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In beiden Elternstichproben wurden die Symptom-Checkliste (SCL-90-R) und die Impact of Event-Skala-revidierte Version (IES-R) zur Erfassung psychischer Belastungsreaktionen verwendet. Aktuelle und vergangene psychische Symptome von Krankheitswert wurden mit Hilfe des Strukturierten Klinischen Interviews für Diagnose nach DSM-IV, Achse I (SKID-I), erhoben und zusätzlich die Skala zur Globalen Erfassung des Funktionsniveaus (GAF), Achse V des DSM-IV, erfasst. Des weiteren wurden für die Untersuchung relevante soziodemografische Merkmale der Eltern erhoben. Die verwendeten Instrumente werden im folgenden näher beschrieben.

3.1.1 Symptom-Checkliste (SCL-90-R)

Bei der SCL-90-R handelt es sich um ein Selbstbeurteilungsverfahren zur Erfassung gegenwärtiger Beeinträchtigungen auf psychischer und körperlicher Ebene. Sie besteht aus 90 Items, die den folgenden Skalen zugeordnet werden können: Somatisierung, Zwanghaftigkeit, Unsicherheit im Sozialkontakt, Depressivität, Ängstlichkeit, Aggressivität/Feindseligkeit, Phobische Angst, Paranoides Denken und Psychotizismus. Bereits in den 70-er Jahren wurde von Derogatis, Lipman und Covi (1973) eine SCL-Version mit 90 Items präsentiert, 1977 folgte die Veröffentlichung der SCL-90-R (vgl. Franke, 1995). Die Einführung der SCL-90-R im deutschsprachigen Raum erfolgte durch die Arbeit von Franke (1995).

Die SCL-90-R hat bereits in den unterschiedlichsten Bereichen Anwendung gefunden: bei Patienten im stationär-psychiatrischen Bereich, bei Patienten mit somatoformen Störungen, mit Essstörungen, Alkoholismus und sexuellen Funktionsstörungen. Sie wurde weiterhin eingesetzt, um die Situation von Frauen nach einer Abtreibung und Psychotherapieeffekte zu untersuchen.

Zunehmend findet sie auch Verbreitung in der Untersuchung der psychischen Belastungen bei Patienten mit körperlichen Erkrankungen (vgl. Franke, 1995).

Die Skalen der SCL-90-R werden im folgenden kurz näher beschrieben:

 Skala 1: Somatisierung (12 Items): Die Skala fokussiert auf die Wahrnehmung körperlicher Dysfunktionen wie z.B. Kopfschmerzen, Ohnmachts- oder Schwindelgefühlen, Herz- und Brustschmerzen, Kreuzschmerzen, Übelkeit oder Magenverstimmung etc.

 Skala 2: Zwanghaftigkeit (10 Items): Die Items dieser Skala beinhalten Fragen zu leichten Konzentrations- und Arbeitsstörungen bis hin zur ausgeprägten Zwanghaftigkeit.

 Skala 3: Unsicherheit im Sozialkontakt (9 Items): Hier beziehen sich die Items auf Gefühle der persönlichen Unzulänglichkeit und Minderwertigkeit, vor allem im Vergleich mit anderen;

die Ausprägung kann zwischen leichter sozialer Unsicherheit bis zum Gefühl völliger persönlicher Unzulänglichkeit reichen.

 Skala 4: Depressivität (13 Items): Diese Skala bezieht sich auf klinisch relevante depressive Symptome.

 Skala 5: Ängstlichkeit (10 Items): Hier haben die Items körperliche und kognitive Symptome manifester Angst zum Fokus.

 Skala 6: Aggressivität/Feindseligkeit (6 Items) beinhaltet Items, die sich auf Reizbarkeit, Unausgeglichenheit bis hin zu starker Aggressivität mit feindseligen Aspekten beziehen.

 Skala 7: Phobische Angst (7 Items) wird von Items gebildet, welche ein leichtes Gefühl von Bedrohung bis hin zur massiven phobischen Angst beschreiben.

 Skala 8: Paranoides Denken (6 Items): Die Items dieser Skala umfassen Aussagen zu Misstrauen, Minderwertigkeitsgefühlen bis hin zu starkem paranoiden Denken.

 Skala 9: Psychotizismus (10 Items) beinhaltet Items, die vom Gefühl der Isolation und Entfremdung bis hin zur Evidenz psychotischer Episoden reichen.

 Zusatzfragen: Hierbei handelt es sich um Fragen zu Appetit, Einschlafschwierigkeiten, Gedanken an Tod und Sterben, Drang zum Überessen, frühmorgendliches Erwachen, Schlafstörungen und Schuldgefühlen. Die Items sind keiner festen Skala zugeordnet und können bei Bedarf einzeln ausgewertet werden.

