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Widerspruchsmomente der kapitalistischen Produktionsweise

6 Erkenntnisse: Supervision und Ökonomie

6.1 Widerspruchsmomente der kapitalistischen Produktionsweise

Planwirtschaft und Marktwirtschaft

Der frühkapitalistische, merkantilistische Etatismus mußte sich „noch illusionär als das absolute Subjekt der Gesellschaft und ihrer Ökonomie setzen.“(Kurz 1991, S. 25) Daraus entwickelte sich in und durch viele Auseinandersetzungen die moderne Volkswirtschaft, aufgespalten in Planwirtschaft und Marktwirtschaft.

Beiden gemein ist die Vorstellung einer Arbeitsgesellschaft. Arbeit wurde zum überhistorischen Wesen des Menschen deklariert. Im Grundverständnis von Arbeit an sich liegt kein bedeutender Unterschied zwischen den einzelnen Theorien. „Nirgendwo ist dieses protestantische Ethos des abstrakten Arbeitsmenschen in einer zur Arbeitsmaschine geformten Gesellschaft, wie es Max Weber als ideologisches und historisches Konstitutionsmerkmal des Kapitalismus

herausgearbeitet hat, inbrünstiger und rigoroser verwirklicht worden als in der

Arbeiterbewegung und in den realsozialistischen Gesellschaftsformationen. Daran ändert sich nichts, daß die Motivation für die Unterordnung der Menschen unter die Arbeitsmaschine von den Individuen auf den Staat und dessen nationalökonomische Metaziele übertragen wurde; die Unterwerfung unter die Abstraktion der Arbeit erscheint darin nur um so roher und rigider, weil noch nicht einmal mit dem bloßen Schein individueller Zwecksetzung versehen.“(Kurz 1991, S.

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Der Zusammenbruch des Sozialismus zeigt die Begrenztheit dieser arbeitsgesellschaftlichen Grundlagen, die auch dem Kapitalismus zugrunde liegen. Sowohl Kapitalismus als auch Sozialismus haben Basisformen übernommen und sich darin weiterentwickelt, die zum Ende des Merkantilismus und zu Beginn der Industrialisierung bereits formuliert wurden. Der

Kapitalismus hat nicht von Beginn an die „freie Marktwirtschaft“ proklamiert, sondern es lassen sich Wellenbewegungen zwischen Etatismus und Monetarismus feststellen. Beide sind

integraler Bestandteil und Bewegungsformen des warenproduzierenden Systems. Der Realsozialismus wie auch die Marktwirtschaft hatten das gleiche Ziel von Unterwerfung und Anpassung des Menschen an einen abstrakten Nationalreichtum eines warenproduzierenden Systems. Kapitalismus und Sozialismus sind beides Formen eines warenproduzierenden Systems (vgl. Pkt. 3.1). Die Proklamation einer Selbstherrschaft der Arbeiterklasse im

Sozialismus, die als wesentlicher Unterschied zum Kapitalismus begriffen wurde, schließt sich unter den gegebenen Bedingungen aus, da es eine Unmöglichkeit darstellt, gleichzeitig als Arbeitskraft in einer Massenproduktion zu funktionieren und als autonomes Wesen

Entscheidungen über Bedürfnisse etc. zu treffen (vgl. Pkt. 3.4.2).

Die große Unterschiedlichkeit zwischen Realsozialismus und Kapitalismus bestand vor allem im erstarrten Etatismus des Realsozialismus, während der Kapitalismus zwischen beiden

Prinzipien - Etatismus und Monetarismus - wechselt. Somit tritt im Kapitalismus weder eine Verfestigung noch eine Ausdehnung eines jeweiligen Prinzips ein. Für den freien Markt ist zwingend, Arbeit und Material abstrakt zu vernutzen und zugleich viel Arbeit und Zeit

einzusparen. Dadurch ist es für die Marktwirtschaft notwendig zu expandieren, ihre Marktanteile zu erweitern, was gleichzeitig wiederum den Konkurs und Verdrängung von anderen

Unternehmen oder die Ausdehnung des Marktes (Globalisierung) bedeutet. Im Realsozialismus wurde versucht, die notwendige Verschwendung von Arbeit und Zeit über staatliche

Subventionen zu finanzieren, was zwangsläufig zu einem Staatsbankrott führt (vgl. Kurz 1991).

