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2 Theoretischer Rahmen der Arbeit

2.1 Vulnerabilität und Vulnerabilitätsanalysen .1 Vulnerabilität 6

2.1.2 Vulnerabilitätsanalysen

Vulnerabilität ist nicht unmittelbar messbar, da sich nicht alle Komponenten der Vulnerabilität quantitativ erfassen lassen. Hinzu kommt, dass Vulnerabilität niemals vollständig und final abgebil-det werden kann. Dafür ist einerseits die Unsicherheit zu groß, mit der zukünftige Entwicklungen, sowohl des Klimas als auch der Gesellschaft vorhergesagt werden können. Andererseits aber auch die Anzahl der Faktoren, die die Klimawirkungen auf ein System und seine Anpassungskapazität bestimmen. Das gilt umso mehr, je komplexer das betrachtete System ist (vgl. Netzwerk Vulnerabili-tät 2015b: 5).

Um die Vulnerabilität eines bestehenden Systems gegenüber den Folgen des Klimawandels annä-hernd bestimmen zu können sind sogenannte Vulnerabilitätsanalysen, im englischen Vulnerability oder auch Impact (Auswirkung) Assessments genannt, notwendig. Vulnerabilitätsanalysen erheben für das zu betrachtende System oder den zu untersuchenden Raum die dortigen Parameter zur Ex-position, zur Sensitivität und zur Anpassungskapazität und bestimmen bzw. beurteilen daraus die jeweilige Vulnerabilität. Damit erarbeiten sie die Grundlage für eine frühzeitige Anpassung an die Folgen des Klimawandels. Der ARL Arbeitskreis „Klimawandel und Raumplanung“10 sieht Aussagen zur Vulnerabilität im Sinne der Vorsorgeorientierung als „maßgebliche Grundlage für Entscheidun-gen über Anpassungsmaßnahmen“, bis räumlich und zeitlich Entscheidun-genauere AussaEntscheidun-gen zu den Verände-rungen des Klimas oder zu Extremereignissen gemacht werden können (vgl. ARL 2013a: 52). Vul-nerabilitätsanalysen sind demnach wichtiger Bestandteil von Konzepten und Strategien zur Anpas-sung an die Folgen des Klimawandels. Ferner nennt der Arbeitskreis Vulnerabilitätsanalysen zentra-le „Instrumente, um mögliche Wirkungskaskaden von Anpassungsmaßnahmen genauer zu erfassen, zusätzliche Vulnerabilitäten, die durch bestimmte Anpassungsmaßnahmen erzeugt werden, zu er-mitteln und ggf. weitere Nachsteuerungen einzuleiten.“ (ARL 2013a: 67).

Es gibt verschiedene Ansätze zur Durchführung von Vulnerabilitätsanalysen, die nicht zuletzt auch auf die unterschiedlichen Definitionen der einzelnen Denkschulen zurückgehen (siehe Kapitel 2.1.1). Im Zuge der Entwicklung der Klimafolgenforschung lassen sich retrospektiv mehrere Gene-rationen von Vulnerabilitätsanalysen voneinander unterscheiden (vgl. Frommer 2010: 22; Birk-mann 2006; Füssel & Klein 2006). Die ersten Arbeiten in dieser Richtung legten den Schwerpunkt dabei mehr auf die expositionsbedingten Auswirkungen des Klimawandels und weniger auf die An-passung an diese. Die später zunehmende Auseinandersetzung mit Aspekten der AnAn-passung an Kli-maveränderungen führte entsprechend zur Entwicklung von Vulnerabilitätsanalysen, welche neben der Exposition verstärkt auch soziale und gesellschaftliche Aspekte in die Betrachtungen miteinbe-zogen. Als Beispiele hierfür nennt Frommer 2010 die „National Adaptation Plans of action“ (NAPA-) Guidelines der UNFCCC11 oder das United Nations Developement Programme (UNDP) „Adaptation Policy Framework“, die damit empirisch basiert neue Methoden, Leitfäden und Richtlinien für die Vulnerabilitätsbewertung entwickelt haben (vgl. Frommer 2010: 22). Diese Analysen der neueren Generation berücksichtigen demnach parallel zur sich weiterentwickelnden Diskussion des Vulnera-bilitätsbegriffs nicht nur die Auswirkungen des Klimawandels, sondern auch weitere Stressfaktoren basierend auf anderen sich ebenfalls verändernden Rahmenbedingungen, wie den sozialen Wandel oder den sozioökonomischen Wandel. Sie tragen so erheblich dazu bei, besonders vulnerable Berei-che, sogenannte „Hot Spots“, zu identifizieren. Dies sind Teilräume oder Orte eines Landes, einer Region oder einer Kommune, die den Auswirkungen des Klimawandels in besonderer Weise ausge-setzt sind, oder aber aufgrund ihrer besonderen Sensitivität bezogen auf Lage oder Nutzung

