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Kollektive Transformation in Gruppen

Im Dokument Was kann Bildung bewirken? (Seite 36-39)

Nicht nur bei einzelnen Personen, sondern ebenso in Gruppen kann transformatives Lernen geschehen. Mechthild Hart analysierte 1990 diesen Prozess. Laut ihrer Analyse bestehen Voraussetzungen um transformatives Lernen in Gruppen zu ermöglichen in Anerkennung und Analyse von Unterdrückung, die kritische Reflexion über persönliche Erfahrung, die Homogenität der Gruppe und des Weiteren die Reflexion über Machtmechanismen unter den Gruppenmitgliedern. Bestehen die Gruppenmitglieder aus unterschiedlichen Gesellschaftsschichten ist es kein Leichtes ein gegenseitiges Vertrauensverhältnis zu schaffen. Hart beschreibt zudem, dass transformativ lernende Gruppen bestimmte Phasen durchlaufen:

 Sich öffnen: in dieser Phase werden Empfindungen ehrlich zum Ausdruck gebracht und Erfahrungen mitgeteilt.

 Anteil haben: in dieser Phase werden Ähnlichkeiten in den bereits durchlebten Erfahrungen erkannt.

 Analysieren: in dieser Phase werden Fragen nach dem Funktionieren der Gesellschaft gestellt.

 Abstrahieren: Phase, in der die gewonnenen Vorstellungen und die vorgenommene Analyse in Beziehung zu einer Diskussion, zu einer abstrakten Theorie entstehen.

In der Praxis lässt man zu Beginn die GruppenteilnehmerInnen der Reihe nach über ihre eigenen Erfahrungen berichten, ohne dass dazu Stellung genommen wird.

Ferner sollte jeder einzelne nur über seine eigenen Erfahrungen sprechen und sich nicht auf das beziehen, was die anderen TeilnehmerInnen von sich erzählt haben. In einer weiteren Runde kann dann jeder einzelne bewusst über seinen Beitrag im Blick auf die Bemerkungen der anderen nachdenken. Hier können sie dann feststellen, wie die Kommentare sowie die Erfahrungen der anderen dabei helfen, ihre Sichtweise zu überdenken und zu verändern (vgl. Mezirow 1997: 157-160).

In den Praxisprojekten Schritte und FliQ lösten die Spiegelung der eigenen Position durch andere Gruppenmitglieder, nach eigenen Aussagen der daran Teilnehmenden, Einstellungs- und Verhaltensänderungen aus. Die Folge war, dass sich einige Frauen konkrete Qualifizierungsstrategien überlegten und neue Berufsfelder für sich

erarbeiteten. Andere Teilnehmerinnen entwickelten daraus mehr Selbstbewusstsein und Selbstwert sowie eine höhere Wertschätzung zu ihren Tätigkeiten als Mutter und Hausfrau (vgl. Zeuner 2014: 126).

Besonderheiten für transformative Lernprozesse in sozialen Gruppenbewegungen nach Matthias Finger sind das experimentelle Lernen, das ganzheitliche Lernen (Aneignung einer Lebensweise), das Lernen durch Betroffenheit (Lernerfahrungen, durch die Emotionen geweckt werden) sowie das Identitätslernen (vgl. Mezirow 1997:

161).

Zu den Hindernissen, die einen kritisch-reflexiven sowie rationalen Diskurs in Gruppen beeinflussen, zählen die Autoritäts- und Ordnungsgläubigkeit, Angst vor Konflikten und das inhärente Paradoxon, das zwischen Individualität und wirksamer Teilnahme an Gruppen besteht. Irving Janis (1983) hat den Begriff des Gruppendenkens geprägt. Darunter versteht man das Einbezogen sein der TeilnehmerInnen an einer in sich geschlossenen Gruppe. Das Gruppendenken kann die Individualität des Denkens ablösen. Die Gefahr dabei ist, dass dann TeilnehmerInnen an einer Gruppe, zu wahren Gläubigern werden und keine alternativen Sichtweisen mehr zulassen (vgl. Mezirow 1997: 162f.)

