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Was kann Bildung bewirken?

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Academic year: 2022

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Anita Sterling

Was kann Bildung bewirken?

Transformative Veränderungsprozesse durch AMS-Kursmaßnahmen bei Wiedereinsteigerinnen

MASTERARBEIT

zur Erlangung des akademischen Grades Master of Arts

Studium: Masterstudium Erwachsenen- und Berufsbildung

Alpen-Adria-Universität Klagenfurt

Begutachterin

Assoc.Prof. Mag. Dr. Monika Kastner Alpen-Adria-Universität Klagenfurt

Institut für Erziehungswissenschaft und Bildungsforschung

Klagenfurt, Mai 2018

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Eidesstattliche Erklärung

Ich versichere an Eides statt, dass ich

- die eingereichte wissenschaftliche Arbeit selbständig verfasst und keine anderen als die angegebenen Hilfsmittel benutzt habe,

- die während des Arbeitsvorganges von dritter Seite erfahrene Unterstützung, einschließlich signifikanter Betreuungshinweise, vollständig offengelegt habe, - die Inhalte, die ich aus Werken Dritter oder eigenen Werken wortwörtlich oder

sinngemäß übernommen habe, in geeigneter Form gekennzeichnet und den Ursprung der Information durch möglichst exakte Quellenangaben (z.B. in Fußnoten) ersichtlich gemacht habe,

- die eingereichte wissenschaftliche Arbeit bisher weder im Inland noch im Ausland einer Prüfungsbehörde vorgelegt habe und

- bei der Weitergabe jedes Exemplars (z.B. in gebundener, gedruckter oder digitaler Form) der wissenschaftlichen Arbeit sicherstelle, dass diese mit der eingereichten digitalen Version übereinstimmt.

Mir ist bekannt, dass die digitale Version der eingereichten wissenschaftlichen Arbeit zur Plagiatskontrolle herangezogen wird.

Ich bin mir bewusst, dass eine tatsachenwidrige Erklärung rechtliche Folgen haben wird.

………..

Anita Sterling e.h.

Klagenfurt, am 12. Mai 2018

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Danksagung

Zuallererst möchte ich mich herzlich bei all jenen bedanken, die mich während meiner gesamten Studienzeit, insbesondere bei der Anfertigung meiner Masterarbeit motivierend und unterstützend zur Seite gestanden sind.

Besonderer Dank gilt hier neben meiner Familie, die in dieser Zeit viel Verständnis und Geduld aufbrachte, vor allem meiner Betreuerin Frau Assoc.Prof.in Mag.a Dr.in Monika Kastner für ihre kompetente und hilfreiche Begleitung.

Beim Verfassen meiner Masterarbeit, insbesondere bei der Durchführung der qualitativen Forschung, wurde ich von mehreren Seiten unterstützt. Bedanken möchte ich mich an dieser Stelle bei meinen ehemaligen Kursteilnehmerinnen, die mir für Interviews zur Verfügung standen und so zur Mitwirkung des empirischen Teiles erheblich beitrugen. Dadurch konnten für mich wertvolle Erkenntnisse gewonnen werden.

(4)

Inhaltsverzeichnis

1 Einleitung ... 1

2 Erwachsenenbildung und Arbeitslosigkeit ... 5

2.1 Auswirkung auf den Gesundheitszustand ... 5

2.2 Rückzug aus sozialen Beziehungen ... 5

2.3 Psychische und physische Auswirkungen ... 6

2.4 Zielgruppe der Wiedereinsteigerinnen ... 7

3 Wirkungsforschung ... 8

4 Transformative Erwachsenenbildung nach Jack Mezirow ... 12

4.1 Zur Entstehung der Theorie des transformativen Lernens ... 13

4.2 Der Transformationsprozess ... 16

4.3 Bedeutungsschemata und Bedeutungsperspektiven... 18

4.4 Elemente der Theorie des transformativen Lernens ... 19

4.4.1 Referenzrahmen ... 20

4.4.2 Kritische Reflexion ... 20

4.4.3 Reflektiver Diskurs ... 21

4.5 Vorgang reflexiven Handelns ... 22

4.6 Kritik der Theorie des transformativen Lernens ... 25

4.7 Praxisbeispiele anhand der Projekte Schritte und FliQ ... 26

4.8 Kollektive Transformation in Gruppen ... 29

4.9 Subjektwissenschaftliche Lerntheorie nach Klaus Holzkamp ... 32

5 Deutungsmusteransatz ... 33

5.1 Deutungslernen am Beispiel Kursmaßnahme Tagesmütter ... 36

5.2 Lebensweltbezogene Erwachsenenbildung ... 39

5.3 Erwachsenenpädagogische Lernkonzepte ... 39

(5)

6 Lavanttaler Beschäftigungsinitiative – LBI ... 40

6.1 Projekte der Lavanttaler Beschäftigungsinitiative ... 41

6.1.1 AMS – Kooperationen ... 41

6.1.2 Gemeinnütziges Beschäftigungsprojekt reSTART ... 42

6.1.3 Haus der Region ... 43

6.1.4 Perspektive 50 ... 43

6.1.5 Arbeitskräfteüberlassung ... 43

6.2 Kursmaßnahme Kiwi als Forschungsfeld ... 44

6.2.1 Kursinhalt ... 45

6.2.2 Kursauftrag bzw. –ziel ... 46

7 Methodisches Vorgehen ... 47

7.1 Forschungsfrage ... 47

7.2 Untersuchungsmethoden ... 47

7.2.1 Episodisches Interview nach Flick ... 47

7.2.2 Forschungstagebuch ... 48

7.2.3 Teilnehmende Beobachtung ... 50

7.3 Forschung Lernprozesse ... 51

7.3.1 Auswahl der Interviewpartnerinnen ... 51

7.3.2 Interviewleitfaden ... 52

7.3.3 Ergänzende Aufzeichnungen ... 53

7.3.4 Transkribieren ... 54

7.3.5 Auswertung der episodischen Interviews ... 55

7.3.6 Auswertung des Forschungstagebuches ... 56

8 Ergebnisdarstellung der transformativen Lernprozesse ... 58

8.1 Ausgangssituation Dilemma ... 59

8.1.1 Selbstzweifel und Demotivation ... 60

8.1.2 Finanzielle Sorgen ... 61

8.1.3 Interpretation ... 62

(6)

8.2 Einstellung zum Kiwi-Kurs ... 62

8.2.1 Was soll mir der Kurs bringen? ... 63

8.2.2 Positive Einstellung ... 63

8.2.3 Interpretation ... 64

8.3 Transformative Veränderungsprozesse ... 64

8.3.1 Veränderung der eigenen Einstellung ... 65

8.3.2 Interpretation ... 68

8.3.3 Funktion der Gruppe ... 69

8.3.4 Interpretation ... 70

8.3.5 Jobsuche... 71

8.3.6 Interpretation ... 73

8.4 Was hat dich im Kurs zum Nachdenken gebracht? ... 73

8.4.1 Interpretation ... 77

8.5 Kompetenzprofil der Kursleitung... 77

8.5.1 Interpretation ... 80

8.6 Fallinterpretationen ... 81

8.6.1 Kursteilnehmerin 1 ... 82

8.6.2 Kursteilnehmerin 2 ... 82

8.6.3 Kursteilnehmerin 3 ... 83

8.6.4 Kursteilnehmerin 4 ... 84

8.6.5 Kursteilnehmerin 5 ... 85

9 Ergebnisdarstellung der Lehrforschung ... 86

10 Günstige Bedingungen sowie beeinflussende Faktoren des transformativen Lernens ... 88

10.1 Kursvorbereitung und –durchführung ... 89

10.1.1 Methodik ... 90

10.1.2 Unter- und Überforderung ... 93

10.1.3 Der Einfluss von Emotionen ... 95

(7)

10.1.4 Die imperfekte Vortragsweise ... 96

10.2 Verhältnis Kursleitende und Kursteilnehmende ... 97

10.2.1 Pausengespräche ... 99

10.2.2 Distanz und Nähe ... 100

10.3 Kurserwartungen und Motivation ... 101

10.3.1 Unfreiwilliger Kontext ... 102

10.3.2 intrinsische und extrinsische Lernmotivation ... 103

10.3.3 Umgang mit Widerständen ... 105

10.3.4 Unterschiedliche Sichtweisen ... 107

10.4 Gruppendynamische Prozesse ... 108

10.4.1 Bestimmte Zielgruppen ... 111

10.4.2 Dropout-Quote als Indikator eines erfolgreichen Kurses ... 112

10.5 Im internationalen Vergleich ... 114

11 Zusammenfassung ... 116

12 Literaturverzeichnis ... 123

13 Verzeichnis der Internetquellen ... 128

14 Abbildungsverzeichnis ... 131

(8)

1 Einleitung

Die vorliegende Masterarbeit widmet sich sowohl der Lern- als auch Lehrforschung in der Erwachsenenbildung. Einerseits sollen hier transformative Lernprozesse von Wiedereinsteigerinnen und andererseits die Bedingungen, die diese begünstigen, erfasst werden.

Untersuchungsgegenstand ist eine berufsbildende AMS-Kursmaßnahme für Wiedereinsteigerinnen, kurz Kiwi – Kursinnovation und Weiterbildungsinitiative genannt. Es handelt sich dabei um eine Berufsorientierungsmaßnahme, die Wiedereinsteigerinnen, die der Benachteiligung Vereinbarkeit von Beruf und Kinderbetreuung unterliegen, unterstützen soll neue Perspektiven für den Berufseinstieg zu erarbeiten. Mein Bestreben ist es, als Kursleiterin der untersuchten Kursmaßnahme zu verstehen, wie die Kursteilnehmenden vom Kurs besser profitieren können und was dazu beiträgt, dass transformatives Lernen ermöglicht wird.

