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Vorstellung Interviewpartnerin 1

10. D ARSTELLUNG DER E RGEBNISSE

10.1 Vorstellung Interviewpartnerin 1

Interviewpartnerin 1 ist in ihrer jetzigen Tätigkeit Bereichsleitung innerhalb einer großen Organisation, welche mehrere Standorte über ganz Österreich verteilt führt. Sie hat sich im Alter von 17 Jahren zum ersten Mal für die Ausbildung zur Sozialarbeiterin beworben und wurde auf Grund ihres jungen Alters abgelehnt, woraufhin sie unterschiedliche Studienrichtungen angefangen und ausprobiert hat. Sie engagierte sich nebenbei bereits in verschiedenen sozialen Bereichen um sich schlussendlich nochmals an der Sozialakademie zu bewerben, wo sie dann auch angenommen wurde. Sie machte während des Studiums ein zusätzliches freiwilliges Praktikum im Ausland im psychiatrischen Bereich. Nach dem Studium fand sie in NÖ eine Stelle im psychiatrischen Arbeitsfeld, in welchem sie für ca.

vier Jahre tätig war und dann von sich aus kündigte, da das Pendeln zwischen Arbeitsstelle und Wohnort für sie auf Dauer zu viel Zeit in Anspruch nahm und anstrengend war.

Anschließend bewarb sie sich bei einer Stelle in ihrem Wohnort und fing dort zu arbeiten an. Sie war für einige Zeit an zwei unterschiedlichen Standorten der Arbeitsstelle tätig und wurde nach zwei Jahren von einer Organisation kontaktiert, bei der sie sich einige Zeit zuvor beworben hatte und wurde zu einem Bewerbungsgespräch eingeladen. Nach

positiver Absolvierung des Bewerbungsgesprächs wechselte sie ihre Anstellung in jene Organisation, in welcher sie auch heute noch tätig ist. Nach acht Jahren bot ihr damaliger Leiter ihr dann den Job als seine Stellvertreterin an, den sie auch annahm. Bereits kurz darauf wurde der Leiter in die Zentrale berufen und ihr der Job der Teamleitung angeboten, den sie dann übernahm. Nach ein paar Jahren folgte eine Umstrukturierung der Organisation, im Zuge derer sie sich als Einrichtungsleitung bewarb und in deren Funktion sie zur Zeit des Interviews immer noch tätig ist.

Ein wiederkehrendes Narrativ in der Analyse des Gesprächs waren die immer wieder recht deutlich formulierten Unsicherheiten in Bezug auf die eigenen Kompetenzen bei der Übernahme neuer Positionen. Die Interviewpartnerin scheint sich ihrer eigenen Leistung oftmals nicht ganz bewusst zu sein und spricht oft davon, dass sie viel Glück hatte oder Stellenangebote nur bekam, weil sie von Leitungen gefördert wurde.

Aber sonst hat es nie irgendjemanden gegeben, der gesagt hat: Hä, das willst du machen? Das ist doch irgendwie zu viel! Oder: Kannst du das überhaupt? Das also gar nicht, gar nicht. Da habe ich Glück gehabt, ja (Interview 1: 562 - 663).

Auch zu einem späteren Zeitpunkt des Interviews, ursprünglich angesprochen auf den Begriff der Gleichberechtigung und was dieser für sie bedeutet, spricht die Interviewpartnerin in Bezug auf ihren Karriereverlauf davon, Glück gehabt zu haben.

Ja eh, dass ich dann sozusagen dann genauso wie Männer angesprochen worden bin, ob ich jetzt das machen möchte, diese, diese (...) Führungsrollen übernehme, Positionen übernehme. Ich habe auch nie jetzt bei Jobs, wenn ich mich irgendwo beworben habe das Gefühl gehabt, da werden mir Männer vorgezogen. Obwohl es in der Sozialarbeit leicht passieren könnte, weil ja da gibt es ja immer zu wenig Männer, oder so. Also, ich habe mich da, eigentlich / aber ich glaube, dass ich da auch viel Glück gehabt habe (ebd.: 625 - 632).

