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Die aktuelle psychische Belastung der Eltern lässt sich aus den Prädiktoren Geschlecht, Alter und Wohnsituation der Eltern,

B) Barthel-Index

4. Ergebnisse und Diskussion

4.9 Die aktuelle psychische Belastung der Eltern lässt sich aus den Prädiktoren Geschlecht, Alter und Wohnsituation der Eltern,

Krankheitsschwere und –dauer und Substanzkonsum des erkrankten Kindes vorhersagen.

Für die psychische Belastung der Eltern (definiert über GAF, GSI, IES-R, SKID-I-Diagnose) wurde jeweils ein Modell mit den Prädiktoren ALTER DER ELTERN, GESCHLECHT DER ELTERN, WOHNSITUATION DER ELTERN und SUBSTANZKONSUM DES KINDES berechnet, da diese Prädiktoren sich in Einzeltests zuvor als bedeutsam erwiesen hatten. Die Krankheitsschwere und –dauer gingen nicht in die Analysen mit ein. Abgesehen von der signifikanten negativen Korrelation zwischen der Wohnsituation und dem Alter der Eltern (rs = -0,275, p = 0,012) bestanden keine Zusammenhänge zwischen den Prädiktorvariablen. Die jüngeren Eltern hatten vor dem aktuellen Klinikaufenthalt häufiger mit ihrem erkrankten Kind zusammen gelebt als die älteren (χ2(1) = 6,216, p = 0,013).

Zur Veranschaulichung sind in Tabelle 4.16 Korrelationen zwischen der Globalen Leistungsfähigkeit (GAF) der Eltern, deren subjektiver psychischer Belastung sowie Patienten- und Elternvariablen dargestellt.

Tab. 4.16. Rangkorrelationen zwischen der psychischen Belastung der Eltern von Patienten mit schizophrenen Störungen und Eltern- und Patientenvariablen

GAF GSI Intrusion1 Vermeidung1 Übererregung1 Elternvariablen

Alter 0,289** -0,286** -0,133 -0,110 -0,116

Geschlecht2 0,226* -0,192 -0,205 -0,012 -0,101

Wohnsituation3 0,089 -0,061 0,049 -0,078 0,073

Patientenvariablen

GAF 0,092 0,039 0,178 0,078 0,056

S-C-Skala 0,078 0,054 0,257* -0,045 0,226

Substanzkonsum4 -0,287** 0,210 0,084 0,084 0,048

Störungsdauer5 0,051 0,021 0,025 0,228 0,060

Alter 0,235* -0,214 -0,097 -0,077 -0,067

Anmerkung. ** p<0,01, *p<0,05; 1 n=64; 2 0=Mütter, 1=Väter; 3 0=Elternteil lebte nicht in einem gemeinsamen Haushalt mit dem erkrankten Kind, 1=Elternteil lebte mit dem erkrankten Kind in selben Haushalt; 4 0=Patient betrieb keinen Substanzkonsum vor aktueller Klinikaufnahme, 1=Patient konsumierte Alkohol oder Drogen vor der aktuellen Aufnahme; 5 Jahre seit der Ersthospitalisierung des Patienten.

Das Modell mit den o. g. Prädiktoren klärte 40,2% der Varianz der Variable Globale Leistungsfähigkeit (GAF) auf. Dazu trug die Variable SUBSTANZKONSUM signifikant bei

(F(1,53) = 7,21, p = 0,0097). Des weiteren erwies sich die 2-fach-Interaktion ALTER DER ELTERN x WOHNSITUATION als signifikant (F(1,16) = 7,43, p = 0,0150).

Der Post-hoc-Test zeigte einen Unterschied zwischen jüngeren Eltern, die in einem gemeinsamen Haushalt mit dem erkrankten Kind lebten und jüngeren Eltern, deren Kind außerhalb lebte: letztere wiesen eine stärkere Beeinträchtigung auf. Die jüngeren Eltern, die nicht mit dem erkrankten Kind zusammen lebten, wiesen auch eine stärkere Beeinträchtigung ihrer Leistungsfähigkeit auf als ältere Eltern, die mit dem erkrankten Kind zusammen lebten. Die Belastung von jüngeren und älteren Eltern, die mit ihrem erkrankten Kind zusammen lebten, unterschied sich nicht.

Die 2-fach Interaktion WOHNSITUATION x SUBSTANZKONSUM wurde ebenfalls signifikant (F(1,16) = 6,83, p = 0,0188). Der Post-hoc-Test bestätigte, dass Eltern, die mit einem

„konsumierenden Kind“ in einem Haushalt lebten, stärker beeinträchtigt waren als Eltern, deren erkranktes Kind zwar ebenfalls zu Hause lebte, aber keinen Substanzkonsum betrieb.

