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EA-Niederlassungsansprüche und Verstöße gegen nationales Recht im Zusammenhang mit einem rechtswidrigen Aufenthalt Zusammenhang mit einem rechtswidrigen Aufenthalt

6. Quo vadis Europa?

11.4.4. Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes bezüglich der EA- EA-Niederlassungsrechte EA-Niederlassungsrechte

11.4.4.1. Zuständigkeit des Europäischen Gerichtshofs im Bereich Justiz und Inneres Inneres

11.4.4.2.11. EA-Niederlassungsansprüche und Verstöße gegen nationales Recht im Zusammenhang mit einem rechtswidrigen Aufenthalt Zusammenhang mit einem rechtswidrigen Aufenthalt

4. Die Rechte in den Europa-Abkommen, die für Arbeitnehmer galten, waren keinesfalls bedingungslos auch auf Selbstständige übertragbar.

5. Einem MOE-Antragsteller (analog zu türkischen Staatsangehörigen), der sich zum Zeitpunkt der Antragstellung unter Verstoß gegen das nationale

Einwanderungsrecht in dem betreffenden Mitgliedsstaat aufhielt, stand kein implizites Aufenthaltsrecht zu.

11.4.4.2.11. EA-Niederlassungsansprüche und Verstöße gegen nationales Recht im Zusammenhang mit einem rechtswidrigen Aufenthalt

Auffassung der Kläger

In ihren Klagen machten Frau Kondova und Familie Gloszczuk geltend, dass Art. 45 EAB bzw. Art. 44 Abs. 3 EAB (anders als Art. 38 Abs. 1 und Art. 37 Abs. 1 EAP, die die Freizügigkeit der Arbeitnehmer betrafen) einen rechtmäßigen Aufenthalt nicht voraussetzen. Daher sollte ein Mitgliedsstaat einen auf den Europa-Abkommen gestützten Niederlassungsantrag nur nach Maßgabe der materiellen Anforderungen des Abkommens prüfen.609

609 Vgl. Rs. C-235/99 (Fn. 36), Rn. 71-72 und Rs. C- 63/99 (Fn. 36), Rn. 66.

Auffassung des Generalanwalts im Rs. C-235/99:

Der Generalanwalt im Rs. C-235/99 brachte vor, dass weder die Entstehungsgeschichte noch die Europa-Abkommen selbst darauf hinweisen, dass das Legalisieren der bereits vor dem Inkrafttreten des Abkommens bestehenden rechtswidrigen Situationen Ziel der Vertragsparteien beim Abschluss wäre.

Wenn kein implizites Aufenthaltsrecht, wie bereits erläutert, Personen zustand, die sich nach Inkrafttreten der Europa Abkommen rechtswidrig in einem Mitgliedsstaat befanden, gelte das umso mehr für Personen, die sich vor dem Inkrafttreten der Europa-Abkommen rechtswidrig in einem Mitgliedsstaat aufhielten.

Andernfalls konnte dies zur Umgehung der nationalen Vorschriften des Aufnahmemitgliedsstaates führen. Dürfte ein Mitgliedsstaat nicht mehr die Vergabe von Aufenthaltsgenehmigungen aufgrund eines Europa-Abkommen ablehnen, würde das die MOE-Staatsangehörigen dazu reizen, in das Land mit einem vorgetäuschten Zweck einzureisen.610

Gegen die Erlaubnis, im Aufnahmemitgliedsstaat ungeachtet eines früheren Verstoßes jederzeit einen EA-Niederlassungsantrag zu stellen, sprächen weitere Argumente. Das ermögliche z.B. den MOE-Staatsangehörigen rechtswidrig im Gebiet des Aufnahmestaates zu verbleiben und sich der nationalen Kontrollregelung erst dann zu unterwerfen, wenn sie dort die vorgesehenen materiellen Anforderungen erfüllten611 und als Selbstständige stellen, deren Rechte nach den Europa-Abkommen anzuerkennen sind. Sie konnten sich in diesem Fall auf den Kundenkreis, das Betriebsvermögen oder finanzielle Mittel berufen, die sie während ihres rechtswidrigen Aufenthalts im Aufnahmestaat möglicherweise gewonnen hatten.612

Eine Auslegung, die all dies erlauben sollte, könne die Art. 59 EAB oder Art. 58 Abs. 1 EAP wirkungslos machen, bzw. Missbräuche erlauben oder Verstöße gegen das nationale Einreise- und Aufenthaltsrecht billigen.613

610 Schlussantrag (Fn. 575), Rn. 84.

611 Vgl. auch: Schlussanträge in C-63/99 = 2001, I-06369, Rn. 75.

612 vgl. auch: Rs. C-63/99 (Fn. 36), a.d.Gr.: 73.