Alle Items werden von der Person auf einer 5-stufigen Likertskala („überhaupt nicht“, „ein wenig“, „ziemlich“, „stark“, „sehr stark“) selbstständig beantwortet. Jeder Antwortausprägung wird ein Itemwert zugeordnet (von 0 bis 4). Der zeitliche Bezugsrahmen umfasst die vergangenen sieben Tage. Die Auswertung der Items führt zu Rohwerten, welche dann in T-Werte transformiert werden können. Das Verfahren bietet zudem die Möglichkeit der Auswertung dreier Kennwerte, welche Auskunft über das Antwortverhalten über alle Items geben.

Der Global Severity Index (GSI) misst die grundsätzliche psychische Belastung, der Positive Symptom Distress Index (PSDI) misst die Intensität der Antworten und der Positive Symptom Total (PST) gibt Auskunft über die Anzahl der Symptome, bei denen eine Belastung vorliegt (vgl. Franke, 1995). Je höher der GSI-Wert, desto höher die generelle subjektive Belastung. Hessel, Schumacher, Geyer und Brähler (2001) legten „die Existenz eines varianzstarken Generalfaktors (global distress factor) nahe, der die allgemeine Symptombelastung einer Person abbildet“ (S. 27). Auch nach Derogatis und Melisaratos (1983) stellt der GSI den besten Einzelindikator des gegenwärtigen „distress levels“ dar.

Die Test-Retest-Reliabilität des Fragebogens wurde von Franke (1995) als gut eingestuft.

Die internen Konsistenzen der Skalen variierten zwischen α = .51 und α = .89. In der Untersuchung von Hessel et al. (2001) lagen die internen Konsistenzen höher und variierten zwischen α = .75 und α = .88. Insbesondere der globale Kennwert GSI zeichnete sich durch eine durchgängig sehr hohe Konsistenz von α = .94 bis α = .98 aus (Franke, 1995; Hessel et al., 2001). Die Durchführungsdauer beträgt 10-15 Minuten. T-Werte zwischen 60 und 70 zeigen eine deutlich messbare psychische Belastung, T-Werte zwischen 70 und 80 eine hohe bis sehr hohe psychische Belastung an (vgl. Franke, 1995).

3.1.2 Impact of Event-Skala - revidierte Version (IES-R)

Bei der IES-R handelt es sich ebenfalls um ein Selbstbeurteilungsverfahren zur Erfassung typischer Formen individueller Reaktionen bzw. Symptome auf extrem belastende Ereignisse (vgl. Maercker, 2003) in den vergangenen sieben Tagen. Ein Referenzereignis, auf das sich die Items beziehen, wird zu Beginn des Fragebogens erfasst.

Die IES-R wurde in der vorliegenden Untersuchung eingesetzt, um das Ausmaß der posttraumatischen Belastungsreaktionen der Eltern zum Zeitpunkt der Klinikbehandlung des Kindes unter Bezugnahme auf die Erkrankung des Kindes zu erfassen. Die englische Originalversion der Impact of Event-Skala mit den Skalen Intrusionen und Vermeidung stammt ursprünglich von Horowitz, Wilner und Alvarez (1979) und wurde zur Untersuchung von Hinterbliebenen entwickelt. Schon bald wurde sie aber zur Erfassung von psychischen Auswirkungen einer Reihe von Traumata genutzt (Sundin & Horowitz, 2000). Von Ferring und Filipp (1994) wurde eine erste deutsche Version der Impact of Event-Skala zur Erfassung

„individueller Belastungsreaktionen im Angesicht belastender Lebenssituationen“ (S. 344) präsentiert. Maercker und Schützwohl (1998) legten eine deutsche Fassung der Impact of Event-Skala-Revidierte Version (IES-R) (Weiss & Marmar, 1996) vor. In der revidierten Version wurde die Skala um eine dritte Skala des „posttraumatischen Hyperarousal“ erweitert. Die Skala besteht aus folgenden 22 Items, die den drei Skalen Intrusionen, Vermeidung und Übererregung zuzuordnen sind. Tabelle 3.1 zeigt die Items der IES-R.

Tab. 3.1. Die Items der Impact of Event-Skala - revidierte Version (IES-R) in Abhängigkeit von ihrer Skalenzuordnung nach Maercker und Schützwohl (1998)

Item Nr. Skala Intrusionen

1 Immer, wenn ich an das Ereignis erinnert wurde, kehrten die Gefühle wieder 3 Andere Dinge erinnerten mich immer wieder daran.

