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Rückblick in die griechische Antike

3 Die Herausbildung der kapitalistischen Produktionsweise

3.2 Erste problematische Phänomene der Ökonomie

3.2.1 Rückblick in die griechische Antike

Eine wesentliche Rolle spielte die Frage der Eigentumsrechte (Geld/Reichtum) und die der Gerechtigkeit.

Das Geldwesen

Das Geldwesen wurde ca. 650 v. Chr. in Griechenland eingeführt. Bis zu diesem Zeitpunkt befand sich das Geld nicht als Tausch- oder Kaufmittel auf dem Markt, sondern war bekannt als Opfer für Gottheiten und als Geschenk- und Gabenform zwischen MachthaberInnen. Der Ursprung des Geldes ist also ein politischer und religiöser und kein kommerzieller (vgl. Braeuer 1981, S. 26, S. 55). Wie Herodot (ca. 480 – 424 v.Chr.) beschrieb, entwickelte sich das

Geldwesen in zunehmendem Maße zur Geldwirtschaft. Wo Geld auftauchte, gewann es rasch an Bedeutung (vgl. Herodot 1957; 1958). Die Geldwirtschaft entstand nicht aus ökonomischen Entwicklungsgesetzen, sondern nach dem Zerfall des Gabentausches als integrierende Institution der Gesellschaft (vgl. Wieland 1988, S. 17).

Um 400 v. Chr. erreichte das Geld eine universelle Macht (vgl. Braeuer 1981, S. 33, S. 36).

Eine Kommerzialisierung verschiedener Bereiche setzte ein. Geld wurde als Mittel für alles gesehen 37. Bezeichnend war, daß sich dadurch andere Regeln der Lebensführung

einbürgerten. Das Geld und der Besitz bildeten die neuen Ordnungseinheiten zwischen den Menschen (vgl. Braeuer 1981, S. 35 f., S. 49).

Die verschiedenen Schriften antiker Philosophen, Dichter und Historiker geben Auskünfte über die Konflikte und die Dynamik, welche sich aus dieser Entwicklung ergaben.

Die Beobachtungen, die bezüglich der Einführung des Geldwesen auf das Verhalten von Menschen gemacht wurden, ließen die Habsucht und den Geltungsdrang als auffälligste Veränderungen erscheinen. Solon (640 –560 v. Chr.) sah, daß der Geldreichtum die Menschen zu mehr Habgier verleitete als der vorherige naturalwirtschaftliche Reichtum. Diesen

Unterschied erklärte er damit, daß der naturalwirtschaftliche Reichtum sowohl verderblich als auch spesenverursachend war. Eine gewisse Mäßigung und Einhalt gebot folglich die Natur der Dinge. Als problematisch wurde das ungesättigte und scheinbar nicht zu stillende und zügellose Bedürfnis nach Geld angesehen38. Die negativen Auswirkungen, die sich aus diesem Verhalten entwickelten, waren Diebstahl, Raub und Rache, Verhaltensweisen/Handlungen, die zwischen den Menschen großes Mißtrauen hervorriefen. Geld diente dem persönlichen Geltungsdrang, es gab Geschichten um die Prunk- und Verschwendungssucht von Menschen (vgl. Herodot

37 Mit Geld konnte man sich Freiheit erkaufen; die Körperstrafe konnte in eine Geldstrafe umgewandelt werden, etc. (vgl. Braeuer 1981, S. 29 f.);

38 Eine erstaunliche und neue Erkenntnis bestand darin, daß sich bezüglich des Geldes keine natürliche Sättigungsgrenze einstellte (vgl. Braeuer 1981, S. 49, 68). Aristoteles Schriften (1977, 1998) handeln davon, wie natürliche Schranken in dieses grenzenlose Ansammeln von Reichtum und Besitz angebracht werden könnten. Geld sollte eigentlich einen Ausgleich zwischen einem Zuviel und einem Zuwenig bewerkstelligen.

