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Karriere kennt kein Geschlecht? Career doesn t know gender?

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Academic year: 2022

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Karriere kennt kein Geschlecht?

Eine empirische Untersuchung zu geschlechtsspezifischen Herausforderungen im Karriereverlauf weiblicher Führungskräfte sozialwirtschaftlicher Organisationen

Career doesn’t know gender?

An empirical study on gender-specific challenges in the careers of female executives of social economy organisations

Masterarbeit

Zur Erlangung des akademischen Grades

Master of Arts in Social Sciences

der FH Campus Wien

im Rahmen des europäischen Joint Degree-Masterstudienganges

„Sozialwirtschaft und Soziale Arbeit―

Vorgelegt von:

Angelika Reznik, BA Personenkennzeichen:

c1710600016

ErstbegutachterIn:

FH Campus Wien Mag.a Dr.in Helga Eberherr

ZweitbegutachterIn:

Universität Vechta Prof. Dr.in Ulrike Knobloch

Eingereicht am:

17.08.2019

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Erklärung:

Ich erkläre, dass die vorliegende Masterarbeit von mir selbst verfasst wurde und ich keine anderen als die angeführten Behelfe verwendet bzw. mich auch sonst keiner unerlaubter Hilfe bedient habe.

Ich versichere, dass ich diese Masterarbeit bisher weder im In- noch im Ausland (einer Beurteilerin / einem Beurteiler zur Begutachtung) in irgendeiner Form als Prüfungsarbeit vorgelegt habe.

Weiters versichere ich, dass die von mir eingereichten Exemplare (ausgedruckt und elektronisch) identisch sind.

Datum: ... Unterschrift: ...

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Danksagung

An dieser Stelle möchte ich mich zunächst bei allen bedanken, die mich beim Verfassen dieser Arbeit unterstützt und mir mit nicht enden wollender Geduld zur Seite gestanden haben. Namentlich ist hier vor allem Mag.a Dr.a Helga Eberherr zu nennen, ohne deren laufende Unterstützung sowie konstruktives und wertschätzendes Feedback diese Arbeit nicht möglich gewesen wäre. Ein großer Dank gilt auch meinen Interviewpartnerinnen. Ich hatte mit ihnen das Vergnügen drei großartige, starke und wirklich beeindruckende Frauen kennenlernen zu dürfen, die ihren Weg in einer männerdominierten Welt erfolgreich gegangen und wohl noch lange nicht am Ende angekommen sind.

Weiters möchte ich mich bedanken bei all jenen Frauen, die mich mit ihrer Arbeit, ihren Überzeugungen und ihren Kämpfen um die Rechte der Frauen in meinem bisherigen Leben inspiriert und geformt haben. Vier dieser Frauen möchte ich hier speziell hervorheben und namentlich erwähnen. Dies ist zunächst meine Mutter, Monika Reznik, die mir vorgelebt hat, was es heißt eine selbstständige, mutige und auch laute Frau zu sein, die für ihre Überzeugungen eintritt. Ihre Selbstverständlichkeit dafür, dass das weibliche Geschlecht dem männlichen in nichts nachsteht wurde mir in meiner Erziehung weitergegeben und hat mich zu einem großen Teil zu der Person geformt, die ich heute bin. Ein weiterer großer Dank gilt drei Frauen, deren Leidenschaft, Sensibilität, Klugheit und Aufmerksamkeit für das Thema der Gleichberechtigung und Gleichbehandlung von Frauen und Männern mich und viele andere Personen in ihrem Umfeld tagtäglich inspirieren: Nadine Hauptfeld, Fanny Fritz und Maja Slupetzky. Drei unabhängige, erfolgreiche und ganz wunderbare Frauen, die mich mit ihrem sensiblen und gleichzeitig passioniertem Umgang und dem unermüdlichen Einsatz rund um das Thema der Gleichberechtigung immer wieder beeindrucken und mir regelmäßig neue Perspektiven aufzeigen. Aus den Gesprächen mit ihnen schöpfe ich jene Kraft, die ich in den tagtäglichen Diskussionen und Versuchen der Aufklärungs- und Bildungsarbeit in diesem Themenkomplex feministischer Ideen brauche.

Danke dafür!

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Kurzfassung

Chancengleichheit und Geschlechtergerechtigkeit werden in sozialwirtschaftlichen Organisationen als Selbstverständlichkeit vorausgesetzt und nicht selten als einer der gelebten Normen und Werte im Leitbild verankert. Diese Tatsache soll nicht bezweifelt werden, auf die Geschlechterverteilung auf Führungsebene vieler sozialer Organisationen bezogen, muss die tatsächliche Gleichberechtigung jedoch in Frage gestellt werden. Die vorliegende Arbeit beschäftigt sich mit geschlechtsspezifischen Herausforderungen weiblicher Führungskräfte sozialwirtschaftlicher Organisationen in ihrem Karriereweg und der Frage, welche Rolle Organisationen hierbei spielen.

Im Zuge einer empirischen Untersuchung wurden für die Beantwortung der Forschungsfrage weibliche Führungskräfte sozialwirtschaftlicher Organisationen interviewt, wobei es sich in den Gesprächen um eine Reflexion des eigenen Karriereverlaufs handelte und damit um die jeweiligen Bewertungen und Einschätzungen ihrer Karriere vor dem Hintergrund des Frauseins. Die Untersuchungsergebnisse zeigen, dass Frauen auf Grund gesellschaftlicher Normen und Rollenerwartungen mit diversen geschlechtsspezifischen Herausforderungen in ihrem Karriereweg konfrontiert sind, welche als Teil der Sozialisierung am Arbeitsplatz kontinuierlich reproduziert werden und zu Ungleichheiten zwischen Männern und Frauen führen. Neben gesellschaftlich bedingten Geschlechterwissen, ist hierbei die Rolle der Organisation jedenfalls eine Wesentliche, da sie bei unreflektierter Reproduktion vergeschlechtlichter Routinen zu einer Benach- teiligung von Frauen in deren beruflichen Werdegang führen können.

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Abstract

Equal opportunities and gender justice are taken for granted in social economy organisations and are often anchored in the mission statement as one of the lived norms and values. This fact should not be doubted, but with regard to the gender distribution at management level of many social organisations, the actual equality must be questioned.

The present paper deals with gender-specific challenges of female executives of social economy organisations in their career path and the question of the role of organisations in this context.

In the course of an empirical study, female executives of social economy organisations were interviewed to answer the research question, whereby the interviews were a reflection on their own career development and thus on the respective evaluations and assessments of their career against the background of being a woman. The research results show that women are confronted with various gender-specific challenges in their career path due to social norms and role expectations, which are continuously reproduced as part of socialisation at the workplace and lead to inequalities between men and women. In addition to socially conditioned gender knowledge, the role of the organisation is also essential, since it can lead to the discrimination of women in their professional careers through unreflected reproduction of gendered routines.

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Schlüsselbegriffe

Frauen

Führungskraft

Geschlechtsspezifische Herausforderungen Karriere

Sozialwirtschftliche Organisationen

Keywords

Career Executive

Gender challenges

Social economic organisations Women

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Inhaltsverzeichnis

KURZFASSUNG ... IV

ABSTRACT ... V

SCHLÜSSELBEGRIFFE ... VI

1. EINLEITUNG ...1

2. FORSCHUNGSFRAGE UND ZIELSETZUNG ...3

3. DIE THEORIE DER GENDERED SUBSTRUCTURE“ ...4

3.1 Die Dekonstruktion der geschlechtsneutralen Organisation ...4

3.2 Die vier Ebenen der „Gendered Substructure“ ...6

3.2.1 Erste Ebene - „Organizing Processes― ...6

3.2.2 Zweite Ebene - „Organization Culture― ...7

3.2.3 Dritte Ebene - „Interactions on the Job―...8

3.2.4 Vierte Ebene - „Gendered Identities― ...8

4. DIE BEDEUTUNG VON NETZWERKEN IM KARRIEREVERLAUF ...9

5. DOING GENDER ... 12

5.1 Der Begriff des „Doing gender“ ... 12

5.2 Die Krux mit dem Konstruktionsbegriff... 13

5.2.1 Der interaktionistische Zugang ... 14

5.2.2 Der ethnomethodologische Zugang nach West und Zimmermann ... 14

6. UNDOING GENDER ... 16

7. FÜHRUNGSKRÄFTE IN NON-PROFIT-ORGANISATIONEN ... 19

7.1 Ein kurzer Blick auf die Definition des Begriffs der Führungskraft ... 19

7.2 Besonderheiten des Führens in sozialwirtschaftlichen Organisationen . 21 7.3 Weibliche Führungskräfte im sozialen Sektor... 23

8. KONKLUSION DER THEORETISCHEN ERKENNTNISSE ... 26

9. FORSCHUNGSZUGANG UND METHODIK ... 27

9.1 Das episodische Interview als Erhebungsinstrument ... 27

9.2 Samplingauswahl und Kontaktaufnahme ... 29

9.3 Entwicklung des Interviewleitfadens und Datenerhebung ... 31

9.4 Transkription ... 33

9.5 Datenauswertung ... 34

9.6 Die fünf Schritte der Narrationsanalyse ... 35

9.7 Die konkreten Auswertungsschritte der vorliegenden Arbeit ... 37

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10. DARSTELLUNG DER ERGEBNISSE ... 38

