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Einige Besonderheiten des Gesellschaftsstatuts nach dem deutschen IP- IP-Recht IP-Recht

6. Quo vadis Europa?

9.3. Die Gesellschaften und ihre Niederlassungen als Begünstigte der Niederlassungsrechte im Gemeinschaftsgebiet Niederlassungsrechte im Gemeinschaftsgebiet

9.3.1. Einige Besonderheiten des Gesellschaftsstatuts nach dem deutschen IP- IP-Recht IP-Recht

durch den Staat bestimmt werden, in welchem das Rechtsgeschäft stattfindet (Art. 61 IPR-BG-Kodex). Die Adressaten der Niederlassungsrechte können sowohl juristische Personen als auch Gebilden und Organisationsformen, die keine juristischen Personen darstellen sein (Art. 56 und 57 IPR-BG-Kodex). Den Rechtsstatus einer juristischen Person regeln Art. 56-58 IPR-BG-Kodex. Die Rechtslage der Zweigniederlassungen bestimmt Art. 56 Abs. 4 IPR-Kodex. Artikel 57 IPR-BG-Kodex regelt den Rechtsstatus von nicht personifizierten Subjekten.

9.3.1. Einige Besonderheiten des Gesellschaftsstatuts nach dem deutschen IP-Recht

Das IP-Recht bestimmt die maßgebende Rechtsordnung (Statut). Nach welchen Regeln eine Gesellschaft ins Leben gerufen wird, funktioniert und bei Bedarf aufgelöst wird, richtet sich nach ihrem „Heimatrecht“ – dem sog. Gesellschaftsstatut (lex societatis).380 Obwohl bestimmte Regelungen über die Rechtsstellung juristischer Personen in einigen bilateralen Handels- und Niederlassungsabkommen381 der Bundesrepublik Deutschland bestehen (vgl. Art. 3 Abs. 2 EGBGB), sind im deutschen Recht (Juni 2009) gesetzliche

380 Kropholler, Jan, in: IPR 2006, S. 581, 582; vgl. auch Staudinger/Grossfeld EGBGB/IPR IntGesR 1998, S. 4, Rn. 17.

381 z.B. Art. XXV Abs. 5 Freundschafts-, Handels- und Schifffahrtsvertrag mit den Vereinigten Staaten v.

1954 (Fn. 31).

Regelungen (vgl. den Wortlaut des Art. 37 Abs. 2 EGBGB)382 zu dieser Frage nicht ausdrücklich vorgesehen.383

So lässt Artikel 37 Nr. 2 EGBGB offen, welches Recht auf eine Gesellschaft zur Anwendung kommt bei Problemen die etwa ihre Rechtsfähigkeit, Vertretungsverhältnisse, die Errichtung, die Rechts- und Handlungsfähigkeit, die persönliche gesetzliche Haftung der Gesellschafter bzw. der Organe für die Schulden der Gesellschaft, die innere Verfassung oder sogar die Auflösung betreffen. Die Fragen bleiben der Rechtssprechung und der Rechtslehre überlassen.384

Die Anerkennung einer ausländischen Gesellschaft in Deutschland ist deshalb mit der Anknüpfung des Gesellschaftsstatuts an die Gründungs- oder an die Sitztheorie zu betrachten385. Die deutsche Rechtssprechung und Literatur386 beruhen prinzipiell auf der Sitztheorie. Danach wird die Gesellschaft von ihrem Sitzrecht beherrscht. Die

382 Junker, Abbo: IPR 2004, S. 505, Rn. 598. Artikel 37(2) EGBGB ist m.W.v. 17.12.2009 weggefallen.

383 Die EU-Harmonisierungsbemühungen in diesem Bereich konnten nicht zum Abschluss gebracht werden (Vgl. dazu Kropholler [Fn. 380], S. 569).