Bei näherer Betrachtung der signifikanten 3-fach-Interaktion GESCHLECHT x ALTER DER ELTERN x WOHNSITUATION (F(1,16) = 10,857, p = 0,0046) zeigte der Post-hoc-Test, dass die jüngeren Eltern, die nicht mit dem erkrankten Kind zusammen lebten, stärker beeinträchtigt waren als die älteren Väter in der selben Situation; von den älteren Müttern unterschieden sie sich dagegen nicht.

Das o.g. Modell klärte für die Abhängige Variable GSI 20% der Varianz auf. Die 2-fach-Interaktion ALTER DER ELTERN x WOHNSITUATION erwies sich auch zur Vorhersage des GSI als signifikant (F(1,16) = 6,261, p = 0,0236). Auch hier zeigte der Post-hoc-Test, dass jüngere Eltern, deren erkranktes Kind nicht im elterlichen Haushalt lebte, eine stärkere Belastung berichteten als jüngere Eltern, deren Kind zu Hause lebte und als ältere Eltern, deren Kind ebenfalls nicht zu Hause lebte. Die besagte Gruppe der jüngeren Eltern unterschied sich in ihrer Belastung aber wiederum nicht von älteren Eltern, deren Kind bei ihnen lebte. Lebte das erkrankte Kind im gemeinsamen Haushalt, bestand kein Unterschied zwischen jüngeren und älteren Eltern.

Die 2-fach Interaktion ALTER DER ELTERN x SUBSTANZKONSUM erwies sich ebenfalls als signifikant (F(1,16) = 8,99, p = 0,0085). Jüngere Eltern, deren Kind vor der aktuellen Klinikaufnahme nicht konsumierte, wiesen eine höhere Belastung auf als ältere Eltern, deren Kind nicht konsumierte. Eltern, deren Kind vor der Aufnahme einen Substanzkonsum betrieb, unterschieden sich hinsichtlich ihrer Belastung i. S. des GSI nicht.

Für die Skala Intrusionen klärte das Modell 21,6% der Varianz auf. Der Effekt für das GESCHLECHT DER ELTERN wurde nicht signifikant (F(1,16) = 3,75, p = 0,071). Für die Skala Vermeidung konnte mit dem Modell 71,7% der Varianz aufgeklärt werden. Hier wurde der Effekt für die Prädiktorvariable WOHNSITUATION nicht signifikant (F(1,16) = 3,81, p = 0,069). Für die Skala Übererregung konnte das Modell 33,5% der Varianz aufklären. Keiner der Prädiktoren und keine ihrer Interaktionen erwiesen sich als signifikant. Das selbe galt für den Summenwert der IES-R, hier konnte das bekannte Modell 45,6% der Varianz erklären, ohne weitere mögliche Spezifizierung.

Zur Vorhersage einer gegenwärtigen psychischen Störung der Mütter erwies sich die Wohnsituation als bedeutsam. Lebte das Kind mit im Haushalt, waren gegenwärtige psychische Symptome von Krankheitswert der Mütter weniger wahrscheinlich. Insgesamt klärte das Modell 19,5% der Varianz auf (Nagelkerkes R2; Nagelkerke, 1991). Die Prädiktoren SUBSTANZKONSUM und ALTER DER MÜTTER erwiesen sich als nicht bedeutsam. Tabelle 4.17 zeigt eine Übersicht der Ergebnisse.

Tab. 4.17. Multiple logistische Regressionsanalyse für die Entwicklung von gegenwärtigen psychischen Symptomen von Krankheitswert der Mütter von Patienten mit schizophrenen Störungen

Prädiktor OR 95% CI Wald p

Wohnsituation1 0,152 0,034-0,676 6,129 0,013

Alter 0,983 0,911-1,061 0,189 0,664

Substanzkonsum2 1,174 0,340-4,055 0,064 0,800

Anmerkung. 1 0=Mutter lebte mit dem erkrankten Kind in einem gemeinsamen Haushalt, 1=das erkrankte Kind lebte nicht im Haushalt der Mutter; 2 0=das erkrankte Kind betrieb vor dem aktuellen Klinikaufenthalt keinen exzessiven Substanzkonsum, 1=das erkrankte Kind betrieb vor dem aktuellen Klinikaufenthalt einen exzessiven Substanzkonsum.