10.1 Vorstellung Interviewpartnerin 1 ... 38

10.2 Vorstellung Interviewpartnerin 2 ... 41

10.3 Vorstellung Interviewpartnerin 3 ... 42

10.4 Fallübergreifende Analyse ... 44

10.4.1 Vereinbarkeit von Beruf und Familie ... 44

10.4.2 Die Bedeutung von Netzwerken und Seilschaften... 47

10.4.3 Motivation und der eigene Fokus als Führungskraft ... 50

10.4.3.1 Probierfeld ... 50

10.4.3.2 Motivation ... 51

10.4.3.3 Fokus... 52

10.4.4 Stellenwert der eigenen Karriere und des Leistungsbegriffs ... 53

10.4.5 Zuschreibungen und Stereotype ... 56

10.4.6 Verhaltensrollen, Verhaltensnormen und Sozialisierung ... 61

10.4.7 Die Rolle der Organisation ... 66

10.4.7.1 Die Spezifika des sozialen Bereichs und die Suche nach Männern ... 69

10.4.7.2 Bewusste Förderung ... 71

10.4.7.3 Frauen fördern Frauen ... 73

11. DISKUSSION DER ERGEBNISSE ... 74

11.1 Geschlechtsspezifische Herausforderungen ... 74

11.1.1 Vereinbarkeit von Familie und Beruf ... 74

11.1.2 Die Bedeutung von Netzwerken ... 76

11.1.3 Der Stellenwert von Karriere und Leistung... 77

11.1.4 Stereotype und Verhaltensnormen ... 78

11.2 Die Rolle der Organisation für den Karriereweg ... 80

12. FAZIT UND AUSBLICK... 83

13. QUELLENVERZEICHNIS ... 85

ABBILDUNGSVERZEICHNIS ... 89 ANHANG ... XC

LEBENSLAUF ... XCII

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1. EINLEITUNG

Führen ist männlich. Auf den ersten Blick betrachtet wirkt diese Aussage stark veraltet in Zeiten von veränderten und einem sich stets weiter entwickelnden Verständnis der Geschlechterrollen, steigendem Bildungs- und Qualifikationsniveau von Frauen sowie Bemühungen, Geschlechterungleichheiten am Arbeitsplatz mit formalen Regelungen wie Frauenquoten in Aufsichtsräten und anderen Leitungsfunktionen in Politik und Wirtschaft entgegenzuwirken. Zahlen belegen jedoch, dass Frauen in Führungspositionen immer noch stark unterrepräsentiert sind. Trotz der Tatsache, dass Ungleichheiten zwischen Männern und Frauen bezüglich Gehalt, hierarchischen Positionen oder beruflicher Separation nach Geschlecht heute durchaus bereits zurückgegangen sind, sind Segregationsprozesse in Organisationen immer noch weit verbreitet und existent (vgl. Acker 2012: 215).1 Eine Datenerhebung aus dem Jahr 2017 zeigte, dass der Frauenanteil innerhalb der Europäischen Union in den Aufsichts- und Verwaltungsräten der größten börsenorientierten Unternehmen innerhalb der EU lediglich bei 25, 3% lag (vgl.

Arbeiterkammer Wien 2018: 2). Im Jahr 2017 lag der Anteil an Frauen in Geschäftsführungen der 200 einkommensstärksten Unternehmen Österreichs bei 7,2%, der Anteil an Frauen in Aufsichtsräten bei 18,1% (vgl. Statista 2018). Ursachen hierfür scheinen vielfältig und um sie verstehen zu können, müssen Organisationen als Strukturen erfasst und analysiert werden.

Bereits in den 70er Jahren untersuchte Rosabeth Kanter in ihrem Werk „Men and Women of the Corporation― den Einfluss der Strukturen großer Organisationen auf das Verhalten ihrer Mitarbeiter*innen (vgl. Epstein 1979: 570). Trotz der damals noch vorherrschenden Ansicht, dass Organisationsstrukturen geschlechtsneutral seien, gelangt Kanter 1977 in ihrer Analyse zu der Annahme, dass Geschlecht auf Grund patriarchaler Relikte auf informeller Ebene weiterwirkt und stereotype Geschlechterrollen den Aufstieg von Frauen in Führungspositionen behindern (vgl. Aulenbacher und Riegraf 2010: 158). Während Organisationen in den Ursprüngen der Organisationsforschung als geschlechts-neutrales Konstrukt gesehen wurden, begegnet die Gender- und Organisationsforschung der letzten Jahre dieser vermeintlichen Geschlechtsneutralität zurecht mit Skepsis und hinterfragt die Rolle, die Organisationen selbst an der Gleich- und Ungleichbehandlung auf Grund des Geschlechts einnehmen und welchen Anteil sie daran haben (Apelt 2015; Erfurt Sandhu

1 Hinweis: in der vorliegenden Arbeit wird mittels Citavi Basis-Stil zitiert

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2014). Joan Acker (2013: 86f.) betont, dass es Zusammenhänge zwischen Organisationsstrukturen und Gendertheorien systematisch zusammenzuführen und zu erfassen gilt, da sie auf verschiedensten Ebenen mit einander verbunden sind und einander bedingen. Organisationsstrukturen, deren Praktiken und Prozesse, tragen maßgeblich zu Geschlechtersegregation am Arbeitsplatz, Einkommensungleichheiten zwischen Männern und Frauen sowie Produktion und Reproduktion von Geschlechterrollen bei. Maja Apelt (2015: 223) verweist auf Forschungsergebnisse, welche ein prinzipiell verankertes Geschlechterwissen feststellen konnten. Dieses Geschlechterwissen wiederum ist durch

„eine Gleichzeitigkeit von Gleichheit und Differenz der Geschlechter gekennzeichnet―

(ebd.) und führt innerhalb von Organisationen zu unterschiedlichen, auch informellen, Verhaltenserwartungen an Männer und Frauen hinsichtlich ihrer Führungsqualität (vgl.

ebd.). Insgesamt wird in vielen Theorien und Studien darauf hingewiesen, dass die Reproduktion von Ungleichheiten zwischen Männern und Frauen nicht unbedingt auf punktuelle Gegebenheiten, sondern vergeschlechtlichte Prozesse zurückzuführen sind.

Joan Acker (2012: 219) hält fest, dass ebenjene Prozesse auf der Kultur einer Organisation aufbauen und durch soziale - auch informelle - Interaktionen reproduziert werden. Die Zu- schreibungen von Weiblichkeit und Männlichkeit müssen als Normen verstanden werden, die für geschlechtertypisches Verhalten, Aussehen, Handeln etc. stehen und immer erst durch Interaktion und Handeln (re-)produziert werden (vgl. Apelt 2015: 220f.). „Die Normen werden getragen von Symbolen, Ideologien, sozialen Gepflogenheiten, Körperbildern und Diskursen, die mit den Kategorien Mann und Frau verbunden werden―

(ebd.: 221).

Chancengleichheit und Geschlechtergerechtigkeit werden in Organisationen im sozialen Sektor und somit auch sozialwirtschaftlichen Organisationen als Selbstverständlichkeit vorausgesetzt und nicht selten als gelebte Normen und Werte im Leitbild verankert. Diese Tatsache soll nicht angezweifelt werden, auf die Geschlechterverteilung auf Führungsebene der sozialen Organisationen bezogen, muss die tatsächliche Gleichberechtigung jedoch in Frage gestellt werden. Denn in der Realität finden sich im sozialen Sektor als stark weiblich dominiertes Berufsfeld, verhältnismäßig wenig Frauen in Führungspositionen wieder.

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Dieser Arbeit voraus geht die Annahme, dass sich auch sozialwirtschaftliche Organisationen trotz ihres Fokus auf Gleichberechtigung, zu wenig und unreflektiert mit dem Thema der sozialisierten und innerhalb von Organisationen reproduzierten Geschlechteridentitäten und stereotypen Verhaltenserwartungen auseinandersetzen und damit den Aufstieg von Frauen in Führungspositionen erschweren.

2. FORSCHUNGSFRAGE UND ZIELSETZUNG

Resultierend aus den in der Einleitung beschriebenen Überlegungen ergibt sich für die vorliegende Arbeit nun folgende Forschungsfrage:

Welche geschlechtsspezifischen Herausforderungen können im Karriereweg weiblicher Führungskräfte sozialwirtschaftlicher Organisationen identifiziert werden und welche Bedeutung kommt hierbei organisationalen Rahmenbedingungen zu?

Ziel der Untersuchung ist es herauszufinden, inwiefern weibliche Führungskräfte mit geschlechtsspezifischen Herausforderungen in ihrem beruflichen Werdegang konfrontiert sind und wie sich diese äußern. In der Analyse der Gespräche sollen nicht nur bewusst wahrgenommene, sondern auch unbewusst stattfindende Prozesse des „Doing gender― und damit der sozialisierten und alltäglich (re-)produzierten geschlechtsspezifischen Zuschreibungen herausgefiltert werden, welche sich auf den Karriereweg von Frauen auswirkt. Ein weiterer Fokus liegt auf der sozialwirtschaftlichen Organisation und der Frage, welche Rolle dabei innerorganisationale Strukturen einnehmen.

