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Widerspruchsmomente der Globalisierung

5 Zum Ausdruck des postfordistischen Kapitalismus in der

5.3 Globalisierung

5.3.2 Widerspruchsmomente der Globalisierung

sich immer mehr als „WeltbürgerIn“, die neue Elite, die sich aus ihren nationalen Bindungen und Verpflichtungen lösen will. Der Teil der "VerliererInnen" hingegen tendiert zu einer Stärkung der Nation und gegen eine Globalisierung.191

Die Auswirkungen dieser Entwicklung werden für die Bevölkerung in den einzelnen Staaten sehr unterschiedlich sein. Während einige ihre Konkurrenzfähigkeit steigern, werden andere sie auf dem Weltmarkt verlieren. Ganz besonders betroffen davon werden die ArbeiterInnen der bisherigen Massenproduktion sein.

Signifikant für die kapitalistische Produktionsweise ist, daß ein allgemeiner Wohlstand nicht das Ziel ist und die Ungleichheit als eine unveränderliche Gegebenheit anerkannt wird (vgl. Kap. 3).

Durch die Globalisierung erhöht sich die Abhängigkeit der Armen von den Reichen. Gegebene Widerstandsmöglichkeiten höhlen sich aus, wie sich am Beispiel des sinkenden Einflusses der Gewerkschaften zeigt. Ungleichheit kann sich ausweiten und ohne Widerstände vonstatten gehen, weil im jetzigen Kapitalismus eindeutige Machtverhältnisse bestehen und sich

ehemaliges „aufeinander angewiesen sein“ zu Gunsten der Unternehmen entschieden hat (vgl.

Beck 1998a, S. 165 ff.). Die vorangegangenen Aussagen bezogen sich auf die Teile der Weltbevölkerung (vorwiegend in den Industriestaaten), welche bis jetzt in irgendeiner Form an der kapitalistischen Produktionsweise partizipieren konnten. Dabei darf nicht übersehen werden, daß weltweit für eine hohe Anzahl von Menschen eine Teilnahme überhaupt nicht vorgesehen war und auch weiterhin nicht vorgesehen ist. Ganz im Gegenteil, es ist mit zunehmendem Ausschluß vom Reichtum zu rechnen.

Es kann festgestellt werden, die Globalisierung besteht und sie wirkt sich unterschiedlich aus.

Die Perspektive, unter der das Geschehene betrachtet wird, ist somit auch eine Frage des jeweiligen Standpunktes und der Betroffenheit. Dementsprechend fallen die Prognosen aus – optimistisch oder pessimistisch.

ausdehnt. Dies wird aus differenten Gründen nicht möglich sein und selbst für einen immer größer werdenden Teil der Menschen in den Industriestaaten hat sich die Lebenssituation verschlechtert.

• Durch die Globalisierung wird die Tendenz der kapitalistischen Produktionsweise verstärkt, sich aus den Sphären der Gesellschaft zurückzuziehen, gleichzeitig ist die Gesellschaft die Legitimation und der Rahmen der kapitalistischen Produktionsweise.

• Der Staat soll mittels Regierung, Parlament, Gerichten etc. für die Schaffung und

Einhaltung von Normen gegenüber der Wirtschaft sorgen. Diese Normen sollten sowohl die Interessen der Gesellschaft, des Staates als auch der Wirtschaft beinhalten und vertreten.

Die Entwicklung der globalen Produktion zeigt aber sehr gegenteilige Tendenzen. Es wachsen die Möglichkeiten, unangenehmen, einschränkenden Normen und Richtlinien der einzelnen Staaten auszuweichen und auf andere Territorien zu übersiedeln. Die

Globalisierung unterminiert die wirtschaftliche Durchsetzungsfähigkeit der Regierungen, gleichzeitig wird der nationale und internationale Regulationsbedarf erhöht durch unkoordinierte globale Aktionen der multi- und transnationalen Unternehmen.

• Die Tendenz geht eindeutig weg von staatlichen Eingriffen hin zum freien Markt. Die bereits bestehende Problematik zwischen Gesellschaft, Staat und Wirtschaft wird auf globaler Ebene noch verschärft. Es bestehen unterschiedliche Interessen und Abhängigkeiten zwischen den Systemen. Die Abhängigkeit des Staates und der Gesellschaft von der Wirtschaft tritt deutlich hervor. Der Staat, dessen Aufgabe es wäre, all die Systeme mit ihren Anliegen in sinnvoller Weise zu organisieren, nimmt zum einen diese seine Verantwortung nicht wahr, zum anderen werden durch die Globalisierung bisherige

staatliche Institutionen, Mechanismen etc. blockiert oder zersetzt (vgl. Beck 1998a, S. 116;

Beck / Wilms 2000, S. 58 ff.). Neue Formen im globalen Maßstab werden/wurden nicht generiert. Von führenden Volkswirtschaftlern wie Reich wird gefordert, der globalen Qualitätsproduktion von staatlicher Seite Einhalt zu gebieten, diese Art der Produktion und die damit verbundenen Fertigkeiten und Fähigkeiten zu produktivem Nutzen für das Allgemeinwohl zu lenken. Schädliche Nebenfolgen sollten dadurch vermieden werden. Die Realität sieht anders aus, wie bereits an verschiedenen Stellen aufgezeigt wurde, ist das Problem grundlegender und die jeweiligen Interessen diametral (vgl. Reich 1993, S. 210 ff.).