384 Junker (siehe Fn 382), S. 506, Rn. 598.

385 In der Literatur sind zwei Theorien weit verbreitet: die Sitztheorie und die Gründungstheorie (lex loci registrationis). Nach der vor allem im angloamerikanischen Recht populären Gründungstheorie ist für die Außen- und Innenbeziehungen einer Gesellschaft das Recht maßgebend, nach dem sie gegründet wurde, also in der Regel das Recht des Gründungs- und Registerortes.

Nach der Sitztheorie wird der Gesellschaftsstatus durch das Recht des Staates gewährt, wo die

Gesellschaft ihren effektiven Verwaltungssitz hat, also wo sich die Geschäftsleitung tatsächlich befindet und Entscheidungen trifft. Diese Theorie gerät aber bei bestimmten Fällen in Schwierigkeiten. Zum Ersten bei dem Fall, in dem die Gesellschaftsleitung nach dem Gesellschaftsvertrag sich in dem Staat der Gründung befinden soll, aber die eigentliche Leitung sich in einem anderen Staat befindet. Zum Zweiten gerät die Sitztheorie in Schwierigkeiten bei einer Sitzverlegung der Gesellschaft. Nach der

Gründungstheorie sind der Staat und die entsprechende Rechtsordnung durch die Wahl der Gründer bestimmbar. Nach der Sitztheorie gibt der tatsächliche Sitz diese Festlegung vor. Nach dieser Anknüpfungsmethode beurteilt der jeweilige Staat nun nicht nur die Frage, ob eine Gesellschaft unter seinem Recht gültig gegründet werden kann, sondern danach beurteilt er auch, ob in seinem

Hoheitsgebiet Gesellschaften, die dort als Gesellschaften ausländischen Rechts auftreten, als solche anerkannt werden. Letzteres kann aber eventuell durch Rück- und Weiterverweisung des IP-Rechts der jeweiligen Rechtsordnung eingeschränkt werden (Vgl. u.a. MünchKommBGB/Kindler IntGesR A.II., Rn.

7-12; Junker (Fn 382), Rn. 596 ff.; Kegel/Schurig IPR 2004 § 17.II.1. S. 573 ff.; Hay, Peter: IPR 2002 VIII.1.226; Behrens, Peter: Internationales Gesellschaftsrecht, in: Hachenburg/Ulmer 1992, Bd. I GmbHG Einl B I.2. Rn. 108-128.)

386 Vgl. z.B. BGH Urt. v. 21.03.1986 - V ZR 10/85 = JZ 1986, 651-652 = JuS 1986, 1001-1002; BGH Urt. v. 17.10.1968 - VII ZR 23/68 = BGHZ 51, 27, 28; ebenso die herrschende Ansicht im Schrifttum, vgl. u.a.: Kegel/Schurig IPR 2004 § 17 II 1, S. 572-575; MünchKomm/Kindler IntGesR, A. Rn. 5, C.III.

Rn. 264, C.III. Rn. 312 ff.; Staudinger/Grossfeld (Fn. 380), S. 17, Rn. 9; Kropholler (Fn. 380), S. 568, 571.

Rechtsverhältnisse einer juristischen Person sind „einheitlich“ nach ihrem Personalstatut387 „zu beurteilen, für das dasjenige Recht maßgebend ist, welches am Ort ihres Sitzes gilt“388. Das ist der Ort, wo „die grundlegenden Entscheidungen der Unternehmensleitung effektiv in laufende Geschäftsführungsakte umgesetzt werden“389, also das Recht am „tatsächlichen Verwaltungssitz“.

