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Patientenmerkmale als Prädiktoren der Belastung Angehöriger Aufgrund der großen Vielfalt der Symptome, die in unterschiedlichen Phasen der Erkrankung

variieren, werden auch die Probleme der Angehörigen variieren (Oldridge & Hughes, 1992).

Inwieweit die Schwere der Erkrankung des Patienten Einfluss auf die Belastung von Angehörigen nimmt, war wiederholt Gegenstand von Untersuchungen. Je stärker Patienten durch die Schizophrenie beeinträchtigt sind, desto mehr praktische Unterstützung benötigen sie im Alltag (z.B. Unterstützung bei Gesprächen mit Arbeitgebern oder Vermietern, bei der Haushaltsführung und Körperpflege oder Tagesstrukturierung) (Jungbauer et al., 2004).

In einigen Studien zeigte sich ein positiver Zusammenhang zwischen der Symptomausprägung des Patienten und dem Ausmaß der Belastung der Angehörigen. Eltern, deren Kinder andauernde und schwere Beeinträchtigungen ihres psychosozialen Funktionsniveaus erfuhren, wiesen eine über die Zeit besonders hohe subjektive Belastung auf

(Jungbauer, Wittmund, Dietrich & Angermeyer, 2003). Je stärker die Symptomausprägung, desto häufiger berichteten Eltern von Verlustgefühlen (z.B. eigene Pläne aufgegeben haben zu müssen), Sorge (generelle Sorgen und Sorgen um den gesundheitlichen Zustand des Kindes oder was die zukünftige Betreuung anbelangt), von Furcht (z.B. vor auto- oder fremdaggressivem Verhalten des Kindes) und Stigmatisierungsbefürchtungen (Ausmaß der Vermeidungshaltung der Eltern, über den Zustand des Kindes zu sprechen) (Pickett et al. 1995). Ebenso berichtete Reinhard (1994), dass das Ausmaß symptomatischen Verhaltens des Patienten in den sechs Monaten vor der Befragung den aussagekräftigsten Prädiktor für die Belastung der Eltern darstellte.

Der Gesundheitszustand des erkrankten Kindes erwies sich auch in der Untersuchung von Angermeyer et al. (2001) als Prädiktor für die Beeinträchtigung der Eltern: Je schlechter der Gesundheitszustand des Patienten, desto stärker die Beeinträchtigung seitens der Eltern.

Allerdings basierte die Einschätzung der Krankheitsschwere bzw. des Verhaltens oder der gesundheitlichen Verfassung der Patienten in den drei letztgenannten Studien auf Einschätzungen der Eltern.

Oldridge und Hughes (1991) sprachen sich dafür aus, dass Bezugspersonen von Betroffenen, deren Psychose kürzlich ausbrach, wahrscheinlich aufgrund der positiven psychotischen Symptome beträchtlichen Stress erfahren, und Bezugspersonen von Patienten mit chronischem Verlauf aufgrund der weniger offensichtlichen Probleme und Symptome belastet sind. In der Untersuchung von Czuchta und McCay (2001) stieg mit der Zunahme der Symptome des Patienten auch die Belastung der Eltern an. Dies könnte u. a. daran liegen, dass sich für Angehörige oft wenig Gelegenheit zu Entspannung und Erholung bietet, was bei vielen von ihnen zu einem Zustand zunehmender emotionaler und körperlicher Anspannung führt. Auf diesen chronischen Anspannungszustand kann wiederum eine Schwächung der psychischen und körperlichen Gesundheit folgen (Jungbauer & Angermeyer, 2002). So fanden Winefield und Harvey (1993), dass ein großer Teil der Angehörigen von Patienten mit einer chronisch verlaufenden schizophrenen Störung unter hohem psychologischem distress litt und selbst krankheitswertige psychische Symptome erfuhr.

Mueser, Valentiner und Agresta (1997) betonten, dass Patienten und ihre Angehörigen häufiger mit Problemen durch die Negativsymptomatik des Patienten als mit dessen positiven Symptomen konfrontiert seien. Es gibt einige Hinweise darauf, dass negative Symptome des Patienten für Angehörige mehr Belastung mit sich bringen als Positivsymptome (Dyck et al., 1999; Provencher & Mueser, 1997). Provencher und Mueser (1997) fanden für die wahrgenommene Schwere der positiven Symptome Zusammenhänge mit der subjektiven Belastung von Angehörigen, wohingegen sich für die Ausprägung der negativen Symptome ein

Zusammenhang sowohl mit der objektiven als auch mit der subjektiven Belastung zeigte.