6 Auch ohne es zu beabsichtigen, musste ich daran denken.

9 Bilder, die mit dem Ereignis zu tun hatten, kamen mir plötzlich in den Sinn.

14 Ich stellte fest, dass ich handelte oder fühlte, als ob ich in die Zeit des Ereignisses zurückversetzt sei.

16 Es kam vor, dass die Gefühle, die mit dem Ereignis zusammen hingen, plötzlich für kurze Zeit viel heftiger wurden.

20 Ich träumte davon.

Vermeidung

5 Ich versuchte, mich nicht aufzuregen, wenn ich daran dachte oder daran erinnert wurde.

7 Es kam mir so vor, als ob es gar nicht geschehen wäre oder irgendwie unwirklich war.

8 Ich versuchte, Erinnerungen daran aus dem Weg zu gehen.

11 Ich versuchte, nicht daran zu denken.

12 Ich merkte zwar, dass meine Gefühle durch das Ereignis noch sehr aufgewühlt waren, aber ich beschäftigte mich nicht mit ihnen.

13 Die Gefühle, die das Ereignis in mir auslösten, waren ein bisschen wie abgestumpft.

17 Ich versuchte, das Ereignis aus meiner Erinnerung zu streichen.

22 Ich versuchte, nicht darüber zu sprechen.

Übererregung

2 Ich hatte Schwierigkeiten, nachts durchzuschlafen.

4 Ich fühlte mich reizbar und ärgerlich.

10 Ich war leicht reizbar und schreckhaft.

15 Ich konnte nicht einschlafen, weil ich immer dieses Ereignis vor mir hatte.

18 Es fiel mir schwer, mich zu konzentrieren.

19 Die Erinnerungen an das Ereignis lösten bei mir körperliche Reaktionen aus, wie Schwitzen, Atemnot, Schwindel oder Herzklopfen.

21 Ich empfand mich selber als sehr vorsichtig, aufmerksam oder hellhörig.

Die Items werden auf einer vierstufigen Skala („überhaupt nicht“, „selten“, „manchmal“, „oft“) vom Probanden beantwortet und mit den Werten 0, 1, 3 oder 5 gewertet (Horowitz et al., 1979;

Maercker, 2003). Die jeweiligen Skalenwerte werden durch Addition der einzelnen Itemwerte berechnet. Je höher der Skalenwert, desto höher die jeweilige Belastung. Die internen Konsistenzen sind sowohl für die Skala Intrusionen als auch für die Skala Vermeidung hoch und bewegten sich zwischen α = .72 und α = .92 bzw. zwischen α = .65 und α = .90 (Sundin &

Horowitz, 2002).

Maercker und Schützwohl (1998) gaben für die deutschsprachige Version der IES-R zufrieden stellende bis hohe interne Konsistenzen für die Skalen Intrusionen (α = .90), Vermeidung (α = .71 bis .79) und Übererregung (α = .90) an. Die Reliabilität der deutschsprachigen IES-R wurde ebenfalls als zufrieden stellend eingeschätzt (Maercker & Schützwohl, 1998). Die Retest-Reliabilitäten betrugen nach drei Monaten rtt = .80 für die Subskala Intrusionen, rtt = .66 für die Subskala Vermeidung und rtt = .79 für die Subskala Übererregung. Die Interkorrelationen der Skalen bewegten sich in Abhängigkeit von den Skalen und Stichproben zwischen r = .19 und r = .83 (Maercker & Schützwohl, 1998). Für die englische Version betrugen die Korrelationen der Skalen Intrusionen und Vermeidung in unterschiedlichen Studien durchschnittlich r = .63 (Sundin &

Horowitz, 2002).

In verschiedenen Studien war es möglich, anhand der beiden Skalen zwischen Menschen mit schweren und Menschen mit leichten Stressreaktionen zu differenzieren (Sundin & Horowitz, 2002). Die IES-Erstversion wurde nicht nur im klinisch-psychologischen Bereich eingesetzt. In der Entwicklungspsychologie der Lebensspanne wurden auch die längerfristigen Folgen von kritischen Lebensereignissen bzw. schweren Erkrankungen erfasst (Maercker & Schützwohl, 1998; vgl. Ferring & Fillipp, 1994; Fillipp, 1999).

