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Die Rolle der Organisation für den Karriereweg

11. D ISKUSSION DER E RGEBNISSE

11.2 Die Rolle der Organisation für den Karriereweg

Neben der Identifikation geschlechtsspezifischer Herausforderungen für weibliche Führungskräfte in sozialwirtschaftlichen Organisationen, lag ein weiterer Fokus der Forschung auf der Frage, welche Rolle die Organisation und deren Rahmenbedingungen für die Chancengleichheit von Männern und Frauen auf Leitungsebene spielt. Das Herausarbeiten von Gendernormen und geschlechtsspezifischer Verhaltenserwartungen, spielt für die Rolle der Organisation insofern eine wichtige Rolle, alsdass erlerntes Geschlechterwissen und Rollenerwartungen innerhalb des organisationalen Kontextes reproduziert werden und somit geschlechtsspezifische Ungleichheiten zur Folge haben können. Ausgangspunkt für die Forschung waren Erkenntnisse der Organisationsforschung und hier vor allem die Theorie der „Gendered Substructure― von Joan Acker, welche davon ausgeht, dass neben beobachtbaren Verhalten und Prozessen, unbewusste Strukturen existieren, welche Geschlechtersegregation und Ungleichheiten in Organisationen

unterstützen. Wie bereits im vorherigen Kapitel angesprochen, beschäftigen sich jüngere prozessorientierte Organisationstheorien mit der Frage nach dem Prozess des Organisierens und der Bedeutung routinierter Praktiken (vgl. Eberherr und Hanappi-Egger 2014: 225).

Gerade aus der Gendersicht erlaubt diese organisationstheoretische Perspektive, Fragen nach der Bedeutung des Geschlechts sowie dessen Relevanz bzw. Irrelevanz sowie weiterführend in Verschränkung mit anderen sozialen Kategorien, wie z.B.

Alter oder sexuelle Orientierung, in Organisationen aus Prozesssicht zu diskutieren (ebd.: 225f.)

Auffallend in den geführten Gesprächen war zunächst das Fehlen spezifischer frauenfördernder Maßnahmen innerhalb der Organisationen. Auf der einen Seite lassen sich in den Organisationen keine gezielten Konzepte zur Förderung von Frauen finden, wie beispielsweise eine Frauenquote auf Leitungsebene. Auf der anderen Seite geben alle drei Gesprächspartnerinnen an, dass sie das Gefühl haben, dass es von Organisationsseite ein Bewusstsein dafür gibt, mehr Frauen in Leitungspositionen befördern zu wollen. Im Zuge der Gespräche fällt auf, dass eine Förderung auf eher informeller und damit auch auf intransparenter Ebene passiert, indem Mitarbeiterinnen von ihrer direkten Leitung darauf angesprochen wurden, eine höhere Funktion zu übernehmen. Dies war nicht immer sofort eine vollständige Leitungsfunktion, jedoch zumindest ein Positionswechsel, der mit mehr Verantwortung und neuen Aufgabenfeldern im operativen Bereich verbunden war.

Auffallend ist hierbei jedenfalls der Umstand, dass die Interviewpartnerinnen es in ihrer Verantwortung sehen, Frauen bewusst zu fördern und dazu zu motivieren, sich für Führungspositionen zu bewerben. Eine der Gesprächspartnerinnen formuliert deutlich, dass sie sich bei gleicher Kompetenz mehrerer Bewerber*innen immer für eine Frau entscheiden würde. Dies ist insofern interessant, alsdass sich die bewusste Förderung von Frauen auf der Tatsache begründet, dass immer noch ein Missverhältnis zwischen der Anzahl von Männern und Frauen in Führungspositionen besteht und seitens der Organisationen keine klaren formalen Strukturen oder Konzepte bestehen, dieser Ungleichheit entgegenzutreten. Ein Spezifikum des sozialen Bereichs ist seit jeher ganz im Gegenteil die dringende Suche nach Männern, da es sich um ein frauendominiertes Arbeitsfeld handelt. Es ist nicht unüblich, dass in Stellenanzeigen aus teamparitätischen Gründen explizit nach Männern gesucht wird. Auch dieses Phänomen wird zumindest von zwei der drei Interviewpartnerinnen angesprochen und in Frage gestellt sowie offen kritisiert. Mehr oder minder diametral zu der Suche nach Männern an der Basis, scheint

sich in jüngster Zeit eine Entwicklung abzuzeichnen, dass in manchen Stellen-ausschreibungen für Leitungspositionen im sozialwirtschaftlichen Bereich, explizit nach Frauen gesucht wird. Dies kann wiederum als Hinweis dafür gesehen werden, dass die Basis stark frauendominiert ist, während die Leitungsebenen stark männerdominiert sind.

Hierfür interessant waren auch die Einschätzungen der Interviewpartnerinnen auf die Frage, ob sie denken, dass es in sozialwirtschaftlichen Organisatioen leichter ist, Karriere zu machen als in privatwirtschaftlichen Organisationen. Während Interviewpartnerin 1 davon überzeugt ist, dass es auf Grund eines erhöhten Bewusstseins für die Gleichstellung von Männern und Frauen im sozialen Bereich, leichter ist als Frau Karriere zu machen, beurteilen dies die beiden anderen Gesprächspartnerinnen gegenteilig. Sie sind der Meinung, dass es keinesfalls einfacher ist im sozialen Bereich als Frau Karriere zu machen. Hier stellt sich die Frage, ob diese generelle und auffallend divergierende Einschätzung nicht stark von der jeweiligen Organisation und deren Struktur abhängig ist.

Dies wäre durchaus eine interessante Frage für weiterführende vergleichende Untersuchungen, in welchen der Fokus auf dem Einfluss der Organisationsstrukturen und damit hierarchischen Gegebenheiten auf Geschlechterparitäten auf Leitungsebene liegt.

Die Erkenntnisse der eigenen Forschung in Bezug auf unbewusste Prozesse und Routinen, welche Geschlechterungleichheiten produzieren, hätten noch tiefergehender erforscht werden können. Auf Grund der Ergebnisse können jedoch diesbezüglich keine konkreten Aussagen getroffen werden. Die Forschungsergebnisse zeigen jedoch sehr wohl auf, dass es an konkreten Konzepten und Maßnahmen seitens der Organisationen fehlt und sich Förderungen auf informeller Ebene abspielen und damit auch bis zu einem gewissen Grad intransparent und von außen nicht gut nachvollziehbar sind. Es wurde auch deutlich, dass großer Wert auf die Förderung von Frauen für die Übernahme von Leitungspositionen gelegt wird, da diese Ebene in einem frauenlastigen Feld auch im sozialen Bereich noch stark männerdominiert ist. Während Organisations- und Geschlechterforschung der letzten Jahre bereits viel geleistet hat und immer mehr differenziertes Wissen auf dem Gebiet generiert, weisen auch Eberherr und Hanappi-Egger (2014: 239) darauf hin, dass es jedenfalls noch weiterführender Forschung bedarf, um die Hintergründe der Reproduktion von Geschlechterungleichheiten zu determinieren, diese Muster aufbrechen und nachhaltige Chancengleichheit erreichen zu können.