Aufbauend auf der wegweisenden Theorie der „Gendered Substructure― von Joan Acker, soll diese in einem ersten Teil der theoretischen Abhandlung dieser Arbeit näher erläutert und vor allem auf die dritte und vierte Ebene - „Interactions on the Job― und „Gendered Identities― - näher eingegangen werden. Anschließend wird ein Überblick über die Bedeutung von Netzwerken bzw. dem Zugang zu Netzwerken in Organisationen in Bezug auf den Aufstieg in Führungspositionen aufgezeigt, wobei verdeutlicht werden soll, wie sich diese bei immer noch anhaltender Geschlechtersegregation auf den Karriereweg von Frauen auswirkt. In einem weiteren Teil werden dann maßgebliche Theorien und Forschungen zu Geschlechterwissen und dem sogenannten „Doing gender― dargelegt. Hier soll die Bedeutung der unbewusst (re-)produzierten Geschlechterrollen herausgearbeitet

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werden um anschließend das Thema des „Undoing gender― im Sinne eines Aufbrechens verankerter binärer Geschlechtsidentitäten darzustellen. Abschließend beschäftigt sich der Theorieteil dieser Arbeit mit den Besonderheiten von Führung in sozialwirtschaftlichen Organisationen.

3. DIE THEORIE DER „GENDERED SUBSTRUCTURE“

Im folgenden ersten Teil soll ein Einblick in die Ursprünge der geschlechtssensiblen Organisationforschung als relativ junges Forschungsfeld gegeben und vor allem die wegweisende Theorie der „Gendered Substructure― vorgestellt werden. Es handelt sich hierbei um wegweisende Forschung und erste Schritte, mit der Idee der geschlechtsneutralen Organisationen zu brechen und aufzuzeigen, dass Unternehmensstrukturen beeinflusst werden von - teils unbewussten - vergeschlechtlichten Substrukturen, die auf Geschlechterrollen zurückzuführen sind.

3.1 Die Dekonstruktion der geschlechtsneutralen Organisation

Während Organisationen in den Ursprüngen der Organisationsforschung als geschlechtsneutrales Konstrukt gesehen wurden, so geriet in den 1970er Jahren vor allem mit Rosabeth Moss Kanters Werk „Men and Women in Corporations― die Idee der Geschlechtsneutralität ins Wanken und wurde mehr und mehr mit Skepsis betrachtet.

Kanter analysiert in ihrer Studie jene Prozesse, welche die Unterrepräsentanz von Frauen in Führungspositionen bedingen und geht davon aus, dass informelle Verhaltensweisen Produkt formaler und struktureller Zwänge sind (vgl. Aulenbacher und Riegraf 2010: 157;

Tonn 2016: 59). Sie argumentiert, dass männerdominierte Bereiche patriarchalen Gesellschaftsstrukturen zugrunde liegen, welche in formalen Organisationsstrukturen reproduziert werden. Dementsprechend vertritt Kanter die Position, dass weniger geschlechterrollenspezifische Sozialisation der Grund für Ungleichheit der Geschlechter in Führungspositionen sind, sondern stellt diese in einen betrieblichen Kontext und ist der Überzeugung, dass es eine Änderung der hierarchischen Gegebenheiten braucht, um die Gleichstellung der Geschlechter am Arbeitsplatz gewährleisten zu können (vgl. Kanter 1976: 415). Rosabeth Moss Kanter führt die Ungleichheit von Männern und Frauen in Organisationen auf rein formale Organisationsstrukturen und nicht auf prinzipielle Unterschiede der Geschlechter zurück.

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In other words, structural position can account for what at first glance appear to be

„sex differences― and perhaps even explain more of the variance in the behavior of women and men. It becomes important to understand how women and men get distributed across structural positions and how this differential distribution affects behavior – not how women differ from men (Kanter 1976: 416).

Wenngleich die Bedeutung ihres Beitrages zu den Anfängen geschlechtssensibler Organisationsforschung unbestreitbar bleibt, so wurde Kanter genau dafür kritisiert, die Bedeutung der Vergeschlechtlichung der Strukturen außer Acht gelassen und somit Gender nicht als Teil bestehender Organisationsstrukturen berücksichtigt zu haben (Erfurt Sandhu 2014). Kanter, die in ihrer Studie Ungleichheiten von Frauen und Männern herausarbeitet, legt den Fokus ihrer Analyse jedoch auf Organisationsstrukturen und nicht auf die Bedeutung geschlechtsspezifischer Charakteristika (vgl. Acker 1990: 140). Joan Acker (ebd.) kritisiert, dass mit Werken wie jenes von Rosabeth Kanter, Organisationsforschung zwar nunmehr Frauen und Geschlechter vermehrt in den Blick genommen werden, sich jedoch nicht ausreichend mit dem Thema der männlichen Prävalenz in Organisationssystemen auseinandersetzt oder versucht Erklärungsansätze hierfür zu bieten.

In ihrem Beitrag „Hierarchies, Jobs, Bodies: A Theory of Gendered Organizations― erklärt Joan Acker 1990 die mangelhafte und späte Auseinandersetzung mit der Bedeutung von Geschlechtern in Organisationen unter anderem damit, dass der Zusammenhang zwischen Männlichkeit und Macht so offensichtlich war, dass es keine Debatte darüber gebraucht hat. Viele der kritischen Auseinandersetzungen, welche sich mit organisationalen Kontroll- und Machtverhältnissen sowie deren Veränderungsmöglichkeiten auseinandersetzten, ließen die Rolle der Frau sowie genderspezifische Effekte komplett außer Acht (vgl. ebd.:

142).

Ein weiterer Kritikpunkt Ackers (ebd.) an damals gängigen Organisationstheorien ist folglich das komplette übergehen der Komponente Sexualität. Um Wege zu einer Gleichstellung zu finden, ist es jedoch notwendig, Sexualität als eines der Kernelemente stereotypen Geschlechterwissens, Genderidentifikation und Geschlechterdiskriminierung zu begreifen. Unterstützt durch Rosabeth Moss Kanters Klassiker „Men and Women in Corporations― wurde die Annahme, Organisationen seien geschlechtsneutrale Konstrukte, mehr und mehr angezweifelt. Der bis dahin gängigen Organisationsforschung, welche sich kaum mit der Rolle der Geschlechter auseinandergesetzt hatte, wurde in den 1980er Jahren mit den Theorien der „Gendered Organizations― begegnet. Geschlecht wird hier als konstituierendes Element jeder Organisationsstruktur und -logik in den Fokus gerückt.

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Wegweisend für die Forschung der „Gendered Organization― war jedenfalls die Theorie der „Gendered Substructure― von Joan Acker, welche nun anschließend näher erläutert werden soll.

3.2 Die vier Ebenen der „Gendered Substructure“

Joan Acker (2012: 215) versucht mit der Theorie der „Gendered Substructure― vor allem der Frage zu begegnen, worauf bestehende Ungleichheiten der Geschlechter beruhen, indem sie die Idee der geschlechtsneutralen Organisation anzweifelte. Neben offensichtlich beobachtbaren Verhalten und Prozessen war Acker (1998: 195) schon früh zu der Überzeugung gelangt, dass dahinterliegende, unbewusste Strukturen existieren, welche Geschlechtersegregation und Ungleichheiten in Organisationen unterstützen und zum Fortbestand männlicher Dominanz und weiblicher Benachteiligung beitragen. Ihre Theorie beruht auf der Annahme, dass das binäre Geschlechterkonstrukt bestimmendes Element jeder Organisation ist und es vergeschlechtlichte Substrukturen offenzulegen gilt, welche hierarchische Geschlechtertrennungen produzieren. Dies ist nur durch die Dekonstruktion der am Arbeitsplatz (re-)produzierten Verhaltensmuster und Praktiken möglich (Erfurt Sandhu 2014; Tonn 2016).

―Gendered Substructure‖ points to often-invisible processes in the ordinary lives of organizations in which gendered assumptions about women and men, femininity and masculinity, are embedded and reproduced, and gender inequalities perpetuated (Acker 2012: 215).

Joan Acker beschreibt hierfür vier Prozesse, durch welche die Bedeutung des Geschlechts wirksam wird und welche im Folgenden näher erklärt und beschrieben werden.

3.2.1 Erste Ebene - „Organizing Processes“

Zunächst nimmt Acker (2012: 215) die Organisationsstrukturen und die damit einhergehende Arbeitsteilung in den Blick.

The gendered substructure is created in the organizing processes in which inequalities are built into job design, wage determination, distribution of decision- making and supervisory power, the physical design of the work place, and rules, both explicit and implicit, for behavior at work (ebd.).

