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3. Die EU-Osterweiterung – eine historische Herausforderung

3.5. Zahlen und Fakten über die Erweiterung

Nur eine äußerst informative Kampagne würde es schaffen, das Projekt „Erweiterung“

in seinen realen Dimensionen den Bürgern der alten sowie der neuen Mitgliedstaaten vorzustellen. Aufklärung und Information sowie ehrliche Antworten statt einer „von oben verordneten Zwangsbeglückung“103 könnte hier die richtige Formel sein. Es reicht nicht einen großen Teil der in den verschiedenen wirtschaftlichen Fachdiskussionen vorgebrachten „Pro“-Argumente nur den direkt betroffenen Gruppen und eng

95 Mehr über das kulturelle Erbe und die Geschichte Bulgariens - vgl. Teodossieva (Fn. 88), S. 358-359.

96 So z.B. Tomov (Томов), Leiter des Universitätsverlags bei der Universität „Sw. Kliment Ohridski“ in der bulgarischen Fernsehsendung „Памет Българска“ v. 19.05.2007; vgl. weiter Kuneva (Кунева): Das kyrillische Alphabet würde durch die bulgarische EU-Mitgliedschaft neben dem lateinischen und dem griechischen Alphabet ein offizielles europäisches Alphabet (Fn. 90).

97 Der bulgarische Staat unterstützte die Schaffung des slawischen Alphabets und entwickelte sich seit dem 9. Jh. als Zentrum der christlich-slawischen Kultur.

98 Vgl. Kuneva (Кунева): Празникът на Европа и българските подаръци (Fn. 90), S.10.

99 von Marschall, Ch. (Fn. 82).

100 Über die politische und wirtschaftliche Situation Bulgariens nach der Wende 1989, vgl. Teodossieva (Fn. 83), S. 1030 ff.

101 Abraschewa, Martschela (Абрашева, Марчела): Представата за Европеския съюз в България. Ако не знаеш къде отиваш, как ще разбереш кога си стигнал?, in: в. Капитал v. 26.03.-01.04. 2005, S. 6.

102 Koritarov, Georgi (Коритаров, Георги): Дневник online Европейски перспективи v. 19.02.2004, S.

2.

103 Vgl. von Marschall (Fn. 82).

spezialisierten Kreisen (Wirtschaftsverbänden, Industrie- und Handelskammern, Lobbys usw.) bekannt zu machen. Wahrscheinlich können auch die vorliegenden Wirtschaftsstudien zu diesem Thema104 wegen ihrer spezialisierten Thematik meist nur begrenzte Leserkreise erreichen. Es wird deutlich, dass es in der Verantwortung des Staates, der Medien und nicht zuletzt Politiker liegt, ehrlich die negativen, aber auch die positiven Auswirkungen der Erweiterung klar, deutlich und argumentiert darzustellen.

Aufgrund von konkreten Zahlen und Fakten z.B. über den Finanzrahmen der Erweiterung kann sich jeder seine Meinung selbst bilden.

Die Nettokosten des EU-Haushalts für die Erweiterung betragen nach offiziellen Angaben105 für die Jahre 2004 bis 2006 10,4 Milliarden Euro. Die EU-Finanzbilanz zeigt, dass das Ausgabevolumen für die neuen Mitgliedstaaten (Zahlungsermächtigungen) 25,14 Milliarden Euro beträgt. Dabei beläuft sich der eigene Finanzierungsanteil der neuen Mitgliedstaaten auf 14,74 Milliarden Euro. Der deutsche Anteil daran beträgt rund 2,3 Milliarden Euro. Ein realistisches Bild über die finanzielle Belastung der EU-15 bei Verteilung der Kosten kann man z.B. auch durch Vergleiche mit anderen Ausgaben bekommen. (Die jährlichen Ausgaben Deutschlands für die deutsche Einheit im gleichen Zeitraum belaufen sich auf mehr als 50 Milliarden Euro.)106 Diese EU-Ausgaben sind außerdem an den potentiellen wirtschaftlichen Gewinnen der Binnenmarkterweiterung zu messen, z.B. an den Wachstumsraten der Wirtschaft und der Zahl der neu geschaffenen Arbeitsplätze sowohl in den alten (exportbedingt107), als auch in den neuen Mitgliedstaaten (durch Investitionen).

