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F ORSCHUNGSZUGANG UND M ETHODIK

Für die Beantwortung der leitenden Forschungsfrage „Welche geschlechtsspezifischen Herausforderungen können im Karriereweg weiblicher Führungskräfte sozialwirtschaftlicher Organisationen identifiziert werden und welche Bedeutung kommt hierbei organisationalen Rahmenbedingungen zu?― wurde ein qualitatives Forschungsdesign gewählt. Hierfür wurden episodische Interviews durchgeführt und anschließend anhand eines interpretativen Analyseverfahrens ausgewertet.

Es soll nun im Folgenden ein Überblick über die für die vorliegende Arbeit gewählten Erhebungs- und Auswertungsmethoden gegeben werden. Hierfür werden auch Feldzugang sowie Überlegungen bezüglich der Methodenwahl argumentiert und genauer erklärt.

9.1 Das episodische Interview als Erhebungsinstrument

Wie bereits angeführt, wurde für die Beantwortung der Forschungsfrage der qualitative Zugang gewählt, da im Zentrum des Forschungsinteresses die subjektiven Bewertungen der Geschlechterrolle weiblicher Führungskräfte und deren Rolle für den eigenen Karriereverlauf steht. Froschauer und Lueger (2003: 16) weisen darauf hin, dass das Erkenntnisinteresse qualitativer Interviews darin besteht, herauszufinden was die befragten Personen subjektiv als wichtig erachten. „Qualitative Forschung widmet sich der Untersuchung der sinnhaften Strukturierung von Ausdrucksformen sozialer Prozesse―

(ebd.: 17).

Ziel der vorliegenden Untersuchung ist die kritische Hinterfragung der Gleichstellung von Männern und Frauen als soziales Phänomen in sozialwirtschaftlichen Organisationen anhand drei ausgewählter weiblicher Karriereverläufe. Laut Froschauer und Lueger (ebd:

18) unterliegen soziale Phänomene

einer permanenten Fluktuation, in der sich die Reproduktionsstrategien von Kollektiven und die Lebensbedingungen aller Mitglieder einer Gesellschaft (langsam oder krisenhaft) verändern. [...] Der Begriff der sozialen ‚Logik‗ meint dabei jene Regeln, die konkretes Handeln mit einer sinnhaft erlebbaren Ordnung versehen.

Konkret wurde für die Erhebung der Daten die Methode des episodischen Interviews genutzt. „Das episodische Interview stellt eine Kombination aus zwei Methoden dar und verknüpft die offene Befragung mit dem Prinzip der Narration― (Misoch 2015: 39).

Hierdurch ist es möglich sowohl subjektives Wissen als auch subjektive Erfahrungen der Befragten zu erheben (vgl. ebd). Das subjektive Wissen wird durch konkrete, leitfadengestützte Fragen erhoben während die subjektiven Erfahrungen bzw. das episodische Wissen durch Erzählanstöße erfragt werden (vgl. Flick 2011: 273). Während sich das episodische Wissen aus Alltagserfahrungen sowie selber erlebten Inhalten - also autobiographischen Erinnerungen - zusammensetzt, versteht man unter dem semantischen Wissen das inhaltliche, begriffliche Wissen (vgl. Misoch 2015: 39). Die folgende Abbildung gibt einen grafischen Überblick über die Ebenen des episodischen Interviews nach Uwe Flick.