Staat und Markt

Wie bereits an mehreren Stellen kenntlich gemacht, begann durch die Globalisierung eine Auflösung des bisherigen Verhältnisses von Staat und Markt. Wie zukünftig auf

Unzulänglichkeiten des Marktes mit wirtschaftspolitischen Eingriffen des Staates reagiert werden kann, ist fraglich, ebenso wie sich das Konstrukt Staat und Markt überhaupt gestalten wird (vgl. Beck (Hg.)1998; Yergin/Stanislaw 2001).

Allgemein kann festgehalten werden, daß die kapitalistische Produktionsweise durch ihre beständig notwendige Erweiterung von Märkten mit der Zielvorgabe des uneingeschränkten Wachstums grenzenlos und instanzenlos ist und zugleich doch einen Rahmen benötigt, der die Marktunvollkommenheit ausgleicht (vgl. Dyllick 1988; Giddens 1999, S. 172 ff.; Thielemann 1997). Staat und Markt bedingen sich gegenseitig und schließen sich zugleich aus. Sie sind nicht eine Ergänzung, sondern ein permanenter institutioneller Widerspruch.

Diese Unvereinbarkeit wird selten als immanentes Moment der Produktionsweise erkannt und behandelt. Bisherige ökonomische Theorien gingen meist davon aus, daß staatliche

Regulationen und Marktmechanismen sich notwendigerweise wechselseitig bedingen. Hier zeigt sich der Dualismus der Moderne, der das Bewußtsein in vielerlei Hinsicht prägt (Markt - Staat, Politik - Wirtschaft, Gesellschaft - Individuum). Dieses Denken und Verständnis scheint unauflöslich zu sein und diese Verbindungen werden als Abhängigkeit und Einschränkung begriffen und empfunden, die es aufzulösen gilt. Es entsteht durch diese zwei Momente ein explosives konvergentes Spannungsverhältnis – Unauflöslichkeit und Notwendigkeit der Auflösung, Abhängigkeit und Streben nach Unabhängigkeit.

Die Geschichte zeigt, daß aus der Art und Weise der Produktion bestimmte gesellschaftliche und politische Verhältnisse resultieren. Für die Gegenwart gilt die dominante Kraft der Wirtschaft, die Politik hat meist nur noch den Raum, den ihr die Wirtschaft läßt (vgl. Beck 1998a, S. 14, S. 202 ff.; Heintel 1999; Schwarz 1998, S.22 f.).

Produktion und Konsumtion

Die kapitalistische Produktionsweise ist ein warenproduzierendes System, in welchem ein fundamentaler Widerspruch zwischen Produktion und Konsumtion existiert.

„Indem nämlich die Produktion und die Konsumtion der konkreten Gebrauchsgüter

gegensätzlich auseinanderfallen, getrennt durch die Zirkulation, spalten sich auch die Subjekte selber auf in Produzenten und Konsumenten. Obwohl jedes Individuum und jeder Betrieb gleichzeitig sowohl Produzenten als auch Konsumenten des gesellschaftlichen Reichtums sind,

fallen ihr Dasein und ihre Interessen als Produzent und als Konsument grotesk auseinander. Als Produzent ist das Warensubjekt oder Tauschsubjekt nicht am Gebrauchswert seiner Produkte interessiert, egal ob „Arbeiter“ oder „Kapitalist“, ob Manager oder realsozialistischer

