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4 Herleitung des Ansatzes einer Akteursorientierten Vulnerabilitätsanalyse

4.4 Einführung in die Fallstudienanalyse

4.4.2 Methodische Vorgehensweise der Fallstudienanalyse

Ergänzend zur Erläuterung der Methodik dieser Arbeit (siehe Kapitel 1.3) wird im Folgenden noch einmal konkret die Vorgehensweise zur Fallstudienanalyse beschrieben. Nachdem zuvor die einzel-nen Schritte der Fallstudienanalyse erläutert wurden, steht hier die Form der Erhebung der Er-kenntnisse im Vordergrund, die Grundlage des Fallstudienvergleichs und der Fallstudienbewertung sind. Auf die im Zuge des Fallstudienvergleichs und der späteren Bewertung der Fallstudien ver-wendeten Kriterien wird in den jeweiligen Kapiteln näher eingegangen. Angewendet wurden im Rahmen der Fallstudienanalyse qualitative Methoden der empirischen Sozialforschung. Da in dieser Arbeit vor allem die subjektiven Einschätzungen von an den Fallstudien beteiligten Akteuren wich-tig waren, hätten quantitative Erhebungsmethoden an dieser Stelle nicht zu befriedigenden bzw.

verwertbaren Ergebnissen geführt. Qualitative Methoden erlauben bessere und eingehendere Er-kenntnisse zu den jeweiligen Wirkungszusammenhängen und Rahmenbedingungen, unter denen die unterschiedlichen Vulnerabilitätsanalysen stattfanden. Als Ausgangspunkte der Fallstudienana-lyse wurden dabei sowohl primär Daten in den vier betrachteten Fallstudienregionen erhoben, als auch eine Analyse der zu den einzelnen Fallstudien vorliegenden schriftlichen und graphischen For-schungsergebnisse vorgenommen. Ausgehend von den sechs Quellen der Erkenntnis in Fallstudien50 nach Stake 1995 und Yin 1994 wurden für die hier durchgeführte Fallstudienanalyse die Dokumen-tenanalyse, Befragungen und Interviews, sowie die direkte bzw. teilhabende Beobachtung im Zuge der Durchführung als Erkenntnisquellen genutzt.

Hauptbestandteil der Auswertung der drei Vergleichsstudien waren neben der umfangreichen Do-kumentenanalyse qualitative Experteninterviews mit projektverantwortlichen Vertretern und betei-ligten Akteuren der drei Vergleichsstudien. Durch die Mitarbeit des Autors im Rahmen der Basisstu-die in Südhessen kann hier zusätzlich Basisstu-die direkte und teilhabende Beobachtung und somit eine Art

50 Als Quellen der Erkenntnis in Fallstudien nennen Stake 1995 und Yin 1994: 1.Dokumente (z.B. Berichte, Protokolle, Programme, etc.);

2. Archiveinträge (z.B. Aktennotizen, amtliche Register, Karten etc.); 3. Befragungen und Interviews (z.B. schriftliche Befra-gung/Fragebogen, Telefoninterview, persönliches Interview); 4. Direkte Beobachtung (z.B. Eindrücke während eines Feldbesuchs); 5.

Teilhabende Beobachtung (durch offene oder verdeckte Beobachtung über einen längeren Zeitraum); 6. Physische Artefakte (aussage-kräftige, im Verlauf der Studie gesammelte Gegenstände) (vgl. Stake 1995; Yin 1994, nach Frommer 2010: 71).

„Insiderwissen“ geltend gemacht werden, welches durch eine zusätzliche Befragung ausgewählter dort involvierter Akteure ergänzt wurde.

Im Rahmen der Dokumentanalyse wurden in erster Linie die jeweiligen Projektergebnisse (Hand-lungskonzepte und -leitfäden, Strategiepapiere, Aktionspläne) der einzelnen Fallstudien auf Aussa-gen zur Durchführung der dortiAussa-gen Vulnerabilitätsanalyse hin ausgewertet. In einer der Studien konnte auf eine direkte Veröffentlichung zur dort stattgefundenen Vulnerabilitätsanalyse mit aus-führlicher Beschreibung der Methodik und der dortigen Ergebnisse zurückgegriffen werden. Zudem standen teilweise verschiedene Hintergrunddokumente wie Sitzungsprotokolle, Aktivitätenlisten, Strategiepapiere oder visualisierte Analyseergebnisse zur Verfügung. Für die Basisstudie Südhessen bestand für den Autor als Bearbeiter der Studie Zugang zu sämtlichen Projektdokumenten.

