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6. Quo vadis Europa?

11.4.4. Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes bezüglich der EA- EA-Niederlassungsrechte EA-Niederlassungsrechte

11.4.4.1. Zuständigkeit des Europäischen Gerichtshofs im Bereich Justiz und Inneres Inneres

11.4.4.2.9. Vergleich zwischen den Europa-Abkommen (EAB) und der

Assoziierungsabkommen mit der Türkei (AAT) und Übertragbarkeit der Rechtssprechung bezüglich AAT auf die Europa-Abkommen

Auffassung der Kläger:

In ihrer Argumentation machte Frau Kondova geltend,599 dass dem EAB eine größere Tragweite im Hinblick des zu diesem Zeitpunkt zügig angestrebten EU-Beitritts Bulgariens beizumessen sei als dem Assoziationsabkommen mit der Türkei /AAT/.

596 Rs. 118/75 (Watson und Belmann), Rn. 16.

597 Vgl. Rs. C-235/99 Schlussanträge des Generalanwalts, Rn. 63.

598 Ebenda, Rn. 62.

599 Ebenda, Rn. 74.

EuGH-Auffassung:

Zunächst verglich der Europäische Gerichtshof die beiden Assoziationsabkommen und stellte fest, dass sie nicht die gleichen Ziele600 hatten. Deren Aufgabe bestünde auch nicht in der Beseitigung aller Hindernisse für den freien Personenverkehr.

Gemeinsame Elemente der beiden Assoziierungsabkommen: In beiden Abkommen sei nur von einer Ausweitung des Handels und der Schaffung eines Rahmens für die schrittweise Integration in die Gemeinschaft die Rede, nicht aber von einem mit dem EGV übereinstimmenden Rahmen.

Übertragbarkeit der Rechtssprechung: Der Europäische Gerichtshof machte geltend, dass er in seiner Rechtssprechung über das Assoziationsabkommen mit der Türkei wiederholt festgestellt hat, dass die Vorschriften von Assoziationsabkommen die Befugnisse der Mitgliedsstaaten über die Einreise und den Aufenthalt türkischer Staatsangehöriger in ihr Hoheitsgebiet unberührt lassen.601 Eine Auffassung, dass die Europa-Abkommen602 bezüglich des Niederlassungsrechtes weiter als das Assoziierungsabkommen mit der Türkei gingen, sei nicht haltbar.

600 Das AAT hatte zum Ziel, eine beständige und ausgewogene Verstärkung der Handels- und Wirtschaftsbeziehungen zwischen den Vertragsparteien zu fördern (vgl. Art. 2 Abs. 1 und die zweite Begründungserwägung AAT).

Artikel 28 AAT bestimmt, dass die Möglichkeit eines EU-Beitritts der Türkei geprüft wird, sobald das Funktionieren des Abkommens gestattet, dass die Türkei die Verpflichtungen aus dem EGV vollständig übernimmt.

Art. 41 des Zusatzprotokolls AAT sieht vor, dass sich die Vertragsparteien verpflichten, untereinander keine neuen Beschränkungen der Niederlassungsfreiheit und des Dienstleistungsverkehrs einzuführen.

EAB: Als Ziele wurden einige Punkte definiert: Schaffung eines geeigneten Rahmens für den politischen Dialog, der die Entwicklung enger politischer Beziehungen ermöglichte, die schrittweise Errichtung einer Freihandelszone zwischen den Vertragsparteien, die den gesamten Handel untereinander umfassen sollte, die Ausweitung des Handels, Förderung der Wirtschaftsbeziehungen zwischen den Vertragsparteien, Schaffung einer Grundlage für die wirtschaftliche, finanzielle, kulturelle und soziale Zusammenarbeit, Unterstützung der Bestrebungen Bulgariens zur Entwicklung seiner Wirtschaft und zur Vollendung des Übergangs zu einer Marktwirtschaft, Schaffung eines geeigneten Rahmens für die schrittweise

Integration Bulgariens in die Gemeinschaft.

Artikel 45 Abs. 1 EAB gewährte den Staatsangehörigen Bulgariens für die Niederlassung in den Mitgliedstaaten eine Behandlung, die nicht weniger günstig war als die Behandlung ihrer eigenen Staatsangehörigen.

601 Vgl. Rs. C-171/95 Tetik, Rn. 21, EuGH Urt. v. 16.12.1992 - C-237/91 = 1992, I-6781 = InfAuslR 1993, 41, Rn. 25, EuGH Urt. v. 11.05.2000 - C-37/98 = 2000, I-2927 = InfAuslR 2000, 326, Rn. 58.

