres familiäres Risiko für unipolare Depressionen bei Verwandten 1. Grades von Patienten mit schizophrenen Störungen.

Maier et al. (1993) kamen zu dem Ergebnis, dass die Depressionsraten der Verwandten bereits vor dem Beginn der Schizophrenie bzw. deren Prodrom erhöht waren und lehnten unter anderem aus diesem Grund die Erklärung eines Zustandekommens der depressiven Symptome der Angehörigen aufgrund der belastenden psychiatrischen Erkrankung des Familienmitgliedes ab.

Bei der Entwicklung einer Schizophrenie vergeht in den meisten Fällen vom Zeitpunkt des ersten produktiv-psychotischen (positiven) Symptoms bis zur ersten Klinikaufnahme durchschnittlich über ein Jahr (Häfner, 2001). Entwickelten sich die krankheitswertigen depressiven Symptome der befragten Eltern im Jahr vor der ersten Klinikaufnahme des Kindes oder danach, könnte dies für die Belastungshypothese sprechen. Betrachtete man diesen Zeitraum, so fand sich, dass über die Hälfte derjenigen Eltern, die irgendwann in ihrem Leben die Kriterien für eine Major Depression erfüllten, eine erste Episode ein Jahr vor oder nach dem 1.

Klinikaufenthalt des Kindes erlebten. Für einen Teil der Eltern kann demnach ein zeitlicher Zusammenhang zwischen der Entwicklung einer depressiven Episode und der Erkrankung ihres Kindes angenommen werden.

Diese Eltern erkrankten erstmals durchschnittlich im Alter von 47,89 Jahren (SD = 7,11;

Median = 47,50). Im DSM-IV-TR wird ein durchschnittliches Ersterkrankungsalter für eine Major Depression „um Mitte 20“ (S. 422) angegeben. Die Eltern der Patienten mit schizophrenen Störungen hatten das Risikoalter für diese Erkrankung somit bereits überschritten, als sie ihre 1. Major Depression erlitten. Auch Jacobi et al. (2004) berichteten ein niedrigeres durchschnittliches Erkrankungsalter für Depressive Störungen von 37 Jahren (Median = 31).

Das durchschnittliche Alter der Eltern, die über ein Jahr vor der 1. Klinikbehandlung des Kindes an einer 1. Major Depression erkrankt waren, war vergleichbar mit dem von Personen aus der Allgemeinbevölkerung (M = 34,50, SD = 11,45; Median = 32,50). Diese Eltern erlitten ihre erste Major Depression zu einem früheren Zeitpunkt als die Eltern, die eine erste Major Depression ein Jahr vor dem 1. Klinikaufenthalt ihres Kindes oder danach erlebten (Z = -3,386, p < 0,0001).

Dies könnte dafür sprechen, dass bei den Eltern, die zu einem späteren Zeitpunkt ihres Lebens und ein Jahr vor bzw. nach der 1. Klinikbehandlung des Kindes zum ersten Mal

erkrankten, die Entwicklung der schizophrenen Störung und die damit einhergehende Belastung für die Eltern zur Entwicklung einer Major Depression beitrug. Andererseits darf aber nicht außer acht gelassen werden, dass weitere Belastungsfaktoren (wie z.B. die Betreuung der eigenen Eltern, weiterer Kinder etc.), nicht systematisch erhoben wurden und von daher über diese keine Aussage getroffen werden kann. Signifikante Zusammenhänge zwischen einer gegenwärtigen Partnerschaft der Eltern bzw. deren Bildungsstand und deren Leistungsfähigkeit oder einer aktuellen SKID-I-Diagnose ergaben sich nicht.

Bei der Interpretation der Vergleiche zwischen den Prävalenzen psychischer Beschwerden von Krankheitswert der befragten Eltern und der Allgemeinbevölkerung ist zu beachten, dass die Erhebung in der Untersuchung von Jacobi et al. (2004) mit dem Munich Composite International Diagnostic Interview (M-CIDI; Wittchen & Pfister, 1997) durchgeführt wurde. Unterschiedliche Prävalenzraten könnten womöglich auch durch die Verwendung der unterschiedlichen Erhebungsinstrumente zustande gekommen sein. Dagegen aber spricht, dass sowohl das SKID-I als auch das M-CIDI die Kriterien nach DSM-IV zur Klassifikation psychischer Beschwerden zugrunde legen und beide Verfahren eine gute Reliabilität aufweisen (Segal et al., 1995; Wittchen, Lachner, Wunderlich & Pfister, 1998).

Die Stichprobe von Jacobi et al. (2004) umfasste Personen im Alter von 18 bis 65 Jahren.

Das Alter der untersuchten Eltern der Patienten mit schizophrenen Störungen variierte zwischen 40 und 77 Jahren. Ein Alterseffekt wurde von Jacobi et al. (2004) nur für Störungen in Zusammenhang mit psychotropen Substanzen berichtet (Personen über 34 Jahren litten weniger häufig unter einer Störung in Zusammenhang mit Substanzkonsum als Personen im Alter von 18-34 Jahren). Für die befragten Eltern fand sich zudem kein Unterschied für die 4-Wochen- und die Lebenszeitprävalenz für irgendeine psychische Störung in den Altersklassen bis bzw. über 65 Jahren, weshalb eine Vergleichbarkeit gegeben scheint.

4.2 Eltern von SHT-Patienten leiden im Vergleich zur