10 Der Arbeitskreis „Klimawandel und Raumplanung“ der Akademie für Raumforschung und Landesplanung (ARL, Hannover) befasste sich zwischen 2008 und 2011 mit den Konsequenzen und Herausforderungen, die sich durch den Klimawandel für die räumliche Pla-nung ergeben. Dabei verstand sich der Arbeitskreis insbesondere als ein Gremium, das die Vernetzung der relevanten raumwissen-schaftlichen Disziplinen sowie der Planungspraxis unterstützen wollte (vgl. Website Klima und Raum.org., zuletzt zugegriffen am 12.03.2015)

11 UNFCCC steht für United Nations Framework Convention on Climate Change und bezeichnet das Rahmenübereinkommen der Verein-ten Nationen über Klimaveränderungen. Dies ist ein internationales Umweltabkommen mit dem Ziel, eine gefährliche anthropogene Störung des Klimasystems zu verhindern und die globale Erwärmung zu verlangsamen sowie ihre Folgen zu mildern (vgl. Website UN-FCCC, zugegriffen am 17.03.2015).

ders vulnerabel sind. Allgemein werden „Impact“ oder „Vulnerability Assessments“ als wichtiges Element einer Anpassungsstrategie anerkannt (vgl. ebenda).

So wie es keine einheitliche Definition des Begriffs Vulnerabilität gibt, gibt es auch bezogen auf Vulnerabilitätsanalysen kein einheitlich operationalisiertes Vorgehen, wie diese umzusetzen sind.

Vulnerabilitätsanalysen können sich entweder mit der Vulnerabilität einzelner Sektoren, von ganzen Systemen oder auch mit einem räumlichen Bezug auseinandersetzen. Je nachdem welches System untersucht werden soll, gibt es verschiedene Möglichkeiten dies im Rahmen einer Vulnerabilitäts-analyse umzusetzen. In dieser Arbeit stehen räumliche Betrachtungen im Vordergrund, wobei räum-liche Betrachtungen häufig auch als umfassende Betrachtungen verschiedener Teilsysteme, wie z.B.

verschiedener Sektoren oder Handlungsfelder innerhalb eines Raumes angesehen und somit als

„integriert“12 bezeichnet werden können. Integrierte Betrachtungen stellen den Versuch dar, pro-zesshaft Wissen über Kausalbeziehungen in komplexen Themenfeldern von verschiedenen Diszipli-nen zusammenzutragen, diese zu aggregieren, letztlich zu interpretieren und schließlich zu kom-munizieren (vgl. Scherhaufer et al 2012: 6). Inwiefern eine Vulnerabilitätsanalyse letztlich jedoch als integriert anzusehen ist, hängt vom jeweiligen angewandten Vorgehen ab. Einzelbetrachtungen verschiedener Sektoren sind nicht als integrierte Vorgehensweise anzusehen. Festzuhalten bleibt, dass integrierte Planungsansätze an Bedeutung zunehmen (vgl. ARL 2013a: 150).

Vulnerabilitätsanalysen lassen sich auf allen Ebenen der räumlichen Planung durchführen. Veröf-fentlichungen zu Vulnerabilitätsanalysen auf Bundesebene beschäftigen sich entweder mit der eher großmaßstäblichen Nennung von Vulnerabilitäten, oder geben methodische Hinweise und entwi-ckeln somit Vulnerabilitätsanalyseansätze. Neben den Arbeiten auf Ebene des Bundes oder der Län-der sind inzwischen vor allem regionale und kommunale Vulnerabilitätsanalysen sehr verbreitet.

Diese können die bestehenden Vulnerabilitäten konkreter und räumlich gezielter herausarbeiten.