Seitdem ich im Jahr 2014 die Kursleitung der hier untersuchten AMS-Kursmaßnahme für Wiedereinsteigerinnen übernahm, beschäftige ich mich laufend mit der Evaluierung meines Kurses. Immer wieder stieß ich als Kursleiterin auf unterschiedliche Phänomene, dass beispielsweise manche Kurseinheiten besonders erfolgreich verlaufen, sich andere hingegen schwierig gestalten. Häufig konnte ich als Kursleiterin feststellen, dass sich die Wiedereinsteigerinnen am Ende einer Kursmaßnahme verändert haben, auf das wie und warum fehlten mir meistens die Antworten. Als Kursleiterin war bzw. ist es mir besonders wichtig, dass die einzelnen Teilnehmerinnen etwas Verwertbares aus dem Kurs mitnehmen, um einen guten beruflichen Wiedereinstieg nach der Karenzzeit zu schaffen. Auf jeden Fall möchte ich als Erwachsenenbildnerin etwas bewegen, meine Arbeit sollte Sinn machen und meine Kursteilnehmerinnen zu neuen Sichtweisen inspirieren. Meine Kursteilnehmerinnen sollten durch die Kursmaßnahme die Chance auf eine positive Veränderung erhalten. Aufgrund dessen wählte ich in dieser Masterarbeit die Forschungsfrage „Was Bildung bewirken kann?“. Angelehnt an die Theorie des transformativen Lernens nach Mezirow sowie dem Deutungslernen versuche ich dieses Phänomen in der vorliegenden Masterarbeit zu erforschen.

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In den letzten drei Jahren versuchte ich mich ein Stück weit selbst zu professionalisieren, indem ich mich in dieser Zeit mit entsprechender Fachliteratur beschäftigte und viel im Internet recherchierte. Zum einen interessierten mich neben den Methoden und didaktischen Prinzipien, vor allem die Phänomene der Gruppendynamik und der Umgang mit Widerständen. Zum täglichen Arbeitsleben als Kursleiterin absolviere ich berufsbegleitend mein Masterstudium in der Berufs- und Erwachsenenbildung an der Alpen-Adria-Universität Klagenfurt. Im Studium erhielt ich immer wieder wertvolle Theorieinputs, die ich dann direkt in der Praxis erproben bzw. anwenden konnte.

Den Forschungsstand betreffend gibt es zum transformativen Lernen bzw.

Deutungslernen zwar einiges an Literatur, jedoch wurden die günstigen Bedingungen bzw. Faktoren, die diese Lernprozesse unterstützen bzw. beeinflussen nur bruchweise bis gar nicht untersucht. Der Stand der generellen Lehrforschung in der Erwachsenenbildung zeigt, dass fast alle sozial- und bildungswissenschaftlichen Forschungen auch für das Lehrverhalten in der Erwachsenenbildung relevant sind.

Darunter fallen Kognitionsforschung und Gehirnforschung, Milieuforschung und Wertewandel, Medienforschung und Leseforschung, Arbeitsmarkt und Qualifikationsforschung. Zur Wirkungsforschung, die im dritten Kapitel kurz angerissen wird, gibt es hingegen wenig (vgl. Siebert 2011: 88).

Aufgrund meiner Forschungsfrage „Was Bildung bewirken kann? Transformative Veränderungsprozesse durch AMS-Kursmaßnahmen bei Wiedereinsteigerinnen“

entschied ich mich, sowohl die Lernprozesse aufseiten der Kursteilnehmerinnen als auch die Lehrprozesse meiner Person als Kursleiterin zu untersuchen. Einerseits sollen Erkenntnisse darüber gewonnen werden, welche Lernprozesse bezugnehmend auf die Theorie des transformativen Lernens sowie dem Deutungslernen bei den einzelnen Individuen nach einem Kursmonat erzielt worden sind. Andererseits sollen auch Erkenntnisse über die damit verbundenen Faktoren, die transformative Lernprozesse ermöglichen bzw. fördern, erlangt werden. Damit ein Kurs als gelungen bezeichnet werden bzw. eine Bildungsmaßnahme Veränderungsprozesse bewirken kann, sollen bestimmte Bedingungen gegeben sein.

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Die ersten Kapitel dieser Arbeit beschäftigen sich nach einem Input über die Auswirkungen der Arbeitslosigkeit, mit der Wirkungsforschung. Des Weiteren folgt die Theorie des transformativen Lernens nach Jack Mezirow und im Anschluss daran wird auf das Deutungslernen, welches der Theorie Mezirows ähnlich ist, eingegangen.

Das sechste Kapitel beschreibt die Institution LBI – Lavanttaler Beschäftigungsinitiative, die für die Durchführung der hier untersuchten Kursmaßnahme Kiwi verantwortlich ist. Als Projektleiterin in der Erwachsenenbildung für den Bereich Kursinnovation und Weiterbildungsinitiative beschreibe ich in diesem Kapitel den Aufbau und das Ziel dieser Ausbildungsmaßnahme für Wiedereinsteigerinnen. Nach einer beruflichen Pause wieder in den Arbeitsalltag einzusteigen, ist für die Frau selbst und für ihr Umfeld eine große Umstellung. Mut, Selbstbewusstsein, Konsequenz und Motivation sind Grundvoraussetzungen für diesen Schritt. In dieser Kursmaßnahme, welche aus acht Modulen besteht, sollen Wiedereinsteigerinnen das nötige Rüstzeug erhalten, wieder motiviert, gut vorbereitet und mit einem hohen Anteil an Eigeninitiative aktiv auf den Arbeitsmarkt zuzugehen (vgl. LBI 2018: o.S.).

Das darauffolgende siebente Kapitel widmet sich dem empirischen Teil. Zu Beginn werden die verwendeten Erhebungs- und Auswertungsmethoden dargestellt. Danach folgen eine ausführliche Auswertung der Interviews und des Forschungstagebuches sowie die Interpretation der Ergebnisse. Dieses Kapitel spaltet sich in zwei Teile – einerseits in die Lernforschung, die mittels Interviews stattfand und andererseits in die Lehrforschung, die anhand des Forschungstagebuches durchgeführt wurde.

Darüber hinaus möchte ich darauf hinweisen, dass die Kursmaßnahme bis dato ausschließlich von Frauen besucht wurde. Deshalb wird aufgrund der leichteren Lesbarkeit ab diesem Kapitel ausschließlich die weibliche Sprachform verwendet.

Nach Altrichter und Posch wurde mittels Aktionsforschung und dem regelmäßigen Führen eines Forschungstagebuches meine Lehrtätigkeit als Erwachsenenbildnerin reflektiert. Die Erkenntnisse in Form von Reflektion, Theorie und zeitgleicher Anwendung in der Praxis werden im letzten Kapitel ausführlich dargestellt.

(11)

Das Ziel der vorliegenden Masterarbeit besteht nun darin, anhand Interviews mit ehemaligen Kursteilnehmerinnen Erkenntnisse über transformative Lernprozesse durch Kursmaßnahmen zu gewinnen. Erwachsenenbildung besteht im Besonderen aus Kommunikation. Es ist nicht unbedingt wichtig, ob ein Lernender den Lehrenden richtig versteht, sondern ob das, was die Teilnehmenden verstanden zu haben glauben, Neugier, Nachdenklichkeit oder Widerspruch auslösen (vgl. Siebert 2011:

93). Im letzten Kapitel dieser Arbeit sollen durch die Lehrforschung Erkenntnisse über die Bedingungen bzw. beeinflussenden Faktoren, die Transformationsprozesse begünstigen, gewonnen werden. In einem abschließenden Resümee fließen meine wichtigsten Erkenntnisse aus der Lern- und Lehrforschung zusammen.

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2 Erwachsenenbildung und Arbeitslosigkeit

Nach Faulstich (1985) ist die Arbeitslosigkeit, als zentrales gesellschaftliches Problem, eine Aufgabe der Erwachsenenbildung. Demzufolge beschäftigt sich die Erwachsenenbildung einerseits mit der Wiedereingliederung in Arbeits- und Lebensverhältnisse und andererseits wirkt sie präventiv der Ausgliederung aus der Arbeitstätigkeit entgegen (vgl. Faulstich 1985: 12).

Arbeitslosigkeit stellt für Betroffene neben der finanziellen Einschränkung meistens eine schwere Belastung dar, die weit mehr als nur ein Knick in der Erwerbsbiografie ist. Die Auswirkungen von Arbeitslosigkeit sind unterschiedlich und reichen von Ängstlichkeit, niedrigem Selbstwertgefühl, Depressivität, Hoffnungslosigkeit und Hilflosigkeit bis hin zur Resignation. Daneben stellen ein geringeres Aktivitätsniveau und Einsamkeit wesentliche Symptome einer schlechteren psychischen Gesundheit von Arbeitslosen dar (vgl. DGB Bereich Arbeitsmarktpolitik 2010: 1f.).

2.1 Auswirkung auf den Gesundheitszustand

Trotz unterschiedlicher empirischer Zugänge sämtlicher relevanten deutschen Statistiken, Auswertungen der Sozialversicherungsdaten und Ergebnisse von Repräsentativerhebungen zeigen sie die übereinstimmende Befundlage, dass Arbeitslose gegenüber Beschäftigten einen deutlich schlechteren Gesundheitszustand aufweisen. Vor allem im Bereich der psychischen Erkrankungen ist das Morbiditätsrisiko von Arbeitslosen im Vergleich zu Beschäftigten deutlich höher. Zudem steigt es mit zunehmender Dauer der Arbeitslosigkeit stark an.