Diese Ebene bezieht sich auf jene Substrukturen, welche hinter formalen Organisationsprozessen liegen und damit eine ständige Konstruktion der Geschlechtertrennung bedeuten sowie Ungleichheiten auf Grund von ungleicher

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Entlohnung, Arbeitsteilung, impliziten und expliziten Verhalten am Arbeitsplatz, Machtverhältnissen und noch vieles mehr produzieren (Erfurt Sandhu 2014). Acker (1998:

197) argumentiert weiter, dass ebenjene Substrukturen zu einer Reproduktion von Geschlechtertrennung zwischen bezahlter Produktionsarbeit und unbezahlter Haushaltsarbeit führen. Der vermeintlich neutrale Aufbau bürokratischer Systeme beinhaltet für sich oft bereits eine Geschlechtersegregation, welche nicht immer auf den ersten Blick erkennbar ist, sondern erst durch den Blick auf tiefergehende Strukturen eine Geschlechtsdiskriminierung erkennen lässt und somit zur Reproduktion sozialer Ungleichheit beitragen (vgl. Tonn 2016: 108). Acker versteht dabei „Geschlecht nicht als Komponente geschlechtsneutraler Organisationsprozesse, sondern als ein konstitutives Element, das alle organisationalen Strukturen, Prozesse und Beziehungen durchdringt―

(vgl. ebd.).

3.2.2 Zweite Ebene - „Organization Culture“

Auf einer zweiten Ebene beschreibt Acker (2012: 216) die Entstehung der „Gendered Substructure― anhand bestimmter Organisationskulturen, welche subjektive Einstellungen zu Geschlechterunterschieden sowie der Gleichstellung der Geschlechter, inkludieren.

―Organization culture is the sum of particular, often time and place specific, images, attitudes, beliefs, behaviors and values‖ (ebd.).

Die Kultur definiert geschlechtsspezifisch erwünschtes und unerwünschtes Verhalten und trägt durch die Vermittlung gewisser Symbole und Bilder zu einer Reproduktion der Geschlechtertrennung bei (vgl. Tonn 2016: 109). Diese Symbole und Bilder werden laut Tonn (ebd.) unter anderem über die Sprache, die Kleidung, die Kultur sowie den Medien verbreitet. Trotz realer Ungleichheiten zwischen Männern und Frauen in Einkommen und Status, glauben Mitarbeiter*innen oftmals an eine Gleichstellung der Geschlechter in ihrer Organisation. Eine Kultur, welche Ungleichheiten nicht verleugnet und nicht dazu beiträgt, diese aufzuzeigen und sichtbar zu machen, verstärkt und reproduziert fehlende Gleichstellung, wodurch mögliche Kulturveränderungen untergraben werden (vgl. Acker 2012: 216).

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3.2.3 Dritte Ebene - „Interactions on the Job“

Auf einer dritten Ebene beschreibt Acker die Produktion und Reproduktion der sozialen Ungleichheit zwischen den Geschlechtern durch Interaktionen von Männern und Frauen am Arbeitsplatz.

The gendered substructure is also produced and reproduced in interactions on the job between colleagues and between those at different levels of power […]. Such interactions may reinforce equality, but they are often the site of affirmation of inequality (ebd.).

Geschlecht macht sich hier in alltäglichen Interaktionen der Organisationsmitglieder dadurch geltend, dass sich diese als Männer und Frauen wahrnehmen und ansprechen (vgl.

Aulenbacher und Riegraf 2010: 162). Vor allem in männerdominierten Gruppen werden Frauen oft benachteiligt oder komplett exkludiert (vgl. Acker 2012: 216). Durch geschlechtsspezifisches (Sprach-)Verhalten werden oftmals Stereotype und Sexismus gelebt und transportiert. Diese durch das Sprachverhalten vermittelte Dominanz der Männer und Unterdrückung der Frauen geschieht mitunter nicht mehr offenkundig, wird jedoch unterbewusst auf Grund von Entscheidungen über Themenwahl, den Sprachwechsel und Unterbrechungen reproduziert (vgl. Tonn 2016: 109).

3.2.4 Vierte Ebene - „Gendered Identities“

Abschließend beinhaltet die Theorie der „Gendered Substructure― laut Acker (2012: 216) die individuelle Geschlechtsidentität, welche einerseits auf Grund des eigenen sozialisierten Geschlechterwissens besteht und somit im Tun und Handeln innerhalb der Organisation transportiert wird und andererseits gerade erst durch den Arbeitsplatz selber konstruiert wird.

What does it mean to be a man or a woman? How does a man or a woman act on the job? Gender identities are formed and changed as women and men participate in the work processes that produce other aspects of the gender substructure (ebd.).

Diese Ebene beschreibt die Bedeutung geschlechtsspezifischer und stereotyper Verhaltenserwartungen an Männer wie Frauen, welche es zu erfüllen oder sich anzupassen gilt, um Stigmatisierung und Exklusion zu vermeiden (Erfurt Sandhu 2014). Es handelt sich hierbei um das Einhalten gewisser Rollenkonformitäten, um sich und andere durch äußere Erscheinung, Verhaltensweisen und Handlungen einem Geschlecht zuordnen zu können (vgl. Tonn 2016: 109).

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Acker (2012: 216) arbeitet hier die Herausforderungen vieler Frauen in Führungspositionen und die damit verbundenen geschlechtsspezifischen Anforderungen heraus. Mittlere und obere Managementebene waren und sind ein von Männern dominierter Bereich, weshalb gesellschaftliche Normen Frauen oftmals ein Verhalten diktieren, welches auch „manage like a man― genannt wird und somit an Frauen in Leitungspositionen eine Doppelbotschaft sendet, der diese nicht gerecht werden können.

Agieren Frauen stereotypisch männlich, werden sie oft als zu dominant und zickig erlebt, agieren sie stereotypisch weiblich, so wird ihnen oft Schwäche und fehlendes Durchsetzungsvermögen unterstellt (vgl. ebd.). Es ist jedoch festzuhalten, dass die Ansprüche an Führungspositionen im Wandel der Zeit stetiger Veränderung unterliegen und unter anderem um jene Faktoren der Empathiefähigkeit und einer unterstützenden Leitung erweitert wurden. Eigenschaften, welche immer noch als stereotypisch weiblich bezeichnet werden (vgl. ebd.).

Da das Forschungsinteresse der vorliegenden Arbeit darin besteht, herauszuarbeiten, welche geschlechtsspezifischen Herausforderungen im Karriereweg weiblicher Führungskräfte sozialwirtschaftlicher Organisationen identifiziert werden können und welche Bedeutung hierbei organisationalen Rahmenbedingungen zukommen, soll weiterführend ein vertiefender Fokus auf die dritte und vierte Ebene der „Gendered Substructure― gelegt werden. Im nächsten Teil wird dementsprechend ein Überblick über die Bedeutung von Interaktionen am Arbeitsplatz und damit verbundenen Netzwerkzugehörigkeiten gegeben. Die vierte Ebene, welche Geschlechterwissen und Geschlechtsidentifikation umfasst, soll ob ihrer Komplexität und hohen Bedeutung in einem eigenen Teil unter dem gemeinhin bekannten Terminus des „Doing gender―

aufgearbeitet und näher erläutert werden.

4. DIE BEDEUTUNG VON NETZWERKEN IM KARRIEREVERLAUF

Wie auch die Organisationsforschung lange Zeit die Bedeutung und Rolle der Geschlechter vernachlässigte, so wurde sich auch in der Netzwerkforschung noch recht wenig mit dem Thema der geschlechtsspezifischen Unterschiede in Netzwerken auseinandergesetzt. Jene Studien, die Gender und Geschlechterungleichheiten zum Thema machen, zeigen jedoch auf, dass Frauen von Netzwerken am Arbeitsplatz nicht im gleichen Maße profitieren, wie dies Männer tun (vgl. Benschop 2009: 217).

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Besonders den informellen Prozessen sozialer Netzwerke am Arbeitsplatz kommt hier spezielle Bedeutung zu, da diese mitunter starke Geschlechtersegregation beinhalten und sich erheblich auf den Karriereweg und damit auch den Aufstieg in Führungspositionen auswirken. Begründet wird dies vor allem durch Ressourcen- und Informationsvorteile, welche soziale Beziehungen mit sich bringen und oft auch Status, Macht und Einfluss innerhalb der Organisation erhöhen (vgl. Tonn 2016: 123).

Netzwerke können den Zugang zu Ressourcen und Positionen regulieren, sie liefern Unterstützung, verbessern den Ruf und beeinflussen die Wahrscheinlichkeit und Geschwindigkeit der eigenen Beförderung (Erfurt 2012: 20).

In Bezug auf die Bedeutung der informellen Prozesse für den Karriereweg von Mitarbeiter*innen verweist Jane Tonn (ebd.: 122) weiters auf Studienergebnisse, welche zeigen, dass Jobvergaben auch auf höherer Managementebene oft auf persönlichen Kontakten basieren und informelle Kontakte einen großen Einfluss auf Personalentscheidungen haben. In einer groß angelegten Studie von gemeinnützigen Organisationen, zeigen Beher et al. (2008: 151) auf, dass in Bezug auf den Rekrutierungsweg innerhalb der Organisationen, interne Zugangswege stark überwiegen.