Auch zu regionalen oder kommunalen Vulnerabilitätsanalysen hat es in den vergangenen Jahren einige Studien gegeben, die sich mit methodischen Grundsätzen auf dieser Ebene auseinanderge-setzt haben (siehe Kapitel 3.3.)

Vulnerabilitätsanalysen arbeiten aufgrund ihrer Ausrichtung in die Zukunft mit Indikatoren13, Wirkmodellen oder Analysekriterien, anhand derer sich die Vulnerabilität des zu betrachtenden Systems über Wirkungszusammenhänge für die Gegenwart und die Zukunft beurteilen lässt14. Vul-nerabilitätsanalysen können sowohl sehr komplex sein, als auch mit vereinfachten Vorgehensweisen ebenfalls erfolgreich durchgeführt werden. Die Hintergründe für die Wahl eines bestimmten Analy-seansatzes liegen in der Orientierung an einer der unterschiedlichen Denkschulen, denen bestimmte Vorgehensweisen näher liegen als andere, oder hängen häufig auch von den jeweils bestehenden Rahmenbedingungen ab. Die Literatur unterscheidet quantitative und qualitative Vulnerabilitäts-analysen. Bei qualitativ bestimmten Vulnerabilitätsanalysen werden die zur Analyse vorliegenden

12 Integrierte und somit verschiedene Sektoren, Fachplanungen oder Politikbereiche verknüpfende Betrachtungen bieten sich im Rahmen von Vulnerabilitätsanalysen an, da diese häufig von den gleichen Klimawirkungen betroffen sind und sich daraus Gemeinsamkeiten ableiten und Synergien im Zuge der Anpassung nutzen lassen.

13 „Indikatoren sollen Aussagen über das eigentlich interessierende Indikandum ermöglichen, wenn dieses selbst nicht direkt messbar ist.

Sie dienen dabei insbesondere auch der Vereinfachung, indem die komplexen Zusammenhänge auf wesentliche Kriterien reduziert werden, was im Rahmen der Komplexität des Themas Klimawandel aus Sicht der räumlichen Planung sinnvoll erscheint.“ (ARL 2012:

66)

14 Näheres zum Indikatorenkonzept findet sich beispielsweise unter ARL 2012: 66ff oder in BBK 2011.

Daten und Sachverhalte in ihrer Relevanz bewertet und entsprechend priorisiert. Bei quantitativen Vulnerabilitätsanalysen stehen numerische Modelle im Vordergrund, daher werden Daten über Ver-knüpfungsregeln, häufig mit Algorithmen, zusammengeführt und miteinander zu einem aggregier-ten Vulnerabilitätsindikator verbunden (siehe Kapitel 3.3). Zudem wird in einigen Analyseansätzen der in Kapitel 2.1.1 angesprochene Resilienzansatz verfolgt. Häufig werden für eine Vulnerabilitäts-analyse quantitative und qualitative Analyseelemente miteinander verknüpft (vgl. Website Klimas-cout, zugegriffen am 12.03.2015).

Wie Lexer et al. 2012 bezugnehmend auf O´Brien et al. 2007 sowie Füssel 2009 herausstellen, kön-nen die meisten Interpretatiokön-nen von Vulnerabilität und damit einhergehend die praktische Umset-zung zur Vulnerabilitätsbewertung den beiden konzeptiven Gruppen der „outcome“ oder „end-point vulnerability“ und der „contextual, social oder starting-point vulnerability“ zugeordnet werden. Die-se beiden konzeptionellen Ansatzpunkte konzentrieren sich auf unterschiedliche Vulnerabilitätsur-sachen, was unterschiedliche Analysemethoden erfordert, zu unterschiedlichen Bewertungsergeb-nissen führt und somit letztlich auch andere Anpassungsstrategien nahelegt. Die „outcome vulnera-bility“ verfolgt ein stark naturwissenschaftlich geprägtes Verständnis der Klimawandelfolgen und verwendet naturwissenschaftlich dominierte Projekt- und Prozessdesigns. Daraus folgende Anpas-sungsmaßnahmen gelten als impact-getrieben und haben häufig technischen Charakter. Entspre-chend stehen hier numerische, quantitative Analyseansätze im Vordergrund. Der Vulnerabilitätsan-satz des IPCC lässt sich weitgehend der „outcome vulnerability“ zuordnen. Dagegen folgt die