Indikatoren wie Depressions- und Angstsymptome, Selbstwertgefühl, subjektives Wohlbefinden und unspezifische psychische Beanspruchungssymptome wurden verifiziert. Laut Gesundheitsberichte einzelner Krankenkassen werden von den Arbeitslosen im Verhältnis zu Beschäftigten mehr Leistungen der stationären Krankenversorgung sowie mehr Antidepressiva in Anspruch genommen (vgl.

Hollederer 2011: 90).

2.2 Rückzug aus sozialen Beziehungen

Aufgrund Arbeitslosigkeit ziehen sich die Betroffenen häufig aus sozialen Beziehungen zurück. Oftmals fühlen sie sich von ihrem sozialen Umfeld im Stich gelassen oder Personen, zu denen ein häufiger Kontakt bestand, distanzieren sich.

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Situationen, wie beispielsweise die Absage einer Feier oder telefonisch nicht mehr erreichbar zu sein, werden von Betroffenen als Ablehnung angesehen. Meistens jedoch besteht eine Unsicherheit auf beiden Seiten und keiner weiß, wie er sich verhalten soll. Diese Verunsicherung von Verhaltenserwartungen kann die Folge für einen beiderseitigen Rückzug sein. Die Erwerbslosen werden meistens nicht fallen gelassen, sondern ziehen sich oftmals selbst zurück, aus Angst, den Erwartungen der Gesellschaft nicht mehr gewachsen zu sein und nicht mehr dazu zu gehören. Ein Grund eines beiderseitigen Rückzuges könnte der Verlust an Gemeinsamkeiten, Interessen und Aktivitäten sein. Ebenso besteht auf der Seite des sozialen Netzwerks Unsicherheit darüber, wie man sich der erwerbslosen Person gegenüber verhalten soll (vgl. Marquardsen 2012: 112f.).

Kursmaßnahmen werden von arbeitslosen Erwachsenen nicht ausschließlich zur bildungsbezogenen Auseinandersetzung mit bestimmten Themen besucht. Sie werden ebenfalls genutzt um soziale Kontakte zu knüpften oder für informelle sowie formelle Tätigkeiten, um beispielsweise den Verlust eines Arbeitsplatzes zu kompensieren. Lernen wird somit zur Möglichkeit, sich selbstbestimmt und aktiv mit der Wirklichkeit zu befassen (vgl. Schüßler 2008: 3).

2.3 Psychische und physische Auswirkungen

Anfang der 1930er Jahre wurde von Jahoda, Lazarsfeld und Zeisel die Marienthal- Studie durchgeführt, welche zu den grundlegendsten Studien bezüglich Arbeitslosigkeit gehört. Darin wird Arbeitslosigkeit neben einem ökonomischen sowie gesellschaftlichen Problem als gravierendes Problem mit psychosozialen Auswirkungen gesehen (vgl. Fellinger-Fritz/Steiner 2011: 118). Anfänglich treten in der Zeit der Arbeitslosigkeit eher psychische Beeinträchtigungen auf, denen später oftmals körperliche Symptome folgen (vgl. DGB Bereich Arbeitsmarktpolitik 2010: 4).

Anhand Daten von Krankenversicherungen sind die Befunde über die Verschlechterung der psychischen Gesundheit höher, als jene der körperlichen Beeinträchtigungen. Psychische Erkrankungen sind bei Erwerbslosen deutlich ausgeprägter, als bei Beschäftigten. Im Vergleich zu Beschäftigen weisen arbeitslose Personen einen nachweisbar schlechteren Gesundheitszustand auf. Zudem wirken sich die Dauer der Arbeitslosigkeit, das Alter und der sozial-ökonomischen Status

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negativ auf das Erkrankungsrisiko aus (vgl. DGB Bereich Arbeitsmarktpolitik 2010:

8f.).

2.4 Zielgruppe der Wiedereinsteigerinnen

In der vorliegenden Masterarbeit wird ausschließlich auf die Zielgruppe der Wiedereinsteigerinnen eingegangen. Wiedereinsteigerinnen, die nach ihrer Familienzeit wieder in das Berufsleben zurückkehren, leiden an der zusätzlichen Herausforderung, wie sie es schaffen sollen Beruf und Kinderbetreuung zu vereinbaren.

Meistens ist die Rückkehr aus der Karenzzeit ins Arbeitsleben für Wiedereinsteigende eine finanzielle Notwendigkeit. Hinzu kommt, dass ein eigenständiges Einkommen wichtig ist, um später über einen Pensionsanspruch zu verfügen. Eine spätere oder frühere Arbeitsaufnahme bzw. eine Beschäftigung in Teilzeit oder Vollzeit wirken sich auf Pensionsansprüche und somit auf das Lebenseinkommen aus (vgl. Arbeitsmarktservice Österreich 2016: 12). Hinzu kommt, dass Mütter durch ihre Familienarbeit weniger Anerkennung sowie Selbstbestätigung, als durch Berufsarbeit erhalten (vgl. ebd.: 14).

Der Wiedereinstieg nach der Karenzzeit erfordert meistens eine Neuorganisation vieler Lebensbereiche. Wiedereinsteigerinnen beschäftigt oftmals die Frage, wie sie es schaffen sollen Beruf, Haushalt und Familie zu bewältigen und dabei noch Zeit für sich selbst zu finden (vgl. Arbeitsmarktservice Österreich 2016: 12). Hinzu kommt, dass Mütter, die wieder ins Berufsleben zurückkehren und ihre Kinder außer Haus betreuen lassen, oftmals von Schuldgefühlen und Erfolgsdruck gequält werden (vgl.

Arbeitsmarktservice Österreich 2016: 21). Eine weitere Herausforderung stellt die Betreuung der Kinder im Krankheitsfall oder in den Ferien dar. Denn in ländlichen Regionen haben während der Sommerferien die Kinderbetreuungseinrichtungen bis zu neunzig Prozent geschlossen (vgl. Arbeitsmarktservice Österreich 2016: 30).

Nach Faulstich (1985) ergeben sich für die Erwachsenbildung in Bezug auf die Arbeitslosigkeit eine Menge Fragen:

Was können Kursmaßnahmen angesichts der Folgen von Arbeitslosigkeit für die Persönlichkeit des Betroffenen bewirken?

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Welchen Stellenwert können alternative Beschäftigungsprojekte haben?

Wie können adäquate Verarbeitungsweisen gefördert werden?

Wie können die Interessen von Betroffenen in Lernziele, -methoden und -inhalte umgesetzt werden?

Welchen Beitrag können Kursmaßnahmen zur Wiedereingliederung in die Erwerbstätigkeit leisten? (vgl. Faulstich 1985: 25f.)

Nach Siebert ist die Wirksamkeit von Lehr- und Lernprozessen in Form von Effektivität, Effizienz und positiver Veränderung bei KursteilnehmerInnen in der Erwachsenbildung nur schwer nachzuweisen, denn die Qualität von Lehre ist bloß begrenzt messbar (vgl. Siebert 2011: 157). Lernwirkungen sind komplex und werden von personalen, gruppendynamischen, organisatorischen und thematischen Faktoren beeinflusst. Lernprozesse bei Erwachsenen sind eigenwillig und nicht berechenbar (vgl. Siebert 2011: 162).

3 Wirkungsforschung

Damit Lehr- und Lernprozesse in der Erwachsenenbildung untersucht werden können, müssen die kausalen Zusammenhänge miteingebunden werden, was zur Schwierigkeit einer Wirkungsforschung führt. Nach Arnold (1999) kann sich die Qualität einer Kursmaßnahme in Form von Legitimations-, Lern-, Transfer- oder/und Zufriedenheitserfolg zwar darstellen, aufgrund von beeinflussenden Faktoren kann die Lernwirkung jedoch nur schwer in Kausalzusammenhängen beschrieben werden (vgl. Schüßler 2012: 53f.).

Lernprozesse in der Erwachsenenbildung werden von vielen personen-, kontext- sowie prozessspezifischen Faktoren beeinflusst. In dieser Schwierigkeit liegt vermutlich auch die Begründung, warum es in der Erwachsenbildung wenig empirische Wirkungsuntersuchungen gibt, die beispielsweise eine spezifische Wirkung kausal einer Intervention zuschreibt. Aufgrund der Komplexität dieses Feldes gestaltet sich die erwachsenpädagogische Lernforschung äußerst schwierig.

Weitere Gründe liegen in den unkontrollierbaren lernprozessbeeinflussenden Faktoren, in der Kontingenz der Interaktion und der beobachterrelativen Operationalisierung pädagogischer Phänomene (vgl. Schüßler 2012: 59-62). Nach Kade ist eine valide Zuschreibung von Lernerfolgen zu spezifischen

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Lehrinterventionen ausgeschlossen, da pädagogische Vermittlungs- und Aneignungsoperationen zu unterschiedlichen Referenzsystemen gehören, die nicht füreinander erreichbar, sondern kontingent sind (vgl. Kade 1997: 51).

Empirisches Wissen sollte eine Orientierung geben, welche gestaltbaren Einflüsse auf pädagogische Felder mitwirken, damit Bildungsmaßnahmen erfolgreich gestaltet werden können. Die nicht erfahrungsgestützte Orientierung an Ideologien und Ideen sowie an pädagogischen Klassikern gewähren keine hinreichenden Anhaltspunkte für Handlungsmöglichkeiten. Sinnvoll wäre hier vielmehr eine rationale, engagierte, verstehende und in Teilen evidenzbasierte Bildungs- und Weiterbildungsforschung, die sich nicht nur auf Output orientierte Indikatoren stützt. Im Sinne einer umfassenden Qualitätssicherung müssten den Gestaltungsprozessen des Lehrens und des Lernens und deren Evaluation Beachtung geschenkt werden (vgl. Reich- Claassen/Tippelt 2010: 23).