602 Im konkreten Fall ging es um das EAB.

Keine Übertragbarkeit der Rechtssprechung: Andererseits konnte in bestimmten Punkten die Rechtssprechung bezüglich AAT auf die Europa-Abkommen603 nicht übertragen werden. Zwar räumte der Europäische Gerichtshof im Rahmen des AAT ein implizites Aufenthaltsrecht türkischer Arbeitnehmer604 ein. Analog sollte dies jedoch nicht für bulgarische Staatsangehörige gelten, die sich auf EA-Niederlassungsrecht beriefen. Türkischen Staatsangehörigen steht ein Aufenthaltsrecht zu, da sonst das Recht auf Zugang zum Arbeitsmarkt und Ausübung einer Beschäftigung völlig wirkungslos wäre. Dieses Recht steht türkischen Staatsangehörigen einzig und allein aufgrund des Assoziationsratsbeschlusses 1/80 zu. Darüber hinaus betonte der Europäische Gerichtshof, dass das implizite Aufenthaltsrecht nur speziell für das AAT gelte.605 Eine diesem Beschluss vergleichbare Regelung existierte im Falle der MOE-Länder nicht - solange noch entsprechende Assoziationsratsbeschlüsse fehlten.

Darüber hinaus unterschieden die Europa-Abkommen deutlich zwischen Arbeitnehmern und Selbstständigen (vgl. z.B. in Titel IV Kapitel I Freizügigkeit der Arbeitnehmer und Kapitel II Niederlassungsrecht EAB). Die strikte Trennung zeigte, dass Rechte, die möglicherweise für Arbeitnehmer galten, keinesfalls bedingungslos auch auf Selbstständige übertragbar seien.606

In Rs. C–37/98607 und Rs. C-285/95608 macht der Europäische Gerichtshof allerdings selbst eine Ausnahme von dem Grundsatz des implizierten Aufenthaltsrechts für türkische Selbstständige (aufgrund des Assoziationsratsbeschlusses 1/80). Einem Antragsteller, der sich zum Zeitpunkt der Antragstellung unter Verstoß gegen das nationale Einwanderungsrecht in dem betreffenden Mitgliedsstaat aufhielt, steht kein implizites Aufenthaltsrecht zu. Umso mehr sollte dieser Grundsatz für Personen aus Drittländern gelten (auch für MOE-Staatsangehörige), wenn es mit diesen Ländern keine so konkreten Umsetzungsbeschlüsse wie den Assoziationsratsbeschluss 1/80 gäbe.

603 Im konkreten Fall ging es um die Übertragbarkeit auf das EAB.

604 Vgl. C-192/89 (Fn. 579); C-237/91 (Fn. 601); EuGH Urt. v. 06.06.1995 - C-434/93 = 1995, I-1475 = InfAuslR 1995, 261, Rn. 28

605 Vgl. C-37/98 (Fn. 601), Rn. 49.

606 Vgl. Schlussanträge (Fn. 575), Rn. 75 bis 77.

607 Vgl. Rs. C–37/98 (Fn. 601), Rn. 60.

608 Vgl. EuGH Urt. v. 05.06.1997 - C-285/95 =1997, I-3069 = InfAuslR 1997, 338, Rn. 29.

11.4.4.2.10. Schlussfolgerung

1. Die Rechtssprechung bezüglich der AAT war nur in bestimmten Punkten auf die Europa-Abkommen übertragbar.

2. Die Europa-Abkommen (analog des AAT) ließen die Befugnisse der

Mitgliedsstaaten über die Einreise und den Aufenthalt der MOEL-Staatsangehöriger in ihr Hoheitsgebiet unberührt.

3. Ein implizites Aufenthaltsrecht steht einzig und allein aufgrund des

Assoziationsratsbeschluss 1/80 nur türkischen Arbeitnehmern zu und nicht den MOE-Staatsangehörigen.

4. Die Rechte in den Europa-Abkommen, die für Arbeitnehmer galten, waren keinesfalls bedingungslos auch auf Selbstständige übertragbar.

5. Einem MOE-Antragsteller (analog zu türkischen Staatsangehörigen), der sich zum Zeitpunkt der Antragstellung unter Verstoß gegen das nationale

Einwanderungsrecht in dem betreffenden Mitgliedsstaat aufhielt, stand kein implizites Aufenthaltsrecht zu.

11.4.4.2.11. EA-Niederlassungsansprüche und Verstöße gegen nationales Recht im