1957). Die Geldgier wurde wegen ihrer hervorrufenden Aggressivität als öffentliche Gefahr eingestuft (vgl. Braeuer 1981, S. 20 ff.).

Eine entscheidende Wichtigkeit erhielt das Geld auch durch und für die Kriege. Zum einen wurde es für die Kriegführung benötigt, zum anderen wurde es zum Ziel von Kriegen (vgl.

Braeuer 1981, S. 32).

Der Tausch und der Wert

Geld wurde für die Vereinfachung das Tauschhandels benötigt und verwendet. Der Tauschhandel hatte zur Folge, daß die Gegenstände einen Wert bekamen und in Wert gemessen wurden (vgl. Arendt 1998, S. 391). Es erfolgten Auseinandersetzungen über den Preis und seinen wirklichen und gerechten Wert. Einen gültigen und gerechten Maßstab zu bestimmen, auf Grund dessen eine Ware so oder so bewertet wird, ließ sich schwerlich finden (vgl. Aristoteles 1998, S. 214 ff.). Es stellte sich die Frage, wie unvergleichbare Dinge

vergleichbar und somit tauschbar werden können? Hierauf wurde viel Zeit verwendet, um ein gerechtes Maß zu finden, was nicht gelang, weil Unvergleichbares höchstens ähnlich wird, aber niemals gleich.39

Zudem förderte diese Art von Tauschhandel eine neue Produktionsweise. Produktivität wurde in den Waren entdeckt. Aristoteles sah in Waren einen Gebrauchswert und einen Tauschwert (vgl.

Aristoteles 1998, S. 215). 40 Thematisiert wurde der Nutzen einer Ware und ihre Qualität (vgl.

Braeuer 1981, S. 57) sowie deren Wert für die Gemeinschaft in Haus und Staat (vgl. Braeuer 1981, S. 64).

Die neue Produktionsweise entwickelte in manchen Gegenden bereits eine Berufsgliederung und Arbeitsteilung. Bedingung dafür war, daß ausreichend KäuferInnen für dieselbe Ware vorhanden waren (vgl. Platon 1973, S. 56 ff.). Die Berufsgliederung und Arbeitsteilung

bewirkten eine Vervollkommnung der einzelnen Fähigkeiten und Tätigkeiten (vgl. Braeuer 1981, S. 40, 56 f.).

Als Folge zeigte sich, daß die Gemeinwesen, welche diese Berufsgliederung und Arbeitsteilung bereits ausgebildet hatten, das Geldwesen nicht mehr abschaffen konnten. Jeder einzelne war hier aufgrund seiner verschiedenen Bedürfnisse auf die anderen angewiesen (vgl. Platon 1973, S. 50 ff.). Damit erhielt die Berufsgliederung und Arbeitsteilung ein sehr ambivalentes Moment.

39 Den universellen Wert von Dingen, der Natur und den Menschen zu bestimmen, ist nicht möglich, weil es nichts universell Gleiches gibt, sondern die Welt, die Menschen und die Natur sich durch Pluralität auszeichnen. Universelle Definitionen führten bis jetzt immer zwangsläufig zu Abgrenzung, Ausgrenzung und Ausmerzung, weil Menschen universelle Maßstäbe definierten und mit Gewalt durchsetzen und diese natürlicherweise nicht vorhanden waren bzw. für Menschen nicht erkenntlich sind.

40Der Wert, welcher in der menschlichen Arbeitskraft steckt, Jahrhunderte später von Marx erkannt, spielte in der Antike keine Bedeutung, weil die Gesellschaften auf der Sklavenarbeit beruhten und diese Arbeitskraft aufgrund des Status der Sklaven keinen Wert darstellte und somit auch nicht als Wert erkannt werden konnte (vgl. Braeuer 1981, S. 69).

Zum einen brachten sie gewisse Vorzüge, zum anderen schufen sie über das Geld eine Abhängigkeit von einander. In einer Gemeinschaft existieren zu können hieß nun, Geld zu besitzen, reich zu sein oder arbeiten zu müssen. Dies rief wiederum viele Diskussionen über die Gerechtigkeit hervor.