3.1.3 Strukturiertes Klinisches Interview für Diagnose - Achse I (SKID-I) und Globale Erfassung des Funktionsniveaus (GAF)

Beim SKID-I (Wittchen, Wunderlich, Gruschwitz & Zaudig, 1997) handelt es sich um ein semistrukturiertes Interview zur Erfassung und Diagnostik psychischer Symptome und Syndrome wie sie im DSM-IV auf Achse I definiert werden. Anhand des SKID-I können folgende Achse-I-Störungen beurteilt und codiert werden:

 Affektive Störungen: Bipolar I und II, Andere (Zyklothyme Störung, Intermittierende hypomane Episoden, Manische/gemischte Episode, einer psychotischen Störung aufgesetzt), Major Depression, Dysthymie, Depression NNB, Affektive Störung aufgrund eines Krankheitsfaktors, Substanzinduzierte Affektive Störung;

 Psychotische Störungen: Schizophrenie, Schizophreniforme, Schizoaffektive, Wahnhafte, Kurze Psychotische Störung, Psychotische Störung aufgrund eines Krankheitsfaktors, Substanzinduzierte Psychotische Störung, Psychotische Störung NNB;

 Substanzmissbrauch und Substanzabhängigkeit: Alkohol, Sedativa u.a., Cannabis, Stimulantien, Opiate, Kokain, Halluzinogene, Polytoxikomanie, Andere;

 Angststörungen: Panikstörung, Agoraphobie ohne Panikstörung, Soziale Phobie, Spezifische Phobie, Zwangsstörung, Posttraumatische Belastungsreaktion, Generalisierte Angststörung, Angststörung aufgrund eines medizinischen Krankheitsfaktors, Substanzinduzierte Angststörung, Angst NNB;

 Somatoforme Störungen: Somatisierungsstörung, Schmerzstörung, Unspezifische Somatoforme, Hypochondrie, Körperdysmorphe;

 Essstörungen: Anorexia Nervosa, Bulimia Nervosa, Störung mit Essanfällen;

 Anpassungsstörungen und andere DSM-IV Störungen: Anpassungsstörung, Andere DSM-IV Störung (nur Achse I).

Für die meisten Achse-I-Störungen kann mit Hilfe des SKID-I beurteilt werden, ob im Verlauf des Lebens zu irgendeinem Zeitpunkt eine Achse-I-Störung bestanden hat (Lebenszeit) und ob die Kriterien der Störung im letzten Monat erfüllt waren (derzeitige Episode). Für die Dysthymie, die Generalisierte Angststörung, Somatisierungsstörung, Hypochondrie und Anpassungsstörung können nur gegenwärtige Episoden kodiert werden. Die Durchführungsdauer des SKID-I beträgt bei stationär psychiatrischen Patienten ca. 100 Minuten.

Bei ambulanten Patienten liegt sie bei 74 Minuten. Die ursprüngliche Version wurde von den Autoren ab dem Alter von 18 Jahren empfohlen.

In der vorliegenden Untersuchung wurden etwaige psychische Symptome von Krankheitswert für jeden Elternteil über das SKID-I sowie Achse V (Globale Erfassung des Funktionsniveaus; GAF) erfasst. In Anlehnung an Wittchen et al. (1997) wird im folgenden der Begriff der Globalen Beurteilung der Leistungsfähigkeit verwendet. Vor dem Interview wurde mit den Eltern der Screeningfragebogen mit 12 Items durchgegangen, um sich einen Überblick zu verschaffen, welche diagnostischen Kriterien voraussichtlich ausführlicher betrachtet werden sollten. Nach Wittchen et al. (1997) ist die Wahrscheinlichkeit, dass sich eine Diagnose in den einzelnen Sektionen ergibt, wenn die jeweilige Screening-Frage verneint wurde, kleiner als 1%.

Die Reliabilität des SKID-I wurde von verschiedenen Autoren als gut beschrieben (Segal, Kabacoff, Hersen, Van Hasselt & Freeman Ryan, 1995; Skre, Onstad, Torgersen & Kringlen, 1991). Zur Einschätzung der GAF werden vom Interviewer auf einer Skala von 0 bis 100 die derzeitigen „psychischen, sozialen und beruflichen Funktionen auf einem hypothetischen Kontinuum von psychischer Gesundheit bis Krankheit“ (DSM-IV-TR, S. 24) beurteilt. Je höher der Wert auf der Skala, desto höher die Leistungsfähigkeit der Person. Beurteilt wurde die Leistungsfähigkeit zum Zeitpunkt des Interviews.

3.1.4 Soziodemografische Daten in den Elternstichproben

Es wurden folgende untersuchungsrelevante Daten erfasst: Geschlecht, Alter, Familienstand, Kontaktdichte (direkt, telefonisch) des Elternteils zum erkrankten Kind (Anzahl an Stunden pro Woche in den vergangenen drei Monaten vor der gegenwärtigen Klinikbehandlung) und Wohnsituation (ob das erkrankte Kind in den vergangenen drei Monaten vor der aktuellen Klinikeinweisung im Haushalt der befragten Person lebte).