In Anbetracht der EU-Niederlassungsfreiheit (vgl. Art. 43 und 48 EGV) und der EuGH-Rechtssprechung (siehe unten Rs. C-208/00) befindet sich in den letzten Jahren allerdings die Gründungstheorie im Vormarsch.390

So ist z.B. die EuGH- Entscheidung in Rs. C-208/00 (Überseering BV)391 nicht nur für die deutsche, sondern für die Gesellschaftspraxis im ganzen EU-Gebiet von enormer Bedeutung. Sie bestätigt die Wahlfreiheit der Unternehmer aus den verschiedenen Mitgliedstaaten in Bezug auf die geeignete Rechtsform. Daraus lässt sich ableiten, dass der EU-Niederlassungsfreiheit nicht entgegensteht, dass in einem EU-Land kostengünstig gegründete (oder sogar kapitalarme) Gesellschaften in einem anderen Mitgliedstaat ohne Weiteres agieren können.

Zu beachten ist allerdings, dass das Gründungsrecht nur im Verhältnis der EU-Mitgliedstaaten untereinander eine herrschende Stellung hat.

387 Das IPR-Personalstatut ist von Staat zu Staat verschieden. Ausf. dazu: Kegel/Schurig, IPR 2004 § 13 II 2, S. 442.

388 BGH, Urt. v. 05.11.1980 - VIII ZR 230/79 = NJW 1981, S. 522, 525 = JZ 1981, S. 139, 140; BGH, Urt. v. 11.07.1957 – II ZR 318/55 = BGHZ 25, S. 134, 144 = NJW 1957, S. 1433, 1434; BGH Urt. v.

26.09.1966 –. II ZR 56/65 = NJW 1967, S. 36, 38 = WM 1966, S. 1143, 1145.

389 BGH Urt. v. 21.03.1986 - V ZR 10/85 = JZ 1986, 651-652 = JuS 1986, S.1001.

390 Am 5. November 2002 hat der EuGH in der Rs. C-208/00 Folgendes ausgeführt:

1. „Es verstößt gegen die Artikel 43 EGV und 48 EGV, wenn einer Gesellschaft, die nach dem Recht des Mitgliedstaats, in dessen Hoheitsgebiet sie ihren satzungsmäßigen Sitz hat, gegründet worden ist und von der nach dem Recht eines anderen Mitgliedstaats angenommen wird, dass sie ihren tatsächlichen

Verwaltungssitz dorthin verlegt hat, in diesem Mitgliedstaat die Rechtsfähigkeit und damit die Parteifähigkeit vor seinen nationalen Gerichten für das Geltendmachen von Ansprüchen aus einem Vertrag mit einer in diesem Mitgliedstaat ansässigen Gesellschaft abgesprochen wird.

2. Macht eine Gesellschaft, die nach dem Recht des Mitgliedstaats gegründet worden ist, in dessen Hoheitsgebiet sie ihren satzungsmäßigen Sitz hat, in einem anderen Mitgliedstaat von ihrer

Niederlassungsfreiheit Gebrauch, so ist dieser andere Mitgliedstaat nach den Artikeln 43 EGV und 48 EGV verpflichtet, die Rechtsfähigkeit und damit die Parteifähigkeit zu achten, die diese Gesellschaft nach dem Recht ihres Gründungsstaats besitzt.“

391 EuGH Urt. v. 05.11.2002 - C-208/00 = NJW 2002, S. 3614 = BB 2002, S. 1106.

Im Verhältnis zu übrigen Nicht-EU-Staaten bleibt in Deutschland weiterhin das Sitzrecht maßgebend, weil EU-Recht nicht zur Anwendung kommt. Angeknüpft wird in diesem Fall an den Hauptsitz bzw. an den Sitz der Hauptverwaltung392.

Die Frage des Gesellschaftsstatuts393 ist entscheidend für die gesellschaftsrechtlichen Verhältnisse: etwa für den Umfang der Rechts-, Partei- und Prozessfähigkeit, die Organisation der Gesellschaft394, die Vertretungsverhältnisse, die Haftung bei Verletzung gesellschaftsrechtlicher Vorschriften und für die Schulden395 der Gesellschaft.396

Das Personalstatut bestimmt, so der BGH397 den Umfang der Rechtsfähigkeit einer Gesellschaft. Nach dem Personalstatut entscheidet sich weiter „die Frage, ob der Gesellschafter einer als juristische Person organisierten Gesellschaft im Wege der Durchgriffshaftung ausnahmsweise den Gesellschaftsgläubigern persönlich haftet“398.

