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Zielgruppe der Wiedereinsteigerinnen

Im Dokument Was kann Bildung bewirken? (Seite 14-20)

In der vorliegenden Masterarbeit wird ausschließlich auf die Zielgruppe der Wiedereinsteigerinnen eingegangen. Wiedereinsteigerinnen, die nach ihrer Familienzeit wieder in das Berufsleben zurückkehren, leiden an der zusätzlichen Herausforderung, wie sie es schaffen sollen Beruf und Kinderbetreuung zu vereinbaren.

Meistens ist die Rückkehr aus der Karenzzeit ins Arbeitsleben für Wiedereinsteigende eine finanzielle Notwendigkeit. Hinzu kommt, dass ein eigenständiges Einkommen wichtig ist, um später über einen Pensionsanspruch zu verfügen. Eine spätere oder frühere Arbeitsaufnahme bzw. eine Beschäftigung in Teilzeit oder Vollzeit wirken sich auf Pensionsansprüche und somit auf das Lebenseinkommen aus (vgl. Arbeitsmarktservice Österreich 2016: 12). Hinzu kommt, dass Mütter durch ihre Familienarbeit weniger Anerkennung sowie Selbstbestätigung, als durch Berufsarbeit erhalten (vgl. ebd.: 14).

Der Wiedereinstieg nach der Karenzzeit erfordert meistens eine Neuorganisation vieler Lebensbereiche. Wiedereinsteigerinnen beschäftigt oftmals die Frage, wie sie es schaffen sollen Beruf, Haushalt und Familie zu bewältigen und dabei noch Zeit für sich selbst zu finden (vgl. Arbeitsmarktservice Österreich 2016: 12). Hinzu kommt, dass Mütter, die wieder ins Berufsleben zurückkehren und ihre Kinder außer Haus betreuen lassen, oftmals von Schuldgefühlen und Erfolgsdruck gequält werden (vgl.

Arbeitsmarktservice Österreich 2016: 21). Eine weitere Herausforderung stellt die Betreuung der Kinder im Krankheitsfall oder in den Ferien dar. Denn in ländlichen Regionen haben während der Sommerferien die Kinderbetreuungseinrichtungen bis zu neunzig Prozent geschlossen (vgl. Arbeitsmarktservice Österreich 2016: 30).

Nach Faulstich (1985) ergeben sich für die Erwachsenbildung in Bezug auf die Arbeitslosigkeit eine Menge Fragen:

Was können Kursmaßnahmen angesichts der Folgen von Arbeitslosigkeit für die Persönlichkeit des Betroffenen bewirken?

Welchen Stellenwert können alternative Beschäftigungsprojekte haben?

Wie können adäquate Verarbeitungsweisen gefördert werden?

Wie können die Interessen von Betroffenen in Lernziele, -methoden und -inhalte umgesetzt werden?

Welchen Beitrag können Kursmaßnahmen zur Wiedereingliederung in die Erwerbstätigkeit leisten? (vgl. Faulstich 1985: 25f.)

Nach Siebert ist die Wirksamkeit von Lehr- und Lernprozessen in Form von Effektivität, Effizienz und positiver Veränderung bei KursteilnehmerInnen in der Erwachsenbildung nur schwer nachzuweisen, denn die Qualität von Lehre ist bloß begrenzt messbar (vgl. Siebert 2011: 157). Lernwirkungen sind komplex und werden von personalen, gruppendynamischen, organisatorischen und thematischen Faktoren beeinflusst. Lernprozesse bei Erwachsenen sind eigenwillig und nicht berechenbar (vgl. Siebert 2011: 162).

3 Wirkungsforschung

Damit Lehr- und Lernprozesse in der Erwachsenenbildung untersucht werden können, müssen die kausalen Zusammenhänge miteingebunden werden, was zur Schwierigkeit einer Wirkungsforschung führt. Nach Arnold (1999) kann sich die Qualität einer Kursmaßnahme in Form von Legitimations-, Lern-, Transfer- oder/und Zufriedenheitserfolg zwar darstellen, aufgrund von beeinflussenden Faktoren kann die Lernwirkung jedoch nur schwer in Kausalzusammenhängen beschrieben werden (vgl. Schüßler 2012: 53f.).