ErwachsenenbildnerInnen, die als ModeratorInnen fungieren, sollen Lernende dazu motivieren ihre Verhaltensweisen und ihre Überzeugungen kritisch zu betrachten und dies nicht nur wie sich diese aktuell darstellt, sondern ebenso im Rahmen ihrer Entwicklungsgeschichte mit ihren Folgen im Leben der Lernenden (vgl. Mezirow 1997: 168).

Wenn in der Erwachsenenbildung transformative Lernerfahrungen gemacht werden, geht es vor allem um die Frage der Rolle der Lehrenden. ErwachsenenbildnerInnen dienen in Lernprozessen nicht nur als ModeratorInnen, sondern sollen transformatives Lernen unterstützen (vgl. Zeuner 2012: 103). Das letzte Kapitel dieser Arbeit setzt sich intensiv mit der Thematik auseinander, wie transformative Lernprozesse in der Erwachsenenbildung gefördert werden können und was ErwachsenenbildnerInnen im Umgang mit Lernenden beachten bzw. meiden sollen.

Neben dem Transformativen Lernen nach Mezirow bestehen noch weitere Modelle, bei denen über Dilemmata-Erfahrungen, kritischen Ereignissen oder emotionalen Irritationen, Lernprozesse ausgelöst werden, die zu einer nachhaltigen Transformation von emotionalen sowie kognitiven Schemata und Perspektiven führen.

Signifikantes Lernen nach Rogers (1974) ist bedeutungsvolles Lernen, dass den ganzen Menschen mit seinen emotionalen und rationalen Anteilen umfasst.

Bedeutsam für das signifikante Lernen nach Rogers ist das persönliche Engagement des Lernenden, sein Gefühl des Entdeckens, der Eigenbewertung, des inneren Antriebs und des subjektiven Sinns. Voraussetzung für signifikante Lernprozesse ist ein gutes Lernklima wo Vertrauen und Sicherheit gegeben sind.

Beim Emotionslernen nach Arnold (2005) geht es darum, ausgehend von einer Konfliktsituation die eigenen Emotionen zu erkennen, diese dann sinnvoll auszudrücken, anderen zuzuhören und sich in ihre Gefühlsage hineinversetzen zu können. Das Emotionslernen verläuft meistens beiläufig und unbeabsichtigt in Kontexten, die nicht pädagogisch vorstrukturiert sind und bei denen alle Beteiligten nur das tun, was sie selbst aufgrund ihrer Bildungsgeschichte zu tun in der Lage sind.

Expansive Lernprozesse nach Holzkamp (1993) sind dann gegeben, wenn der Erwachsene durch ein subjektiv empfundenes Handlungsproblem zu einer Irritation kommt und sich durch Lernen eine weitere Handlungsfähigkeit ergibt. Das Handlungsproblem wird erst dann zu einem Lernproblem, wenn es dem Lernenden gelingt, durch Distanz und Übersicht festzustellen, warum die aufgetretenen Schwierigkeiten entstanden sind und wie sie lernend gelöst werden können.

Das Deutungslernen nach Schüßler (2000), auf das im nächsten Kapitel näher eingegangen wird, beschreibt die systematische, reflexive und auf Selbsttätigkeit verwiesene Auseinandersetzung des erwachsenen Lernenden mit fremden und eigenen Deutungen. Ziel ist es, ausgehend von Handlungsproblemen sich der eigenen nicht mehr funktionierenden Deutungs- sowie Emotionsmuster bewusst zu werden. Die eigene Handlungsfähigkeit sollte wiedergewonnen werden, indem die

bestehenden Deutungs- sowie Emotionsmuster transformiert werden (vgl. Schüßler 2008: 4)

Im Dokument Was kann Bildung bewirken? (Seite 36-39)