Vor allem die Rekrutierung durch Ansprache und aktives Zugehen von Führungskräften auf Mitarbeiter*innen wurde von den Befragten verhältnismäßig oft genannt, wodurch die Einbettung in soziale und berufliche Netzwerke für den Karriereverlauf und den Aufstieg in eine Führungsposition wesentlich zu sein scheint (vgl. ebd.; Müller 2014: 104). Dies ist für den Frauenanteil in Führungspositionen insofern relevant, als Organisationsforschung durchaus einen Zusammenhang „zwischen informalen Interaktionsnetzwerken und der Reproduktion von Geschlechterungleichheit und -hierarchie― (Tonn 2016: 129) erkennt.

Gleichzeitig formieren sich auf Führungsebene häufig sogenannte Männerbünde, da diese Ebenen immer noch stark männlich dominiert sind. Eine geringere Einbindung von Frauen in berufsrelevante Netzwerke stellt dementsprechend einen großen Nachteil in Bezug auf deren Karriereentwicklung dar (vgl. ebd.: 130). Im Gegensatz zu Männern sind Frauen kaum in männlich dominierte, relevante Bündnisse miteingebunden, wodurch sie an Einfluss und Aufstiegsmöglichkeiten zu verlieren scheinen. Für sie sind enge Beziehungen zu hierarchisch höheren Positionen notwendig, um selber gesehen zu werden und aufsteigen zu können (Erfurt 2012: 21).

Ein weiterer Erklärungsansatz für die sogenannten „old boy networks― (vgl. Benschop 2009: 220), welchem ein wesentlicher Einfluss auf die Karrierelaufbahn von Frauen unterstellt wird, findet sich auch in Untersuchungen in Bezug auf die Homophilie von

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Netzwerken. Männer tendieren eher zu geschlechterhomophilen Netzwerken als Frauen dies tun und dies insbesondere in Bereichen, welche prinzipiell von Männern dominiert werden (vgl. Tonn 2016: 130). In diesem Zusammenhang sehr spannend sind die Ergebnisse einer von Jane Tonn (2016: 178) durchgeführten Untersuchung, welche aufzeigen, dass insbesondere der Aufstieg ins Top-Management ein gut ausgebautes Netzwerk sowie persönliche Kontakte bedürfen wobei eine „große soziale Ähnlichkeit [...]

dabei den Zugang in informelle Gruppierungen [erleichtere]― (ebd.).

In Konklusion dieser zusammengefassten Ergebnisse, kann davon ausgegangen werden, dass es mehr Frauen in Spitzenpositionen braucht, damit wiederum Frauen von den informellen Netzwerken, welche einen hohen Einfluss auf den Karriereverlauf zu haben scheinen, profitieren und beruflich aufsteigen können. Für die Problematik der schlechteren Vernetzung von Frauen werden unterschiedliche Erklärungsansätze angeführt.

Einerseits unterliegen berufstätige Mütter mit jungen Kindern gewissen Einschränkungen in Bezug auf ihren Zeit- und Energiereserven, welche wiederum einen „negativen Einfluss auf die Größe und das Kontaktvolumen ihrer persönlichen Netzwerke haben― (ebd.: 180).

Dieser Erklärungsansatz bezieht sich also auf die typische Rollenverteilung der Familienarbeit, welche immer noch stark weiblich geprägt ist. Andererseits zeigen Ergebnisse der von Jane Tonn (2016: 181) durchgeführten Studie weiters auf, dass Frauen oftmals die Bedeutung informeller Kontakte für ihren Karriereweg nicht so stark bewusst sind. Begründet wird dies dadurch, dass Frauen dem Erbringen von Leistung größeren Stellenwert zusprechen als dem Weiterkommen durch persönliche Beziehungen.

Erschwerend kommt hinzu, dass Frauen das spielerische Kontakteknüpfen sowie der strategische Einsatz dieser Kontakte für den eigenen Gebrauch deutlich schwerer fällt als ihren männlichen Kollegen (vgl. ebd.).

Zusammenfassend kann gesagt werden, dass informelle Netzwerke und persönliche Beziehungen unerlässlich für den Aufstieg in höhere Managements- und Leitungsfunktionen sind, Frauen in bezug auf die Einbindung dieser Netzwerke und somit deren positive Einfluss auf den Karriereweg, stark benachteiligt sind.

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5. DOING GENDER

Es soll nun in einem nächsten Schritt der Begriff und die damit verbundenen Studien und Debatten des „Doing gender― näher erläutert und analysiert werden. Dies ist für das Forschungsvorhaben insofern relevant, als es sich hierbei um Dekonstruktion „typisch männlichen, typisch weiblichen― Verhaltens auf Grund des biologischen Geschlechts handelt und gleichzeitig die Bedeutung der - auf Grund unserer Sozialisierung - verankerten Verhaltensweisen aufzeigt, welche wir in unseren täglichen Interaktionen produzieren und reproduzieren und damit wiederum in uns verfestigte stereotype Verhaltensmuster weitertragen.2

Das Konzept des „Doing gender― [...] besagt im Kern, dass Geschlechtszugehörigkeit und Geschlechtsidentität als fortlaufender Herstellungsprozess aufzufassen sind, der zusammen mit faktisch jeder menschlichen Aktivität vollzogen wird und in den unterschiedlich institutionelle Ressourcen eingehen (Gildemeister 2008: 172).

Auf Grund der mittlerweile stark inflationären Verwendung des Begriffs, soll zunächst ein Überblick über dessen Entstehung gegeben und anhand aktueller Debatten und Forschungen der Begriff der Konstruktion analysiert werden. Danach folgt ein Überblick über den interaktionstheoretischen Zugang, um die Bedeutung von Interaktionen für das soziokulturelle Geschlechterverständnis aufzuzeigen. Abschließend wird auf den Begriff des „Undoing gender― und damit dem Aufbrechen stereotyper Strukturen und Verhaltensweisen eingegangen, welcher vor allem innerhalb des organisationalen Arbeitskontextes erfasst werden soll.

5.1 Der Begriff des „Doing gender“

In der Geschlechterforschung wird der Begriff des „Doing gender― verwendet, um sozial konstruiertes Geschlecht und damit sozial konstruiertes Geschlechterverhalten von einem biologischen Geschlecht („sex―) abzukoppeln. Das Ziel ist es, „Geschlecht bzw.

Geschlechtszugehörigkeit nicht als Eigenschaft oder Merkmal von Individuen zu betrachten― (ebd.: 167), und in diesem Sinne, das biologische Geschlecht nicht immer dem

2 Es soll hiermit darauf hingewiesen werden, dass vor allem im Zuge der „Doing gender― Zugänge, der Thematik des Transgender eine große Bedeutung zukommt. Dieses Thema wird auf Grund der Forschungsfrage der vorliegenden Arbeit nicht behandelt, da es den Rahmen dieser Masterarbeit überschreiten würde.

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Verhalten voranzustellen, sondern umgekehrt, Geschlecht und Geschlechtsidentität als Resultat sozialer Prozesse und Interaktionen zu erfassen (vgl. ebd.).

Bereits in den 50er Jahren wurde im anglosächsischen Raum zwischen den Begriffen des biologischen Geschlechts („sex―) und des kulturell geprägten Geschlechts („gender―) unterschieden, wobei hier der Weg für die Frauenforschung geebnet wurde, binäre Geschlechtsunterschiede zwischen Männern und Frauen nicht auf unveränderbare biologische und in dem Sinne natürliche Unterschiede zurückzuführen, sondern als Ergebnis von Geschichte und kultureller Gegebenheiten zu verstehen (vgl. ebd.: 169;

Gildemeister und Wetterer 2017: 23). Auch aus einem ethnomethodologischen Ansatz heraus, besteht Geschlecht und Geschlechteridentität bzw. Geschlechtszugehörigkeit nicht a priori, als „angeboren―, sondern entsteht erst durch ständige Interaktionen (vgl. Kelan 2010: 179). „Gender― gilt somit

als erworbener Status, von den sozial und kulturell geprägten

„Geschlechtscharakteren―, die im Verlauf von Sozialisierungsprozessen angeeignet werden und die mit der geschlechtsspezifischen Arbeitsteilung korrespondieren, auf deren Erfordernisse hin sie strukturiert sind (Gildemeister und Wetterer 2017: 24).

5.2 Die Krux mit dem Konstruktionsbegriff

Sowohl Angelika Wetterer (2010: 129) als auch Regine Gildemeister (2008: 169f.) verweisen auf die Problematik der inflationären und vor allem unterschiedlichen Verwendung des Konstruktionsbegriffs im Sinne der „Geschlechtskonstruktion―. Dies soll im Sinne der Vollständigkeit in diesem Kapitel lediglich kurz skizziert und die Conclusio daraus zusammengefasst werden. Es wird darauf aufmerksam gemacht, dass unterschiedliche konzeptionelle Ansätze oftmals auf unterschiedlichen theoretischen Grundlagen basieren und somit der Begriff der Konstruktion im jeweiligen Verwendungszusammenhang betrachtet werden muss.