„contextual vulnerability“ einem stark sozialwissenschaftlich geprägten Verständnis von Vulnerabili-tät. Daher besteht hier ein hoher Bedarf nach Informationen zu sozioökonomischen Kontextbedin-gungen, weshalb in der praktischen Umsetzung besonders qualitative Analyseelemente zum Einsatz kommen. Zudem steht bei diesem Konzept bereits die aktuelle Vulnerabilität gegenüber klimati-schen Stimuli als Ausgangspunkt der Analyse im Fokus. Des Weiteren werden Anpassungsstrategien nicht notwendigerweise allein auf die Klimafolgen bezogen, sondern zielen mehr auf eine allgemein nachhaltige Entwicklung (vgl. Lexer et al. 2012: 41f; O´Brien et al. 2007; Füssel 2009).

Vulnerabilitätsanalysen verlaufen in der Regel, unabhängig vom verfolgten Ansatz, nach folgendem Schema: nachdem der Untersuchungsraum, die zu untersuchenden Sektoren innerhalb eines be-stimmten Raumes oder das zu untersuchende System festgelegt wurden, werden zunächst die Daten zu Klimaänderungen und die damit verbundenen Auswirkungen über Statistiken oder Klimaprogno-sen ermittelt und in einem Profil für das Untersuchungsgebiet zusammengestellt. Sofern noch nicht zuvor geschehen, werden dann der Analyseumfang eingegrenzt und entsprechend die Daten der Klimaveränderung und die potenziellen Planungsbereiche miteinander verknüpft, um daraus die Exposition ableiten zu können. Kombiniert mit der Analyse der Sensitivität und der festzustellenden Anpassungskapazität, wird schließlich anhand der festgelegten Indikatoren, Analysekriterien oder logischen Wirkfolgen das Maß der Vulnerabilität, meist in einem dreistufigen Bewertungsschema, unterteilt in „geringe“, „mittlere“ und „hohe Vulnerabilität“, abgeleitet. Im Anschluss werden Anpas-sungsmaßnahmen evaluiert und entsprechende Kommunikationsmaßnahmen festgelegt (vgl. eben-da). Es sollte das Ziel einer Vulnerabilitätsanalyse sein, die drei Bestandteile der Vulnerabilität be-zogen auf eine konkrete Fragestellung mit den vorhandenen Daten und Informationen möglichst genau abzubilden (vgl. BMVBS 2011: 48). Der Arbeitskreis „Klimawandel und Raumplanung“ hat Kernfragen für die unterschiedlichen Komponenten der Vulnerabilität formuliert, die bei der

Durch-führung einer Vulnerabilitätsanalyse helfen können und sich in den hier gemachten AusDurch-führungen widerspiegeln – siehe dazu ARL 2013a: 54f.

Der räumlichen Planung kommt bei der Durchführung von Vulnerabilitätsanalysen eine bedeutende Rolle zu (siehe Kapitel 3.2.2). Hier besteht zum einen ein Gesamtüberblick über einen zu untersu-chenden Raum, andererseits finden bei der Analyse Daten und Methoden Anwendung, die im Rah-men eines raumplanerischen Abwägungsprozesses ohnehin zur Verfügung stehen (vgl. ARL 2013a:

53).

Ein wichtiges quantitatives Analyseelement, das im Zuge von räumlichen Vulnerabilitätsanalysen häufig Anwendung findet sind Geoinformationssysteme (GIS)15. Mit ihnen ist es möglich räumliche und strukturelle Informationen (Geobasis- und Geofachdaten) unter bestimmten zuvor vom Bear-beiter festgelegten Kriterien oder Indikatoren miteinander zu verschneiden und diese, teilweise mit Hilfe von festgelegten Algorithmen, mit den Ergebnissen der Klimaprojektionen, den Erkenntnissen zur Sensitivität und zur Anpassungskapazität zu kombinieren und so die bestehende Vulnerabilität herauszuarbeiten. Geoinformationssysteme eignen sich neben der reinen Analyse auch zur Darstel-lung der Ergebnisse der Vulnerabilitätsanalyse. Zusätzlich kann es bereichernd sein auch qualitative Erkenntnisse in eine GIS-Analyse aufzunehmen und diese somit zu erweitern. Weitere Informatio-nen zur Verwendung von Geoinformationssystemen im Zuge von Vulnerabilitätsanalysen geben BMVBS 2011, BMVBS 2013 oder auch das Netzwerk Vulnerabilität16.