Betriebsleiter. Produziert wird ja nicht für die eigene Konsumtion, sondern für den anonymen Markt, und Zweck der Veranstaltung ist nicht die sinnliche Bedürfnisbefriedigung, sondern die Verwandlung der Arbeit in Geld (Lohn und Profit).“(Kurz 1991, S. 101)

Als Konsument (Unternehmen/Person) wiederum ist für den Produzenten das Produkt sehr wohl von Interesse und der optimale Gebrauchswert von hoher Bedeutung. Der Widerspruch liegt also zwischen sinnlich konsumierenden Menschen und unsinnlichen produzierenden Menschen. Der permanente Gegensatz zwischen Konsument und Produzent wird durch eine scheinbar nicht aufzulösende Abhängigkeit noch verstärkt. Es existiert ein großer Zwang zu produzieren, zu maximieren und zugleich muß Rücksicht auf den Konsumenten genommen werden, da dieser sonst zum Boykott eines Produktes übergehen könnte. Um dies wiederum zu unterlaufen, ist es für den Produzenten wichtig, gute Werbung zu schalten, viele

unterschiedliche Informationen zu streuen, KonsumentInnen zu unkritischen und zugleich kritischen BürgerInnen zu erziehen.

Eine Begrenzung entsteht auch durch die Art der Investition in die Produktionseinrichtung. Jede Investitionshandlung vergrößert den Bestand von Produktionseinrichtungen und somit den Bestand an Gütern. Der Konsum muß sich erhöhen, wenn nicht dem Investitionsprozeß Fesseln angelegt werden sollen (vgl. Dobb 1972, S. 297 f.). Das Problem, das für die moderne

Gesellschaft auftauchte, war nicht die mögliche Limitierung von Arbeitskräften, sondern die individuell begrenzte Konsumkapazität. Uneingeschränkt schien nur der Akkumulationsprozeß zu sein.200 Das limitierte Aneignungsvermögen des Individuums wurde überwunden durch die Einführung des Geldes.201

Erzeugung von Gebrauchswert und Wert

Die kapitalistische Produktion enthält den Doppelcharakter von Erzeugung von Wert und Erzeugung von Gebrauchswert. Diese Produktionsweise ist also zugleich Verwertungs- und Arbeitsprozeß in einem. Die Vervollkommnung der gesellschaftlichen Produktivkräfte in einem Arbeitsprozeß, in welchem Waren als Gebrauchsgegenstände hergestellt werden, drückt sich in der Ökonomie der Zeit aus. Dies intendiert die Reduktion der notwendigen Arbeitszeit für die Erzeugung des Gebrauchswertes bzw. die komplementäre Form, auf die Erhöhung der Gebrauchswerte in der gegebenen Arbeitszeit. In der kapitalistischen Produktionsweise

200 Die Limitierung des wirtschaftlichen Wachstum ist eingetreten und es gibt momentan keine Instrumente, diese zu beseitigen (vgl. Giarini/Liedtke 1998, S. 23). Außerdem ist keine unendliche Ausbeutung der Natur möglich.

201 Dabei war es wichtig, daß das Individuum das Geld nicht hortet, sondern ausgibt und damit den Produktionsprozeß fördert.

dominiert das Kapitalverwertungsmotiv über das Gebrauchswertmotiv (vgl. Conert 1998, S. 340 ff.).

Es gab von Beginn an die Hoffnung, daß die durch die Konkurrenz bedingte

Produktivitätssteigerung den Wohlstand der jeweiligen Nation und der in ihr lebenden Menschen anhebt (vgl. Smith 1999; Kap. 3). Dies hat sich nicht erfüllt, weil in dieser

Produktionsweise nicht eine allgemeine Bedürfnisbefriedigung beabsichtigt ist, sondern das Ziel der Wirtschaftsweise die Reichtumsvermehrung ist. Obwohl die Produktivkraft seit Beginn der warenproduzierenden Produktionsweise stetig zugenommen hat, existiert eine hohe Armut und Verelendung.