Die Anerkennung ausländischer juristischer Personen bedeutet, dass das inländische Recht die Rechtsfolgen eintreten lässt, die im ausländischen Gesellschaftsstatut vorgesehen sind (z.B. Rechtsfähigkeit).399 Daraus lässt sich ableiten, dass nach einem

392 BGH Urt. v. 05.11.1980 - VIII ZR 230/79 = JZ 1981, 139 -142 = NJW 1981, 522-526; BGH Urt. v.

11.07.1957 – II ZR 31855 =BGHZ 25, 134, 144; vgl. auch: BGH Urt. v. 26.09.1966 – II ZR 56/65 = NJW 1967, 36, 38 = WM 1966, 1143, (1145); Kegel/Schurig, IPR 2004 § 2 II 1., S. 137.

393 Zur Reichweite des Gesellschaftsstatuts: vgl. Junker (Fn. 382), S. 509, Rn. 603; vgl. auch Kegel/Schurig, IPR 2004 § 17 II 2, S. 577.

394 Gemeint sind damit etwa die Satzung und deren Abänderung, ferner die Regeln über die Rechte und Pflichten der Organe und der Mitglieder.

395 Fraglich ist in solchen Fällen oft, ob nur „das Geschäftsvermögen als Haftungssubstrat dient oder ob eine persönliche Haftung der Geschäftsführer und Gesellschafter gegenüber den Gläubigern besteht“

(Kropholler, [Fn. 380]). Siehe auch: BGH Urt. v. 14.03.2005 - II ZR 5/03 = NJW 2005, 1648: Die Haftung des Geschäftsführers einer in England nach englischem Recht gegründeten private limited company mit tatsächlichem Verwaltungssitz in Deutschland richtet sich nach dem englischen Recht als Gesellschaftsstatut.

396 Kropholler (Fn. 380).

397 BGH, Urt. v. 05.11.1980 - VIII ZR 230/79 = JZ 1981, 139-142 = NJW 1981, 522-526.

398 BGH, Urt. v. 05.11.1980 - VIII ZR 230/79=JZ 1981, 139-142 = NJW 1981, 522-526, BGH Urt. v.

11.07. 1957 – VII ZR 226/56 = WM 1957, 1047, 1049; siehe dazu auch: Kegel/Schurig IPR 2004, § 13 II 2, S. 443; Geßler/Hefermehl/Eckardt/ Kropff, Aktiengesetz 1973 § 1 Rn. 69, 71, 72;

Hachenburg/Behrens, GmbH-Gesetz 1992 Einl., Rn. 149.

399 Vgl. MünchKommBGB/Kindler IntGesR C.II.1, Rn. 234; Kegel/Schurig IPR 2004, § 17 II 2., S. 577;

zur Anerkennungsproblematik: Staudinger/Grossfeld IntGesR (Fn. 380), XIV., Rn. 162 ff.;

ausländischen Gesellschaftsstatut bestehende Gesellschaften in Deutschland mit dem Grad an Rechtsfähigkeit anerkannt werden, den ihnen das ausländische Recht zugesteht.400 Die im EU-Gebiet erworbene Rechtsfähigkeit ist in den übrigen Mitgliedstaaten anzuerkennen.401 Die rechtsfähigen Gesellschaften bedürfen keines besonderen Anerkennungsakts.402 Die EU-Niederlassungsfreiheit umfasst „neben der Freiheit der Standortwahl auch eine Freiheit der Rechtswahl“403. Die Sitztheorie fordert in diesem Fall, dass die Hauptverwaltung rechtsfähig ist.404