Entscheidend für die berichtete objektive Belastung der Angehörigen durch die Negativsymptomatik schien die Verantwortlichkeitszuschreibung hinsichtlich der Symptome durch die Angehörigen zu sein: Bezugspersonen, die den Patienten eine geringe Verantwortung für die negativen Symptome zuschrieben, berichteten von einer höheren objektiven Belastung. Es wird aber auch vermutet, dass negative Symptome einen stärkeren Einfluss auf die Rollenerfüllung des Patienten haben und so zu einer höheren objektiven Belastung führen (Provencher & Mueser, 1997). Mueser, Webb, Pfeiffer, Gladis und Levinson (1996) fanden hingegen keinen Unterschied im jeweiligen distress der Bezugspersonen psychisch Kranker in Abhängigkeit von negativen oder positiven Symptomen.

Die Beziehung zwischen der Ausprägung der Negativsymptomatik und der subjektiven Belastung reflektiert womöglich das schmerzliche Erkennen der Einschränkungen, die dem Patienten durch die Erkrankung auferlegt werden (Provencher & Mueser, 1997) und im Verlauf der Erkrankung bei Angehörigen zu chronischer Trauer führen können (Atkinson, 1994).

Diesen Befunden, die einen Zusammenhang zwischen der Symptomausprägung der Patienten und der Belastung ihrer Angehörigen berichteten, stehen Untersuchungen entgegen, die keinen Zusammenhang zwischen der Krankheitsschwere des Patienten und der Belastung ihrer Angehörigen fest machen konnten (Harvey, Burns, Fahy, Manley & Tattan, 2001; Möller-Leimkühler, 2004; Scazufca & Kuipers, 1999; Solomon & Draine, 1995a,b).

Der Konsum von Alkohol oder illegalen Drogen ist bei Patienten mit schizophrenen Störungen (insbesondere bei denjenigen mit einem chronischen Verlauf) weit verbreitet (Häfner, 2001). Die typischen Merkmale eines Patienten mit Doppel-Diagnose sind: männliches Geschlecht, jüngeres Alter, Obdachlosigkeit, mehr positive und weniger negative Symptome, stärkere affektive Beeinträchtigungen, erhöhte Suizidrate, bessere prämorbide Anpassung, häufigere Behandlungsresistenz, geringere Medikamenten-Compliance, ausgeprägtere tardive Dyskinesien, häufigeres Nichtansprechen auf Neuroleptika und eine höhere Dosierung, häufigere Klinikeinweisungen und häufigere Entlassungen gegen ärztlichen Rat, höhere Gewaltraten und jüngeres Alter bei Ersthospitalisierung (für eine Übersicht siehe Scheller-Gilkey, Lewine, Caudle

& Brown, 1999).

Vaddadi, Soosai, Gilleard und Adlard (1997) fanden, dass die meisten Angehörigen psychiatrischer Patienten im Verlauf der Erkrankung in irgendeiner Form verbale oder sogar körperliche Gewalt durch das erkrankte Familienmitglied erfuhren. Die Diagnose einer Schizophrenie und Substanzgebrauch von Alkohol und insbesondere Cannabis erhöhte die

zusätzlich. Die erfahrenen Misshandlungen standen in positivem Zusammenhang mit dem Ausmaß der berichteten Belastungen der Angehörigen. Dem gegenüber stehen Befunde, dass der Substanzkonsum von Patienten keinen Prädiktor für die subjektive Belastung bei Angehörigen von Patienten mit schizophrenen Störungen darstellte (Lauber et al., 2002).

Nichtsdestotrotz gibt es beträchtliche Belege dafür, dass Substanzmissbrauch einen Hauptrisikofaktor für Gewalt und Aggression bei Patienten mit psychischen Erkrankungen, insbesondere bei Patienten mit schizophrenen Störungen, darstellt (Soyka, 2000). Es ist außerdem davon auszugehen, dass Patienten, die einen komorbiden Substanzkonsum betreiben, unter stärkeren positiven Symptomen leiden (vgl. Sokolski, Cummings, Abrams, DeMet, Katz & Costa, 1994).

In einer Untersuchung von McDonell, Short, Berry und Dyck (2003) erwiesen sich hingegen nicht ein Substanzkonsum der Patienten, sondern deren jüngeres Alter, geringe familiäre Ressourcen und das Wissen der Familie um Suizidideationen der Patienten als Prädiktoren der Belastung der Angehörigen. Auch Vaddadi et al. (1997) berichteten, dass sich Hinweise ergaben, dass jüngere Patienten ihren Angehörigen gegenüber häufiger ausfallend waren als ältere. Dyck et al. (1999) fanden ebenfalls einen Zusammenhang zwischen einem jüngeren Alter der Patienten und einer stärkeren Belastung der Angehörigen. Wobei ja davon ausgegangen werden muss, dass es sich bei den jüngeren Patienten häufig um Ersthospitalisierte handelte.

Neben der Erfassung der subjektiven und objektiven Belastung und des distress der Angehörigen wurden in den letzten Jahren auch zunehmend körperliche und psychische Beeinträchtigungen der Angehörigen in Zusammenhang mit einer psychischen Erkrankung eines Familienmitgliedes erfasst. Im folgenden Abschnitt werden Befunde hierzu dargestellt.

2.1.4.5 Psychische und körperliche Beeinträchtigungen der Angehörigen