613 Ebenda, Rn. 74.

Aufgrund dieser Überlegungen brachte der Generalanwalt vor, dass eine nationale Regelung, die die vorherige Kontrolle der genauen Art der vom Antragssteller beabsichtigten Tätigkeit vorsah, ein legitimes Ziel verfolgte. Die Ausübung des Einreise- und Aufenthaltsrechts durch MOE-Staatsangehörige, die einen EA-Niederlassungsantrag stellen, würde in diesem Fall nur denjenigen ermöglicht, „die Rechte aus dieser Bestimmung ziehen“614 konnten.

11.4.4.2.12. Schlussfolgerung

Verstöße gegen nationales Recht konnten durch Vorschriften wie Art. 45 Abs. 1 EAB und Art. 44 Abs. 3 EAP nicht geheilt werden. Der Europäische Gerichtshof stellte fest, dass in den Schutzbereich der Art. 44 EAB, Art. 45 EAB und Art. 44 Abs. 3 EAP nur MOE-Staatsangehörige fielen, die sich bereits rechtmäßig in dem Aufnahmemitgliedsstaat aufhielten.615

11.4.4.2.13. Rechtsweite der Art. 59 EAB, 59 EAT und Art. 58 Abs. 1 EAP

Die Artikel 59 EAB, 59 EAT und Art. 58 Abs. 1 EAP besagten, dass ein Mitgliedsstaat durch keine Bestimmung der Europa-Abkommen daran gehindert wurde, seine Rechts- und Verwaltungsvorschriften über Einreise und Aufenthalt, Beschäftigung, Beschäftigungsbedingungen, Niederlassung von natürlichen Personen und Erbringung von Dienstleistungen anzuwenden, sofern dies nicht in einer Weise geschah, durch die die Vorteile, die einer Vertragspartei aus einer Abkommensbestimmung erwuchsen, zunichte gemacht oder verringert wurden.

Auffassung der Kläger:

In ihrer Klage machte Frau Kondova den Umstand geltend, dass sich Art. 59 EAB und Art. 45 Abs. 1 EAB im Titel IV EAB (Freizügigkeit der Arbeitnehmer, Niederlassungsrecht, Dienstleistungsverkehr) befinden, als auch dass Art. 45 Abs. 1

614 Vgl. C-235/99 (Kondova) (Fn. 36), a.d.Gr.: 61.

615 Vgl. Rs. C- 235/99 (Kondova, Fn. 36), a.d.Gr.: 80 und Rs. C- 63/99 (Gloszcezuk, Fn. 36), a.d.Gr.: 75.

EAB aufenthaltsrechtliche Wirkung entfaltet. Demzufolge durfte das EA-Niederlassungsrecht nicht durch nationale Maßnahmen eingeschränkt werden.

Stellungnahme des Generalanwalts im Rs. C- 235/99 Kondova:

1. Gerade die systematische Stellung der Art. 59 EAB und Art. 45 Abs. 1 EAB war nach Ansicht des Generalanwalts anders auszulegen. Sie sollte im Gegenteil umso mehr zeigen, dass der Aufnahmemitgliedsstaat weiterhin befugt sei, sein Einreise- und Aufenthaltsrecht in diesen Fällen anzuwenden.

2. Im Vergleich zum Wortlaut des Art. 45 Abs. 1 EAB, richtete sich Art. 59 EAB nur an die Gemeinschaft, die Mitgliedsstaaten und das andere Vertragspartei, nicht aber an Einzelne.616 Demzufolge besitze Art. 59 EAB keine unmittelbare

Anwendbarkeit wie Art. 45 Abs. 1 EAB. Einzelne können sich daher auf diesen Artikel nicht berufen.617

3. Der Generalanwalt zog außerdem die zugefügte „Gemeinsame Erklärung zu Art. 59 des Abkommens“ in Erwägung. Dort haben sich die Vertragsparteien verständigt, dass durch die Tatsache allein, dass für natürliche Personen ein Visumzwang nur in einigen Mitgliedsstaaten vorgeschrieben werde, die Vorteile bestimmter

Verpflichtungen nicht zunichte gemacht oder verringert werden. Diese Erklärung sollte noch mal den wahren Willen der Vertragsparteien verdeutlichen: nämlich, dass die Mitgliedsstaaten ihr nationales Einreise- und Aufenthaltsrecht weiterhin eigenständig und unabhängig beibehalten durften.618