Kritisiert wird vor allem die vermeintliche Homogenität der Begriffsverwendung, welche bei genauerer Analyse in den unterschiedlichen theoretischen Zugängen und Bezugsrahmen jedoch stellenweise große Unterschiede und damit einen stark heterogenen Gebrauch aufweist (vgl. Wetterer 2010: 129). Dies hat zur Folge, dass die Frauen- und Geschlechterforschung von einer einheitlichen Theorie der Geschlechterkonstruktion weit entfernt ist (vgl. ebd.). Eine der Gründe hierfür sieht Gildemeister (2008: 171) auch im politischen Kontext, innerhalb dessen konstruktionstheoretische Perspektiven bezogen auf

„Geschlecht― entstanden sind. Den differenten Ansätzen gemein ist jedenfalls, „dass sie

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aus den unterschiedlichsten Perspektiven die Frage nach der Relationierung von Natur und Kultur in Bezug auf die Kategorie Geschlecht neu aufwerfen― (ebd.). Mit dem interaktionistischen und ethnomethodologischen Zugang werden nun im folgenden Kapitel zwei Betrachtungs- und Herangehensweisen vorgestellt, welche in der Forschung des

„Doing gender― von wesentlicher Bedeutung sind.

5.2.1 Der interaktionistische Zugang

Wie zuvor bereits dargestellt, sieht der interaktionstheoretische Zugang Geschlechtszugehörigkeit und Geschlechtsidentität als Resultat komplexer sozialer Prozesse und stellt sich somit gegen die lang geglaubte Theorie, biologisches Geschlecht determiniert die Unterschiede im männlichen und weiblichen Geschlechterverhalten und menschlichen Handeln (vgl. ebd.: 172). In diesem Sinne produzieren und reproduzieren wir in uns verankertes Geschlechterwissen ständig in der unmittelbaren Interaktion mit anderen Menschen. Gildemeister (ebd.) macht darauf aufmerksam, dass etliche Missverständnisse in der Geschlechterdebatte daraus entstehen, dass dem Begriff der Interaktion im Sinne des sozialwissenschaftlichen Kontextes nicht die damit gemeinte Bedeutung zukommt. Es wird im alltäglichen Leben zumeist davon ausgegangen, dass wir es in der Regel mit einer vorsozial kategorisierten männlichen oder weiblichen Person zu tun haben und dementsprechend miteinander umgehen. Der interaktionstheoretische Zugang geht hingegen davon aus, dass Interaktion per se „einen formenden Prozess eigener Art darstellt, Zwänge impliziert, in die die Akteure [sic!] involviert sind und denen sie nicht ausweichen können― (ebd.), wobei einer dieser Zwänge die Kategorisierung in Mann und Frau beinhaltet und die Geschlechtszugehörigkeit dementsprechend zentral ist (vgl. Gildemeister 2008: 172; Kelan 2010: 179).

5.2.2 Der ethnomethodologische Zugang nach West und Zimmermann

Eine für die die „Doing gender― Forschung wesentliche und immer wieder rezensierte Theorie ist jene von Candace West und Don H. Zimmermann. Ethnomethodologie beschäftigt sich mit der Analyse situativen Verhaltens, um herauszufinden, wie vermeintlich objektive oder neutrale Gegebenheiten - wie beispielsweise stereotype Zuschreibungen der beiden Geschlechterrollen - überhaupt erst zu diesen werden. Dies wiederum liegt der Annahme zugrunde, dass das soziale Leben und die Welt durch Interaktionen geschaffen wird (vgl. Kelan 2010: 178).

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West und Zimmermann legten nun mit ihrem im Jahre 1987 publizierten Artikel „Doing gender― den Grundstein für ebenjenes Konzept. Nicht unwichtig zu erwähnen ist in diesem Zusammenhang jedoch auch die Tatsache, dass sich die beiden Autoren über 10 Jahre darum bemühen mussten, ein Medium zu finden, welches den Artikel veröffentlicht (vgl.

West und Zimmerman 2009: 112). Ausgangspunkt ihrer Überlegungen war eine 19jährige Frau namens Agnes - ursprünglich als Mann geboren und aufgezogen - welche sich in Los Angeles einer operativen Geschlechtsumwandlung unterzog und weiterführend jene Herausforderungen, welchen Agnes vor und nach der Operation begegneten, um zu beweisen, dass sie „wirklich― eine Frau ist und auch als solche lebt bzw. leben möchte.

Wesentliche Schwierigkeit war für sie vor allem die gesellschaftliche Komponente der Weiblichkeit und damit das Zurechtfinden in sozialen Anforderungen an das Frau-Sein, mit welchen Mädchen von Geburt an konfrontiert und erzogen werden.

Agnes had to consciously contrive what the vast majority of women do without thinking. She was not ―faking" what "real" women do naturally. She was obliged to analyze and figure out how to act within socially structured circumstances and conceptions of femininity that women born with appropriate biological credentials come to take for granted early on. […] Agnes's case makes visible what culture has made invisible - the accomplishment of gender (Fenstermaker 2002: 8).

Als Resultat ihrer Untersuchung definierten West und Zimmermann (2009: 113f.) mit sex, sex categorization und gender drei Kategorien, um Geschlecht als soziales Konstrukt erfassen zu können. Während sex das biologische Geschlecht umfasst, so verstehen West und Zimmermann unter der Kategorie der sex categorization die sozialen und gesellschaftlichen Zuschreibungen an Geschlechter, welche beispielsweise Kleidung, Sprache, Verhalten etc. umfassen. Das Verhältnis zwischen sex categorization und gender umfasst die eigene offensichtliche und nach außen erkennbare Geschlechtszuschreibung - ich verhalte und kleide mich beispielsweise „typisch männlich―, „typisch weiblich― - bei gleichzeitiger Verpflichtung und eigener Verantwortung, dies den jeweiligen kulturellen Verhaltensnormen und gesellschaftlichem Kontext anzupassen. „We conceptualized this as an ongoing situated process, a ‗doing‘ rather than a ‗being‘― (ebd.: 114). Dies bedeutet also, dass Geschlecht hier nunmehr kein zugeschriebener Zustand ist, sondern vielmehr einen eigens erreichten Status darstellt. Dies wird möglich, indem - folgend der sex categorization - Männlichkeit und Weiblichkeit nicht mehr als natürlich angeborenes Personenmerkmal der Individuen zu sehen sind sondern diese vielmehr durch zwischenmenschliche Interaktionen und aktives Herstellen im jeweiligen kulturellen Kontext konstruiert und definiert werden (vgl. ebd.). Das eigene Tun und Handeln wird

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daher im Alltag an die vorherrschenden Normen und Vorstellungen von Männern und Frauen angepasst und ist somit die ständige, aktive Herstellung von Geschlecht. West und Zimmermann sind davon überzeugt, dass diese ständige Herstellung von Geschlecht, im Sinne des „Doing gender― unumgänglich ist.

It is unavoidable because of the social consequences of sex category membership:

the allocation of power and resources not only in the domestic, economic, and political domains but also in the broad arena of interpersonal relations (Fenstermaker 2008: 21).

Problematisch hierbei ist jedoch die bereits erwähnte Anpassung an gesellschaftlich und kulturell vorgegebene Verhaltensnormen und dem jeweiligen Verständnis von Männlichkeit und Weiblichkeit. Hierdurch werden im Prozess des „Doing gender― folglich vorherrschende Kategorien und Systeme immer wieder reproduziert. Wird sich diesem System nicht angepasst, drohen individuelle Konsequenzen wie Diskriminierung und gesellschaftlicher Ausschluss (vgl. ebd: 22). West und Zimmermann (vgl. ebd.) machten sich auch Gedanken darüber, wie diese ständige Reproduktion aufgebrochen werden kann und verwiesen auf Soziale Bewegungen wie den Feminismus, welche existierende Ordnungen und Ideologien in Frage stellen und jene Menschen, welche alternative Konzepte leben, sozial auffangen.

Gender is a powerful ideological device that produces, reproduces, and legitimates the choices and constraints that are predicated on sex category. An understanding of how gender is produced in social situations will afford clarification of the interactional scaffolding of social structure and the social control processes that sustain it (ebd.: 23).

Ganz im Sinne des Aufbrechens sozialer Normen und der Hinterfragung immer weiter bestehenden Reproduktion bestehender Stereotypen, wird im nächsten Kapitel das Konzept des „Undoing gender― näher erläutert, welches in den letzten Jahren mehr und mehr diskutiert wurde. Es geht hierbei um die Idee, vorhandene Geschlechtsunterscheidungen zu neutralisieren und klare - gesellschaftlich diktierte - Kategorisierungen zu inaktivieren und überflüssig zu machen.

6. UNDOING GENDER

Während der „Doing Gender― Zugang vermehrt Einzug in die Organisationsforschung findet, werden in Literatur und Forschung der letzten Jahre weiterführend zunehmend Überlegungen zu „Undoing gender― und deren unterschiedlicher theoretischer Ansätze diskutiert (vgl. Kelan 2010: 174). Diese Theorien sind insofern relativ ungewöhnlich und

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schwer greifbar, als dass sie sich mit der Überlegung beschäftigen, was passiert, wenn Geschlecht und Geschlechterrollen kein zentrales Element unseres gesellschaftlichen Lebens mehr sind (vgl. ebd.: 182).