Lernprozesse in der Erwachsenenbildung werden von vielen personen-, kontext- sowie prozessspezifischen Faktoren beeinflusst. In dieser Schwierigkeit liegt vermutlich auch die Begründung, warum es in der Erwachsenbildung wenig empirische Wirkungsuntersuchungen gibt, die beispielsweise eine spezifische Wirkung kausal einer Intervention zuschreibt. Aufgrund der Komplexität dieses Feldes gestaltet sich die erwachsenpädagogische Lernforschung äußerst schwierig.

Weitere Gründe liegen in den unkontrollierbaren lernprozessbeeinflussenden Faktoren, in der Kontingenz der Interaktion und der beobachterrelativen Operationalisierung pädagogischer Phänomene (vgl. Schüßler 2012: 59-62). Nach Kade ist eine valide Zuschreibung von Lernerfolgen zu spezifischen

Lehrinterventionen ausgeschlossen, da pädagogische Vermittlungs- und Aneignungsoperationen zu unterschiedlichen Referenzsystemen gehören, die nicht füreinander erreichbar, sondern kontingent sind (vgl. Kade 1997: 51).

Empirisches Wissen sollte eine Orientierung geben, welche gestaltbaren Einflüsse auf pädagogische Felder mitwirken, damit Bildungsmaßnahmen erfolgreich gestaltet werden können. Die nicht erfahrungsgestützte Orientierung an Ideologien und Ideen sowie an pädagogischen Klassikern gewähren keine hinreichenden Anhaltspunkte für Handlungsmöglichkeiten. Sinnvoll wäre hier vielmehr eine rationale, engagierte, verstehende und in Teilen evidenzbasierte Bildungs- und Weiterbildungsforschung, die sich nicht nur auf Output orientierte Indikatoren stützt. Im Sinne einer umfassenden Qualitätssicherung müssten den Gestaltungsprozessen des Lehrens und des Lernens und deren Evaluation Beachtung geschenkt werden (vgl. Reich-Claassen/Tippelt 2010: 23).

Zur Wirkungsforschung sind nur wenig empirische Untersuchungen vorhanden, es überwiegen vorwiegend Behauptungen. Gängig sind hier standardisierte Befragungen mit quantifizierten Ergebnissen. Prozentzahlen sind jedoch wenig aussagekräftig und erfordern zudem eine Interpretation. Außerdem werden meistens die Prozentzahlen ausgesucht, die gut in das Konzept passen und das jeweilige Interesse untermauern. Mit Statistiken der Erwachsenenbildung wird umgegangen wie mit einem halb vollen oder einem halb leeren Glas Wasser.

Weiterbildungseffekte lassen sind nicht quantifizieren. So sind Wirkungen zwar erkennbar, können jedoch auf viele Punkte zurückgeführt werden und treten häufig zeitverzögert auf (vgl. Siebert 2011: 157f.).

Die Beziehung zwischen Lernen und Lehren bei Erwachsenen erscheint trotz neurophysiologischer Forschungsaktivitäten weitgehend als black-box. Eine gute Lehre ist in der Praxis nur schwer zu bewerten. Die Qualität der Lehre lässt sich nicht losgelöst von individuellen Lernstilen und Erwartungen der Kursteilnehmenden beurteilen. Abgesehen von den pädagogischen Sekundärtugenden wie Kursvorbereitung, Pünktlichkeit, zuhören können, gibt es wenig objektive Qualitätsmaßstäbe. Ebenso die Unterscheidung der Lehrstile aus den 1970er Jahren zwischen autokratischem, demokratischem oder Laissez-faire Lehrstil sagt nicht

unbedingt etwas über die Effektivität oder Effizienz einer Lehre aus. Dazu kommt, dass Zufriedenheitskriterien der TeilnehmerInnen nicht mit den theoretischen Gütekriterien der Erwachsenenbildung übereinstimmen müssen. So können Seminare von TeilnehmerInnen gut bewertet werden, obwohl sie keinesfalls den vorgegebenen Gütekriterien entsprechen (vgl. Siebert 2011: 161).

In empirischen Wirkungsanalysen versucht man anhand Kontrollgruppendesigns die lernprozessbeeinflussenden Variablen in der Analyse von Lernprozessen zu berücksichtigen was jedoch kaum zu aussagekräftigen sowie eindeutigen Ergebnissen führt. Nach Schüßler liegt es daran, dass sich soziale Systeme wie beispielsweise Lerngruppen nur schwer von anderen Einflussfaktoren isolieren lassen. Erfolgreiche Lernwirkungen lassen sich nur schwierig bestimmen, da der Lernerfolg ein Konstrukt ist, welches operationalisiert werden muss. Zudem können Lernwirkungen, die von bestimmten Lernformen auszugehen scheinen ebenso schwierig nachgewiesen werden, da die Methode selbst nur eine mit anderen Faktoren in Wechselwirkung stehende Variable ist (vgl. Schüßler 2012: 56f.)

