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Stellenwert der eigenen Karriere und des Leistungsbegriffs

10. D ARSTELLUNG DER E RGEBNISSE

10.4 Fallübergreifende Analyse

10.4.4 Stellenwert der eigenen Karriere und des Leistungsbegriffs

Ein weiterer aufschlussreicher Aspekt, welcher von der ersten Interviewpartnerin aufgegriffen wurde, war die Frage danach, welchen Stellenwert Karriere für Frauen einnimmt bzw. die Einschätzung der Gesprächspartnerin, dass Frauen nicht so viel mit dem Karrierebegriff anfangen wie Männer und ihnen oftmals Karriere nicht so wichtig zu sein scheint.

Aber es ist wirklich so, dass Frauen das weniger attraktiv finden als Männer, weil sie weniger, glaub ich aus dem beziehen. Dass das, das man sagt: na ich bin die Leiterin oder so. (lacht) Das ist ja schon was, ja wo man ja gewisse Dinge auch zurück bekommt als Leiterin, die man sonst nicht bekommt. Oder dass man an gewissen Informationen näher dran ist, oder da auch mitgestalten kann und was beeinflussen kann. Ja, das kann man. Aber das wird als zu wenig betrachtet, oder man kann zu wenig Gewinn daraus für die Person ziehen. Das ist so eine Hypothese von mir, oder

so eine Erfahrung. Was ich schade finde, weil ich finde schon, dass man da was draus beziehen kann (Interview 1: 421 - 431).

Im Zuge der Reflexion über die möglichen Gründe kommen auch sehr interessante geschlechtsspezifische Zuschreibungen zutage, woran Männer und Frauen mehr Freude empfinden oder welche Inhalte sie auf beruflicher Ebene zufrieden stellt.

Für mich war das [die Repräsentanz nach außen, Anm. d. Verf.] eine Bürde. Und ich glaube, dass das Männern leichter fällt als Frauen. Also das glaub ich immer noch.

Also das war eigentlich für ihn ein Teil, ähm, also der Reiz einer Leitungsfunktion auch, dass sowas auch dazugehört. Und das war es für mich nicht (ebd.: 257 - 261).

Zu einem späteren Zeitpunkt spricht die Interviewpartnerin davon, dass sie das Gefühl hat, ein Grund für den Frauenmangel oder das unausgewogene Geschlechterverhältnis auf höheren Leitungsebenen hängt auch damit zusammen, dass sich Frauen weniger für diese Stellen bewerben.

[...] und ich glaube das hängt sehr mit dem: was traue ich mir zu? Und wie selbstbewusst bin ich? Hängt stark damit zusammen (ebd.: 658 - 659).

Hier wird auch wieder eine sehr klare weibliche Zuschreibung artikuliert, in dem Sinne, dass es Frauen an Selbstbewusstsein und Mut fehlt, weil sie sich auch mehr Gedanken darüber machen, ob sie gut genug sind, ob sie die Leistung erbracht haben, um die Übernahme der Position rechtfertigen zu können usw. Auch in Interview 2 gibt es eine Passage, in der die Vermutung bzw. Einschätzung geäußert wird, dass die Herausforderung einer Leitungsposition seitens der Mitarbeiter*innen als abschreckend erlebt wird.

Weiß ich jetzt nicht, aber ich würde das jetzt so sagen, weil ich das Gefühl habe, die Basismitarbeiter*innen haben schon diese Idee auch dazu, dass das [Leitung, Anm.

d. Verf.] anstrengend, und viel Zeit und so bedeutet. Insofern, wenn man das nicht so möchte, dann ist es vielleicht ein bisschen abschreckend auch (Interview 2: 736 - 740).

Bedeutsam ist hierbei wiederum, dass dies Teil der Antwort auf die Frage war, wie attraktiv es als Frau in ihrer Einrichtung ist, eine Führungsposition zu übernehmen. Hier wird von der Interviewpartnerin unter anderem auch die zeitliche Belastung und Inflexibilität erwähnt und davon ausgegangen, dass dies für weibliche Mitarbeiter*innen abschreckend wirkt. Es wird suggeriert, dass es prinzipiell Frauen sind, welche hauptsächlich für Haushalts- und Betreuungspflichten verantwortlich sind und es sich dementsprechend nicht leisten können einen so aufwendigen Job zu übernehmen.

Basierend auf den ersten beiden Gesprächen, wurde der dritten Interviewpartnerin explizit

die Frage gestellt, ob sie das Gefühl hat, dass sich Frauen im sozialen Bereich von sich aus weniger für höhere Positionen bewerben. Diese Einschätzung wurde von ihr nicht geteilt, jedoch glaubt sie, dass es schwieriger ist, genommen zu werden.

