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Ein Großteil der Angehörigen psychisch Kranker war in der Untersuchung von Angermeyer et al. (1997) der Ansicht, dass sich die Belastung aufgrund der Erkrankung eines Familienmitgliedes negativ auf ihre Gesundheit auswirkte, wobei insbesondere Grübeln, innere Unruhe, Reizbarkeit, Mattigkeit und Schlaflosigkeit genannt wurden. Dyck et al. (1999) untersuchten die Auswirkungen schizophrener Erkrankungen eines Familienmitgliedes auf den Gesundheitszustand ihrer Angehörigen. Die positiven Symptome des Patienten sagten das Vorhandensein einer Infektionskrankheit bei den Angehörigen voraus, wohingegen die

Zufriedenheit der Angehörigen mit ihrer sozialen Unterstützung die Abwesenheit derselben vorhersagte. Je mehr Sorge, Angst vor Stigmatisierung oder objektive Belastung Mütter von Patienten mit schizophrenen Störungen wahrnahmen, desto schlechter bewerteten sie in einer Untersuchung von Greenberg, Greenley, McKee, Brown und Griffin-Francell (1993) ihren eigenen Gesundheitszustand.

Bezugspersonen wiesen zudem selbst häufig psychisch beeinträchtigende Symptome auf.

In verschiedenen Studien litten 29 bis 60% an krankheitswertigen psychischen Beschwerden (Oldridge & Hughes, 1992; Winefield & Harvey, 1993). Barrowclough und Parle (1997) fanden in ihrer Untersuchung zum Zeitpunkt der Klinikeinweisung des erkrankten Familienmitgliedes bei über der Hälfte der Angehörigen ausgeprägte psychische Beschwerden. Etwa 1/3 derer, die schon zu Beginn der Behandlung des Familienmitgliedes stark belastet waren, waren dies noch immer einen Monat nach der Entlassung des Patienten (Barrowclough & Parle, 1997). Unter psychischen Beeinträchtigungen litten in der Untersuchung von Laidlaw et al. (2002) sowohl Angehörige, die in einem gemeinsamen Haushalt mit dem Patienten lebten, als auch Angehörige, die separat lebten.

Als Prädiktor für die psychischen Beschwerden von Angehörigen von psychiatrischen Patienten erwies sich in der Studie von Noh und Turner (1987) lediglich die Variable „mastery“, womit die individuelle Überzeugung einer Person gemeint ist, inwieweit sie anstehende Situationen erfolgreich meistern wird. Je länger der Patient zu Hause lebte, desto stärker erwies sich hier die Belastung der Angehörigen. Tucker, Barker und Gregoire (1998) berichteten zudem von positiven Zusammenhängen zwischen depressiven und Angstsymptomen bei Patienten mit einer schizophrenen oder schizoaffektiven Psychose und einer höheren psychischen Belastung ihrer Bezugspersonen. Bei einem Teil der Angehörigen fand auch Reinhard (1994) klinisch relevante depressive Symptome, wobei diese einen Zusammenhang zum Belastungserleben und zu den körperlichen Beeinträchtigungen der Angehörigen aufwiesen (Reinhard, 1994). Benazon und Coyne (2000) berichteten, dass PartnerInnen depressiver Patienten eine höhere Depressivität aufwiesen als Personen der Allgemeinbevölkerung, und ein kleiner Teil von ihnen erfüllte die Kriterien für einer gegenwärtigen Episode einer Major Depression. Weibliche Angehörige wiesen in dieser Untersuchung eine höhere Depressivität auf als männliche und tendenziell auch eine höhere Belastung.

Mitentscheidend für eine stärkere Ausprägung psychischer Beeinträchtigungen von Angehörigen schien die Tatsache zu sein, ob es sich um die erste Episode einer schizophrenen Psychose handelte (Martens & Addington, 2001). Diese Aussage wird durch die Ergebnisse der Untersuchung von Vaddadi et al. (1997) unterstrichen: bei nahezu 80% der Angehörigen

ersthospitalisierter psychotischer Patienten waren krankheitswertige psychische Symptome auffindbar (Vaddadi et al., 1997). Lowyck, De Hert, Peeters, Wampers, Gilis und Peuskens (2004) sprachen sich dafür aus, dass die Hauptbezugspersonen von Patienten mit schizophrenen oder schizoaffektiven Psychosen, eine zusätzliche Belastung erfahren, da sie sich insbesondere im ersten Jahr der Erkrankung nicht nur um den erkrankten Angehörigen sorgten, sondern auch darum, wie andere Familienmitglieder mit der psychischen Erkrankung des Betroffenen zurecht kamen.