• Das Hauptziel der globalen Produktionsweise ist die Gewinnmaximierung, die Nebenfolgen sind nebensächlich. Auch bei dieser neuen Art von globaler Produktion spielt die Ethik eine bedeutsame und ungeklärte Rolle. Die häufige Unverträglichkeit zwischen

Gewinnmaximierung und irreversiblen Schädigungen ist ebenso gegeben wie bei der nationalen Produktion. Nützliche wie schädliche Nebenfolgen und –effekte zeigen sich. Es wird gefordert den Markt so zu organisieren, daß die neuen Erfindungen zum Wohle der Menschheit beitragen und nicht zu ihren Schaden. Die Globalisierungsprozesse bedingen

191 Vgl. Untersuchungen zu Nationalismus und Rechtsradikalismus.

aber Deregulierung der Arbeitsbeziehungen, Sozialabbau, ökologische Zerstörungen, etc.

Zugleich ist Stabilität in der Gesellschaft und ein intaktes ökologisches System eine notwendige Grundlage für die Ökonomie. Es resultieren diesbezüglich auf der globalen Ebene noch mehr Probleme und Anforderungen als auf der nationalen Ebene. Zusätzlich haben die einzelnen Staaten sehr unterschiedliche Interessen und Orientierungen.

Konstruktive Umgangs- und Vorgehensweisen sind nicht gerade eine Stärke zwischen den Nationen. Die Provokationen durch diskriminierende, spaltende und ausgrenzende

Maßnahmen nehmen ebenso zu wie gewalttätig ausgetragene Konflikte. Es herrschen meist sehr gegensätzliche Interessen vor und es sind wenig Vorstellungen vorhanden, diese aufeinander abzustimmen, obwohl die Globalisierung dies in hohem Maße erfordern würde.

• Die neu entstandene Weltwirtschaft handelt bezüglich ihrer Werte völlig entgrenzt. Eine Welt ohne Grenzen stellt völlig andere Anforderungen an den Wettbewerb. Durch die Globalisierung verschwinden für die Wirtschaft die nationalen Grenzen und mit ihnen die zugrunde liegende Logik. Durch die Komplexität entsteht eine andere Anforderung an das Verantwortungsbewußtsein der Unternehmen, welches in der Regel weder verstanden, gesehen noch übernommen wird. Die Schere zwischen Weltwirtschaft und ihrer Logik und der Bedeutung und Auswirkung für die Weltbevölkerung und Umwelt ist mittlerweile immens, kaum noch denk- und faßbar und mündet in permanente Katastrophen, denen teilweise hilflos, ignorant, desinteressiert, überfordert, in blindem Aktionismus, mit Aggression etc. begegnet wird.

• Die Globalisierung wird auch als Chance begriffen, daß hierarchische und national isolierte Systeme aufgelöst werden und sich Strukturen bilden, die mehr Freiheit, Selbständigkeit und Kreativität zulassen. Die Phänomene der Ausgrenzung und Separierung in regionaler, nationaler, ethischer und sozialstruktureller Hinsicht zeichnen ein anderes Bild. Weiterhin hoffen BürgerInnen und Staaten, daß sich die Unternehmen und „GewinnerInnen“ um

"ihren" Staat und die „VerliererInnen“ kümmern. Die „reichen WeltbürgerInnen“ sollen sich mit den „armen WeltbürgerInnen“ solidarisieren. Dies erweist sich als eine fatale Hoffnung.

Seit Einsetzen des Kapitalismus hat eine breite Entsolidarisierung und Individualisierung begonnen. Und nun soll auf der neuen Stufe des Weltbürgertums eine breite Solidarität entstehen? Die sich ausbreitende Gewalt in Familien, Schulen, auf der Straße oder der zunehmende Rassismus oder die Kriege präsentieren eine andere Wirklichkeit.

Fazit

Ob man für oder gegen die Globalisierung ist oder ob man diesen oder jenen Weg gehen will, diese Optionen können so nicht mehr gestellt werden, denn durch die wirtschaftlichen

Aktivitäten ist bereits eine Globalisierung der Arbeitswelt erfolgt. Um solche Prozesse überhaupt bestimmen oder mitbestimmen zu können, wäre es notwendig, grundlegende

Auseinandersetzungen über das wirtschaftliche System an sich zu führen, über seine Dynamik

und deren Auswirkungen, sowie über den Sinn als solchen. Diese Wirtschaftsweise zu wollen und sich zugleich über die globalen Entwicklungen zu beschweren ist paradox, weil ein wesentlicher Aspekt dieser Produktionsweise ihre Expansionsdynamik ist. Für das Bestehen eines warenproduzierendes System ist die permanente Ausweitung, Neuentdeckung und Entwicklung ein existentieller Bestandteil.

Die Auseinandersetzung mit der Globalisierung läßt sich in drei Segmente gliedern, zum einen in den Bereich: was heißt Globalisierung, welche Dynamik liegt vor und welche Auswirkungen hat dies auf die Arbeitswelt? Ein weiterer Bereich ist die Auswirkung der Globalisierung auf die Staatsformen, auf das gesellschaftliche Zusammenleben und auf das Individuum. Der dritte Bereich ist die Diskussion, ob diese Form des wirtschaftlichen Systems einschließlich der Globalisierung sozial und politisch für Menschen ver- und erträglich ist. Wie weit kann dieses System beeinflußt werden, um sozial verträglich zu sein und wo sind dabei die Grenzen, da sonst eine Abschaffung dieser Wirtschaftsweise erfolgen würde?