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Motivation und der eigene Fokus als Führungskraft

10. D ARSTELLUNG DER E RGEBNISSE

10.4 Fallübergreifende Analyse

10.4.3 Motivation und der eigene Fokus als Führungskraft

Im folgenden Analyseteil soll nun dargestellt werden, welche intrinsische Motivation sowie eigener Antrieb dazu führte, dass die Gesprächspartnerinnen eine Leitungsfunktion übernommen haben. Auch hier war es markant, wie ähnlich sich die Interviewpartnerinnen in ihren Aussagen waren in Bezug auf die Motivation, eine Leitungsstelle zu übernehmen sowie deren Fokus in der Art und Weise, wie sie ihre Funktion anlegen.

10.4.3.1 Probierfeld

Bei der Analyse der Gespräche fiel auf, dass alle drei Interviewpartnerinnen davon erzählten, dass sie zunächst eine Art geschützten Raum hatten, in dem sie sich als Leitung ausprobieren konnten. Dies ist insofern interessant, als dass dieses vorsichtige herantasten durchaus eher Frauen zugeschrieben werden kann, da es auch verbunden ist mit einer Ungewissheit, ob überhaupt die Eignung für den Leitungsbereich vorhanden ist.

Und aber das hat mich dann schon gereizt, weil ich mir gedacht hab, naja als Stellvertreterin, da kann nicht viel passieren (Interview 1: 173 - 174).

Während Interviewpartnerin 1 sich zunächst als stellvertretende Leitung ausprobieren konnte, erzählt Interviewpartnerin 2, dass sie immer wieder kleinere Verantwortungsfelder übertragen bekommen und übernommen hat, die bereits Führungsaspekte beinhalteten.

Und auch Interviewpartnerin 3 bekam die Verantwortung für den Aufbau eines eigenen Bereichs übertragen, wo sie zwar noch keine offizielle Leitungsposition übernommen hat, jedoch bereits in die strategische Arbeit hineinschnuppern konnte. In diesem Zusammenhang wurde von zwei der drei Frauen auch die Bedeutung des Teams bzw. der Teamgröße erwähnt.

Und da war für mich aber dann wieder der Vorteil, [...] ähm hauptsächlich war ich halt für das Team zuständig und im Team und dadurch, dass ich die ja wieder gut

gekannt habe, und dann halt im Team halt was präsentieren, sie informieren oder was besprechen musste, das war dann wieder leichter, weil die ja dann sich eh wieder beruhigt haben, dass ich jetzt nicht ganz streng und ganz dings bin also wie sie befürchtet haben. Sondern dass des eh geht, dann halt auch sehr kooperativ waren und die ich gut kannte, da war dieses Problem dann nicht, ja, also das wäre dann wahrscheinlich schwieriger gewesen, in ein fremdes Team zu gehen, für diesen Einstieg dann (Interview 1: 261 - 272).

Hier wird recht deutlich, wie wichtig die vertraute Umgebung und bekannte Kolleg*innen für den Einstieg waren. Dadurch, dass das Team sie schon gekannt hat, fühlte sie sich sicherer und wurde auch von den Leuten in ihrer neuen Funktion unterstützt. Sie nennt das Team „kooperativ― und geht davon aus, dass sie sich schwerer getan hätte, wenn sie in einem neuen Team als Leitung angefangen hätte. Auch Interviewpartnerin 2 unterstreicht die Bedeutung des Umfelds und der Gegebenheiten für den Einstieg in eine Leitungsfunktion.

Also was für mich, also was super war, war dass mein Team damals so klein war.

Also ich habe mit einem sehr kleinen Team gestartet. Wir waren zu fünft und das war total angenehm. Also weil du dann quasi wirklich in einem sehr angenehmen Rahmen mit auch relativ viel Zeit, muss man dazusagen, weil so zu fünft hat man auch in einem Team in zwei Stunden relativ viel Zeit im Vergleich wenn 20 Leute da sitzen. Also das war, dieser Part war sehr angenehm, der hat es mir wirklich leicht gemacht [...] (Interview 2: 478 - 485).

Es ist nun natürlich nicht aus dem Gesagten feststellbar, ob die Frauen sich ohne einer Möglichkeit, sich vorerst einmal ein wenig „auszuprobieren― und sich vorsichtig an die Verantwortung einer Leitungsposition heranzutasten, nicht trotzdem für Führungs-positionen beworben hätten. Die Wichtigkeit dieser Möglichkeiten ist in den Gesprächen wahrnehmbar und es ist natürlich trotzdem auffallend, dass alle drei Interviewpartnerinnen sich in diesem Punkt ihres Karriereverlaufs überschneiden und ihn zum Thema machen.

10.4.3.2 Motivation

Die Frage nach der Motivation der Frauen, eine Leitungsfunktion zu übernehmen wurde in den Interviews nicht explizit gestellt. Im Nachhinein wäre dies sicherlich keine unwichtige Frage gewesen. Dessen ungeachtet konnte bei der Analyse in zwei von drei Gesprächen eine überschneidende Motivation herausgefiltert werden. Vor allem die Idee des Mitgestaltens, etwas zu bewirken und vor allem auch Arbeit zu leisten, die als inhaltlich befriedigend erlebt wird, kann als Motivator für die Führungsposition erkannt werden.

