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Kritik des Kapitalismus und der Nationalökonomie

3 Die Herausbildung der kapitalistischen Produktionsweise

3.6 Destruktivität und Irrationalität der ökonomischen Kategorien - die

3.6.2 Kritik des Kapitalismus und der Nationalökonomie

Marx' Kritik an der kapitalistischen Produktionsweise war sehr umfassend. Die historische Berechtigung dieser Produktionsweise sah er darin, daß sie die Möglichkeit bot, die materielle Not für alle Menschen in der jeweiligen Gesellschaft zu überwinden (vgl. Conert 1998, S. 163).

Marx analysierte und kritisierte die Dominanz der Kapitalverwertung. Diese Dominanz geht weit über ein gesellschaftliches Gebrauchswertinteresse hinaus, das Kapital setzt sich in dieser Produktionsweise selbst als Zweck, Motiv und Ziel, als Ausgangs- und Endpunkt von

Produktion. Es geht dabei nicht mehr um die Produktion von Waren als Endzweck, sondern um die Anhäufung von Reichtum.

Die absolute Dominanz des Kapitals zeigte auf sehr unterschiedlichen Ebenen ihre Wirkung.

Marx Erkenntnisse lassen sich in differente Bereiche - Arbeitsverhältnisse, Arbeitsteilung, Entfremdungsprozesse - einteilen, diese beziehen sich aber alle auf den Verwertungsprozeß des Geldes, auf die schier endlose Anhäufung von Reichtum. Diese Segmente

(Arbeitsverhältnisse, Arbeitsteilung, Entfremdungsprozesse) sind von der Dynamik des Gewinnstrebens, der Konkurrenz und der Rentabilität geprägt. Wie an den einzelnen Punkten genauer dargelegt wird, ist der Kern dieser Dynamik die Abstraktion, die Verdinglichung und die Versachlichung sowie die damit verbundene Entmenschlichung. Unmittelbare menschliche Verhältnisse begannen sich durch die kapitalistische Produktionsweise in Verhältnisse umzuwandeln, welche ausschließlich von der Reichtumsvermehrung bestimmt wurden. Dabei

war für Marx bereits offensichtlich, daß es in dieser Struktur keine GewinnerInnen104 geben wird, sondern sich in dieser Form alles zu reinen Funktionseinheiten entwickeln wird. Diese Reduzierung auf die jeweilige Funktion und die damit einhergehende Versachlichung in dieser Produktionsweise hat für alle Menschen tiefgreifende und zum großen Teil sehr problematische Auswirkungen (Entfremdungsprozesse).

Bevor die Punkte Arbeitsverhältnisse, Arbeitsteilung und Entfremdungsprozesse konkretisiert werden, wird Marx' Kritik an der Nationalökonomie kurz vorgestellt.

Die Nationalökonomie und Arbeit

Als einen einschneidenden Moment kennzeichnete Marx die Tatsache, daß die

Nationalökonomie die Arbeit als ein Privateigentum erkannte und setzte. Jene Wissenschaft entdeckte das subjektive Wesen des Reichtums, nämlich die Arbeit des Menschen (vgl. Smith).

Marx zeigte, wie durch die nationalökonomische Auflösung des Feudaleigentums eine

Umwandlung des Reichtums geschah. War im Merkantilismus Reichtum ausschließlich auf das Geld bezogen, gewinnt die Erde und der Landbau in der Physiokratie105 an Bedeutung. Die Erde ist hier noch nicht in Kapital verwandelt, sondern Reichtum entsteht durch die Bearbeitung der Erde. Auf diese Weise erkannte man Reichtum durch Arbeit, die Arbeit ist in der

Physiokratie aber noch an eine naturbestimmte Daseinsweise gebunden. Die Entäußerung fand in diesem Kontext erst auf eine bestimmte und besondere Art statt. Marx sah in dieser

Entwicklung bereits die Dynamik, welche durch die Erkenntnisse der Physiokratie in Gang gesetzt wurde: Reichtum durch Arbeit.

Grundeigentum war die erste Form des Privateigentums106. Die Industrie kann als eine weitere und spezielle Form des Privateigentums betrachtet werden. Das subjektive Wesen des

Privateigentums ist die Arbeit. In der historischen Entwicklung war die Arbeit erst nur

104 Obwohl Marx das Proletariat und die Kapitaleigner als Gegensätze sieht, erleben alle Klassen im Kapitalismus dieselbe menschliche Selbstentfremdung und gehen nicht im Ausbeutungsverhältnis auf (vgl.

Marx 1971, S. 302, S. 317). Im Gesamten bilden sie unterschiedliche Funktionskategorien, die ihren Zweck in der Produktionsweise erfüllen müssen. Arbeit und Kapital sind zwei notwendige Aspekte im Kapitalismus und sind nicht zwangsläufig an Klassen gebunden, wie sich mittlerweile feststellen läßt.

