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6. Quo vadis Europa?

11.2. Begriff und Inhalt des Niederlassungsrechtes

11.2.2. Die Rolle der Unionsbürgerschaft und Familienzugehörigkeit

Die Unionsbürgerschaft wurde 1993 durch den Vertrag von Maastricht500 eingeführt.

Nach Art. 17 Abs.1 Satz 2 EGV ergänzt sie die nationale Staatsbürgerschaft der Mitgliedsstaaten, ersetzt sie aber nicht. Unionsbürger ist jeder Staatsangehörige eines Mitgliedstaats der Europäischen Union.

Bezüglich der Freizügigkeitsrechte und des Diskriminierungsverbots werden gem. § 12 FreizügG/EU501 und Art. 4, 28, 29, 31, 36 EWR-Abkommen502 auch die EWR-Bürger503 den Staatsangehörigen der Mitgliedstaaten gleichgestellt.

Die Staatsangehörigkeit zu einem Mitgliedstaat ist Voraussetzung für die Gewährung verschiedener gemeinschaftlicher Rechte,504 z.B. Aufenthalts- und Verbleiberechte

499 Die Europa-Abkommen waren auf eine Intensivierung der wirtschaftlichen Beziehungen mit den MOE-Transformationsländern gerichtet. Die Gewährung von Niederlassungsrechten sollte die wirtschaftliche Situation der MOE-Länder durch Liberalisierung der Handelskontakte zusätzlich erleichtern (siehe Abschnitt 11.4.1.).

500 Siehe Fn. 8.

501 Siehe Fn. 440.

502 Abkommen über den Europäischen Wirtschaftsraum (Fn. 456).

503 Darunter zählen die Staatsangehörigen eines der drei EWR-Staaten Norwegen, Island und Liechtenstein.

504 Von der Unionsbürgerschaft sind abgesehen von dem Diskriminierungsverbot z.B. folgende Rechte abzuleiten: Freizügigkeits- und Aufenthaltsrecht (Art. 18 EGV), Kommunalwahlrecht (Art. 19 Abs. 1 EGV), Wahlrecht zum Europäischen Parlament (Art. 19 Abs. 2 EGV), diplomatischer und konsularischer

(Art. 44 Abs. 2 Buchst. D EGV)505. Als Ausnahme zu dieser Regelung wird die Familienzugehörigkeit vorgesehen. Begünstigt werden die Staatsangehörigen eines Mitgliedsstaats und ohne Rücksicht auf die Staatsangehörigkeit - ihrer Familienangehörigen (vgl. Art. 3 Abs. 1 RL 2004/38/EG506 und § 3 FreizügG/EU).

Die Staatsangehörigkeit zu einem Mitgliedstaat und ausnahmsweise die Familienzugehörigkeit zu den begünstigten Personen dienen als prinzipielle Voraussetzung für das Ableiten von sekundären gemeinschaftlichen Rechten noch vor der Einführung der Unionsbürgschaft (1991).

Hier zwei Beispiele: Die aufgehobene RL 73/148/EWG507 sieht als begünstigte Personen die Staatsangehörigen eines Mitgliedsstaats und ohne Rücksicht auf die Staatsangehörigkeit - die Ehegatten, die Kinder dieser Staatsangehörigen, die noch nicht 21 Jahre alt sind, Verwandte in aufsteigender und absteigender Linie und ihre Ehegatten, denen diese Unterhalt gewähren. Die Familienangehörigen genießen dasselbe Recht wie der Staatsangehörige, von dem sie dieses Recht herleiten (Art. 2 Abs. 1 RL 73/148/EWG).

Art. 1 Abs. 1 und 2 RL 64/221/EWG508 sehen als Adressaten Staatsangehörige eines Mitgliedstaats (die sich in einem anderen Mitgliedstaat der Gemeinschaft aufhalten oder sich dorthin begeben, um eine selbstständige oder unselbstständige Erwerbstätigkeit auszuüben oder um Dienstleistungen entgegenzunehmen), deren Ehegatten und Familienmitglieder.

Schutz (Art. 20 EGV), Petitions- und Beschwerderecht (Art. 21 EGV) und das Recht, in einer Amtssprache der Europäischen Union zu kommunizieren (Art. 21 Abs. 3 EGV).

505 „Die Unionsbürgerschaft verleiht jedem Bürger der Union das elementare und persönliche Recht, sich im Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten vorbehaltlich der im Vertrag und in den Durchführungsvorschriften vorgesehenen Beschränkungen und Bedingungen frei zu bewegen und aufzuhalten“(Erwägungsgrund 1 RL 2004/38/EG).