In Bezug auf ihren individuellen Lebenslauf ist die wiederholte Äußerung des „Glück gehabt habens― und auch einer späteren Aussage, bei welcher sie meint, dass ihr eine Position „wieder zugefallen― ist, insofern auffallend, als dass in der Erzählung ihres beruflichen Werdegangs immer wieder deutlich wird, dass sie vieles gemacht, vieles gleistet hat. Bereits während ihres Studiums hat sie bereits aus Interesse und Engagement freiwillig ein Zusatzpraktikum absolviert.

Das wäre mir zwar angerechnet worden aber ich hab mir gedacht: na, das ist nur zwei Jahre die Ausbildung und ich möcht viele andere Sachen auch sehen und das mach ich freiwillig im Sommer. Und das war wirklich toll, sehr interessant (ebd.: 44 - 47).

Weiters hat sie sich in jungen Jahren bewusst bei einer Stelle beworben, die sie selber damals noch als sehr ablehnend gegenüber Sozialarbeiter*innen empfunden hat, was wiederum schon stark dafürsteht, dass sie sich nicht so leicht abschrecken ließ, wenn es darum ging, ihren Weg zu verfolgen und das zu machen, was ihr wichtig war.

Und der war damals noch / und da konnte man damals kein Praktikum machen und überhaupt war so ein bissl sozialarbeiterfeindlich [sic!], aber es hat welche gegeben, weil sie ohne Sozialarbeiter [sic!] nicht ausgekommen sind. Also am liebsten hätten sie glaub ich keine gehabt, aber das ist nicht gegangen, und hab mir dann, ja ich hab mir dann gedacht, ja ich geh dort hin [...] (ebd.: 110 - 116).

In Bezug auf die unterschiedlichen Leitungspositionen wird deutlich, dass sie öfter von männlichen Leitungspersonen gefördert wurde, indem sie auch direkt angesprochen und ihr Positionen angeboten wurden. Wobei hier auch auffällig scheint, dass die Interviewpartnerin sich oftmals nicht sicher war, ob sie Positionen annehmen oder sich für eine andere Leitungsposition bewerben soll, da sie selbst es sich nicht zutraut. Obwohl sie von außen betrachtet, einen beeindruckenden Karriereverlauf vorweisen kann, scheint es, als ob das Potential mehr von außen als von der Interviewpartnerin selbst erkannt und gefördert worden wäre.

Und das war auch so etwas typisches, dass man sich da als Frau sehr unterschätzt.

[...] Und ich habe mir das irgendwie, habe ich mir gedacht, das darf ich gar nicht und der hat das ganz anders gesehen. Der hat sich gedacht: na Sie sind ja jetzt seit 20 Jahren Sozialarbeiterin, Sie waren da jetzt weg, aber Sie haben viele Erfahrungen und Sie können sich ja Dinge wieder aneignen und ich verstehe nicht, warum Sie mir erzählen, warum das alles nicht geht. Also es war wirklich – und das glaube ich ist typisch weiblich – es waren eigentlich immer Männer, fällt mir jetzt auf, die zu mir gesagt haben: willst du das nicht machen? Oder: du könntest doch des machen. Also das ist interessant, ja. Weil die das nicht so eng gesehen haben wie ich, was mir da jetzt / also die haben da in mir scheinbar irgendwelche Fähigkeiten gesehen, die ich nicht gesehen habe oder zumindest geglaubt habe, dass das zu wenige sind und das war schon sehr bestimmend. Das Thema ist schon sehr sehr interessant. (lacht) Ist spannend, ja (ebd.: 527 – 544).

Zusammengefasst kann gesagt werden, dass Interviewpartnerin 1 auf einen beachtlichen und abwechslungsreichen Berufsweg zurückblicken kann. Wie alle der befragten Frauen wirkt sie im Gespräch sehr reflektiert über die Bedeutung des Geschlechts aber auch der Rolle der Organisation für ihren Karriereweg.