Ich würde mich ehrlich gesagt wundern, ähm, weil gerade im Sozialbereich gibt es viele starke Frauen, sehr mutige Frauen, sehr laute Frauen. Ähm ich würde mich wundern, wenn sie sich nicht trauen würden, sich zu bewerben und ich weiß es von einigen. Ähm ich glaube, dass es schwieriger wird genommen zu werden. Ich glaube nicht, dass sie sich weniger bewerben. Das würde ich behaupten wollen. Es würde mich sehr wundern (Interview 3: 940 - 947).

Die Anspielung darauf, dass es als Frau schwieriger ist, genommen zu werden, könnte mit jener Problematik zusammenhängen, dass im sozialen Bereich Männer auf Grund der Unterzahl oft bevorzugt werden. Diese Thematik wird im Analysekapitel der Spezifika des sozialen Bereichs noch gesondert bearbeitet, da dies in allen drei Interviews angesprochen wurde. Die divergierenden Einschätzungen dazu seitens der Interviewpartnerinnen könnten natürlich ein Hinweis auf die Rolle der Organisation sowie der jeweiligen Organisationskultur sein. Arbeitszeitmodelle, spezifische Frauenförderungs-programme oder ein Fokus auf Geschlechterparitäten auf allen Ebenen, ist durchaus von Organisation zu Organisation unterschiedlich. Dementsprechend ist die Vereinbarkeit von Beruf und Privatleben und damit auch die Attraktivität einer Führungsposition für Frauen unterschiedlich.

Aufschlussreich im Zusammenhang mit dem Stellenwert der Karriere für Frauen, ist der Leistungsbegriff, welcher in Interview 3 immer wieder explizit genannt wurde. Im vorhergehenden Theorieteil wurde bereits darauf hingewiesen, dass die Erbringung von Leistung für Frauen einen höheren Stellenwert einnimmt als das Weiterkommen durch persönliche Kontakte.

Ich habe mich echt extrem kompetent gemacht, damit ich nicht nur plaudere dort am Bett sondern wirklich fachlich brillieren kann. Das hat es schon gemacht auch.

Einerseits: Mädchen, nicht ernst genommen. Andererseits: wenn du Frau bist, dann musst du fachlich extra kompetent sein. Das habe ich damals schon gelernt. Und habe das damals auch nicht hinterfragt, sondern das war einfach so, ja. Jetzt im Nachhinein weiß ich, dass das traurig ist, aber damals war das einfach so (Interview 3: 126 - 132).

Dies ist eine Beschreibung aus den Anfängen in der Sozialarbeit der Interviewpartnerin 3 zu einem Zeitpunkt, als es noch gar nicht um Leitungspositionen oder höhere Stellen ging.

Trotzdem war sie bereits damals davon überzeugt, brillieren und sich fachlich beweisen zu müssen. Es ist auch im Laufe ihres beruflichen Werdegangs immer wieder von Zusatzausbildungen und Fortbildungen zum Thema Leitung und Gesprächsführung die Rede, da sie sonst laut eigenen Aussagen nicht weitergekommen wäre. Sie ist weiters der Überzeugung,

dass Frauen wesentlich leistungsorientierter [als Männer, Anm. d. Verf.] sind in Wahrheit (ebd.: 960 - 961).

In den ersten beiden Interviews ist Leistung hingegen nicht explizit Thema, wobei Interviewpartnerin 2 an einem Punkt darauf hinweist, dass Netzwerke prinzipiell wichtiger sind als Leistung, wenn es um den beruflichen Aufstieg geht. Vor allem in Interview 1 ist auffallend, dass die eigene Leistung, die im Laufe des beruflichen Werdegangs erbracht wurde, nicht als solche wahrgenommen und gesehen wird. Es ist oft die Rede davon, dass sie Glück hatte, sie eigentlich nie etwas angestrebt hat sondern ihr die Angebote und Möglichkeiten mehr oder minder immer zugeflogen sind. Gleichzeitig wird beim Lesen der Biographie deutlich, dass die Gesprächspartnerin im Laufe ihres Lebens viel gesehen, viel Erfahrungen gesammelt und vieles geleistet hat. Auch wenn sie oft Stellenangebote durch direkte Förderung bekommen hat, ist es schwer vorstellbar, dass sie ohne Grund gefragt wurde, sondern Potential in ihr gesehen und gefördert wurde, dessen sie sich selber nur nicht bewusst gewesen sein dürfte.