506 RL 2004/38/EG über das Recht der Unionsbürger und ihrer Familienangehörigen, sich im Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten frei zu bewegen und aufzuhalten, zur Änderung der VO (EWG) 1612/68 und zur Aufhebung der Richtlinien 64/221/EWG, 68/360/EWG, 72/194/EWG, 73/148/EWG, 75/34/EWG, 75/35/EWG, 90/364/EWG, 90/365/EWG und 93/96/EWG (ABl. L 158 2004, S. 77 ff.).

507 RL 73/148/EWG zur Aufhebung der Reise- und Aufenthaltsbeschränkungen für Staatsangehörige der Mitgliedstaaten innerhalb der Gemeinschaft auf dem Gebiet der Niederlassung und des

Dienstleistungsverkehrs, ABl. L 172 v. 28.6.1973, S. 14, aufgehoben.

508RL 64/221/EWG zur Koordinierung der Sondervorschriften für die Einreise und den Aufenthalt von Ausländern, soweit sie aus Gründen der öffentlichen Ordnung, Sicherheit oder Gesundheit gerechtfertigt sind, ABl. 56 v. 04.04.1964, S. 850, aufgehoben.

2004 wurde das Freizügigkeitsrecht von Unionsbürgern durch die RL 2004/38/EG509 neu geregelt. Aufgabe der RL 2004/38/EG ist es, die Ausübung des Freizügigkeits- und Aufenthaltsrechts zu erleichtern. Dadurch wird eine Koordinierung der bisherigen bereichsspezifischen und fragmentarischen Ansätze in dem Bereich vorgenommen. Sie führt einheitliche Regeln über das Recht der Unionsbürger und ihrer Familienangehörigen510 ein, sich im Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten frei zu bewegen und aufzuhalten. In Deutschland wird die RL 2004/38/EG durch das FreizügG/EU und das Gesetz zur Umsetzung aufenthalts- und asylrechtlicher Richtlinien der Europäischen Union511 umgesetzt.

Das FreizügG/EU regelt das Recht auf Einreise und Aufenthalt nicht nur der erwerbstätigen, sondern auch den nichterwerbstätigen Unionsbürgern und ihre Familienangehörigen in einem anderen EU-Land. Um ihre Freizügigkitsrechte für mehr als drei Monate in Anspruch zu nehmen müssen Letztere über einen ausreichenden Krankenversicherungsschutz und ausreichenden Existenzmittel verfügen. Das gleiche gilt für die Familienangehörigen, bzw. Lebenspartner, die den Unionsbürger begleiten oder ihm nachziehen (§§ 1, 2, 3, 4 FreizügG/EU). Für eine Einreise und einen Aufenthalt von weniger als drei Monate genügt einen gültigen Personalausweis, bzw.

Reisepass (§§ 2 Abs. 5, 3 FreizügG/EU).

In bestimmten Fällen (z.B. bei den freien Waren- und Personenverkehr) sind die auf gemeinschaftlicher Ebene gewährten Rechte nicht unbedingt mit wirtschaftlichen Aktivitäten oder der Unionsbürgerschaft, bzw. Familienzugehörigkeit verbunden.

Davon profitieren dürfen auch die Nicht-EU-Ausländer, die sich rechtmäßig in den Hoheitsgebieten der Mitgliedstaaten aufhalten (vgl. Art. 19ff. SDÜ512).

509 RL 2004/38/EG (Fn. 506).

510 Für die Zwecke der RL 2004/38/EG umfasst der Begriff des Familienangehörigen auch den eingetragenen Lebenspartner, wenn „nach den Rechtsvorschriften des Aufnahmemitgliedstaats die eingetragene Partnerschaft der Ehe gleichgestellt“ wird (Art. 2 Abs. 2 b RL 2004/38/EG, vgl. auch Erwägungsgrund 5 RL 2004/38/EG).

511 Gesetz zur Umsetzung aufenthalts- und asylrechtlicher Richtlinien der Europäischen Union (BGBl. I 2007, S. 1970ff.).

512 Übereinkommen zur Durchführung des Übereinkommens von Schengen /SDÜ/ v. 14.061985 zwischen den Regierungen der Staaten der Benelux-Wirtschaftsunion, der Bundesrepublik Deutschland und der Französischen Republik betreffend den schrittweisen Abbau der Kontrollen an den gemeinsamen Grenzen (BGBl. II 1993, S. 1013). Teil des Vertrags von Amsterdam (1999) ist ein Protokoll zur

Einbeziehung des Schengen-Besitzstandes in den Rahmen der EU. Dadurch wird eine Zusammenarbeit