105 Die Physiokratie hebt den Feudalcharakter der Wirtschaft auf und macht die Agrikultur zur Industrie, gleichzeitig erkennt sie das Feudalwesen an, weil sie die Landwirtschaft zur einzig möglichen Industrie erklärt (vgl. Marx 1971, S. 231).

106 Durch das Privateigentum tritt für Marx eine Entfremdung auf, die alle Bereiche des menschlichen Daseins durchzieht. Privateigentum ist für Marx der sinnliche Ausdruck davon, "daß der Mensch zugleich gegenständlich für sich wird und zugleich vielmehr sich als ein fremder und unmenschlicher Gegenstand wird, daß seine Lebensäußerung seine Lebensentäußerung ist, seine Verwirklichung seine Entwirklichung, eine fremde Wirklichkeit ist,... ."(Marx 1971, S. 239) Diese Entfremdung durch das Privateigentum bewirkt eine ziemliche Reduzierung des menschlichen Seins, an die Stelle der gesamten geistigen und

physischen Sinne tritt der Sinn des Habens. Das Leben reduziert sich für Marx in diesem Kontext auf Privateigentum, Arbeit und Kapitalisierung (vgl. Marx 1971, S. 240).

Landarbeit, bis sie zur Arbeit an sich wurde (Marx 1971, S. 231 f.). Dem Prinzip der

Reichtumsvermehrung folgend, entwickelte die Nationalökonomie Lehren um die Arbeit. Das Fortschreiten jener Erkenntnisse führt logisch in das Erforschen des allgemeinen Wesens des Reichtums und damit zur Arbeit und dessen Wertschöpfungsmöglichkeiten. Die Arbeit als Wesen des Reichtums begann somit eine große Rolle zu spielen, welche zusehends zum Absoluten und zum Abstrakten wurde. Reichtum durch Arbeit mündete für Marx zwangsläufig in das Fabrikwesen, in das ausgebildete System der Industrie. Die Industrie ist die vollendete Arbeit im abstrakten Sinn und das Kapital die vollendete Form des objektiven Privateigentums (vgl. Marx 1971, S. 232).

Die Vorstellung, Arbeit als das einzige Wesen des Reichtums zu sehen, implizierte zugleich die Entäußerung und Entfremdung des Menschen. Der äußerliche Reichtum wird aufgehoben und in dem Menschen selbst gesetzt. Der Mensch in seiner tätigen Gestalt wird zum Subjekt des Privateigentums. Die äußerlichen Spannungen, die das Wesen des Privateigentums umfaßten, wurden somit in den Menschen selbst verlagert (vgl. Marx 1971, S. 228 f.).

Der "kapitalistische Mensch" ist nicht von Begrenzungen des Feudalismus positiv entbunden worden, er befindet sich nun als abstraktes Subjekt in einem permanenten und isolierten Überlebenskampf.

Die Nationalökonomie handelt nach ihren Gesetzen des Reichtums. Die Moral der Ökonomie ist der Erwerb und die Arbeit, welche ihre Eigendynamik entwickeln. Gut ist im jenem Kontext alles, was Reichtum einbringt. Diese Moral läuft oft anderen Moralvorstellungen zuwider (z. B. der Religion). Marx erkannte darin ein Merkmal der Entfremdung, weil jede Sphäre oftmals einen entgegengesetzten Maßstab an den Menschen anlegt, der Mensch mit unvereinbaren Gegensätzlichkeiten konfrontiert wird (vgl. Marx 1971, S. 260).

Außerdem nahmen die Formen von Ware und Geld eine Mystifikation an. Diese erhielten sie v.a. durch die Wertsetzung. Daß ein Ding diesen oder jenen Wert aufweist, hatte mehr mit Glauben zu tun und weniger mit inneliegenden Maßstäben. Es lassen sich viele Analogien zur Religion finden. Diese Fetischform von Ware und Geld bildet das Tabu der Moderne, diese einerseits objektivierte und anderseits verinnerlichte Fetischform darf keiner grundsätzlichen Kritik unterzogen werden (vgl. Kurz 1995, S. 101 ff.). Die Basiskategorien einer warenförmigen Vergesellschaftung sollen nicht in Frage gestellt werden.107

107 Die Fetischkritik ist bei Marx selbst unvollständig und zum Teil widersprüchlich in seiner Kapitalismuskritik ausformuliert (vgl. Kurz 1995, S. 103 ff.; 2000). Das fetische Verhältnis ist ein

subjektloses und versachlichtes Verhältnis und beinhaltet Funktionsgesetze. Der Mensch unterwirft sich diesen Verhältnissen und läßt sich nach seiner Funktionstüchtigkeit für die Ökonomie beurteilen. Auch das individuelle Gegenüber wird in seiner Funktion wahrgenommen.