Gallagher und Mechanic (1996) berichteten einen zwar signifikanten aber schwachen positiven Zusammenhang zwischen der Dauer der Erkrankung eines psychisch kranken Familienmitgliedes und der subjektiv wahrgenommenen gesundheitlichen Beeinträchtigungen der Angehörigen. In der Untersuchung von Harvey et al. (2001) schien für die Ausprägung psychischer Beeinträchtigungen die Bewertung der Betreuung entscheidend zu sein: Angehörige, die die Betreuung negativer bewerteten, zeigten eher krankheitswertige psychische Symptome, als Angehörige, die die Betreuung nicht so negativ bewerteten. Zwischen der Schwere der Symptomatik des Patienten und den berichteten psychischen Beeinträchtigungen der Angehörigen wurde kein Zusammenhang gefunden. Eher scheint eine „Vorbelastung“ der Bezugspersonen von kranken Angehörigen mitentscheidend für die Entwicklung psychischer Beschwerden dieser zu sein. Russo, Vitaliano, Brewer, Katon und Becker (1995) berichteten, dass Bezugspersonen mit einer eigenen psychischen Erkrankung vor Beginn der Erkrankung eines Familienmitgliedes nach dessen Erkrankungsbeginn wahrscheinlicher eine depressive Episode entwickelten als Angehörige ohne eine psychische Störung in der Vorgeschichte.

Wittmund, Wilms, Mory und Angermeyer (2002) fanden keinen Unterschied hinsichtlich der Lebenszeit- und der 4-Wochenprävalenz irgendeiner psychischen Störung bei PartnerInnen von Patienten mit Angststörungen, Depressionen oder Schizophrenien und der Allgemeinbevölkerung. Allerdings wiesen die PartnerInnen im Vergleich zu Personen aus der Allgemeinbevölkerung hinsichtlich der Lebenszeit-, der Ein-Jahres- und der 4-Wochenprävalenz höhere Prävalenzraten für Depressionen auf. Als einflussreichster Prädiktor einer Depression für alle Prävalenzzeiträume erwies sich das weibliche Geschlecht. Die Schwere der Funktionsbeeinträchtigung des Patienten zeigte sich für die 4-Wochen-Prävalenz als unabhängiger Prädiktor einer Depression der Angehörigen; die Art der Erkrankung des Patienten hatte hingegen keinen entscheidenden Einfluss auf die Belastung der Angehörigen (Wittmund et al., 2002).

Jungbauer, Mory und Angermeyer (2002) berichteten über psychische und psychosomatische Beeinträchtigungen bei Eltern und Partnern von Patienten mit einer

schizophrenen Störung. Zur Vorhersage der Ausprägung der psychosomatischen Beschwerden der Angehörigen erwiesen sich die derzeitige Beeinträchtigung des Patienten und aktuelle krankheitswertige psychische Beschwerden der Befragten selbst als bedeutsam. Je stärker die Beeinträchtigung des Patienten, desto mehr Beschwerden wurden von den Angehörigen angegeben. Der Grad der Funktionsbeeinträchtigung des Patienten erwies sich auch für krankheitswertige psychische Beschwerden der Angehörigen während der vergangenen vier Wochen als vorhersagekräftig. Was die Lebenszeitprävalenz psychischer Störungen betraf, so zeigte sich, dass lediglich das Geschlecht der Studienteilnehmer zur Varianzaufklärung beitrug.

Mütter und Partnerinnen litten signifikant häufiger an krankheitswertigen psychischen Störungen, insbesondere an Depressionen, als Väter und Partner.

Jungbauer et al. (2002) unterteilten die Angehörigengruppe weiterhin in solche mit schwerer und solche mit leichter beeinträchtigten Patienten. Wies der zu betreuende Patient schwere Beeinträchtigungen auf, litten die Angehörigen häufiger unter aktuellen krankheitswertigen psychischen Symptomen im Sinne der 4-Wochen-Prävalenz und unter stärkeren psychosomatischen Beschwerden als Angehörige, die einen weniger beeinträchtigten Patienten betreuten. Die Rekrutierung der Angehörigen erfolgte hier nicht nur in einem Behandlungssetting, sondern über stationäre, teilstationäre und ambulante psychiatrische Einrichtungen und führte vermutlich zu einer recht heterogenen Patientengruppe.