Zur Wirkungsforschung sind nur wenig empirische Untersuchungen vorhanden, es überwiegen vorwiegend Behauptungen. Gängig sind hier standardisierte Befragungen mit quantifizierten Ergebnissen. Prozentzahlen sind jedoch wenig aussagekräftig und erfordern zudem eine Interpretation. Außerdem werden meistens die Prozentzahlen ausgesucht, die gut in das Konzept passen und das jeweilige Interesse untermauern. Mit Statistiken der Erwachsenenbildung wird umgegangen wie mit einem halb vollen oder einem halb leeren Glas Wasser.

Weiterbildungseffekte lassen sind nicht quantifizieren. So sind Wirkungen zwar erkennbar, können jedoch auf viele Punkte zurückgeführt werden und treten häufig zeitverzögert auf (vgl. Siebert 2011: 157f.).

Die Beziehung zwischen Lernen und Lehren bei Erwachsenen erscheint trotz neurophysiologischer Forschungsaktivitäten weitgehend als black-box. Eine gute Lehre ist in der Praxis nur schwer zu bewerten. Die Qualität der Lehre lässt sich nicht losgelöst von individuellen Lernstilen und Erwartungen der Kursteilnehmenden beurteilen. Abgesehen von den pädagogischen Sekundärtugenden wie Kursvorbereitung, Pünktlichkeit, zuhören können, gibt es wenig objektive Qualitätsmaßstäbe. Ebenso die Unterscheidung der Lehrstile aus den 1970er Jahren zwischen autokratischem, demokratischem oder Laissez-faire Lehrstil sagt nicht

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unbedingt etwas über die Effektivität oder Effizienz einer Lehre aus. Dazu kommt, dass Zufriedenheitskriterien der TeilnehmerInnen nicht mit den theoretischen Gütekriterien der Erwachsenenbildung übereinstimmen müssen. So können Seminare von TeilnehmerInnen gut bewertet werden, obwohl sie keinesfalls den vorgegebenen Gütekriterien entsprechen (vgl. Siebert 2011: 161).

In empirischen Wirkungsanalysen versucht man anhand Kontrollgruppendesigns die lernprozessbeeinflussenden Variablen in der Analyse von Lernprozessen zu berücksichtigen was jedoch kaum zu aussagekräftigen sowie eindeutigen Ergebnissen führt. Nach Schüßler liegt es daran, dass sich soziale Systeme wie beispielsweise Lerngruppen nur schwer von anderen Einflussfaktoren isolieren lassen. Erfolgreiche Lernwirkungen lassen sich nur schwierig bestimmen, da der Lernerfolg ein Konstrukt ist, welches operationalisiert werden muss. Zudem können Lernwirkungen, die von bestimmten Lernformen auszugehen scheinen ebenso schwierig nachgewiesen werden, da die Methode selbst nur eine mit anderen Faktoren in Wechselwirkung stehende Variable ist (vgl. Schüßler 2012: 56f.)

Verlern- und Transformationsprozesse sind in der Erwachsenenbildung nur mühsam zu evaluieren. Einfacher lassen sich Lernprozesse, wo etwas Neues gelernt wurde wie etwa eine Meditationstechnik, die Arbeit mit einer Maschine oder das Erlernen einer Fremdsprache messen. Dazu kommt, dass Seminare oftmals besucht werden, um auf andere Gedanken zu kommen wo dann der heimliche Lehrplan zur Wirkung kommt. Von vorrangiger Bedeutung ist dann nicht unbedingt der offizielle Kursinhalt, sondern aus dem Alltag rauszukommen und mit den anderen Teilnehmenden ungewöhnliche Themen sowie Anschauungen oder neue Wirklichkeiten zu entdecken. Dadurch können die Begegnungen mit anderen Kursteilnehmenden lernintensiver sein als der offizielle Kursinhalt (vgl. Siebert 2011: 162-165).

Die Wirksamkeit in der Erwachsenenbildung hängt von unterschiedlichen Faktoren ab. Lebenslanges Lernen fördert Offenheit, Neugierde und Aufgeschlossenheit gegenüber Neuem und Anderem somit kann das Lernen unser Leben in vielerlei Hinsicht bereichern. Hinzu kommt, dass in einer Gesellschaft, in der die Isolation zunimmt, Bildungseinrichtungen zu einem sozialen Auffangnetz für viele Kursteilnehmenden werden. Die Seminarteilnahme unterbricht die alltägliche

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Routine, verbessert die Lebensqualität und die Teilnehmenden empfinden wieder Zugehörigkeit (vgl. Siebert 2011: 165-167).

Lernerfolge können von den Lernenden unterschiedlich definiert werden. Dies wird am Beispiel einer Untersuchung zum nachhaltigen Lernen (Schüßler 2007) aus einem Trainee-Programm sichtbar. Die Teilnehmenden wurden acht Monate danach schriftlich befragt und dazu sechs Jahre später interviewt. Die Interviews zeigten die Wirkung, die diese Maßnahme auf die Persönlichkeitsentwicklung einzelner TeilnehmerInnen hatte. Eine Interviewpartnerin berichtete, dass sie beim Einstieg in das Trainee-Programm in einer tiefen Sinnkrise steckte. Bei ihr hatten die untersuchten Trainingsmodule einen Klärungsprozess angeregt. Im Seminar halfen ihr die Übungen und Fragen des Trainers zu unterschiedlichen Erkenntnissen in ihrem Leben. Somit stellt das Seminar eine Art Wendepunkt in ihrem Leben dar. Von Seiten des Unternehmens könnte man hier meinen, dass das Seminar zu keinem Lernerfolg führte, da diese Teilnehmerin anschließend sogar kündigte. Jedoch im Sinne der Persönlichkeitsbildung trug dieses Seminar erfolgreich bei (vgl. Schüßler 2012: 57f.). Dabei war interessant zu beobachten, dass sich die interviewten Personen weniger an Inhalte als an spezifische Übungen oder Situationen erinnerten. Vor allem die irritierende und häufig als Provokation wahrgenommene Intervention des Trainers blieb gut in Erinnerung (vgl. Schüßler 2012: 62).

In der Forschungsarbeit wäre interessant, wenn die Lernergebnisse mehr in Beziehung zur Professionalität der Lehrenden und zur didaktischen Struktur gesetzt werden. In klassischen Wirkungsforschungen bleiben zudem die Nebenwirkungen und Zusatzeffekte von Bildungsmaßnahmen, beispielsweise in Form von neuen Einsichten, oftmals unberücksichtigt. Das Lernen von Erwachsenen ist außerdem stark subjektiv deutungsabhängig, dabei kommt es zur Re- oder Dekonstruktion von bereits bestehende Emotions-, Deutungs- und Handlungsmuster und nicht unbedingt zum Erwerb neuen Wissens (vgl. Schüßler 2012: 59ff.)

„Als gelungene Erwachsenenbildung wird ein Lernen Erwachsener angesehen, welches zu anhaltenden Wirkungen im Hinblick auf die Weiterentwicklung sowie die Transformation oder Differenzierung fachlich-inhaltlicher, sozialer, methodischer und emotionaler Kompetenzen Erwachsener führt.“ (Arnold et al. 2002: 6)

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Lern- und Bildungsprozesse sind unterschiedliche Prozesse. Dabei lässt sich Lernen als ein Prozess der Aufnahme, Aneignung und Verarbeitung von neuen Informationen verstehen. Der Rahmen, innerhalb dessen die Informationsverarbeitung abläuft, bleibt selber unangetastet. Dagegen sind Bildungsprozesse als Lernprozesse höherer Ordnung zu verstehen. Hier werden nicht nur neue Informationen aufgenommen und angeeignet, sondern der Modus der Informationsverarbeitung verändert sich grundlegend (vgl. Marotzki 1990: 32ff.).

In den kommenden zwei Kapiteln werden auf die Prozesse des transformativen Lernens nach Mezirow sowie dem Deutungslernen eingegangen. Anhand dieser Theorien soll die Wirkung der Erwachsenenbildung aufgezeigt werden.

4 Transformative Erwachsenenbildung nach Jack Mezirow

Ende der 1970er Jahre wurde das Konzept des transformativen Lernens vom amerikanischen Erwachsenenbildner Jack Mezirow entwickelt. Neben einer Lerntheorie sollte es eine übergreifende theoretische Begründung der Erwachsenenbildung darstellen. Es ist eine Erweiterung des Konzepts Andragogy, das von Malcolm Knowles ebenfalls in den 1970er Jahren entwickelt wurde. Knowles legt seinen Fokus auf selbstorganisierte Lernprozesse, während sich Mezirow auf Lernergebnisse konzentriert. Mezirows Ziel ist es herauszufinden wie die methodische und didaktische Gestaltung in der Erwachsenenbildung arrangiert werden sollte, damit es zur Transformation von bisherigen Einstellungen, Meinungen und Vorurteilen kommt und somit kritisches, autonomes Denken sowie individuelles Handeln und Urteilen gefördert werden kann (vgl. Zeuner 2012: 93).

In der deutschen Erziehungswissenschaft bezieht sich die transformative Bildung auf Lernprozesse in jedem Lebensalter. Der amerikanische Ansatz nimmt hingegen explizit Bezug zur Erwachsenenbildung. Transformatives Lernen im Sinne Mezirows bezieht sich vor allem auf das Individuum. Die Beobachtung von Transformationsprozessen, die Menschen vor dem Hintergrund einer Krise, im Sinne eines desorientierenden Dilemmas, erleben, war Grundlage für die Entwicklung seiner Theorie. Wenn Menschen durch Erlebnisse oder Aneignung von Wissen für sich selbst neue Themen, Interessen oder Aufgaben entdecken, die zum

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Überdenken von bisherigen Lebensentwürfen und zur Entstehung von Alternativen führen, können Transformationsprozesse auch über einen längeren Zeitraum erfolgen (vgl. Zeuner 2014: 99ff.).