Durch die Dokumentenanalyse konnte zunächst ein Überblick über die Aktivitäten und die Vorge-hensweisen innerhalb der drei Vergleichsstudien gewonnen werden. Für einen vertieften Einblick in den Prozess der jeweiligen Vulnerabilitäts- oder Betroffenheitsanalyse und vor allem um alle wich-tigen Hintergrundinformationen zur Methodik und insbesondere zu den Prozesswirkungen zu erhal-ten, wozu im Rahmen der Dokumentanalyse keine Erkenntnisse gewonnen werden konnerhal-ten, wur-den zusätzlich Expertengespräche in Form von qualitativen Interviews geführt. Bei wur-den „Experten“

handelt es sich in diesem Zusammenhang um Personen, die hinsichtlich der Beantwortung der For-schungsfragen über detailliertes und spezialisiertes Wissen verfügen. Im Gegensatz zu anderen Ar-ten qualitativer Interviews stehen somit bei einem ExperAr-teninterview nicht der Befragte, sondern seine Erfahrungen und Interpretationen bezüglich der Forschungsfragen im Vordergrund des Er-kenntnisinteresses (vgl. Liebold & Trinczek 2002, Borchardt & Göthlich 2007, Pfadenhauer 2005).

Im Zuge der durchgeführten Interviews wurden zwei unterschiedliche Gruppen von „Experten“ be-fragt. Zum einen waren dies die Projektverantwortlichen (Projektleitung und Forschungsassistenz) zum anderen ausgewählte, am Prozess aktiv beteiligte Akteure. Die Gruppen wurden jeweils sepa-rat, sofern möglich in Einzelgesprächen, interviewt. Geplant waren pro Studie insgesamt fünf Inter-views, jeweils eines mit einem Vertreter der Projektleitung, eines mit der am jeweiligen Projekt be-teiligten Forschungsassistenz und zudem Einzelinterviews mit drei ausgewählten, das Akteursspekt-rum repräsentierenden, Akteuren51. Die Gespräche mit den Projektverantwortlichen dienten dazu, die Vorgehensweise innerhalb der Fallstudie genauer zu beleuchten und Hintergrundinformationen zu beziehen. Die Gespräche mit den Akteuren waren in erster Linie dafür vorgesehen, die Wirkun-gen des Prozesses und der Akteursbeteiligung zu hinterfraWirkun-gen und zu interpretieren. Insgesamt wurden 13 Experteninterviews geführt. In einer der zu untersuchenden Fallstudien konnten nur drei der vorgesehenen fünf Gespräche realisiert werden, da nur einer der zu einem Interview ange-fragten dort beteiligten Akteure sich in der Lage sah adäquat Auskunft über den dortigen Prozess zu geben.

Zwischen vollständig strukturierten und gänzlich offenen Interviewformen stellen Experteninter-views nach Lamnek 2005 und Meuser & Nagel 2005 eine mittlere Interviewvariante dar. Daher

51 Bei der Auswahl der zu interviewenden Akteure stand Qualität vor Quantität im Vordergrund. Daher wurden gezielt ausgesuchte, aktiv am Prozess beteiligte und das jeweilige Akteursspektrum bestmöglich repräsentierende Akteure für ein persönliches Interview ange-fragt. Um auch hier die Durchführung handhabbar zu gestalten wurden jeweils drei Akteure ausgewählt und angeange-fragt. Bei der Aus-wahl der Akteure wurde auf Empfehlungen von Seiten der jeweiligen Projektleitung zurückgegriffen.

wurden zur Strukturierung der Gespräche Gesprächsleitfäden entwickelt, die während der Inter-views als Gliederungshilfe und Orientierungsrahmen dienten. Für die Gruppen der Projektleitung, der Forschungsassistenz und der Akteure waren dies unterschiedliche auf das jeweilige Erkenntnis-interesse zugeschnittene Leitfäden (siehe dazu Anhang A). Die Gesprächsleitfäden für die Projektlei-tung und die Forschungsassistenzen waren teilweise deckungsgleich, weshalb an dieser Stelle eine Kombination der Leitfäden für ein gemeinsames Gespräch mit den Projektverantwortlichen und der Forschungsassistenz möglich war, was im Rahmen der Interviews einer der Fallstudien auch von den Befragten in Anspruch genommen wurde. Die Leitfäden trugen dazu bei, alle als wichtig erach-teten Fragstellungen während des Interviews anzusprechen und eine spätere Vergleichbarkeit der Gesprächsergebnisse in den jeweiligen Interviewgruppen zwischen den unterschiedlichen Fallstu-dien vornehmen zu können. Es war nicht beabsichtigt alle aufgeführten Aspekte in jedem Gespräch in gleicher Intensität zu beleuchten. Durch diesen halboffenen Charakter der Gespräche sollten die Interviewpartner die Möglichkeit erhalten von selbst auf die ihnen besonders relevant erscheinen-den Aspekte vertiefend eingehen zu können.