Verlern- und Transformationsprozesse sind in der Erwachsenenbildung nur mühsam zu evaluieren. Einfacher lassen sich Lernprozesse, wo etwas Neues gelernt wurde wie etwa eine Meditationstechnik, die Arbeit mit einer Maschine oder das Erlernen einer Fremdsprache messen. Dazu kommt, dass Seminare oftmals besucht werden, um auf andere Gedanken zu kommen wo dann der heimliche Lehrplan zur Wirkung kommt. Von vorrangiger Bedeutung ist dann nicht unbedingt der offizielle Kursinhalt, sondern aus dem Alltag rauszukommen und mit den anderen Teilnehmenden ungewöhnliche Themen sowie Anschauungen oder neue Wirklichkeiten zu entdecken. Dadurch können die Begegnungen mit anderen Kursteilnehmenden lernintensiver sein als der offizielle Kursinhalt (vgl. Siebert 2011: 162-165).

Die Wirksamkeit in der Erwachsenenbildung hängt von unterschiedlichen Faktoren ab. Lebenslanges Lernen fördert Offenheit, Neugierde und Aufgeschlossenheit gegenüber Neuem und Anderem somit kann das Lernen unser Leben in vielerlei Hinsicht bereichern. Hinzu kommt, dass in einer Gesellschaft, in der die Isolation zunimmt, Bildungseinrichtungen zu einem sozialen Auffangnetz für viele Kursteilnehmenden werden. Die Seminarteilnahme unterbricht die alltägliche

Routine, verbessert die Lebensqualität und die Teilnehmenden empfinden wieder Zugehörigkeit (vgl. Siebert 2011: 165-167).

Lernerfolge können von den Lernenden unterschiedlich definiert werden. Dies wird am Beispiel einer Untersuchung zum nachhaltigen Lernen (Schüßler 2007) aus einem Trainee-Programm sichtbar. Die Teilnehmenden wurden acht Monate danach schriftlich befragt und dazu sechs Jahre später interviewt. Die Interviews zeigten die Wirkung, die diese Maßnahme auf die Persönlichkeitsentwicklung einzelner TeilnehmerInnen hatte. Eine Interviewpartnerin berichtete, dass sie beim Einstieg in das Trainee-Programm in einer tiefen Sinnkrise steckte. Bei ihr hatten die untersuchten Trainingsmodule einen Klärungsprozess angeregt. Im Seminar halfen ihr die Übungen und Fragen des Trainers zu unterschiedlichen Erkenntnissen in ihrem Leben. Somit stellt das Seminar eine Art Wendepunkt in ihrem Leben dar. Von Seiten des Unternehmens könnte man hier meinen, dass das Seminar zu keinem Lernerfolg führte, da diese Teilnehmerin anschließend sogar kündigte. Jedoch im Sinne der Persönlichkeitsbildung trug dieses Seminar erfolgreich bei (vgl. Schüßler 2012: 57f.). Dabei war interessant zu beobachten, dass sich die interviewten Personen weniger an Inhalte als an spezifische Übungen oder Situationen erinnerten. Vor allem die irritierende und häufig als Provokation wahrgenommene Intervention des Trainers blieb gut in Erinnerung (vgl. Schüßler 2012: 62).

In der Forschungsarbeit wäre interessant, wenn die Lernergebnisse mehr in Beziehung zur Professionalität der Lehrenden und zur didaktischen Struktur gesetzt werden. In klassischen Wirkungsforschungen bleiben zudem die Nebenwirkungen und Zusatzeffekte von Bildungsmaßnahmen, beispielsweise in Form von neuen Einsichten, oftmals unberücksichtigt. Das Lernen von Erwachsenen ist außerdem stark subjektiv deutungsabhängig, dabei kommt es zur Re- oder Dekonstruktion von bereits bestehende Emotions-, Deutungs- und Handlungsmuster und nicht unbedingt zum Erwerb neuen Wissens (vgl. Schüßler 2012: 59ff.)