Abbildung 1 Wissensbereiche des Alltagswissen im episodischen Interview (Flick 2011: 274)

Laut Uwe Flick (2011: 279) lässt sich das episodische Interview „in verschiedenen Bereichen der Forschung in der Sozialen Arbeit und verwandten Feldern einsetzen, in

denen es um Wissen und Erfahrungen in subjektiver Perspektive geht.― Die Kombination aus gezielten Fragen mit kleineren Narrationseinheiten bewirkt eine Annäherung an den kommunikativen Prozess eines Alltagsgespräches, wodurch wiederum die Möglichkeit entsteht, umfangreiche Informationen seitens der Befragten zu erhalten (vgl. Misoch 2015:

43). Sabina Misoch (ebd.) weist jedoch auch darauf hin, dass diese Methode „hohe Anforderungen an den Forschenden [sic!] [stellt], der diese beiden Methoden miteinander kombinieren muss und jeweils auch im Prozess des Interviews spontan entscheiden muss, wenn neue Themen auftauchen, ob und wie diese als Narrationsaufforderungen oder semi-strukturierte Fragen umzusetzen sind.―

9.2 Samplingauswahl und Kontaktaufnahme

Im Vorfeld jeder Forschung gilt es zu überlegen, welche Form der Befragung und welche Zielgruppe sinnvoll erscheint, um die Forschungsfrage beantworten zu können. In diesem Fall sollten weibliche Führungskräfte in sozialwirtschaftlichen Organisationen befragt werden. Es bestand zunächst auch die Überlegung, im Sinne einer Kontrastierung auch männliche Führungskräfte zu befragen. Nach reiflicher Überlegung, entschied ich mich als allerdings dagegen, da es bei der Erhebung mehr um eine Reflexion des eigenen Karriereverlaufs vor dem Hintergrund des Frau-Seins ging und damit einhergehend um Einschätzungen und Bewertungen der Geschlechterrolle in Bezug auf die eigene Berufslaufbahn. Durch die offene, erzählgenerierende Methode sollten auch Bilder und Zuschreibungen in Bezug auf das weibliche Geschlecht und dessen Rolle erfahren werden.

Im nächsten Schritt wurde überlegt, in welchen sozialwirtschaftlichen Organisationen die Daten erhoben werden sollen. Hierfür fand zunächst eine Online-Recherche der Leitbilder oder anderweitig verschriftlichten Werte von Organisationen in Wien statt, wobei ein wesentlicher Fokus zunächst auf den verschriftlichten Wert der Gleichberechtigung und anschließend auf die Geschlechterverhältnisse auf Führungsebene gelegt wurde. Es wurden Homepages, online einzusehende Jahresberichte und anderes Infomaterial gesichtet.

Anschließend wurde versucht anhand von Organigrammen oder anderen vorhandenen Mitarbeiter*innen-informationen herauszufinden, welches reale Geschlechterverhältnis von männlichen zu weiblichen Führungskräften gegeben ist. Dies stellte sich jedoch als eher schwierig heraus, da dieses Geschlechterverhältnis online oftmals nicht dargestellt wird. Im Endeffekt konnte eine Organisation ausfindig gemacht werden, die zwar in ihren

Werten die Gleichberechtigung von Mann und Frau unterstreicht, jedoch vergleichsweise wenig Frauen in Führungspositionen hat. Im Sinne der Kontrastierung und um möglicherweise die Rolle der Organisation in Bezug auf weibliche Führungskräfte ausfindig machen zu können, wurde anschließend eine Organisation ausgewählt, welche ein ausgeglichenes Geschlechterverhältnis bzw. sogar mehr Frauen als Männer in Führungspositionen vorzuweisen hat. Bei der dritten Organisation konnte das Geschlechterverhältnis nicht im Vorfeld eruiert werden und wurde erst im Zuge des Interviews abgefragt, wobei sich herausstellte, dass auch die dritte Organisation im Verhältnis mehr weibliche als männliche Führungskräfte beschäftigt.

Insgesamt wurden drei Interviews durchgeführt, welche 60 bis 90 Minuten dauerten und sehr dicht an Inhalten waren. Da sich viele diese Inhalte auch überschnitten bzw. sich die Wahrnehmungen und Einschätzungen der Frauen thematisch oft ähnlich waren, bildeten die geführten Interviews eine gute Basis für meine Forschungsarbeit. Die Entscheidung der Frage, ob noch weitere Interviews geführt werden sollen, wurde auch in Anlehnung an das Prinzip der theoretischen Sättigung als wesentlicher Bestandteil der Grounded Theory nach Glaser und Strauss getroffen.