Somit kann Bildung als Erfahrungsprozess beschrieben werden, aus dem ein Individuum eine Veränderung erfährt. Mit dem Unterschied, dass dieser Veränderungsvorgang nicht bloß das Denken, sondern das Verhältnis des Menschen zu sich selbst, zu anderen und zur Welt betrifft. Das Bildungsgeschehen kann daher als ein Anderswerden oder Andersdenken verstanden werden (vgl. Koller 2012: 9).

Als Lernende im Erwachsenenalter sind wir in unsere Lebensgeschichte eingebunden. Wir müssen alle von dem ausgehen, was wir mitbekommen haben und uns innerhalb des Horizonts bewegen, der durch die Art und Weise bestimmt wird, die Dinge zu verstehen und zu sehen, die wir uns beim Lernen bisher angeeignet haben. Dies erfolgt in der Kindheit einerseits durch Sozialisation, infolge Aneignung von Normen, die wir von unseren Eltern, Bezugspersonen, Freunden übernommen haben und andererseits durch unser schulisches Lernen (vgl. Mezirow 1997: 1).

4.1 Zur Entstehung der Theorie des transformativen Lernens

Jack Mezirow, geboren 1923, zählt in den Vereinigten Staaten zu den führenden Theoretikern der Erwachsenenbildung. Mezirow wurde vor allem für seine Forschungen, die sich mit den Fragen der Basisbildung Erwachsener und mit Wiedereinstiegsprogrammen in höhere Bildung für Frauen beschäftigten, bekannt.

Die Entwicklung seiner Theorie, die ebenso als Theorie der Perspektivenumwandlung bezeichnet wird, entstand in verschiedenen Etappen. Die hier angeführten fünf Phasen werden von Marsick und Finger in einen historisch- persönlichen sowie einen sozialen Kontext gestellt. Marsick und Finger hatten viele Begegnungen mit Mezirow. Beide sind in der Erwachsenenbildung am Teachers College lehrend und haben viel von dieser Theorie übernommen (vgl. Marsick/Finger 1994: 46ff.).

Mezirows Konzept veränderte sich über die Jahre von einer Theorie der sozialen Rollenaushandlung zu einer der Bewusstseinsbildung, einer Theorie der Entwicklung

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Erwachsener und schließlich zu einer Handlungstheorie, welche in fünf Phasen dargestellt werden (vgl. ebd.: 64).

Phase 1: Von der Kommunalentwicklung zur Bewusstseinsbildung – Schaffung von Praxis und Nützlichkeit

Phase 2: Die akademische Karriere – Symbolischer Interaktionismus und Grounded Theory

Phase 3: Roger Gould – die psychoanalytischen Dimensionen des Lernens Erwachsener

Phase 4: Jürgen Habermas – der rationale Diskurs und die kritische Selbstreflexion Phase 5: Zu einer Wandeltheorie des Erwachsenenlernens (vgl. Marsick/Finger 1994: 48-61).

Näher wird hier ab der zweiten Phase eingegangen. Diese Phase fand in der Zeit statt, wo Mezirow damit konfrontiert wurde, dass seine eigene Frau wieder ans College zurückkehrte. Mezirow untersuchte damals Wiedereinstiegsprogramme von Frauen zu höherer Bildung. Diese Frauenwiedereinstiegsstudie war eine nationale Untersuchung, basierend auf der Grounded Theory, die aus Interviews in vielen Colleges bestand. In dieser Zeit fasste Mezirow seine zentralen theoretischen Überlegungen im Konzept der Perspektivenwandlung zusammen und es entstanden die Phasen der Transformation, die im nächsten Kapitel angeführt werden.

In dieser Frauenwiedereinstiegsstudie in den 1970er Jahren verwendete er erstmalig die Begriffe Sinnschemata sowie Sinnperspektiven, die grundlegend für Mezirows Konzept über das transformative Lernen sind. Frauen wandeln ihre Sinnschemata als Ergebnis des Lernens der Veränderung von Sinnperspektiven was durch Bildung ermöglicht wird. Die Weltsicht dieser Frauen änderte sich, was wiederum zu neuen Chancen in ihrem Leben führte. Er konnte sehen, wie sich seine eigene Frau durch den Besuch des Colleges in Bezug auf die Art und Weise, wie sie sich selbst und die Welt sah, veränderte. Mezirow erkannte den Perspektivenwandel, der sich hier abspielte. In einem Artikel aus dem Jahr 1977 schrieb er, dass es eigenartig sei, dass diese Bildungsweise, die die Sichtweisen hunderttausender Frauen verändert hätten, nicht den Weg in die Literatur der Erwachsenenbildung gefunden hatte. In Kleingruppen intensiver Selbstbefragung und -reflexion, oft ohne formale Bildung,

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haben sich diese Frauen als Produkte einer unterdrückten Geschlechterrolle begreifen gelernt. Die Frauen entwickelten daraufhin neue Sichtweisen, die mit größerer Autonomie und Verantwortlichkeit ihrem Leben gegenüber einhergingen.

Von diesen Frauenwiedereinstiegstudien ausgehend entwickelte Mezirow seine Bildungstheorie (vgl. ebd.: 54-56.).

In der dritten Phase, welche sich in den späten 70er Jahren abspielte, lernte Mezirow den amerikanischen Psychoanalytiker Roger Gould kennen, der grundlegende Anstöße auf dem Weg zu seiner Theorie des Lernens Erwachsener beitrug (vgl.

ebd.: 56). Der Psychiater Roger Gould (1989) behauptet, dass ein traumatisch erlebtes Verbot in der Kindheit zu psychologischen Blockaden im Erwachsenenalter führen kann. ErwachsenenbildnerInnen verstehen dies oft als Lernblockaden. Um der Bedrohung durch Angst zu entgehen, entwickeln Menschen Handlungsmuster oder schützende Schalen in Form von Mitläufer, Allen-Rechttuern, Schauspieler, Perfektionisten oder Workaholics. Indem dem Erwachsenen bewusst wird, dass er nicht autonom handelt, wird die Bedingung für Lernen geschaffen. Ein Erwachsener kann die blockierte Funktion wieder erlangen, indem er die Psychodynamik seiner Lage versteht und trotz Angstgefühl angemessen handelt. ErwachsenenbildnerInnen können Lernende dabei unterstützen, die untauglichen Verhaltensweisen zu erkennen und in Folge zu verändern. Um hier eine Transformation zu erreichen, sollte man sich mit den auftretenden Angst- und Unwohlgefühlen intensiv auseinandersetzen, die einer autonomen Handlung im Wege stehen. Ebenso gehört eine Risikobereitschaft für neue Handlungsschritte dazu (vgl. Mezirow 1997: 117f.).

Die darauffolgende vierte Phase wird von Jürgen Habermas geprägt. Mezirows Denkweise wurde in Habermas Konzept bestätigt. Der deutsche Philosoph und Soziologe vereinigte jene drei für Mezirow bestimmenden Schulen in seiner kritischen Theorie: Symbolischer Interaktionismus, sozialer Wandel sowie Psychoanalyse. Von Habermas übernahm Mezirow die Idee des rationalen Diskurses und der kritischen Selbstreflexion. Sowohl für Habermas als auch für Mezirow waren die kritische Reflexion und die optimalen Bedingungen in einem rationalen Diskurs Voraussetzung für kommunikatives Lernen. Laut Mezirow reflektieren Erwachsene in einem rationalen Diskurs mit bestmöglichen Bedingungen, wie beispielsweise vollständiger Informationszugang für Lernende, ohne Zwänge, Offenheit für andere

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Sichtweisen, ihre Einstellungen und Überzeugungen und gleichzeitig können sich diese verändern und somit können neue Sichtweisen entstehen (vgl. Marsick/Finger 1994: 58-60).

Im Erwachsenenalter ist das kommunikative Lernen bedeutsam. Dazu gehören unter anderem das Beschreiben, das Verstehen und Erläutern von Absichten, Werten, moralischen Grundsatzfragen, Idealen sowie Empfindungen und Ursachen. Ständig müssen wir darüber entscheiden, was für uns richtig oder falsch, passend oder unpassend, gut oder schlecht ist. Beim kommunikativen Lernen nach Habermas nimmt hier die Validitätsprüfung die Form eines Konsenses an, der wiederum durch einen rationalen Diskurs ermöglicht wird. Auf den rationalen Diskurs wird im Kapitel 1.4 intensiver eingegangen (vgl. Mezirow 1997: 62ff.).

In der letzten Phase wurde die Idee des Perspektivenwandels zur Theorie der Entwicklung von Erwachsenen ausgebaut. Mezirow entwickelt eine pragmatische Lerntheorie, wo kritische Reflexion, Diskurs und reflexives Handeln zentrale Punkte in der Erwachsenenbildung sind. Lernende sollen zudem die Wahl haben, auszuwählen und selbst zu entscheiden, zu handeln oder nicht, was wesentlich zur persönlichen Entwicklung beiträgt (vgl. ebd.: 63f.).

4.2 Der Transformationsprozess

Mezirows Untersuchungen von 1978 und die anderer haben gezeigt, dass die Transformation von Bedeutungsschemata (Einstellungen, spezifische Überzeugungen und emotionale Reaktionen) durch Reflexion zwar ein alltäglicher Vorgang ist, dieser jedoch nicht unbedingt Selbstkritik einschließt. Wir korrigieren oft nur unsere Interpretationen. Die Perspektiventransformation ist ein Vorgang, bei dem man sich kritisch bewusst wird, warum und wie unsere Annahmen dazu gelangt sind, unsere Art der Wahrnehmung, des Empfindens und Verständnisses über unsere Welt einzuengen; sowie der Veränderung dieser Gebilde von Erwartungsgewohnheiten, um eine kritischere und umfassendere Perspektive zu ermöglichen und schlussendlich das Treffen einer Entscheidung oder der Vornahme einer anderen Handlung aufgrund des neuen Verständnisses (vgl. Mezirow 1997:

142).