Die Interpretation und Darstellung der Befunde zur Belastung Angehöriger psychisch Kranker ist aus verschiedenen Gründen erschwert. Einerseits durch die Heterogenität der untersuchten Angehörigen- und Patientenstichproben; so bezogen viele Untersucher verschiedene Bezugspersonen bzw. „primary caretaker“ in ihre Studien ein (z.B. Angermeyer et al., 1997;

Barrowclough & Parle, 1997; Coyne et al., 1987; Dyck et al., 1999; Jones & Jones, 1994; Möller-Leimkühler, 2004; Scazufca & Kuipers, 1996; Solomon & Draine, 1995a), andererseits litten die Patienten in vielen Studien an unterschiedlichen psychischen Erkrankungen (z.B. Angermeyer et al., 1997; Cook et al., 1994; Jones & Jones, 1994; Solomon & Draine, 1995a). Zudem stellten Frauen in vielen bisherigen Untersuchungen einen Großteil der befragten Angehörigen dar (z.B. 72,2%

in der Untersuchung von Angermeyer et al., 1997; 83% in Dyck et al., 1999; 78% in Jones &

Jones, 1994; 76% in Scazufca & Kuipers, 1996).

In der vorliegenden Arbeit sollen diese unterschiedlichen Lücken dadurch geschlossen werden, dass lediglich die biologischen Eltern – sowohl Mütter als auch Väter – von Patienten mit schizophrenen oder schizoaffektiven Störungen hinsichtlich ihrer eigenen psychischen Belastungen befragt werden. Außerdem sollen die Prädiktoren, die zur psychischen Belastung der Eltern beitragen, näher spezifiziert werden.

Ein weiterer Nachteil der bisher durchgeführten Untersuchungen stellt das Fehlen einer nichtpsychiatrischen Vergleichsgruppe dar. Die Belastung der Angehörigen von Patienten mit einer schizophrenen Störung wurde im deutschsprachigen Raum zwar mit der Belastung Angehöriger von Patienten mit anderen psychiatrischen Störungen verglichen (z.B. Angermeyer et al, 2001; Möller-Leimkühler, 2004; Mueser et al., 1996), einem Vergleich der Belastung der Angehörigen von Patienten mit einer nicht-psychiatrischen, möglicherweise abrupt einsetzenden, Erkrankung wurde bisher aber wenig Beachtung geschenkt.

Hier scheint der Vergleich der psychischen Belastung der Eltern von Patienten mit schizophrenen Störungen mit der Belastung der Eltern von nicht-psychiatrischen Patienten, besonders interessant, da eine somatische Erkrankung möglicherweise „sozial akzeptierter“ ist, nicht mit einer Behandlung in einem psychiatrischen Krankenhaus und in folge dessen vermutlich nicht mit befürchteten oder realen Stigmatisierungserfahrungen der Patienten und deren Eltern einher geht. Magliano, Fiorillo, DeRosa, Malangone und Maj (2005) untersuchten in Italien die Belastung der Verwandten von Patienten mit schizophrenen Störungen im Vergleich zur Belastung der Verwandten von Patienten mit körperlichen Erkrankungen (einschließlich Gehirnverletzungen). Die Erfassung der Belastung beinhaltete aber keine psychischen Beschwerden von Krankheitswert, und bei den befragten Angehörigen handelte es sich wiederum um eine heterogene Stichprobe (die Personen, die im Jahr vor der Befragung die meiste Zeit mit dem Patienten verbracht hatten).

Ein großer Teil der Patienten mit schizophrenen Störungen kehrt nach einer Behandlung zu den Eltern zurück, weshalb die Erfassung der psychischen Belastung gerade der Eltern dieser Patienten von besonderer Bedeutung ist. Des weiteren interessierte die Erfassung und der Vergleich mit der psychischen Belastung von Eltern, deren Kind unter einer abrupt einsetzenden, nicht-psychiatrischen Erkrankung leidet. Hierfür wurden Patienten mit Schädel-Hirn-Trauma und deren Eltern gewählt.

Nachfolgend wird nach einem Überblick zum Schädel-Hirn-Trauma der Forschungsstand zu Belastungen und psychologischen Beeinträchtigungen bei Eltern neurologischer Patienten unter besonderer Berücksichtigung von Patienten mit Schädel-Hirn-Trauma dargestellt.