Mit Sättigung ist der Punkt im Verlauf der Analyse gemeint, an dem zusätzliches Material und weitere Auswertungen keine neuen Eigenschaften der Kategorie mehr erbringen und auch zu keiner relevanten Verfeinerung des Wissens um diese Kategorie mehr beiträgt. Die Idee dieses Abbruchkriteriums liegt also darin festzustellen, ab wann sich die Beispiele für ein Konzept oder eine Kategorie im Material wiederholen (Strübing 2014: 32).

Nun ist es sicherlich so, dass eine letzendliche theoretische Sättigung, welche den Abbruch einer Analyse im Sinne der Grounded Theory hier wohl nicht erreicht wurde. In Anbetracht der Möglichkeiten und Ressourcen, welche für eine Masterarbeit zur Verfüging stehen, ist jedoch zu gegebenen Zeitpunkt die Frage zu stellen, welcher Mehrwert an relevanten Erkenntnissen zur Beantwortung der Forschungsfrage durch weiter Interviews generiert werden kann. Auf Grund der Inhalts- und somit auch Erkenntnisdichte der geführten Interviews sowie der Überschneidung vieler Themenbereiche, habe ich mich gegen weitere Interviews entschieden. Weiters ist das Ziel der Grounded Theory nicht in die Erarbeitung einer statistischen Repräsentativität sondern vielmehr „die möglichst umfassende und hinreichend detaillierte Entwicklung der Eigenschaften von theoretischen Konzepten und Kategorien [...]― (ebd.).

Wichtig für den Prozess der Samplingauswahl war jedenfalls das von mir als Forscherin im Vorhinein viel zu wenig beachtete Thema der Vereinbarkeit von Familie und Beruf, welches in den ersten beiden Interviews von den Gesprächspartnerinnen stark hervorgehoben wurde. Es war für mich überraschend welche Bedeutung die Frauen der eigenen Kinderlosigkeit für ihren individuellen Karriereverlauf beigemessen und von sich aus thematisiert haben. Für den Forschungsgegenstand der vorliegenden Arbeit wird die Bedeutung der Thematik Vereinbarkeit von Beruf und Familie im Kapitel der Ergebnisdarstellungen noch näher erläutert. Für die hier dargelegte Samplingstrategie ist jedoch wichtig zu sagen, dass erst nach den ersten beiden Interviews erkannt wurde, dass es jedenfalls notwendig ist noch eine Interviewpartnerin mit Kind(ern) zu befragen. Dieses Vorhaben wurde dann mit der Befragung der dritten Führungskraft erfüllt. Die Kontaktaufnahme mit den Interviewpartnerinnen erfolgte telefonisch, wobei zwei Frauen sich sehr an dem Thema interessiert zeigten und sofort zusagten. Die dritte kontaktierte Führungskraft konnte aus zeitlichen Gründen nicht zusagen, gab meine Anfrage jedoch noch am selben Tag an Kolleginnen ihrer Organisation weiter, woraufhin sich bereits am Tag darauf eine weitere Interessentin und damit dritte Interviewpartnerin bei mir meldete.

9.3 Entwicklung des Interviewleitfadens und Datenerhebung

Die Ausarbeitung des Interviewleitfadens erfolgte nach einer in der Literatur empfohlenen Vorgangsweise, welche sich aus fünf Schritten zusammensetzt (vgl. Misoch 2015: 41;

siehe Abb. 2). Diese Vorgangsweise wurde Schritt für Schritt umgesetzt, indem zunächst nach der Fertigstellung des Theorieteils der Arbeit aufbauend auf dem erworbenen Wissen eine Stichwortliste angefertigt wurde. Danach wurde der Interviewleitfaden mit ausformulierten Fragen erstellt, um anschließend die Durchführung anhand des erarbeiteten Leitfadens durchzuführen. Abschließend wurden die erhobenen Daten analysiert und ausgewertet