Werden also die entsprechenden wirtschaftlichen Antworten auf die brisanten Fragen der Erweiterung (etwa Finanzlasten, Arbeitsmigration, mögliche Produktionsverlagerung und Arbeitsplatzverluste) zusammen mit empirischen und

104 Siehe z.B. Forschungsberichte und Wirtschaftsstudien (Fn. 66).

105Angaben laut Bundesfinanzministerium, abrufbar unter:

http://www.bundesfinanzministerium.de/cln_04/nn_3416/sid_A7B1BF81A49915FAC84B243FA24C7F1 C/nsc_true/DE/Service/Downloads/Downloads__4/24451__0,templateId=raw,property=publicationFile.p df, vgl. auch Auswärtiges Amt – Online-Information bezüglich Bulgarien und Rumänien - Finanzen, abrufbar unter: http://www.auswaertiges-amt.de/diplo/de/Europa/Erweiterung/Uebergangsfristen.html.

106Ebenda.

107 Nach Schätzungen des Bundeswirtschaftsministeriums (Stand 2002) sichert die Warenausfuhr in die MOE-Länder etwa 100 000 Arbeitsplätze (vgl. Klaus-Peter Schmid: Und Deutschland profitiert doch, in:

Die Zeit: Wirtschaft 51/2002, abrufbar unter: http://www.zeit.de/archiv/2002/51/EU-Osterweiterung).

statistischen Daten so weit wie möglich begreiflich gemacht, könnten dann vielleicht auch „Europas Leistungen“ besser ihren Weg an die Öffentlichkeit finden.

So wird aus verschiedenen wirtschaftlichen Untersuchungen108 z.B. deutlich, dass die Abwanderung im Zuge der Globalisierung dringend notwendig sei und der Erschließung neuer Märkte und günstigerem Materialeinkauf diene. Daher gelinge es der EU, von der Globalisierung bedingte Verlagerungsprozesse innerhalb der Grenzen der EU zu halten. Dies schaffe Arbeitsplätze109 und Investitionen in den neuen Mitgliedstaaten, aber dadurch werden auch Arbeitsplätze in den alten Mitgliedstaaten gesichert – die sonst möglicherweise in Länder außerhalb der EU abwandern könnten.110

Was dem Export der Unternehmen zugute kommt, stärkt auch die Basis in den Heimatländern. Daher solle die industrielle Abwanderung nicht als eine Abkehr vom eigenen Staat verstanden werden. Sie sei in der heutigen Ära der Globalisierung unvermeidbar. Bei Befragungen verschiedener Unternehmen wurde festgestellt, dass nicht etwa die günstige Lohnsituation für eine Auslagerung spricht, sondern vielmehr die Etablierung des eigenen Unternehmens auf einem attraktiven Markt mit vielfach guten Absatzaussichten. Die Auslagerung sollte nicht von vornherein als etwas Negatives eingestuft werden. Ein interessanter Aspekt ist, dass sie sogar dem Erhalt von Arbeitsplätzen dienen kann. (Lagert man bestimmte Bereiche aus, kann man andere Bereiche erhalten. Sonst droht die Alternative, die Produktion einfach zu schließen.) 111 Gelingt es also die Kosten, Risiken und Schwierigkeiten bei der Aufnahme von neuen EU-Kandidaten an den Chancen und Vorteilen112 (z.B. an den potentiellen

108 Siehe z.B. Forschungsberichte und Wirtschaftsstudien (Fn. 66).

109 Siehe Crolly (Fn. 120), S. 7.

110 Vgl. http://auswaertiges-amt.de/diplo/de/Europa/Erweiterung/Erw-Uebersicht.html. Stand: 2007.

111 Vgl. Osterweiterung 2004, abrufbar auf der EU-Homepage unter:

http://europa.eu/scadplus/leg/de/s40016.htm.

112 „Es liegt in der Natur der Politik, dass die kurzfristigen Anpassungskosten der Erweiterung in der öffentlichen Debatte im Vordergrund stehen. Die langfristigen positiven Integrationseffekte zu vermitteln, ist viel schwieriger. Dies gilt übrigens nicht nur für die Union, sondern auch für die Beitrittsländer. Dort müssen schließlich teilweise schmerzhafte Reformen verkraftet werden.“

(Verheugen, Günter Erweiterungskommissar 1999-2004 in: "Wirtschaftliche Perspektiven der EU-Erweiterung" Jahresempfang der IHK Frankfurt v. 14.01.2002, abrufbar unter:

http://ec.europa.eu/archives/commission_1999_2004/verheugen/speeches/sp14012002de.htm).

wirtschaftlichen Gewinnen113) der Erweiterung114 objektiv zu bemessen, kann man besser verstehen, warum die Erweiterung „aus Sicht der Wirtschaft“ schon vor Jahren als vollzogen gelte.115 Der offizielle Beitritt sollte nach Ansicht der Politiker116 vor allem den rechtlichen Rahmen sichern, der für die wirtschaftlichen Aktivitäten erforderlich ist.