In ihrem Text „Gender Logic and (Un)doing gender at work― diskutiert Elisabeth Kelan (ebd.: 176) den Ansatz des „Doing gender― im Arbeits- und Organisationskontext und verweist auf Wissenschaftler*innen, welche die Möglichkeit des „Undoing gender― im Arbeitskontext nahelegen, sobald verstanden wird, wie genau „Doing gender― ebendort genau funktioniert und entsteht. Die Annahme des „Undoing gender― basiert nun auf zwei unterschiedlichen Zugängen. Einerseits auf der bewussten Wahrnehmung und dem Eingeständnis einer Geschlechterbinarität und andererseits auf dem Bewusstsein bzw. der Überzeugung dessen, dass diese Binarität aufgebrochen und somit aufgelöst werden kann (vgl ebd.: 182). Der ethnomethodologische Zugang hierfür besteht darin, dass er Geschlecht und geschlechtsspezifische Rollenzuschreibung als fixen Bestandteil unseres alltäglichen Handelns in unserer sozialen Teilhabe sieht und dies ständig beeinflusst. Eine Veränderung kann in diesem Sinne nur dann stattfinden, wenn die binäre Geschlechtskategorisierung an Wichtigkeit verliert bzw. der vorherrschenden Geschlechterordnung ihre Bedeutsamkeit und Dimension abgesprochen wird. Dies, so die Theorie, ist jedoch nur durch einen kollektiven sozialen Wandel und weniger auf verändertes individuelles Handeln zu erreichen (vgl. ebd.: 182). Stefan Hirschauer (2014:

183) argumentiert hingegen die Möglichkeit, diese Indifferenzen ruhen zu lassen und offen für die Möglichkeit zu sein, dass diese nicht „geschehen―. Für ihn besteht die Gefahr der zu starken Fokussierung auf Geschlechter innerhalb der Geschlechterforschung und damit das übersehen von jenen Situationen, in welchen Geschlecht eventuell eben keine primäre Rolle spielt (vgl. Kelan 2010: 183). In dem Text „Das Vergessen des Geschlechts― setzt sich Hirschauer (2001) mit dem Gegenstand des Relevanzverlusts von Geschlecht im sozialen Kontext auseinander. Auch er verweist auf die Rolle von Sprache, Bildern und vor allem auf die Rolle der Interaktionen in Bezug auf die Produktion von Geschlechterzugehörigkeit und Geschlechtskategorisierung. „Die visuelle und sprachliche Dauerpräsenz des Geschlechts bilden seine basale Institutionalisierung― (Hirschauer 2001:

214). Er argumentiert nun, dass die omnipräsente Geschlechterdifferenz zwar immerzu relevant sein kann, jedoch nicht in jeder Situation relevant sein muss bzw. in jeder Situation auch „geschieht―. Die eigene Geschlechtszugehörigkeit schließt eine Geschlechtsneutralität nicht aus, wenn davon ausgegangen wird, dass das ständige

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Bewusstsein und die omnipräsente Geschlechterdarstellung die notwendigen Kategorisierungen und Zuschreibungen in Interaktionen vergessen lassen. „Das Wissen von der Geschlechtszugehörigkeit kann im Verlauf der Interaktion risikolos vergessen werden, eben weil es durch die Darstellung ihrer Teilnehmer [sic!] gespeichert wird―

(Hirschauer 2001: 216). In diesem Sinne meint „Undoing gender― also ein aufbrechen der ständigen Geschlechtskategorisierung, die zwar notwendig erscheint, jedoch auf Grund ihrer omnipräsenten Selbstverständlichkeit in Interaktionen in den Hintergrund rückt und somit auch an Bedeutung in unserem Handeln verliert. Dies bedeutet jedoch auch, dass Geschlecht immer eine Relevanz in unserem Denken und Handeln hat und haben wird. Es fehlt an Ansätzen, die eine postmoderne Gesellschaft sieht, welche Geschlechtsidentität und Geschlechtszugehörigkeit komplett aufhebt und somit Grundlage einer vollständigen Geschlechtsneutralität in unseren sozialen Interaktionen sein kann.

Einen anderen Zugang erläutert Judith Butler (2004: 2ff.) in ihrem wegweisenden Werk

„Undoing gender―. Sie ist der Meinung, dass Menschen eine natürliche Sehnsucht danach haben, als menschliches Wesen anerkannt zu werden, wobei dies die Anpassung und das Mitmachen an restriktiven sozialen Normen implementiert, da sonst die gesellschaftliche Akzeptanz fehlt. Dementsprechend ist auch eine Unter- und Einordnung in das vorherrschende binäre Geschlechtssystem notwendig. Butler argumentiert nun jedoch, dass ein Aufbrechen dieser normativen Vorgaben und Zuordnungen sehr wohl möglich ist und eine rein binäre Kategorisierung durch Transgender bereits in Frage gestellt wird.

Immerhin haben sich die Kategorisierungen der Männlichkeits- und Weiblichkeitsbegriffe historisch immer schon im Kontext sozialer und politischer Veränderungen entwickelt (vgl. Kelan 2010: 186; Butler 2004: 10). Auch wenn diese transformativen Haltungen nicht außerhalb der binären Logik und Kategorisierung stattfinden, so stören und hinterfragen sie diese doch wesentlich. Prinzipiell entstehen und entwickeln wir uns auf Grund geltender Geschlechternormen. Gleichzeitig können diese Normen jedoch aufgebrochen werden, indem die Natürlichkeit der Genderbinarität beispielsweise durch Transidentitäten widerlegt wird und Geschlecht dementsprechend vielfältigere Bedeutungen annimmt, welche mehrere gesellschaftlich akzeptierte Identitäten beinhaltet (vgl. ebd.).

Die Darstellung und Diskussion der unterschiedlichen „Undoing gender― Theorien und Ansätze, sollte nun nochmals aus einem anderen Blickwinkel die Bedeutung der geltenden binären Geschlechtskategorisierung aufzeigen. Die Idee der kompletten - zumindest

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sozialen - Geschlechtsneutralität scheint utopisch. Das Ziel einer Dekonstruktion des binären Geschlechtersystems durch das Zulassen multipler Geschlechteridentitäten, sowie dessen Aufbrechen durch den Relevanzverlust von Geschlechterzuschreibungen im sozialen Kontext, scheinen aber jedenfalls möglich.

Nachdem nun mit der Vorstellung der „Gendered Substructure― sowie der „Doing gender―

und „Undoing gender― Ansätze ein Schwerpunkt auf die Bedeutung der Produktion und Reproduktion binärer Geschlechterrollen und Geschlechternormen gegeben wurden, liegt der Fokus des anschließenden Teils auf dem Bereich der Führungskräfte in sozialwirtschaftlichen Organisationen. Da es die Intention der vorliegenden Arbeit ist, geschlechtsspezifische Herausforderungen im Karriereweg von Frauen sozial- wirtschaftlicher Organisationen zu identifizieren, wird nun Begriff der Führungskraft näher definiert, sowie bereits bestehende Forschungserkentnisse zu den Besonderheiten des Führens in sozialwirtschaftlichen Organisationen und weiblichen Führungskräften im sozialen Sektor vorgestellt.

7. FÜHRUNGSKRÄFTE IN NON-PROFIT-ORGANISATIONEN

Das Bild einer „typischen― Non-Profit-Organisation und damit einer „typischen―

sozialwirtschaftliche Organisation zu zeichnen, ist vor allem auf Grund der Heterogenität ihrer Felder und dieses speziellen Sektors kaum möglich (vgl. Simsa 2013: 360). Während sich profitorientierte Unternehmen relativ eindeutig an ihrem klaren Hauptziel der Profitmaximierung orientieren können, scheinen NPOs aufgrund der komplexen und vielseitigen Anforderungen in hohem Maße organisationalen Widersprüchen ausgesetzt zu sein, wobei der Umgang mit den eigenen Zielen, Normen und Spielregeln bestimmend ist (vgl. Müller 2014: 150).

Im folgenden Kapitel wird nun die speziellen Herausforderungen an Führungskräfte in sozialwirtschaftlichen Organisationen herausgearbeitet. Weiterführend wird im Sinne der Forschungsfrage der vorliegenden Arbeit vertiefend auf die Situation von Frauen in Führungspositionen sozialwirtschaftlicher Organisationen eingegangen.

7.1 Ein kurzer Blick auf die Definition des Begriffs der Führungskraft

Es scheint in der Literatur unendlich viele Definitionen des Begriffs der Führungskraft zu geben, wobei das Thema nicht an Aktualität verliert und immer wieder Gegenstand neuer

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Forschungen ist. Je nach Schwerpunkt, Theorie und Zugang können die vorhandenen Definitionen durchaus variieren. Im Englischsprachigen Raum wird Führungskraft oft gleichgesetzt mit Management und Leadership. Im Kontext dieser Arbeit wird der Vollständigkeit halber nur ein grober Überblick darüber gegeben, was gemeinhin unter dem Begriff der Führungskraft verstanden wird.