Abbildung 2 Ablaufmodell episodischer Interviews nach Sabina Misoch (2015: 41)

In der konkreten Umsetzung des Erhebungsverfahren wurde den Interviewpartnerinnen zunächst immer dieselbe Einstiegsfrage gestellt, welche angelehnt an die Methode des narrativen Interviews erzählgenerierenden Charakter hatte. Die Frauen wurden hierbei aufgefordert, von ihrem beruflichen Werdegang zu erzählen und damit verbunden von allen Ereignissen und Schlüsselerlebnissen, die ihnen wichtig erschienen am Weg zu ihrer jetzigen Führungsposition. Ziel der Frage war es durch die eigene biographische Rekonstruktion des Karriereweges in der späteren Analyse etwaiges unterbewusstes wie auch bewusstes Geschlechterwissen, welches oft erst im Rahmen sozialer Interaktionen erkennbar wird, herauszuarbeiten. In weiterer Folge gab es vorab formulierte Fragen, welche die Erhebung semantischen Wissens der Interviewten zum Ziel hatte und konkrete Einschätzungen und Bewertungen etwaiger geschlechtsspezifischer Unterschiede im Arbeitskontext erheben sollte. Diese Fragen in Anschluss an die einsteigende Erzählung variierten in den Interviews teilweise stark in der gestellten Reihenfolge. Grund dafür war, dass semantische Fragen spontan nach jenen Inhalten und Erzählungen gestellt wurden,

welche von den Frauen von sich aus eingebracht wurden. Auffallend war, dass die Interviewpartnerinnen immer wieder Themenbereiche bereits auf die eine oder andere Art und Weise von sich aus aufgegriffen haben, welche ohnehin im semantischen Teil vertiefend abgefragt bzw. neu eingebracht werden sollten. Somit handelte es sich bei vielen Fragen mehr um ein vertiefendes Nachfragen als das Aufbringen neuer Themenfelder.

Die drei Interviews wurden in einem Zeitraum von drei Wochen im April 2019 durchgeführt und dauerten zwischen ein und eineinhalb Stunden. Die Interview-partnerinnen wurden für das Gespräch in ihren Büroräumlichkeiten aufgesucht, die Gespräche zeugten allesamt von einer entspannten Atmosphäre. Zwei der drei Gesprächspartnerinnen boten mir noch vor Durchführung des Interviews das Du-Wort an.

Aufgezeichnet wurde mit Einverständnis der Interviewpartnerinnen anhand eines Diktiergerätes sowie der Aufnahmefunktion des Handys als eventuelles Backup, sollte eines der beiden Geräte nicht richtig aufzeichnen. Die Handyversion wurde in allen drei Fällen sofort wieder vom Gerät gelöscht, da die Interviews vollständig vom Diktiergerät aufgenommen wurden. Direkt nach jedem Interview wurde ein Zusatzprotokoll zu dem jeweiligen Gespräch angefertigt, in welchem wesentliche Eindrücke über Rahmenbedingungen und Gesprächsinhalte festgehalten wurden.

9.4 Transkription

Die Interviews wurden möglichst zeitnah zum jeweiligen Gespräch in einer vom Studiengang zur Verfügung gestellten Word-Maske transkribiert und zur Vereinfachung der Lesbarkeit in Schriftdeutsch übertragen. Da die Verwendung von Begrifflichkeiten sowie gewählte Formulierungen für die Narrationsanalyse wesentlich sind, wurden die Gespräche wortwörtlich verschriftlicht. Längere Nachdenkpausen wurden durch Punkte (...) gekennzeichnet, besonders hervorgehobene Begriffe fett unterlegt. Unvollständige oder unterbrochene Wörter oder Sätze wurden nicht vervollständigt oder ignoriert sondern durch ein Abbruchzeichen / gekennzeichnet. Auch Füllwörter wie „ähm― und „hm― sowie emotionale Äußerungen wie lachen (lacht) oder seufzen (seufzt) wurden verschriftlicht.