Zur Generierung von geeigneten Indikatoren können neben dem Klimastimulus auch Modell- oder Beobachtungsdaten, wie z.B. nachweisbare Veränderungen der Temperatur, des Niederschlags und des Wasserhaushaltes herangezogen und miteinander verknüpft werden. Diese Vorgehensweise bietet sich gerade dann an, wenn die Klimamodelle keine ausreichend zuverlässigen Ergebnisse liefern, wie es z.B. in Zusammenhang mit Extremwetterereignissen der Fall ist (siehe Kapitel 3.1).

In solchen Fällen können Geodaten, die zur Bestimmung der Sensitivität des Systems beitragen, einen Ausgleich für die mit den Klimaszenarien verbundenen Unsicherheiten liefern. Hier können auch räumliche Differenzierungen innerhalb des zu untersuchenden Gebietes helfen, indem z.B.

eine höhere Zunahme von Hitzetagen in Kernbereichen im Gegensatz zu peripheren Bereichen an-genommen wird. Somit bedarf eine bessere Abschätzung der Vulnerabilität nicht unbedingt in erster Linie räumlich hochaufgelöster und zuverlässiger Klimaszenarien, sondern genauso der genauen Erfassung nichtklimatischer Determinanten der Vulnerabilität (vgl. Stock et al. 2009: 4; BMVBS 2011: 48; ARL 2012: 7).

Ein weiterer im Zuge von Vulnerabilitätsanalysen zu beachtender Aspekt sind die soziokulturellen, aber auch ökologischen Unterschiede innerhalb eines zu betrachtenden Systems, welche Einfluss auf die Sensitivität haben. Nicht alle Akteure oder Infrastruktureinrichtungen innerhalb eines Un-tersuchungsraumes oder Systems sind gleich verwundbar durch die Folgen des Klimawandels (siehe Kapitel 3.1.2). Vor allem bei Infrastruktureinrichtungen hängt vieles von der Anordnung innerhalb

15 Ein Geographisches Informationssystem ist ein rechnergestütztes System, das aus Hardware, Software und Daten besteht. Es kann raumbezogene Problemstellungen in unterschiedlichsten Anwendungsgebieten modellieren und bearbeiten. Die dafür benötigten raum-bezogenen Daten/Informationen können digital erfasst und redigiert, verwaltet und reorganisiert, analysiert sowie alphanumerisch und graphisch präsentiert werden. GIS bezeichnet sowohl die Technologie, die Produkte, als auch die Vorhaben zur Erhebung, Führung und Bereitstellung von Geoinformationen. Es verknüpft dabei Geobasisdaten (z.B. in Form von Karten) mit Geofachdaten (z.B. in Form von thematischen Datenbanken) (vgl. Bill 2010: 8).

16 siehe www.netzwerk-vulnerabilitaet.de

des Raumes ab. Hinzu kommt, dass entsprechend auch die Anpassungskapazität der einzelnen Gruppen nicht gleich ist, weil nicht jeder die gleiche Wahrnehmung hat oder einzelne gesellschaftli-che Gruppen über weniger finanzielle Mittel oder auch Wissen zur Anpassung verfügen als andere Gruppen. Dies muss bei der Wahl der Analysekriterien oder Indikatoren berücksichtigt werden (vgl.

Stock et al. 2009: 5; BMVBS 2011: 48; ARL 2012: 7). Darüber hinaus empfiehlt die Literatur die Verwendung unterschiedlicher Vulnerabilitätsprofile bzw. Vulnerabilitätsszenarien als methodische Erweiterung, um unterschiedliche Zukünfte in die Analyse miteinzubeziehen, die neben den Klima-prognosen auch gesellschaftliche und infrastrukturelle Veränderungen und Entwicklungen (z.B.