Der Begriff der Führungskraft ist kein Rechtsbegriff, sondern entstammt ursprünglich der Organisationstheorie. Eine Führungskraft bezeichnet dort eine Person, die Führungsaufgaben in einer Organisation (etwa einem Unternehmen) wahrnimmt, wobei es sich bei der Führung um eine von mehreren Aufgaben wie zum Beispiel Planung, Organisation und Kontrolle handelt (Besgen 2012: 1).

Ursula Müller (2014: 25) erklärt auf Basis ihrer theoretischen Erkenntnisse unter anderem, dass Führung immer dort auftritt, wo Personen miteinander über Interaktion verbunden sind und Handlungsbedarf weiters immer dann besteht, wenn Menschen im Sinne einer gemeinsamen Zielerreichung der Koordination bedürfen. Der Ansatz der Führung im organisationalen Kontext beispielsweise sieht Führung immer auch aus zwei Perspektiven.

Einerseits aus der Perspektive der Führungskraft und andererseits aus jener der Geführten und unterscheidet damit den Prozess der Beeinflussung vom Prozess der Wahrnehmung (vgl. Özbek-Potthoff 2014: 3). Führungskraft zu sein bedeutet im organisationalen Zusammenhang sicherlich den Spagat zu schaffen zwischen Interessen der Organisation und Interessen der unterstellten Mitarbeiter*innen, welche es best möglich zu motivieren gilt, um die vom Unternehmen vorgelegten Ziele zu erreichen. Auch Chemers et al. (1995:

157) weisen darauf hin, dass Führungskräfte in Bezug auf Erfolg oder Misserfolg eines Unternehmens von enormer Bedeutung sind.

Leaders serve to coalesce, coordinate, and deploy the collective resources of the group to achieve a mission or reach a goal. Organizational diversity adds additional challenges to the already considerable demands on leaders (ebd.).

Ein anderer Ansatz, um sich der Begrifflichkeit der Führungskraft zu nähern, ist die Frage der Abgrenzung bzw. der Identifikation von Führungskräften. Walter Oechsler und Christopher Paul (2019: 288) stellen unterschiedliche Identifikationsmöglichkeiten dar, wobei sie das einzig sichere Kriterium im Organigramm sehen.

Sind einem Mitarbeiter [sic!] weitere Mitarbeiter [sic!] zugeordnet, so verfügt er [sic!] über fachliches und/oder disziplinarisches Weisungsrecht. Das fachliche Weisungsrecht bezieht sich auf die Befugnis, Art und Weise der Aufgabenerfüllung der zugeordneten Mitarbeiter [sic!] zu bestimmen. Das disziplinarische Weisungsrecht bezieht sich insb. auf die rechtliche Ausgestaltung des Arbeitsverhältnisses (ebd.).

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In diesem Sinne werden in der vorliegenden Arbeit ganz allgemein unter Führungskräften jene Personen verstanden, die innerhalb eines Unternehmens Verantwortung für die Zielerreichung der Organisation sowie Verantwortung für hierarchisch unterstellte Mitarbeiter*innen haben, denen gegenüber sie weiters als Führungskraft weisungsbefugt sind.

7.2 Besonderheiten des Führens in sozialwirtschaftlichen Organisationen

Wie bereits erwähnt, sehen sich sozialwirtschaftliche Organisationen und damit auch deren Management mit komplexen Strukturen und sehr diversen Anforderungen konfrontiert.

Helmut Becker (2017: 3) sieht den Grund hierfür in der Tatsache, dass sich die Sozialwirtschaft in dem Spannungsfeld zwischen ökonomischer und sozialer Welt befindet. In diesem Sinne bezieht Sozialwirtschaft „ihr Wissen aus einer Vielzahl von Wissenschaftsdisziplinen [...], die sich ergänzen können, in vielen Bereichen aber auch untereinander widersprüchlich sind― (ebd.: 2). Organisationen des dritten Sektors weisen etliche Strukturbesonderheiten auf, wodurch die Anwendung etablierter Managementmodelle und betriebswirtschaftlichen Wissens nicht eins-zu-eins übernommen werden können (vgl. Beher et al. 2008: 31). Beher et al. (ebd.) zählen zu diesen Strukturbesonderheiten „die komplexe Ressourcenstruktur, die heterogenen Arbeits- und Beschäftigungsverhältnisse sowie insbesondere ihre Wertorientierung―. Für das Management und Führungskräfte sozialwirtschaftlicher Organisationen, bedeutet dies in logischer Konsequenz, dass sie die mitunter stark divergierenden wirtschaftlichen und sozialen Denkstrukturen kennen und verbinden und somit eine interdisziplinäre und ganzheitliche Sichtweise einnehmen müssen (vgl. Becker 2017: 2).

Becker (2017: 4) fasst die Grundsätze und Prinzipien der Sozialwirtschaft im Wesentlichen unter dem sogenannten „Sozialwirtschaftlichen Sechseck― zusammen, welche eine wirtschaftliche Orientierung, eine rechtliche Orientierung, eine Mitarbeiter*innen- orientierung, eine Kund*innenorientierung, eine ethische Orientierung sowie eine Sachzielorientierung umfasst. Ruth Simsa (2013: 145f.) beschäftigt sich ebenfalls mit der Balance von Widersprüchen im Non-Profit-Sektor und den daraus folgenden Herausforderungen auf Managementebene. Vor allem das ständige Spannungsfeld zwischen Wirtschaft und Werten, oder anders ausgedrückt zwischen Sinn und Geld, ist ein sehr spezielles Charakteristikum des sozialen Sektors und eine Aufgabe, die sich durch alle Ebenen der Organisation zieht. Während monetäre Interessen im Sinne der Liquidität einer

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Organisation natürlich eine wesentliche Rolle spielen, so ist dieser Bereich gleichzeitig Werte,- und Normenorientiert und geprägt von Konsensorientierung wie kein anderer (vgl.

ebd.: 145). Zusätzlich ist der sozialwirtschaftliche Sektor gekennzeichnet durch eine Vielzahl unterschiedlicher Interessens- und Anspruchsgruppen. „Management in NPOs muss unterschiedliche Aufgaben wahrnehmen, das Wechselspiel mit verschiedenen Umwelten gestalten und viel Widersprüche balancieren― (Simsa 2013: 151). Hier die Brücke zu schlagen zwischen politischem und wirtschaftlichem Druck, stellt einen Balanceakt dar, dem oftmals kaum gerecht werden kann. Denn einerseits gilt es politischen und wirtschaftlichen Forderungen nachzukommen, Leistungen messbar zu machen und andererseits gilt es gleichzeitig den eigenen - meist hohen - ethischen Prinzipien und Werten gerecht zu werden. Aufgrund der fortschreitenden Ökonomisierung des Sozialen Bereichs, gilt entsprechend dem „Sozialwirtschaftlichen Sechseck― ein Fokus auf die wirtschaftliche Orientierung in Bezug auf Sachzielorientierung und ethischer Orientierung zu legen (vgl. Becker 2017: 5). Empirische Studien belegen dementsprechend wenig überraschend, dass sich Führungskräfte im sozialen Sektor auf Grund der Komplexität des Feldes nicht sonderlich wohl fühlen und ihren Aufgabenbereich als stark stresshaft erleben (vgl. Simsa 2013: 361). Auf operativer Ebene definiert Ruth Simsa (ebd.: 152) in Bezug auf Führungskräfte in NPOs vier Aufgabenfelder,

die den Alltag jeder Führungskraft ausmachen, nämlich (1) direkte MitarbeiterInnenführung [sic!], (2) die Gestaltung der Zusammenarbeit, insbesondere in Teams, (3) die Entwicklung der Organisation und (4) die Erfüllung der Aufgaben und Ziele (ebd.).

Auf strategischer Ebene wiederum lassen sich die Orientierung an inhaltlichen Zielen sowie die Interessen der verschiedenen Stakeholder sowie die ständig notwendige Beobachtung der Umwelten finden (vgl. ebd.: 153). Eine zusätzliche Herausforderung mit welcher Management und Führung in sozialwirtschaftlichen Organisationen konfrontiert sind, stellen die bereits kurz angesprochene Ideologien der Basisorientierung und Mitbestimmungswunsch seitens der Mitarbeiter*innen dar, welche oftmals „eine ausgeprägte Abwehr von formalen Strukturen, Autorität und Macht― (ebd.: 362) zur Folge haben. Es handelt sich hierbei um eine Ablehnung hierarchischer Strukturen, welche auf Grund ihrer starren Bedingungen das gewünschte Ausmaß von Partizipation an Entscheidungsprozessen seitens der Basis verringert und so auf Widerstand stößt (vgl.

ebd.: 362). Vor allem die bereits erwähnte Komplexität der Anforderungen benötigt jedoch umso mehr eine Klarheit und Stabilität, welche oft nur durch ebendiese hierarchische

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