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Erwachsene, die einen transformativen Lernprozess erfahren, erleben das vorübergehende Gefühl eines neuen Anfangs oder einer Wiedergeburt. Dieses Gefühl bleibt nicht immer bestehen. Mezirow berichtet, dass Stephen Singular eine Gruppe Frauen untersuchte, die eine Perspektiventransformation erlebten, indem sie in ihrer Karriere Erfolg hatten. Am Ende dieses Erfolges mussten sie feststellen, dass neue Herausforderungen und Krisen auf sie warteten. Diese Desillusion kann wiederum zu einer neuen Perspektiventransformation führen. Dieser Prozess der laufenden Transformation kann während des gesamten Erwachsenenlebens immer wieder erfahren werden (vgl. Mezirow 1997: 134).

Eine Perspektiventransformation kann einerseits durch die Zunahme transformativer Bedeutungsschemata infolge einer Reihe von Dilemmas und andererseits als Reaktion auf ein von außen herangetragenes Dilemma entstehen. Dazu gehören beispielsweise Trennung, Scheidung, Tod, Krankheit, der Auszug der Kinder aus dem Elternhaus, Eintritt in den Ruhestand oder Durchfallen bei einer wichtigen Prüfung. Ein zur Desorientierung führendes Dilemma, welches den Prozess einer Transformation einleitet, kann auch infolge einer Diskussion, eines Gedichtes, Buches oder Bildes geschehen, wodurch einem die Augen geöffnet werden. Jede größere Herausforderung kann zu einer Transformation führen. Diese schmerzhaften Herausforderungen stellen oft tief verankerte persönliche Wertvorstellungen in Frage (vgl. Mezirow 1997: 142).

Im Jahr 1975 wurde eine landesweite Untersuchung von Frauen durchgeführt, die nach einer bestimmten Zeit, in der sie an Wiedereinstiegsprogrammen teilgenommen haben, wieder an eine Hochschule zurückkehrten. Bei dieser Untersuchung, durchgeführt durch Mezirow und seine MitarbeiterInnen, wurden mit 83 Frauen und 50 ehemaligen Teilnehmerinnen an zwölf Förderprogrammen in New York, Kalifornien, New Jersey und Washington sowie mit den bei diesen und ähnlichen Programmen an 24 weiteren Hochschulen mitwirkenden Fachkräften strukturierte Interviews durchgeführt. Die Erkenntnis aus den Interviews war, dass der Prozess der persönlichen Transformation in mehreren Phasen geschieht (vgl. Mezirow 1997:

143).

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Die perspektivische Transformation schien danach in folgenden zehn Phasen zu verlaufen:

1. Auftreten eines desorientierenden Dilemmas.

2. Selbsthinterfragung mit Gefühlen von Angst, Wut, Scham oder Schuld.

3. Kritische Hinterfragung der eigenen Annahmen.

4. Erkenntnis, dass die eigene Unzufriedenheit und der Prozess dieser Transformation auch von anderen erfahren werden und dass auch andere Personen ähnliche Veränderungen bewältigt haben.

5. Suche nach Möglichkeiten für neue Rollen, Beziehungen und Handlungen.

6. Planung einer Handlungsweise.

7. Aneignung von Wissen und Fertigkeiten, um die eigenen Pläne durchzuführen.

8. Ausprobieren der neuen Rollen.

9. Entwicklung von Selbstvertrauen und Fähigkeiten für neue Rollen, Beziehungen und Handlungen.

10. Wiederaufnahme des eigenen Lebens auf der Grundlage der neuen Bedingungen, die durch neue Perspektiven eröffnet wurden (vgl. Mezirow 1997: 143).

Mezirow hat aus den Ergebnissen seiner Forschung diese Phasen abgeleitet, die Individuen im Rahmen transformativer Lernprozesse durchlaufen. Die Reinterpretation führt zur Transformation. Mezirow bezeichnet den Prozess auch als reframing der Denkgewohnheiten (habit of mind). Das Wissen um die Phasen des transformativen Lernprozesses ist von großer Bedeutung für die Praxis der Erwachsenenbildung, deren Ziel es ist, gezielt transformative Lernprozesse anzuregen und zu unterstützen. Die einzelnen Phasen gelten nur als Anhaltspunkte, denn unterschiedliche Situationen können gleichzeitig erlebt werden (vgl. Zeuner 2012: 97).

4.3 Bedeutungsschemata und Bedeutungsperspektiven

Die Begrifflichkeiten Bedeutungsschemata sowie Bedeutungsperspektiven werden im Konzept der transformativen Erwachsenenbildung häufig verwendet. Ein Bedeutungsschema stellt bestimmte Überzeugungen, Empfindungen, Interpretationen und Werturteile dar, die in einer Interpretation zum Ausdruck kommt.

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Bedeutungsschemata sind konkrete Manifestationen unserer gewohnten Erwartungen (Bedeutungsperspektiven) und übertragen diese allgemeinen in besondere Erwartungen, die uns dann bei unseren Handlungen leiten. Ein Bedeutungsschema kann sich darauf beziehen, wie etwas zu tun ist (instrumentelles Lernen), wie etwas zu verstehen ist (kommunikatives Lernen) und wie man sich selbst verstehen soll. Indem wir neuen Fakten begegnen, die nicht zu unseren gewohnten Vorstellungen passen, können durch Reflexion neue Schemata entstehen. Die Wahrscheinlichkeit, dass durch kritische Selbstreflexion Bedeutungsschemata statt Bedeutungsperspektiven transformiert werden, ist weit höher. Eine Bedeutungsperspektive enthält eine Anzahl von Bedeutungsschemata (vgl. Mezirow 1997: 36).

Bedeutungsperspektiven bestimmen die Art unseres Empfindens und schaffen die Kriterien für unsere Bewertung von gut und schlecht, schön und hässlich, richtig oder falsch sowie recht oder unrecht. Die Bewertung einer Erfahrung wird durch die Bedeutungsschemata bestimmt, die in unseren Bedeutungsperspektiven enthalten sind (vgl. ebd.: 36f.).

Transformatives Lernen umfasst somit zwei Dimensionen. Dazu gehört die Transformation von Bedeutungsschemata und von Bedeutungsperspektiven. Erstere ist Bestandteil unseres Denkprozesses. Wenn wir durch Bewertung unserer Annahmen zu einer Problemlösung kommen und diese als unbegründet befinden, schaffen wir neue Annahmen oder wir transformieren unsere alten und gleichzeitig unsere Interpretation von Erfahrung. Dadurch findet tägliches Lernen statt. Wenn wir im Leben dazu gezwungen werden, die Prämissen, die wir als gegeben hinnehmen anders und neu zu bewerten, entsteht eine Perspektiventransformation, die mit größeren Veränderungen im Leben verbunden sind (vgl. Mezirow 1997:164).

4.4 Elemente der Theorie des transformativen Lernens

Zu den Elementen dieser Theorie gehören der Referenzrahmen, die kritische Reflexion sowie der reflexive Diskurs. Während eines transformativen Lernprozesses verändern sich diese drei Elemente. Zum einen werden hier die entwicklungspsychologische Theorie Robert Kegans, die psychoanalytische Theorie C.G. Jungs und zum anderen wird die Theorie des kommunikativen Handelns nach

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Jürgen Habermas und somit Elemente der kritischen Theorie zugrunde gelegt (vgl.

Zeuner 2012: 94).

4.4.1 Referenzrahmen

Der Referenzrahmen spiegelt Einstellungen eines Menschen, die er aufgrund seiner Erfahrungen im Laufe seines Lebens entwickelt hat. Der Referenzrahmen kann sich einerseits auf das Resultat interpretierter individueller Erfahrungen und andererseits auf kollektive Ereignisse beziehen. Durch die Interpretation der gesammelten Erfahrungen entwickeln Menschen Denkgewohnheiten, sogenannte habits of minds.

In Folge entstehen aus diesen Denkgewohnheiten Standpunkte, points of view, die zu einer Idee des Selbst und der Weltsicht führen. Um Denkgewohnheiten und Standpunkte verändern zu können, setzt es die kritische Selbstreflexion voraus.

Neue Standpunkte werden häufig nur zögernd akzeptiert, da Veränderungen ungewohnt sind und identitätsbedrohend scheinen. Transformatives Lernen geschieht dann, wenn Menschen es schaffen diesen Referenzrahmen, somit ihre Denkgewohnheiten und Standpunkte, zu hinterfragen und zu verändern (vgl. Zeuner 2014: 103f.).

4.4.2 Kritische Reflexion

Voraussetzung für eine Veränderung des Referenzrahmens, somit der Denkgewohnheiten und Standpunkte, setzt die kritische Selbstreflexion voraus.

Mezirow unterscheidet in der Erwachsenenbildung drei Formen von Reflexion. Dazu gehören die inhaltliche Reflexion (Was passierte?), die Prozessreflexion (Wie bin ich dazu gekommen, etwas zu denken?) sowie die wertende Reflexion (Warum ist das wichtig?). Die wertende Reflexion beschäftigt sich mit der Überprüfung der eigenen Einstellungen sowie bisherigen Überzeugungen und ist deshalb für den transformativen Lernprozess entscheidend (vgl. Zeuner 2012: 95f.).