Die Interviews wurden des Weiteren komplett anonymisiert, wobei die Befragten im Rahmen der Auswertung mit B1, B2 und B3 bezeichnet werden, während die Interviewerin im Transkript mit dem Kürzel I bezeichnet wird. Die Namen der Interviewpartnerinnen sowie sämtliche in den Gesprächen namentlich genannten Personen scheinen nicht in der

Arbeit oder dem Transkript auf. Auch die Organisationen, in welchen die Frauen zurzeit tätig sind, sowie sämtliche im Gespräch genannten Einrichtungen, welche Rückschlüsse auf die Interviewpartnerinnen geben könnten, wurden anonymisiert.

9.5 Datenauswertung

Die geführten Interviews wurden bewusst offen angelegt und hatten starken narrativen Charakter. Die originale Form des narrativen Interviews ist zugeschnitten auf das Auswertungsverfahren der Narrationsanalyse nach Fritz Schütze, welche zur Auswertung der vorliegenden Interviews angewandt wird. In Anlehnung an Fritz Schütze weist Livia Makrinus (2013: 103) darauf hin, dass bei der Narrationsanalyse weniger der Inhalt als die Darstellung des Gesagten im Fokus steht. Es geht also nicht nur darum, was gesagt wurde, sondern vor allem auch wie es gesagt wurde. Die Analyse besteht aus fünf aufeinanderfolgenden Schritten, wobei es zunächst gilt, den Einzelfall intensiv zu analysieren, um die Einzelfälle anschließend auf Gemeinsamkeiten und Unterschiede zu untersuchen (vgl. Kleemann et al. 2013: 76; siehe Abb. 3).

Abbildung 3 Analyseschritte der Narrationsanalyse nach Kleemann et al. (2013: 76)

9.6 Die fünf Schritte der Narrationsanalyse

Der erste Schritt der Narrationsanalyse ist die formale Textanalyse. Hierbei wird eine Textsortendifferenzierung vorgenommen, wobei es sich zunächst rein um eine Gliederung des Interviews anhand formalsprachlicher Merkmale handelt (vgl. ebd.: 83). Konkret bedeutet dies die Sichtung des Datenmaterials auf die drei unterschiedlichen Textsorten der Erzählung, Beschreibung und Argumentation (vgl. Nohl 2008: 28). Auf diese Weise lässt sich bereits erkennen, „ob etwa argumentative Textstellen oder ob Erzählungen dominieren, oder an welchen biographischen Schlüsselpunkten neben der Erzählung auch auf Argumentationen zurückgegriffen wird― (ebd.). Hierzu werden zunächst alle nicht narrativen Passagen ausgeklammert, welche dann erst im vierten Analyseschritt wieder in die Auswertung miteinbezogen werden (vgl. Kleemann et al. 2013: 77). Die formale Textanalyse wird abgeschlossen durch die formale Strukturierung, um die Erzählstruktur identifizieren zu können (vgl. ebd.: 80).

Der zweite Analyseschritt ist die strukturelle inhaltliche Beschreibung und dient nun der thematischen Darstellung der zuvor „im ersten Auswertungsschritt nach formalsprachlichen Kriterien identifizierten Sequenzen― (ebd.: 88). Ziel dieses Analyseschrittes ist es, Sinngehalte herauszuarbeiten und damit nicht nur manifeste, sondern auch latente Inhalte erfassen zu können (vgl. Misoch 2015: 32). Arnd-Michael Nohl (2008: 28) charakterisiert die strukturell inhaltliche Beschreibung als sowohl formal als auch semantisch, wobei hier vor allem die Prozessstrukturen des biographischen Abschnittes herausgearbeitet werden.