Die Gerechtigkeit des Reichtums

Die Gerechtigkeit der Ökonomie als wichtiges und zentrales Thema wurde in verschiedener Hinsicht behandelt.

Da das Gemeinwesen in der Antike einen zentralen Stellenwert einnahm, war es ein

bedeutsames Anliegen, in diesem Gerechtigkeit zu erhalten. Die Einführung und die Etablierung des Geldwesen brachte diesbezüglich neue Herausforderungen mit sich. Platon beispielsweise befürchtete, daß Ungerechtigkeiten der Feind jeglicher Gemeinschaften seien und

Ungerechtigkeit beim Tausch zur Zerstörung von Gemeinschaften führe. Das Gewinnstreben bewirke die Verfolgung eigennütziger Interessen, die sich gegen die Gemeinschaft richten könnten. Dieses Streben müsse durch das Gesetz eingeschränkt werden (vgl. Schinzinger 1994, S. 17). Auch nach Aristoteles sollte das Eigentum dem Gemeinwohl dienen. Gerecht ist ihm zufolge das, was der staatlichen Gemeinschaft Glück erbringt und erhält. Unterschiedlichste Aufgaben zur Bestimmung des Preises und der Einhaltung der Gerechtigkeit wurden dem Staat zugewiesen. Aus diesen Überlegungen wird sichtbar, daß die Ansicht bestand, daß die neue Geldwirtschaft eine Institution der Kontrolle benötigt, damit sie eine Gesellschaft nicht zerstört.

Das rasch aufblühende Geldwesen wurde von Beginn an als eine Gefährdung für die

Demokratie gesehen. Der Diskurs behandelte die ethische und gesellschaftlich nützliche Rolle der Geldwirtschaft.

Dem einen Part ging es um eine soziale Gerechtigkeit, was in letzter Konsequenz u. a. die Abschaffung des Geldes und des Reichtums bedeutet hätte, dem anderen Part um eine Gerechtigkeit, welche einen gewissen Reichtum und Vorrechte zuläßt. Diese Vorstellung von Gerechtigkeit stieß und stößt zwangsläufig an Grenzen, weil sie vieles voraussetzte, was sich kaum erfüllen ließ bzw. die Dynamik des Reichtums selbst verhindert.41 Reichtum verlangt beispielsweise eine Akzeptanz dafür, daß der eine reicher ist und der andere ärmer. Die

Argumente, weshalb dies so ist und vor allem gerecht ist, ließen sich stets ad absurdum führen.

Als unvermeidliches Gegenstück zum Reichtum ergab sich die Armut. Reichtum bedingt Armut.

Diese Ungleichheit wurde auf vielerlei Weise als gerechtfertigt und doch auch als etwas Zwiespältiges betrachtet. Armut ist das Gegenteil von Reichtum und zugleich eine Grundlage von Reichtum. Es wurde erkannt, daß der Geldwirtschaft kein gerechtes Verteilungssystem inneliegt, sondern diese überhaupt nur funktionieren kann, wenn es ein Mehr und ein Weniger

41 Viele Erzählungen der Antike handeln davon, wie einst ehrliche und geschätzte Menschen sich durch Geld korrumpieren ließen (vgl. Braeuer 1981).

gibt. Um den Maßstab für das Mehr, den Reichtum auszudrücken eignete sich das Geld als Mittel.