4. Die gleiche Feststellung lasse sich auch aus Art. 46 Abs. 1 EAB herleiten. Artikel 46 Abs. 1 EAB bestimmte, dass vorbehaltlich Art. 45 Abs. 1 EAB jede Vertragspartei die Niederlassung und Geschäftstätigkeit in ihrem Gebiet reglementieren konnte, soweit diese Regelungen unterschiedslos anwendbar waren.619

616 Hier ist als Vertragspartei Bulgarien gemeint und als Einzelne - bulgarische Staatsangehörige.

617 Schlussantrag (Fn. 575), Rn. 88.

618 Ebenda, Rn. 91

619 Schlussantrag (Fn. 575), Rn. 93.

Europäischer Gerichtshof:

Daraufhin musste der Europäische Gerichtshof untersuchen, inwieweit die Art. 59 EAB, Art. 59 EAT und Art. 58 Abs. 1 EAP die Mitgliedsstaaten bei der Ausgestaltung des Niederlassungsrechtes (nicht des Aufenthaltsrechts) einschränken durften.

11.4.4.2.14. Schlussfolgerung

Der Europäische Gerichtshof stellte fest, dass Art. 45 EAB, Art. 45 EAT und Art. 44 Abs. 3 EAP nur ein Niederlassungs- nicht aber ein Aufenthaltsrecht anvisierten. Das bedeutete, dass die Mitgliedsstaaten beim Abschluss der Europa-Abkommen für sich eine nicht unbeachtliche Regelungsbefugnis im Bereich des Niederlassungsrechtes beibehalten haben.

11.4.4.2.15. Anwendbarkeit der Einreise- und Aufenthaltsbestimmungen des Aufnahmemitgliedsstaates in Bezug auf die Gewährung des EA-Niederlassungsrechtes. Zulassung einer präventiven Kontrolle.

Die Zulassung einer präventiven Kontrolle bei der Gewährung von EA-Niederlassungsrechten zugunsten der MOE-Staatsangehörigen620 wurde von dem Europäischen Gerichtshof unter Berücksichtigung folgender Argumente bestätigt.

 Die betreffende Regelung hatte die Aufgabe, einen unkontrollierten Zugang von Drittstaatsangehörigen zu regeln. Sie sollte einen Missbrauch von Vorteilen, die nur vorschriftsmäßig Einreisenden zustehen, vorbeugen.

 Nach ständiger Rechtssprechung durften die Mitgliedsstaaten Maßnahmen ergreifen, die von vornherein vorzubeugen hatten, dass bestimmten Personen verliehene Rechte missbräuchlich ausgenutzt wurden.621

 Die britischen Behörden verfügten zwar teilweise über ein Entscheidungsermessen. Es war aber an den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit gebunden. Jede Art von Täuschung oder Abgabe falscher Dateien verstießen gegen die

620 Im konkreten Fall handelte es sich um das UK als Aufnahmemitgliedstaat.

621 EuGH Urt. v. 27.03.1990 - C-113/89 = 1990, I-1417 = ZAR 1990, 145, Rn. 17.

Ziele der Europa-Abkommen. Es war daher nicht unverhältnismäßig von solchen Antragstellern erst das Ausreisen aus dem Land zu verlangen. Im Heimatstaat sollte ihnen erneut die Möglichkeit gegeben werden, vor der zuständigen Vertretung des Mitgliedsstaates einen Niederlassungsantrag zu stellen.

 Die Zulassung einer Selbstständigkeit von einer Bedürfnisprüfung aus volkswirtschaftlichen bzw. arbeitsmarktpolitischen Aspekten abhängig zu machen oder mit dem Argument einer Zuwanderungsbegrenzung abzulehnen, wurde als unverhältnismäßig angesehen.622

Schlussfolgerung

Die Zulassung einer präventiven Kontrolle im nationalen Recht des betreffenden Mitgliedsstaates setzte ein legitimes und zulässiges Interesse des Mitgliedsstaates um.

Ein EA-Niederlassungsantrag durfte daher abgelehnt werden, wenn der Antragsteller sich aufgrund falscher Erklärungen oder unterbliebener Offenlegung von Tatsachen rechtswidrig im Aufnahmestaatsgebiet aufgehalten hatte. Art. 59 Abs. 1 EAB und Art.

58 Abs. 1 EAP standen in diesem Fall nicht entgegen.623