Zur einfacheren Dokumentation und um den Gesprächsfluss nicht zu stören, wurden alle Interviews digital mitgeschnitten. Zusätzlich wurden wichtige Aussagen zu besonders relevanten Aspekten stichpunktartig schriftlich festgehalten. Neben den gezielten Fragen des Interviewleitfadens zur An-regung des Gesprächsflusses stellten Verständnis- oder Rückfragen, bzw. kurze Rückspiegelungen des zuvor Erzählten zur Verdeutlichung, die einzigen Unterbrechungen während des jeweiligen Gesprächs durch den Autor dar. So entwickelte sich vor allem in den Gesprächen mit der Projektlei-tung und den Forschungsassistenzen häufig eine Art Informations- und Erfahrungsaustausch, bei dem einzelne Aspekte zu den verschiedenen Studien inhaltlich diskutiert und auch mit der Vorge-hensweise in der Basisstudie Südhessen verglichen wurden. Die dabei gewonnenen Erkenntnisse konnten gut für die Fallstudienanalyse genutzt werden. Alle Interviews wurden persönlich geführt und fanden in den Räumlichkeiten der jeweiligen Befragten statt. Dabei war die Dauer der einzel-nen Gespräche in den verschiedeeinzel-nen Gruppen unterschiedlich. Die Gespräche mit den Projektleitern dauerten zwischen einer und eineinhalb Stunden, die mit den Forschungsassistenzen zwischen ei-ner und zweieinviertel Stunden, während die Gespräche mit den beteiligten Akteuren, aufgrund der anderen Ausrichtung und einem anderen Gesprächsleitfaden, zwischen einer halben und einer Stunde dauerten. Hier stand weniger die fachliche Diskussion, als mehr die Einschätzung des jewei-ligen Prozesses durch die Akteure samt seiner weitergehenden Wirkungen im Vordergrund.

Alle Interviews wurden extern transkribiert und zeitnah ausgewertet. Zusammen mit den Erkennt-nissen aus der Dokumentenanalyse wurden für jede Interviewgruppe Fallstudiendossiers angefer-tigt, wobei die Aussagen und Erkenntnisse der Interviews mit den Projektverantwortlichen und den Forschungsassistenzen und die der befragten Akteure abgeglichen und zusammengeführt wurden.

So ergaben sich für jede der Vergleichsstudien Auswertungen für die befragten Projektverantwortli-chen und für die dort jeweils befragten Akteure.

Um auch die Sichtweise der Akteure, die an der Basisstudie in Südhessen beteiligt waren, kennen-zulernen und daran die Prozesswirkungen beurteilen zu können, wurde hier zusätzlich eine Ak-teursbefragung durchgeführt. Dabei wurden zwölf zentrale und repräsentative Akteure der

Basis-studie anhand eines schriftlichen Fragebogens um eine Stellungnahme gebeten52. Der Fragebogen wurde aus dem Gesprächsleitfaden für die Interviews mit den Akteuren in den Vergleichsstudien abgleitet, um hier die gleichen Fragen zu stellen und die gleichen Aspekte zu thematisieren, wes-halb die Ergebnisse an dieser Stelle vergleichbar sind. Verzichtet wurde im Zuge der schriftlichen Befragung jedoch auf Fragen aus dem Gesprächsleitfaden, die aufgrund der direkten Beteiligung an der Analyse durch den Autor besser beantwortet werden konnten, als dies von den Akteuren in Südhessen möglich gewesen wäre. Die Auswertung der Befragung fand nach den gleichen Kriterien wie bei den Vergleichsstudien statt.

Die Erkenntnisse aus den Interviews mit den Projektverantwortlichen wurden hauptsächlich für den Vergleich der vier Fallstudien verwendet (siehe Kapitel 7.1), aber auch für die Bewertung der jewei-ligen Vorgehensweisen vor dem für eine Akteursorientierte Vulnerabilitätsanalyse aufzustellenden Zielsystem herangezogen (siehe Kapitel 8). Die Erkenntnisse aus den Interviews mit den Akteuren sowie der Akteursbefragung in Südhessen flossen dagegen hauptsächlich in die Bewertung der Fall-studien ein.

52 Die Zahl der Befragten lag hier deutlich höher als in den Vergleichsstudien, weil bereits ein persönlicher Kontakt über das gemeinsame Projekt zu den Akteuren bestand und die Akquirierung dieser für eine solche Befragung entsprechend einfacher fiel und zusätzlich auf Reiseaktivitäten verzichtet werden konnte.