Ich habe mir nie gedacht ich werde Leiterin, aber ich glaube das waren so diese Schritte: je mehr ich eine Wut bekommen habe, auf: du kannst in einem System nur

das System erhalten wenn du dich ein Stück weit anpasst als Frau in einer männerdominierten Gesellschaft, mit den Ergebnissen, die sozusagen im Sozialbereich sichtbar werden auch, für Frauen, kannst du nur in einer Funktion, wo du auch mitgestalten und mitentscheiden kannst, ja, zumindest so tun, als ob du was beitragen kannst, wo sich ein bisschen systemisch etwas ändert (Interview 3: 210 - 218).

Auch Interviewpartnerin 2 schildert, dass sie es in ihrer Karriere als prägend erlebte, als sie zum ersten Mal einen Spielraum bekam, innerhalb dessen sie sich überlegen und machen konnte, was sie für sinnvoll erachtet und mitgestalten konnte.

Und das war dann total spannend. Und aber das hat ein bisschen gedauert quasi bis ich, bis dass ich darauf gekommen bin, dass ich da tun darf, was ich finde, dass gescheit ist und muss ich vielleicht besprechen mit dem Chef, oder auch nicht oder so. Also das war auch keine Zeitaufzeichnungen, das war sehr vertrauensbasiert das Arbeiten irgendwie. Genau. Und das hat mich schon, also das hat mir schon auch gezeigt, dass das ein System ist, wo ich mich gut zurechtfinde im Sinne, wenn ich gestalten darf und kann. Genau. Das war sicher sehr sehr prägend. Genau. (Interview 2: 143 - 151).

Stark angesprochen wird der Geschlechteraspekt von Interviewpartnerin 3, wo es durchaus auch darum geht, als Frau in der Arbeitswelt ernstgenommen zu werden.

War dann auch ganz toll, da hab ich mich dann sehr gut gefühlt, ich habe gemerkt wie sich das gut anspürt wenn man ernst genommen wird. [...] Das war irgendwie, das hat sich gut angespürt. So diese Wichtigkeit, dieses ernst genommen werden.

Was man als Sozialarbeiterin, von den Klient*innen sehr wohl hat, aber ich nie das Gefühl hätte, dass es irgendwo anders auch einen Wert gefunden hätte. Sondern das ist eher eine Selbstverständlichkeit. Ich weiß auch nicht, ob das in irgendeiner Form auch anders geht, ich habe keine Ahnung. Muss man einen Mann fragen, genau (Interview 3: 420 - 429).

Hier wird also deutlich die bisherige Unsichtbarkeit der eigenen Leistung artikuliert und das positive Gefühl, das damit verbunden ist, nicht mehr übersehen, sondern gehört zu werden. Dies ist prinzipiell sicher eher ein Frauenthema, da es für Männer auf Grund der Erziehung und Sozialisierung im heutigen System immer noch selbstverständlicher ist, sich den Raum zu nehmen und sich Gehör zu verschaffen. Im Kapitel zum Thema der Verhaltensrollen, Verhaltensnormen und Sozialisierung soll dies anhand ausgewählter Gesprächsabschnitte noch verdeutlicht werden.

10.4.3.3 Fokus

Unübersehbar in der Analyse war weiters der Fokus der Frauen, den sie in ihrer Arbeitsweise als Führungskraft setzen. Allen drei Gesprächspartnerinnen geht es stark um

die Orientierung an den Bedürfnissen ihrer Mitarbeiter*innen. Großer Stellenwert kommt der Nähe zur Basis und der Nachvollziehbarkeit der von den Mitarbeiter*innen geleisteten Arbeit zu. Auch Empathie und Mitbestimmungsrecht sind wichtige Aspekte in der Arbeit.

Hierarchie bedeutet nicht, Leitung bedeutet nicht Macht und Machtgefälle, sondern Entscheidungen treffen können und müssen und die Verantwortung dafür zu tragen.

Egal wie sie getroffen wurde. Und Fehler eingestehen, und Leute anleiten, sodass sie ein faires Arbeitsumfeld haben, wo sie sich relativ frei bewegen können in einem Rahmen, aber dass man nicht jeden Schaß anordnet, vorgibt oder sowas, dass man sozusagen gestalten lässt. Dass man Rücksicht nimmt auch auf persönliche Zustände, die gerade da sind, oder auch längerfristig da sind (Interview 3: 969 - 976).

Auch die Kommunikation mit den unterstellten Mitarbeiter*innen sowie die Transparenz gefällter Entscheidungen werden als wichtig erachtet, damit das Team gut damit mitgehen und auch in schwierigen Situationen weiterarbeiten kann

Ähm und ich glaube, dass es ähm natürlich Empathie und Einfühlungsvermögen auch für die Mitarbeiter [sic!] man braucht als Führungskraft und ich glaube, dass man da gut ähm wissen sollte, wie man jemandem begegnet. [...] Transparenz natürlich. Ähm und ich finde, dass Struktur und Information sehr wichtig sind. Dass man Mitarbeiter [sic!] informiert, was sind die nächsten Schritte, was ist geplant, warum ist was geplant? Auch dass man (...), was ich wichtig finde ist ähm, da hat mir mal eine Kollegin bei irgendeiner hitzigen Diskussion gesagt: wir wollen von dir jetzt eh keine Lösung, wir wollen nur, dass du das verstehst, warum das für uns schwierig ist (Interview 1: 287 - 303).

Nachdem nun der eigene Antrieb und die innerer Motivation eine Führungsposition zu übernehmen herausgearbeitet wurde, soll nun in einem nächsten Schritt der Stellenwert des Karrierebegriffs näher analysiert werden.