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6. Quo vadis Europa?

11.2. Begriff und Inhalt des Niederlassungsrechtes

11.2.1. Entschließung des Rates in Bezug auf die Beschränkungen für die

11.2.1.1. Rechtscharakter der Entschließung

Durch die Entschließung gingen die Mitgliedstaaten selbst die Verpflichtung ein, ihre innerstaatlichen Rechtsvorschriften bis zum 1. Januar 1996 (Abschnitt A Nr. 9 EntR) mit den vom Rat geschaffenen Grundsätzen in Einklang zu bringen. Diese Grundsätze durften nicht durch das nationale Recht ausgehöhlt werden. Sie mussten bei allen Vorschlägen für Gesetzesänderungen beachtet werden (Abschnitt A Nr. 9 EntR). Sie standen aber der Anwendung der einzelstaatlichen Vorschriften betreffend öffentliche Ordnung, Volksgesundheit und nationale Sicherheit nicht entgegen (Abschnitt A Nr. 11 EntR und Abschnitt C Nr. 10 EntR).

Der Rechtscharakter der Entschließung erfordert zuerst eine Umsetzung der Harmonisierungsgrundsätze in den einzelnen nationalen Regelungen (Abschnitt A Nr. 9 EntR). Sie sind nicht rechtlich bindend und deshalb für die Einzelnen nicht einklagbar (Abschnitt A Nr. 9 EntR). Könnte es in diesem Fall zu einer Kollision mit den durch völkerrechtliche Abkommen gewährten EA-Niederlassungsrechten kommen?

Eine Berufung auf die gemeinschaftsrechtlichen Diskriminierungs- und Beschränkungsverbote491 bei eventuellen Schranken der Niederlassungsfreiheit in den nationalen Regelungen der Mitgliedstaaten ist im Prinzip nur bei einer EU-Mitgliedschaft des Landes zulässig. Die EA-Niederlassungsrechte entstehen aufgrund völkerrechtlicher Verträge und zu dieser Zeit fehlte noch die EuGH-Auslegung492 über die unmittelbare Wirkung dieser Rechte (siehe Abschnitte 11.1. und 11.4.4.2.3.). Bis 2001 herrschte deshalb Unsicherheit über den Umfang der EA-Niederlassungsrechte.493

491 Diskriminierungsverbot und Beschränkungsverbot (Fn. 483 und Fn. 484).

492 Vgl. EuGH-Rechtsprechung in Fn. 36.

493 Alle gemeinschaftsrechtlichen Grundfreiheiten haben unmittelbare Wirkung (ausf.: Streinz [Fn. 447], S. 322, Rn. 835). In Rs. 12/86 Demirel (Fn. 458) sieht der EuGH die vom Rat abgeschlossenen

Assoziationsabkommen gem. Art. 3003/310 EGV als „integrierender Bestandteil der

Gmeinschaftsordnung“. Die EA-Niderlassungsrechte gehören zwar zum Gemeinschaftsrecht und ähneln den gemeinschafttlichen Niederlassungsrechten. Sie haben aber einen eingeschränkten Charakter, weil sie

Unterschiedlich war daher die Praxis der einzelnen Mitgliedstaaten bei Zulassung dieser Gruppe Drittstaatler zu selbstständigen Tätigkeiten, Gründung und Leitung von Unternehmen in ihren Hoheitsgebieten.494

Zu dieser Zeit war die Schaffung von neuen Grundsätzen bei der Zulassung der selbstständigen Tätigkeiten zugunsten der Drittländer im Hinblick auf einen freien Welthandel zur Förderung von Investitionen und zur Schaffung von Arbeitsplätzen von der Gemeinschaft neu zu überdenken (Abschnitt A Nr. 1-3 EntR). Durch die Entschließung führte der Rat deshalb einheitliche Regeln bei der Zulassung von Drittstaatsangehörigen in das Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten zur Ausübung einer selbstständigen Erwerbstätigkeit.

Gem. Abschnitt A Nr. 1 EntR handelt es sich in diesem Bereich um eine Politik

“restriktiver Art“. Auf diesem Grund schaffte der Rat Kriterien, nach welchen die Ernsthaftigkeit und finanzielle Leistungsfähigkeit eines Unternehmens bemessen werden können.

Nach der Auffassung des Rates darf eine selbstständige Erwerbstätigkeit nicht in einem Mitgliedstaat zugelassen werden, wenn sie von keinem wirtschaftlichen Nutzen für diesen Staat oder eine seiner Regionen ist (Abschnitt A Nr. 5 EntR). Weiterhin soll verhindert werden, dass sich Personen niederlassen und eine selbstständige Erwerbstätigkeit aufnehmen, ohne dazu in der Lage zu sein und/oder über die notwendigen finanziellen Mittel zu verfügen. Diese Personen dürfen auch kein abhängiges Arbeitsverhältnis eingehen (Abschnitt A Nr. 7 EntR). Daher wird vorgesehen, dass die Mitgliedstaaten geeignete Unterlagen verlangen, die die Erfüllung dieser Kriterien nachweisen.

auf völkerrechtlicher Basis beruhren. Sollten sie dennoch eine unmittelbare Wirkung entfalten? Vgl. u.a.:

die Praxis der britischen Regierung (in den Rs. C-235/99, C-257/99 und C-63/99, [Fn. 36]); vgl. weiter:

Gargulla, Tanja: Die Arbeits- und aufenthaltsrechtlichen Begünstigungen für osteuropäische Arbeitnehmer und Selbständige, in: InfAuslR 1995, S. 181; Mankowski, Peter: Sächsisches OVG Beschluss v. 02.06.1995 – 3 S 390/94 (Anm.), in: InfAuslR 2/97, S. 71; Rittstieg, Helmut: Sächsisches OVG Beschluss v. 02.06.1995 – 3 S 390/94 (Anmerkung), in: InfAuslR 2/97, S. 71 (72); Weiß, Wolf:

EuGH: Zulässige Beschränkung der Einreise von Tschechen nach Großbritannien (Anm.): in EuZW 2001, 696 (703); Gutmann, Rolf: Europäisches Aufenthaltsrecht für Drittstaatsangehörige – Vortrag beim Deutschen Anwaltstag am 01.06.2000 in Berlin, abrufbar in:

http://www.rechtsanwalt-pitterle.de/RA_Dr_Gutmann/Texte/anwaltstag. PDF (Stand 1. Juni 2004).

494 vgl. Gutmann (Fn. 493).

Abschnitt C Nr. 3.3 EntR sieht beispielsweise Unterlagen vor, die zur Beurteilung der oben genannten Kriterien dienen könnten. Bei einer Übereinstimmung mit dem nationalen Recht sollten die Unterlagen die folgende Information enthalten:

 Art, Umfang und Dauer der angestrebten Tätigkeit;

 voraussichtlicher Arbeitskräftebedarf;

 finanzielle Mittel, die für den angestrebten Zweck zur Verfügung stehen;

 Beschreibung der Örtlichkeiten, an denen die Tätigkeit ausgeübt wird. (Diese Örtlichkeiten müssen der Tätigkeit angemessen sein.)

Zur Beurteilung der Frage, ob die geltenden Rechtsvorschriften von den Begünstigten eingehalten werden, könnten in Übereinstimmung mit dem nationalen Recht weitere Nachweise verlangt werden (Abschnitt C Nr. 3.4 EntR):

 Nachweis, dass der selbstständig Tätige die Voraussetzungen des aufnehmenden Mitgliedstaates für die berufliche Befähigung und den Zugang zum Beruf erfüllt;

 bei Gesellschaften - der Errichtungsakt, seine Veröffentlichung oder Eintragung, sowie die Namen der Vorstandsmitglieder, Geschäftsführer und vertretungsberechtigten Gesellschafter;

 Nachweise wie polizeiliche Führungszeugnisse oder ähnliche Unterlagen, die die Ehrenhaftigkeit belegen.

Eine weitere Spezifik der Harmonisierungsgrundsätze ist, dass sie nur der Problematik der selbstständigen Tätigkeit der Drittländer in den Hoheitsgebieten der Mitgliedstaaten Regelungen widmen.495 Darunter wird jede Tätigkeit verstanden, die ohne Weisungsgebundenheit gegenüber einem Arbeitgeber persönlich oder in der Rechtsform einer Gesellschaft i.S.d. Art. 58 Abs. 2 EGV ausgeübt wird (Abschnitt C

495 Der Rat war der Ansicht, dass die Fragen der Zulassung zur Ausübung einer abhängigen

Erwerbstätigkeit und der Zulassung für Selbstständige bis zu einem gewissen Grad unterschiedliche Regelungen brauchen. „Die Zulassung von Personen zum Zweck einer selbständigen wirtschaftlichen Tätigkeit, durch die für die Wirtschaft des Aufnahmelandes eine Wertschöpfung erwirtschaftet wird (Investitionen, Innovation, Technologietransfer, Schaffung von Arbeitsplätzen), ist von Vorteil. Künstler, die eine selbständige Tätigkeit von Bedeutung ausüben, können ebenfalls zugelassen werden.“ (Abschnitt A Nr. 4 EntR).

Nr. 1.2 EntR).496 Die Niederlassung von Unternehmen aus Nicht-EU-Staaten ist damit nicht explizit erfasst (Abschnitt C Nr. 1.1 EntR). Diese Besonderheit ließ der Gründung von Gesellschaften und ihren Formen (Tochtergesellschaften und Zweigniederlassungen) mehr Freiräume bei Errichtung und Agieren in dem gemeinschaftlichen Bereich (z.B. die Wahl der Gesellschaftsform kann zusätzlich einen bestimmten Grad an Flexibilität gewähren, siehe Abschnitte: 13.7.3. und 13.8.2.4.). Zu beachten sind in diesem Fall allerdings die Anforderungen des Abschnitts C Nr. 1.3 EntR. Sie betreffen den Gesellschafter. Gefordert wird ihre Anwesenheit und aktive Mitwirkung an der Verwirklichung des Ziels der Gesellschaft, sowie eine Beteiligung in der Verwaltung. Weitere wichtige Voraussetzung ist ihre Mehrheitsbeteiligung über einen wesentlichen Anteil an der Gesellschaft. Sonst dürfen sich die Mitgliedstaaten das Recht vorbehalten, sie nicht bzw. nur als Angestellte zuzulassen, sofern sie im Besitz einer Arbeitserlaubnis sind (Abschnitt C Nr. 1.3 EntR).