„Als gelungene Erwachsenenbildung wird ein Lernen Erwachsener angesehen, welches zu anhaltenden Wirkungen im Hinblick auf die Weiterentwicklung sowie die Transformation oder Differenzierung fachlich-inhaltlicher, sozialer, methodischer und emotionaler Kompetenzen Erwachsener führt.“ (Arnold et al. 2002: 6)

Lern- und Bildungsprozesse sind unterschiedliche Prozesse. Dabei lässt sich Lernen als ein Prozess der Aufnahme, Aneignung und Verarbeitung von neuen Informationen verstehen. Der Rahmen, innerhalb dessen die Informationsverarbeitung abläuft, bleibt selber unangetastet. Dagegen sind Bildungsprozesse als Lernprozesse höherer Ordnung zu verstehen. Hier werden nicht nur neue Informationen aufgenommen und angeeignet, sondern der Modus der Informationsverarbeitung verändert sich grundlegend (vgl. Marotzki 1990: 32ff.).

In den kommenden zwei Kapiteln werden auf die Prozesse des transformativen Lernens nach Mezirow sowie dem Deutungslernen eingegangen. Anhand dieser Theorien soll die Wirkung der Erwachsenenbildung aufgezeigt werden.

4 Transformative Erwachsenenbildung nach Jack Mezirow

Ende der 1970er Jahre wurde das Konzept des transformativen Lernens vom amerikanischen Erwachsenenbildner Jack Mezirow entwickelt. Neben einer Lerntheorie sollte es eine übergreifende theoretische Begründung der Erwachsenenbildung darstellen. Es ist eine Erweiterung des Konzepts Andragogy, das von Malcolm Knowles ebenfalls in den 1970er Jahren entwickelt wurde. Knowles legt seinen Fokus auf selbstorganisierte Lernprozesse, während sich Mezirow auf Lernergebnisse konzentriert. Mezirows Ziel ist es herauszufinden wie die methodische und didaktische Gestaltung in der Erwachsenenbildung arrangiert werden sollte, damit es zur Transformation von bisherigen Einstellungen, Meinungen und Vorurteilen kommt und somit kritisches, autonomes Denken sowie individuelles Handeln und Urteilen gefördert werden kann (vgl. Zeuner 2012: 93).

In der deutschen Erziehungswissenschaft bezieht sich die transformative Bildung auf Lernprozesse in jedem Lebensalter. Der amerikanische Ansatz nimmt hingegen explizit Bezug zur Erwachsenenbildung. Transformatives Lernen im Sinne Mezirows bezieht sich vor allem auf das Individuum. Die Beobachtung von Transformationsprozessen, die Menschen vor dem Hintergrund einer Krise, im Sinne eines desorientierenden Dilemmas, erleben, war Grundlage für die Entwicklung seiner Theorie. Wenn Menschen durch Erlebnisse oder Aneignung von Wissen für sich selbst neue Themen, Interessen oder Aufgaben entdecken, die zum

Überdenken von bisherigen Lebensentwürfen und zur Entstehung von Alternativen führen, können Transformationsprozesse auch über einen längeren Zeitraum erfolgen (vgl. Zeuner 2014: 99ff.).

Somit kann Bildung als Erfahrungsprozess beschrieben werden, aus dem ein Individuum eine Veränderung erfährt. Mit dem Unterschied, dass dieser Veränderungsvorgang nicht bloß das Denken, sondern das Verhältnis des Menschen zu sich selbst, zu anderen und zur Welt betrifft. Das Bildungsgeschehen kann daher als ein Anderswerden oder Andersdenken verstanden werden (vgl. Koller 2012: 9).

Als Lernende im Erwachsenenalter sind wir in unsere Lebensgeschichte eingebunden. Wir müssen alle von dem ausgehen, was wir mitbekommen haben und uns innerhalb des Horizonts bewegen, der durch die Art und Weise bestimmt wird, die Dinge zu verstehen und zu sehen, die wir uns beim Lernen bisher angeeignet haben. Dies erfolgt in der Kindheit einerseits durch Sozialisation, infolge Aneignung von Normen, die wir von unseren Eltern, Bezugspersonen, Freunden übernommen haben und andererseits durch unser schulisches Lernen (vgl. Mezirow 1997: 1).

Im Dokument Was kann Bildung bewirken? (Seite 14-20)