Aufeinander folgende Einzelsequenzen, die durch strukturell ähnliche Handlungsbedingungen und ähnliche Handlungsweisen charakterisiert sind, werden zu größeren Sinneinheiten verbunden. Für diese Sinneinheiten wird das inhaltliche Geschehen in Hinblick auf die jeweilige (aktive bzw. passive) Handlungsweise des Erzählers und die bestehenden Handlungsbedingungen analysiert (Kleemann et al.

2013: 88).

Als dritter Schritt folgt nun die analytische Abstraktion, anhand welcher die bereits herausgearbeiteten Handlungsweisen des*der Befragten zueinander in Beziehung gesetzt werden (vgl. Misoch 2015: 34). Ziel dieses Analyseschrittes ist es, sich eine Metasicht zu verschaffen und dominante biographische Prozessstrukturen zu identifizieren (vgl. ebd.:

88). „Dazu werden zunächst für jede Sinneinheit einzeln die zuvor inhaltlich erfassten konkreten biographischen Handlungsweisen [...] von den konkreten biographischen Ereignissen abstrahiert― (ebd.).

Der vorletzte Schritt der Narrationsanalyse ist die sogenannte Wissensanalyse, deren Ziel es ist, „die rekonstruierten tatsächlichen Handlungs und Verhaltensweisen des Akteurs mit seinen Deutungen, Wahrnehmungen und Wertungen in Beziehung zu setzen― (ebd.: 90).

Wie in der Beschreibung des ersten Analyseschrittes bereits erwähnt, werden hier nun jene narrativen Passagen miteinbezogen, welche zunächst isoliert und ausgeklammert wurden.

Diese bieten Aufschluss darüber, welche Handlungsabsichten und Motive der Befragte [sic!] zum Zeitpunkt des Geschehens hatte, welche sozialen Deutungen und Orientierungen seinem [sic!] Verhalten zugrunde liegen und wie dieses Verhalten im Nachhinein bewertet wird. Herauszuarbeiten sind die sozial typischen Merkmale und Hintergrunde der Deutungen, Wahrnehmungen und Wertungen des Akteurs (ebd.).

Abschließend geht es im letzten Teil der Narrationsanalyse um den kontrastiven Fallvergleich der geführten Interviews. Dieser baut auf den vorhergehenden Fallanalysen der Interviews auf und dient dem Vergleich der analysierten Einzelfälle. Ziel ist es hierbei, die Einzelfälle auf relevante Gemeinsamkeiten und Unterschiede nach dem Prinzip des minimalen und maximalen Kontrasts zu untersuchen, welches im Rahmen der Grounded Theory von Glaser und Strauss entwickelt wurde (vgl. Kleemann et al. 2013: 95). Sabina Misoch (2015: 34) legt dar, dass zunächst das Vorgehen des minimalen Vergleichs - also inhaltlich ähnliche Passagen - zur Anwendung kommt und erst anschließend die Strategie des maximalen Vergleichs - also inhaltlich unterschiedliche oder gegensätzliche Passagen - durchgeführt wird. Es geht hierbei nicht nur um die reine Identifikation der Unterschiede und Gemeinsamkeiten analysierter Fälle, sondern weiterführend auch um die Identifikation der Gründe dafür (vgl. Kleemann et al. 2013: 101).

Die theoretischen Dimensionen und begrifflichen Kategorien, nach denen sich diese Gemeinsamkeiten und Unterschiede bestimmen, müssen keineswegs schon zu Beginn des Fallvergleichs klar sein. In der Regel kristallisieren sie sich erst im Prozess des Fallvergleichs heraus (ebd.: 95).