Beim Lernen durch Transformation von Bedeutungsschemata spielt die Reflexion über Annahmen eine entscheidende Rolle. Die gewohnten Einstellungen und Überzeugungen eignen sich nicht mehr. Das Gefühl von Mangelhaftigkeit in Bezug auf die bisherige Art zu denken und zu handeln, stellt sich ein. Beispielsweise kann eine Frau, die an einer Lehrveranstaltung teilnimmt und die Verpflichtung spürt, danach unmittelbar nach Hause zu hetzen, um ihrem Mann das Essen zu kochen, bei der Begegnung mit anderen Frauen, die diese Notwendigkeit nicht empfinden,

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diese geschlechtsspezifische klischeehafte Rolle zu spielen, dazu gelangen, das diesen Zwang erzeugende Bedeutungsschemata in Frage zu stellen. Der daraus resultierende Zugewinn an transformierten Bedeutungsschemata kann somit zu einer Transformation der Bedeutungsperspektive führen (vlg. Mezirow 1997: 78).

4.4.3 Reflektiver Diskurs

Aus der Theorie des kommunikativen Handelns und des herrschaftsfreien Diskurses von Jürgen Habermas leitet Mezirow das dritte Element des reflektiven Diskurses ab.

Zugunsten von transformativen Lernprozessen sollen in der Erwachsenenbildung Bedingungen, wie Offenheit für andere Standpunkte, vollständige Information und gleichberechtigte Teilnahme, gegeben sein. Herrschaftsfreier Diskurs erfordert Voraussetzungen wie Bildung, Gesundheit, Mündigkeit und ökonomische Sicherheit der Lernenden (vgl. Zeuner 2014: 104f.).

Unter diesen optimalen Bedingungen können Lernende in der Erwachsenenbildung Bedeutungsperspektiven gegenüber kritisch-reflexiv werden und neue Perspektiven erarbeiten. Zum kommunikativen Lernen gehört neben der Erzielung eines tiefen Verständnisses auch die Beschäftigung mit dem Unbekannten durch die Gedanken der anderen. So kann durch Reflexion neue Bedeutungsschemata geschaffen werden, um die neuen ungewohnten Merkmale zu integrieren. Um zu lernen und um das Unbekannte auch zu verstehen, braucht es neben Reflexion und Offenheit, Phantasie und Intuition (vgl. Mezirow 1997: 64- 69).

ErwachsenenbildnerInnen sollen Lernende immer wieder zu einem reflexiven Diskurs anregen. Indem Lernende die Berechtigung ihrer bestehenden Bedeutungsschemata und –perspektiven, somit ihre bestehenden Annahmen auf ihre Gültigkeit überprüfen, können in Folge neue Fakten und Interpretationen in Anwendung kommen (vgl.

Mezirow 1997: 171).

Während des Erwachsenwerdens verbessern wir unsere Fähigkeit die Realität dadurch zu antizipieren, dass wir unsere Bedeutungsschemata und –perspektiven entwickeln, um sie wirkungsvoller zur Integration und Differenzierung unserer Erfahrungen anwenden zu können. Die Erfahrung stärkt unser persönliches System von Kategorien dadurch, dass sie unsere Erwartungen im Hinblick darauf bestärkt, wie Dinge sein sollen. Stattdessen bleibt das, was wir dann in Wirklichkeit erfahren,

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einer durch einen bestimmten Anreiz hervorgerufenen Kategorie und nicht dem Ereignis in der Realität zugeordnet. Wir erstellen somit mit unserem System an Kategorien ein Modell der Welt, durch das wir dazu gelangen, die Entstehung gewisser Verhaltensweisen sowie Beziehungen zu erwarten und danach die Vornahme imaginativer Projektionen zur Deutung unserer Erfahrungen unsere Kategorien erfahren (vgl. Mezirow 1997: 123).

Das Durchführen einer reflexiven Handlung ist ein Prozess, der für transformatives Lernen entscheidend ist.

4.5 Vorgang reflexiven Handelns

Unser Handeln, Denken, Wahrnehmen und Empfinden kann sich einerseits gewohnheitsmäßig oder mit Bedacht ereignen. Jede Art zu handeln, kann durch psychologische oder soziale Vorannahmen verfälscht werden, die ihren Ursprung im bisher Erlernten haben. Früher Gelerntes auf seine Zweckdienlichkeit zu überprüfen und neu zu bewerten, sind die Kennzeichen von Reflexion. Durch reflexives Handeln können von Kindheit ungeprüft übernommene Überzeugungen bezüglich der Folgen einer bestimmten anmaßenden, sexuellen, konkurrierenden Verhaltensweise, die unsere Eltern in einem traumatischen Kindheitserlebnis verboten und aus unseren Bewusstsein verdrängt wurde, sich dann im Erwachsenenalter aber in Folge von Schuld- und Angstgefühlen behauptet hat, neu bewerten und negieren (vgl. Mezirow 1997: 90f.)

Indem tiefere Einsichten durch Reflexion gewonnen werden, können andere Entscheidungen getroffen werden, was in Folge als reflexives Handeln verstanden wird. In Abbildung 1 wird der Verlauf des reflexiven Handelns, welches aus verschiedenen Abläufen besteht, dargestellt. Der Anfang liegt in der Problemstellung.

Zu den Abläufen dieses Prozesses gehören das Abtasten, die artikulierte Deutung, die zu einer Transformation somit einer Veränderung beim Bedeutungsschema oder im Falle einer Prämissen-Reflexion, dargestellt durch die punktierte Linie, zur Transformation einer Bedeutungsperspektive kommen kann.

(30)

Abbildung 1: Vorgang reflexiven Handelns (vgl. Mezirow 1997: 90).

Transformatives Lernen führt somit zu neuen Bedeutungsschemata oder transformierten Bedeutungsperspektiven somit zur Perspektiventransformation.

Reflexives und transformatives Lernen sollte ein gewichtiges Ziel in der Erwachsenenbildung sein (vgl. ebd.: 92).

Erinnern

Handeln

Bedeutungsschema Bedeutungsperspektive

(Reflexives Lernen)

(Transformatives Lernen)

Prozeß Prozeß

Imaginative Einsicht

Interpretation

Interpretation (Problemstellung)

Abtasten

Artikulierte Deutung

Von Reflexion begleitetes

bedachtes Handeln Rückblickende Refexion

Problemgehalt Problemgehalt

Prämisse

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Mit Hilfe der Prämissen-Reflexion können ungünstige Verhaltensweisen, die aufgrund Kindheitstraumata erlernt wurden, verstanden werden. Durch sie können wir die Gründe für unser Empfinden, unser Handeln und deren Folgen erkennen. Sie wird nicht nur in der Psychotherapie, sondern auch beim Lernen Erwachsener angewandt. So lernen wir in unserer Kindheit einfache Regeln, wie beispielsweise das Halten der Hand der Mutter beim Überqueren einer Straße. Diese Art von Regeln, vom Halten der Hand der Mutter bis zur stetig modifizierten Art des einfachen rechts nach links Schauens beim Überqueren der Straße, können nützliche Lebensregeln sein. Wird jedoch ein elterliches Verbot bei einem emotional aufgeladenen und traumatischen Vorfall eingeimpft, bei dem Empfindungen wie Liebesentzug, die Angst vor Schlägen oder Schande mitwirken, kann sich dieses Verbot negativ auswirken. Nachdem solche traumatische Ereignisse längst vergessen sind, werden weiterhin die Gefühle beeinflusst und durch Angstgefühle die Art des Umgangs mit anderen im Erwachsenenalter bestimmt. So reagieren wir als Erwachsene in ähnlichen Situationen indem sich die Bauchmuskeln zusammenziehen, wir eine trockene Kehle bekommen oder Schweiß bildet sich auf unseren Händen. Ähnliche Gefühle aus der damaligen Kindheitssituation wie Zurückweisung, öffentliche Demütigung oder ein Im-Stich-Gelassen-Werden wiederholen sich trotz rationaler Bewertung im Erwachsenenalter (vgl. Mezirow 1997:

116f.).

Mittels Reflexion beim Lösen von Problemen und dem Auftauchen von neuen ungewohnten Gegebenheiten, die nicht zu unseren vertrauten Vorstellungen passen, können Transformationen von Bedeutungsschemata hervorgerufen werden und neue Schemata entstehen. Wenn wir es durch Inhalts- oder Prozessreflexion nicht schaffen ein desorientierendes Dilemma zu lösen, wenden wir uns oftmals der Reflexion über die hinter diesen Handlungen stehenden Prämissen zu. Was dazu führen kann, dass das Problem neu bestimmt wird und aufgrund der transformierten Erkenntnis anders gehandelt wird. Zu einer genuinen Art des Lernens Erwachsener gehört der Prozess der Perspektiventransformation. ErwachsenenbildnerInnen sollen Lernende dabei unterstützen ihre gegenwärtigen Verhaltensweisen und Überzeugungen kritisch und in Zusammenhang ihrer Biografie zu sehen (vgl.

Mezirow 1997: 167).

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4.6 Kritik der Theorie des transformativen Lernens

Mezirow hat mit seiner Theorie zwar einen wertvollen Grundstein gelegt, jedoch ist diese Theorie bei weitem noch nicht so abgeschlossen, wie es von einer stringenten Theorie erwartet wird. Kritikpunkt in seiner Theorie ist die Fixierung des Individuums mit seiner verstärkten Hinwendung zu individueller Einzigartigkeit bei Erwachsenen und somit das Außerachtlassen von kollektiven, politischen sowie gesellschaftlichen Handlungen. In Folge kann dieser Ansatz unzureichend zu einer kollektiven Lösung der Herausforderungen in einer Gesellschaft beitragen. Seine Sicht des Perspektivenwandels beim Individuum ist bestimmt ein großartiger Beitrag. Für Veränderungsprozesse in der Gesellschaft ist der Wandel von Sichtweisen eines Einzelnen zwar wichtig, dennoch bedarf es kollektiver transformativer Lernprozesse (vgl. Marsick/Finger 1994: 64-66).