Zur Aufklärung des Zustandekommens einer aktuellen Major Depression, Alkoholproblematik oder Angststörung der Mütter trugen die Prädiktorvariablen nicht bei. Bei den gegenwärtigen Angststörungen der Mütter wurde der Effekt der Wohnsituation nicht signifikant (W = 3,523, p = 0,061). Bezog man die Information einer „vorausgegangen Major Depression“ zur Vorhersage einer gegenwärtigen Major Depression der Mütter mit ein, so erklärte das Modell 21% der Varianz. Mütter, die zuvor bereits unter einer Major Depression gelitten hatten, erfüllten zum Interviewzeitpunkt wahrscheinlicher die Kriterien für eine Episode (OR = 7,14, CI 95% 1,175-43,39).

Die in die Analyse eingegangenen Prädiktoren erwiesen sich als nicht relevant zur Erklärung irgendeiner psychischen Störung der Väter zum Interviewzeitpunkt. Das selbe galt für die Betrachtung einer gegenwärtigen Major Depression, Angststörung oder Alkoholproblematik.

Das Vorhandensein einer „vergangenen Major Depression“ erwies sich für die Väter der Patienten mit schizophrenen Störungen nicht als signifikanter Prädiktor zur Vorhersage einer aktuellen Major Depression.

4.9.1 Zusammenfassung und Diskussion

 Ein Substanzkonsum des erkrankten Kindes hatte einen entscheidenden Einfluss auf die Leistungsfähigkeit (GAF) der Eltern und erwies sich in Interaktion mit dem Alter der Eltern auch zur Vorhersage der subjektiven psychischen Belastung (GSI) der Eltern als bedeutsam.

 Das Alter der Eltern und deren Wohnsituation erwiesen sich in Interaktion (miteinander und mit anderen Variablen) ebenfalls als signifikante Prädiktoren zur Vorhersage der Leistungsfähigkeit und der subjektiven psychischen Belastung der Eltern.

 Geschlecht oder Alter der Eltern hatten als unabhängige Prädiktoren keinen Einfluss.

 Die posttraumatischen Belastungsreaktionen der Eltern ließen sich nicht vorhersagen.

Wie auch in den Einzeltests erwies sich die Variable SUBSTANZKONSUM des erkrankten Kindes nicht für alle abhängigen Variablen als signifikanter Prädiktor. Der zuvor berichtete positive Zusammenhang zwischen einem Substanzkonsum der Patienten und der Leistungsfähigkeit der Eltern fand sich aber in den Ergebnissen des berechneten Modells bestätigt.

Auch für die Variable GSI zeigte sich ein Effekt der Variable in Interaktion mit dem Alter der Eltern. Der Befund, dass jüngere Eltern, deren Kind keinen Substanzkonsum betrieb, stärker belastet waren als die älteren Eltern mit erkrankten Kindern ohne komorbide Substanzproblematik, könnte daran liegen, dass für die Eltern das Erklärungsmodell „Alkohol- oder Drogenkonsum“ zur Entstehung der schizophrenen Störung nicht zur Verfügung stand und sie womöglich durch die neu aufgetretene Symptomatik des Kindes stärker belastet waren. Ältere Eltern hatten bereits länger Zeit, sich mit der Diagnose einer schizophrenen Störung auseinanderzusetzen, diese zu akzeptieren und Erfahrungen im Umgang mit den Symptomen zu sammeln. Holzinger et al. (2001) berichteten, dass die Einnahme von Alkohol und Drogen von allen in ihrer Untersuchung befragten Angehörigen als Ursache für die Entstehung der

Schizophrenie genannt wurden. Ein Wegfall dieser Erklärungsmöglichkeit mag für Eltern somit eine Belastung darstellen.

Jüngere Eltern waren stärker belastet, wenn das Kind nicht mit im eigenen Haushalt lebte.

Dies stützt die Hypothese, dass jüngere Eltern unter stärkeren Sorgen, Ängsten und Verlustgefühlen leiden, wenn das Kind außerhalb des elterlichen Haushalt lebt als ältere, die bereits seit längerer Zeit Erfahrung im Umgang mit der Erkrankung haben. Was die Beeinträchtigung der Globalen Leistungsfähigkeit betraf, so waren die älteren Mütter, deren Kind außerhalb lebte, im selben Ausmaß betroffen wie die jüngeren Eltern in dieser Wohnsituation.

Dies könnte dafür sprechen, dass die älteren Mütter, auch wenn das Kind außerhalb lebt, stärker in dessen Betreuung eingebunden und aufgrund dessen stärker belastet sind als ältere Väter.

Für die Skalen der IES-R ließ sich kein signifikanter Effekt der Prädiktorvariablen nachweisen. Dieser Befund spiegelt die zuvor berichteten Ergebnisse der Einzelvergleiche wieder, in denen die Skalen der IES-R keinen Zusammenhang zu Alter, Geschlecht und Wohnsituation der Eltern und dem Substanzkonsum des erkrankten Kindes aufwiesen.