Durch den kontrastiven Vergleich lassen sich Besonderheiten sowie Allgemeinheiten der analysierten Einzelfälle herausarbeiten. Auf Grundlage der Fallvergleiche werden Kategorien gebildet, „die durch die Hinzuziehung weiterer Fälle kontinuierlich differenziert und ausgeformt werden können― (Makrinus 2013:112). Der kontrastierende Vergleich dient zusammengefasst dazu, Erkenntnisse über den Einzelfall hinaus zu erhalten und sich im fortschreitenden Verlauf mehr und mehr von den Einzelfällen zu lösen, um diese durch die Zuordung erarbeiteter Kategorien typisierend miteinander zu vergleichen (vgl. Kleemann et al. 2013: 101).

9.7 Die konkreten Auswertungsschritte der vorliegenden Arbeit

Für die vorliegende Arbeit habe ich mich stark an der Narrationsanalyse orientiert, die Interviewauswertung erfolgte jedoch nicht ganz genau nach den fünf Analyseschritten nach Fritz Schütze. Dies kann dadurch begündet werden, dass es sich bei den für die vorliegende Arbeit geführten Interviews nicht um rein narrative Interviews handelt sondern um episodische Interviews mit stark erzählgenerierendem Charakter. Für die Auswertung der geführten Interviews wurden vor allem die Analyseschritte drei bis fünf der Narrationsanalyse herangezogen. Diese beinhalten die analytische Abstraktion, die Wissensanalyse sowie den kontrastiven Fallvergleich, welcher von wesentlichen Interesse für die vorliegende Arbeit war. Die ersten drei Schritte der Narrationsanalyse beschäftigen sich vor allem mit der Herausarbeitung und Analyse der Stegreiferzählungen und damit nicht narrativer Elemente. Werden narrative Passagen in der strikten Abfolge der Narrationsanalyse erst im vierten Schritt - der Wissensanalyse - herangezogen, so wurden diese in meiner Analyse nie abstrahiert, sondern von Anfang an miteinbezogen.

Dementsprechend wurde der erste Schritt der formalen Textanalyse sowie der zweite Schritt der strukturellen inhaltlichen Beschreibung in der Analyse der drei geführten Interviews nicht durchgeführt. Streng genommen bezieht sich die Abstraktion und damit Schritt drei der Narrationsanalyse noch rein auf die zuvor herausgearbeiteten Stegreiferzählungen. Prinzipiell dient diese Analysephase der Erfassung dominanter Prozesstrukturen im Lebenslauf der befragten Person, um biographische Prozessstrukturen des Falles zu identifizieren (vgl. Kleemann et al. 2013: 88). Dies war jedenfalls wesentlicher Bestandteil der Analyse der für die vorliegende Arbeit geführten Interviews, jedoch mit dem Unterschied, dass narrative Elemente auch hier bereits miteinbezogen wurden.

In einem ersten Schritt wurden zunächst die narrativen Einstiegsfragen zu den beruflichen Werdegängen untersucht. Hier wurden in der Analyse biographisch wichtige Ereignisse abstrahiert und eine Art Kurzbiographie erstellt. Parallel zu diesem Vorgang wurden bereits bedeutsame Vorkommnisse und Erzählungen anhand der dazugehörigen Zitate eigens festgehalten und mit gewissen Überschriften versehen, welche eine thematische Zuordnung beinhaltete. Dieses Herausfiltern bedeutungsvoller Episoden anhand thematischer Zuordnungen wurde dann Schritt für Schritt auf das ganze Interview angewandt, wobei auch Kontexte, in welchen die herausgearbeiteten Zitate artikuliert

wurden von Bedeutung waren und in die spätere Interpretation miteinbezogen wurden.

Nach der getrennten Analyse der Interviews wurde in einem nächsten Schritt eine themenübergreifende Analyse erstellt. Sämtliche herausgearbeiteten Zitate und Episoden wurden unter dem jeweiligen Themenblock zusammengeführt, um im Sinne des kontrastiven Fallvergleichs Unterschiede und Gemeinsamkeiten der Einzelfälle zu den konkretisierten Themenbereichen auszuarbeiten.