Des Weiteren ist der Fokus zu sehr auf innerpsychische transformative Lernprozesse gerichtet und der Einfluss auf individuelle Lernprozesse durch ökonomische, politische, kulturelle und soziale Kontexte wird weitgehend vernachlässigt (vgl.

Zeuner 2014: 107).

Ein weiterer Kritikpunkt dieses Konzepts, das in den USA und Kanada in Wissenschaft und Praxis der Erwachsenenbildung seit den 1990er Jahren weiterentwickelt wurde, ist die Konzentration auf didaktisch-methodische Gestaltung von non-formalen und formalen Bildungsveranstaltungen. Keine Beachtung wird zufälligen Lernprozessen geschenkt in Settings wie Selbsthilfegruppen, Bürgerinitiativen oder Nachbarschaftshilfen, in denen ebenso transformatives Lernen stattfinden kann (vgl. Zeuner 2012: 97f.).

Die deutsche Erwachsenenbildung, die transformative Lernprozesse unterstützt, orientiert sich an den TeilnehmerInnen. Der Aspekt der Transformation wurde in Deutschland zwar in Bezug auf einen emanzipatorischen Bildungsbegriff ähnlich diskutiert, findet jedoch in der subjektwissenschaftlichen als auch in der konstruktivistischen Lerntheorie nur geringen Stellenwert. In der subjektwissenschaftlichen Theorie von Klaus Holzkamp ist als Ergebnis von Lernprozessen eine Transformation zwar möglich, wird jedoch wenig thematisiert. Im Konstruktivismus kann Transformation nicht gezielt angestrebt werden, da dies der

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Auffassung der Lehrenden als LernbegleiterInnen zuwiderlaufen würde. Das transformative Lernen ist an den bildungstheoretisch-kritischen Diskurs anschlussfähiger als an Lerntheorien, der die Erziehung zur Mündigkeit, Kritik- und Urteilsfähigkeit sowie Autonomie anstrebt (vgl. Zeuner 2012: 103).

Warum Menschen auf eine bestimmte Art und Weise handeln und denken oder sich und andere wahrnehmen, kann mit Bourdieus Gesellschaftstheorie erklärt werden.

Aus diesem Grund hat das Konzept des Habitus eine gewisse Bedeutung für Mezirows Theorie. Nach Bourdieus Theorie ist es jedoch eher unwahrscheinlich, dass transformatorische Bildungsprozesse geschehen. Nach seiner Erklärung lassen Individuen nur solche Wahrnehmungen zu, die ihnen vertraut sind. Folglich gesehen ist der Habitus träge und schwierig zu verändern (vgl. Koller 2012: 23-27).

An folgenden Praxisbeispielen eines sozialpädagogischen Begleitprojektes in Hamburg können transformative Lernprozesse aufgezeigt werden.

4.7 Praxisbeispiele anhand der Projekte Schritte und FliQ

Beide hier angeführten Projekte wurden in Deutschland zwischen 2010 und 2012 durchgeführt. Das erste Projekt Schritte beschäftigte sich mit alleinerziehenden Frauen über 26 Jahren, die am Arbeitsmarkt als benachteiligt galten, mit dem Ziel, diese wieder in den Arbeitsmarkt zu integrieren. Die alleinerziehenden Mütter ohne berufliche Ausbildung wurden vom Jobcenter diesem Projekt zugeteilt. Für jede Teilnehmerin, die bis zu einem Jahr in diesem Projekt war, wurde in dieser Maßnahme ein individueller Plan, der je nach Bedarf Qualifikationsmaßnahmen und spezielle Coaching Angebote beinhaltete, erarbeitet. Ziel des Projektes waren die Eingliederung der benachteiligten Frauen am Arbeitsmarkt und die Steigerung des Selbstbewusstseins sowie des Selbstwertgefühles (vgl. Zeuner 2014: 115).

Das zweite Projekt FliQ, was bedeutet Familien leben im Quartier, beschäftigte sich mit benachteiligten Familien, die in einem sozial schwierigen Stadtteil in Deutschland lebten. Mit Hilfe eines systemischen Familienmanagementansatzes sollten diese Familien unterstützt und eine Stabilisierung in den Familien erlangt werden. Ziel beider Projekte war es, Lernprozesse bei den Beteiligten anzuregen. Beim Projekt Schritte standen die individuelle Entwicklung im Vordergrund und im Projekt FliQ

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sollte die Verbesserung der Lebenssituation der Familie sowie eine soziale Transformation des Stadtteils erreicht werden. Transformatives Lernen wurde unter den beteiligten SozialpädagogInnen nicht als Projektaufgabe thematisiert. Dennoch können die Konzepte und Zielsetzung beider Projekte als solches interpretiert werden, da ein Projektziel die Erweiterung der individuellen und gesellschaftlichen Handlungsfähigkeit der beteiligten Personen durch partizipative Ansätze war (vgl.

Zeuner 2014: 116).

Die für die Auswertung benötigten Daten stammen aus Evaluationen, die mit den teilnehmenden Frauen und den am Projekt beteiligten SozialpädagogInnen zwischen 2010 und 2012 durchgeführt wurden. Insgesamt wurden für das Projekt Schritte in einer mittleren Großstadt mit etwa 90.000 EinwohnerInnen neun leitfadengestützte Interviews von der städtischen Beschäftigungsgesellschaft erfasst und transkribiert.

Für das Projekt FliQ wurden zwölf Interviews durchgeführt. Die interviewten Personen waren mindestens sechs Monate bis zu einem Jahr in diesem Projekt.

Einige waren zum Zeitpunkt des Interviews bereits aus dem Projekt ausgeschieden, dennoch waren sie bereit ihre Erfahrungen mitzuteilen. Das Projekt zielte auf Lernprozesse und deren individuelle Entwicklung der benachteiligten Frauen ab. Die Teilnahme an den Projekten war zwar freiwillig, allerdings berichteten diese Frauen, dass ihnen bei einer Nichtteilnahme finanzielle Kürzungen seitens des Jobcenters drohten. Die Auswertung dieser Interviews sollte erfassen, ob es sich in diesen Projekten um transformative Lernprozesse nach Mezirow handelt (vgl. ebd.: 116ff.).

Laut Mezirow stellt ein desorientiertes Dilemma die Ausgangslage für einen transformativen Lernprozess dar. Bei den hier angeführten Personen wurde festgestellt, dass kein eindeutiges Dilemma die Ausgangsposition zur Teilnahme an den Projekten war. Hingegen befanden sich, die am Projekt teilnehmenden Personen meistens in bereits länger hinziehenden, schwierigen sozialen, gesundheitlichen und psychischen Lebenssituationen. Beim Projekt Schritte stand die Integration in den Arbeitsmarkt durch Inanspruchnahme von Bildungs- und Qualifizierungsmaßnahmen im Fokus und im Projekt FliQ stand die psychische Stabilisation der Familien im Mittelpunkt (vgl. Zeuner 2014: 117f.).

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Als positives Ergebnis und als transformativen Lernprozess berichten die interviewten Personen, dass sie durch die Teilnahme und Betreuung im Projekt mittlerweile besser auf Menschen zugehen können, sich leichter öffnen und dass sie sich wieder mehr zutrauen. Sie erzählten ferner, dass sie die Tipps der ProjektmitarbeiterInnen unterstützt haben, dass sie aus ihrer Isolation herausgekommen sind oder dass sie sich jetzt getrauen Grenzen zu überschreiten, indem sie sich beispielsweise trotz Kinder zutrauen eine neue Ausbildung zu machen. Sie berichteten über Lernprozesse im Verhalten im Vergleich vor zwei Jahren, welche als Transformationen der Wahrnehmung und des Verhaltens interpretiert werden kann (vgl. ebd.: 119f.).

Das geringe Selbstvertrauen scheint ein Thema von vielen Beteiligten zu sein.

Deshalb hatten sie auch Angst sich in ihrer Familie oder gegenüber Einrichtungen und Ämtern zu behaupten. Nach der Teilnahme erzählten sie, dass sie mehr Durchsetzungsvermögen den Kindern gegenüber und wieder mit beiden Beinen im Leben stehen. Die Teilnahme in der gegründeten Frauengruppe war für die Frauen eine Möglichkeit abzuschalten, sich auszutauschen sowie neue Perspektiven zu entwickeln und somit wieder Freude am Leben zu erlangen. Die Teilnahme an der Frauengruppe forderte die Frauen auf zu reflektieren, somit unabhängiges Handeln und Denken, zunehmendes Selbstbewusstsein sowie Selbständigkeit zu erlangen.

Wichtig waren außerdem der Kontakt und der Austausch untereinander. Manche Frauen haben lange gebraucht, um sich auf die qualifizierenden Programme oder die Gesprächsangebote mit den SozialpädagogInnen einzulassen, was mit ihrer psychischen und sozialen Situation zusammenhängt. Frauen haben wieder berufliche Perspektiven erlangt, die sie selbständig verfolgen (vgl. ebd.: 121-123).

Die SozialpädagogInnen bestätigen, dass sich im Laufe der Projekte durch die Zunahme von Vertrauen, Änderungen in den Einstellungen und im Verhalten der Frauen entwickelten. Falls sich die neuen Verhaltensmuster während der Projektzeit noch nicht gefestigt haben, gab es danach Rückschritte. Im Großen und Ganzen sind bei den interviewten Personen Entwicklungen eingetreten, die mit einer Transformation des Bewusstseins und des individuellen Verhaltens einhergehen, die mit dem Infrage stellen von bisherigen Einstellungen zusammenhängen (vgl. ebd.:

124ff.).

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