Siedlungsentwicklung, und demographischer Wandel), aber auch Veränderungen der Landnutzung berücksichtigen (vgl. ARL 2013a: 52; ARL 2012: 6). Da sich dies in der Praxis allerdings schwierig gestaltet, weil eine Abschätzung der zukünftigen Sensitivität bisweilen nicht einfach ist, wird darauf häufig verzichtet und die Betrachtung ausgehend vom gesellschaftlichen und infrastrukturellen Sta-tus Quo vorgenommen. Dies führt allerdings zu methodischen Problemen, da das System wie es sich aktuell darstellt und entsprechend anfällig ist, so den prognostizierten Klimaveränderungen zur Mitte oder zum Ende des Jahrhunderts ausgesetzt wird, was genau genommen zu falschen Ergeb-nissen führt, da die Vulnerabilität, genauer gesagt auch die Sensitivität, als räumlich und zeitlich dynamisch anzusehen ist. Daher beschränken sich viele Analysen darauf lediglich den Status Quo der Vulnerabilität genauer zu betrachten und darauf aufbauend Anpassungsmaßnahmen abzuleiten (vgl. ARL 2013a: 54; BMVBS 2013: 39). Abbildung 2.2 zeigt das Analyseschema der Vulnerabilität klimasensitives System noch einmal grafisch.

Abb. 2.2 Analyseschema der Vulnerabilität klimasensitiver Systeme (Stock et al. 2009, modifiziert nach ARL 2012: 6)

Eine weitere Schwierigkeit bei der Durchführung von Vulnerabilitätsanalysen stellt die Bestimmung der Anpassungskapazität dar, weil diese häufig nur schwer greifbar ist und es keine Festlegungen gibt, welche Elemente als Anpassungskapazität in eine Vulnerabilitätsanalyse eingebunden werden müssen. Dies kann in jeder Analyse individuell gehandhabt werden. Zur Bestimmung der Anpas-sungskapazität ist es möglich Daten und Informationen einzubinden, die räumliche Ausweichmög-lichkeiten (z.B. Flächen mit guten klimatischen Eigenschaften) oder Handlungsoptionen

beschrei-ben (z.B. Flächen im näheren Umkreis, die als Grün- oder Freiflächen klimatisch aufgewertet wer-den können). Dabei sind sowohl planerisch-technische Anpassungsmaßnahmen (z.B. technischer Hochwasserschutz), als auch planerisch-organisatorische Anpassungsmaßnahmen (Hitzewarnpläne, Katastrophenschutz) zu berücksichtigen (vgl. BMVBS 2011: 48). Zudem können viele weitere Fak-toren Einfluss auf diese Anpassungskapazität haben, die diesen Einfluss aber nicht entfalten, wenn sie nicht praktisch genutzt werden. Daher ist es letztlich schwierig für alle betrachteten Bereiche und Sektoren oder alle zu untersuchenden Klimawirkungen die vollständige Anpassungskapazität zu bestimmen. Aus diesem Grund wird diese in vielen Vulnerabilitätsanalysen nicht bis zum letzten Detail ausgearbeitet, oder es wird komplett auf die Bestimmung der Anpassungskapazität verzich-tet. Das hat zur Folge, dass es sich daraufhin bei solchen Analysen formell gesehen nicht mehr um Vulnerabilitätsanalysen handelt. Wird auf die Bestimmung der Anpassungskapazität verzichtet, so wird lediglich die Betroffenheit des zu betrachtenden Systems bestimmt und es ist von Betroffen-heits- oder häufig auch allgemein von Klimafolgenanalysen die Rede (vgl. Lexer et al. 2012: 58).

Die Unterscheidung fällt an dieser Stelle oftmals nicht leicht, zumal es nicht immer klar ist, inwie-fern eine mögliche Anpassungskapazität berücksichtigt werden konnte, da die Grenzen teilweise fließend sind. Darüber hinaus wird häufig nicht deutlich, ob die bereits bestehende Anpassung an Klima- oder Wetterextreme zum Betrachtungszeitpunkt als bereits realisierte und daher wirksame Maßnahmen der Anpassungskapazität zuzuordnen sind oder zum betrachteten System gehören und somit ein Merkmal dessen darstellen. Alle zeitlich folgenden zusätzlichen Maßnahmen sind dagegen der Anpassungskapazität zuzurechnen (vgl. BMVBS 2013: 40). In Bezug auf die Methodik und Durchführung einer Analyse muss es dabei keine großen Unterschiede zwischen Vulnerabilitäts- und Betroffenheitsanalysen geben, die eine Vergleichbarkeit unmöglich machen würden. Daher werden in dieser Arbeit sowohl echte Vulnerabilitäts- als auch Betroffenheitsanalysen zusammen betrachtet.