Eine Folge von Armut war die Unfreiheit, weil die von Armut betroffenen Menschen als Sklaven verkauft wurden. Reichtum befreite von Arbeit, denn aufgrund von Armut konnten andere Menschen indirekt gezwungen werden für Reiche zu arbeiten. Aristophanes (455 – 375 v. Chr.) drückte dies in seinen Schriften sehr deutlich aus: „Wenn alle Menschen eines

durchschnittlichen Reichtums teilhaftig wären, fände man keine dienenden Kräfte mehr und müßte die gewöhnlichsten Arbeiten selber tun. Wenn dem so ist, wo ist dann der Reichtum geblieben? Er ist verschwunden. Besser erscheint es also, wenn nur einige reich sind; dann ist für Geld alles leicht zu bekommen. Wer aber verschafft dem Reichtum die notwendigen Arbeiter? Just seine Widersacherin, die Armut! Stärker und sicherer als körperlicher Zwang bewirkt sie, daß der Arme sich dem Reichen zur Verfügung stellt.“ (Braeuer 1981, S. 50) Platon (427 –347 v. Chr.) wies darauf hin, daß ein zuviel an Reichtum oder Armut das Arbeiten verhindere. Der Reiche tut nichts mehr, weil er ja bereits reich ist und der Arme kann nicht arbeiten, weil er sich kein Handwerkszeugs und Material leisten kann (vgl. Platon 1973).

Fazit

Mit der Einführung des Tauschhandels und des Geldwesens erhielt der Reichtum eine neue Bedeutung. Zum einen wurde er zusehends materieller verstanden, zum anderen wurde ein Streben nach Vermögen mit all seinen negativen Begleiterscheinungen entwickelt.

Kennzeichnend sind die Versuche, eine Balance zwischen einem Zuviel und einem Zuwenig zu bewerkstelligen und eine natürliche Schranke für die Habgier zu finden. Dies läßt sich nochmals verdeutlichen an den Diskussionen um den Erwerb und die Vermehrung von Geld (vgl.

Schinzinger 1994). Aristoteles nahm eine Differenzierung zwischen natürlichem und

künstlichem Vermögenserwerb vor. Grundlage und Zielsetzung des Vermögenserwerbes war die ausreichende Versorgung der Gemeinschaft. Da der Austausch von Waren aufgrund verschiedener Umstände nicht mehr nur im Austausch der einzelnen Waren vollzogen werden konnte, mußte für den Tausch Geld erworben werden. Im Tauschhandel ging es nicht um den Gelderwerb, sondern er „... diente zur Ergänzung und Vervollständigung des natürlichen Selbstgenügens“. (Braeuer 1981, S. 63) Eine Begrenzung dieser Art von Gelderwerb lag für Aristoteles darin, daß der Haushalt gesättigt werden konnte.

„Die Erwerbskunst ist ein Teil der Haushaltungskunst (Ökonomik), unterscheidet sich von ihr aber dadurch, daß jene die Mittel zum Unterhalt zu beschaffen, diese sie zu verwenden hat.“

(Aristoteles 1977, S. 294)

Die Funktion, welche dabei das Geld inne hatte, rief aber eine weitere Erwerbskunst hervor, nämlich, daß Geld um des Geldes Willen angesammelt wurde. Die Leistung dieser

Erwerbskunst besteht darin, daß sie ermittelt, wie man durch Gewinn viel Vermögen schafft.

Dies wurde zu diesem Zeitpunkt vor allem durch die Chrematistik erreicht. Aristoteles sah, daß dieser Art von Erwerb eine Dynamik inneliegt, die grenzenlos schien. Er kritisierte, daß

Tätigkeiten, die ursprünglich einen andern Sinn hatten (z.B. die Heilkunst) nun als Ziel den Gelderwerb anstrebten (vgl. Aristoteles 1977, S. 294 ff.). Das Paradoxum, Reichtum nur im Geld zu sehen, löste wiederum zahlreiche Diskussionen darüber aus, was nun wirklicher Reichtum sei, was der Mensch und die Gemeinschaft jeweils zum Sein und für ihr Glück benötigt etc. (vgl. Aristoteles 1977, 1998). Da sich beide, der natürliche und der künstliche Vermögenserwerb, auf dasselbe Objekt – Geld – bezogen, gingen die unterschiedlichen Maximen (Genügsamkeit/Sättigung - Gewinnstreben/grenzenloses Ansammeln) ineinander über, was sich sehr tragisch auswirkte.42