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Während der „Doing Gender― Zugang vermehrt Einzug in die Organisationsforschung findet, werden in Literatur und Forschung der letzten Jahre weiterführend zunehmend Überlegungen zu „Undoing gender― und deren unterschiedlicher theoretischer Ansätze diskutiert (vgl. Kelan 2010: 174). Diese Theorien sind insofern relativ ungewöhnlich und

schwer greifbar, als dass sie sich mit der Überlegung beschäftigen, was passiert, wenn Geschlecht und Geschlechterrollen kein zentrales Element unseres gesellschaftlichen Lebens mehr sind (vgl. ebd.: 182).

In ihrem Text „Gender Logic and (Un)doing gender at work― diskutiert Elisabeth Kelan (ebd.: 176) den Ansatz des „Doing gender― im Arbeits- und Organisationskontext und verweist auf Wissenschaftler*innen, welche die Möglichkeit des „Undoing gender― im Arbeitskontext nahelegen, sobald verstanden wird, wie genau „Doing gender― ebendort genau funktioniert und entsteht. Die Annahme des „Undoing gender― basiert nun auf zwei unterschiedlichen Zugängen. Einerseits auf der bewussten Wahrnehmung und dem Eingeständnis einer Geschlechterbinarität und andererseits auf dem Bewusstsein bzw. der Überzeugung dessen, dass diese Binarität aufgebrochen und somit aufgelöst werden kann (vgl ebd.: 182). Der ethnomethodologische Zugang hierfür besteht darin, dass er Geschlecht und geschlechtsspezifische Rollenzuschreibung als fixen Bestandteil unseres alltäglichen Handelns in unserer sozialen Teilhabe sieht und dies ständig beeinflusst. Eine Veränderung kann in diesem Sinne nur dann stattfinden, wenn die binäre Geschlechtskategorisierung an Wichtigkeit verliert bzw. der vorherrschenden Geschlechterordnung ihre Bedeutsamkeit und Dimension abgesprochen wird. Dies, so die Theorie, ist jedoch nur durch einen kollektiven sozialen Wandel und weniger auf verändertes individuelles Handeln zu erreichen (vgl. ebd.: 182). Stefan Hirschauer (2014:

183) argumentiert hingegen die Möglichkeit, diese Indifferenzen ruhen zu lassen und offen für die Möglichkeit zu sein, dass diese nicht „geschehen―. Für ihn besteht die Gefahr der zu starken Fokussierung auf Geschlechter innerhalb der Geschlechterforschung und damit das übersehen von jenen Situationen, in welchen Geschlecht eventuell eben keine primäre Rolle spielt (vgl. Kelan 2010: 183). In dem Text „Das Vergessen des Geschlechts― setzt sich Hirschauer (2001) mit dem Gegenstand des Relevanzverlusts von Geschlecht im sozialen Kontext auseinander. Auch er verweist auf die Rolle von Sprache, Bildern und vor allem auf die Rolle der Interaktionen in Bezug auf die Produktion von Geschlechterzugehörigkeit und Geschlechtskategorisierung. „Die visuelle und sprachliche Dauerpräsenz des Geschlechts bilden seine basale Institutionalisierung― (Hirschauer 2001:

214). Er argumentiert nun, dass die omnipräsente Geschlechterdifferenz zwar immerzu relevant sein kann, jedoch nicht in jeder Situation relevant sein muss bzw. in jeder Situation auch „geschieht―. Die eigene Geschlechtszugehörigkeit schließt eine Geschlechtsneutralität nicht aus, wenn davon ausgegangen wird, dass das ständige

Bewusstsein und die omnipräsente Geschlechterdarstellung die notwendigen Kategorisierungen und Zuschreibungen in Interaktionen vergessen lassen. „Das Wissen von der Geschlechtszugehörigkeit kann im Verlauf der Interaktion risikolos vergessen werden, eben weil es durch die Darstellung ihrer Teilnehmer [sic!] gespeichert wird―

(Hirschauer 2001: 216). In diesem Sinne meint „Undoing gender― also ein aufbrechen der ständigen Geschlechtskategorisierung, die zwar notwendig erscheint, jedoch auf Grund ihrer omnipräsenten Selbstverständlichkeit in Interaktionen in den Hintergrund rückt und somit auch an Bedeutung in unserem Handeln verliert. Dies bedeutet jedoch auch, dass Geschlecht immer eine Relevanz in unserem Denken und Handeln hat und haben wird. Es fehlt an Ansätzen, die eine postmoderne Gesellschaft sieht, welche Geschlechtsidentität und Geschlechtszugehörigkeit komplett aufhebt und somit Grundlage einer vollständigen Geschlechtsneutralität in unseren sozialen Interaktionen sein kann.

Einen anderen Zugang erläutert Judith Butler (2004: 2ff.) in ihrem wegweisenden Werk

„Undoing gender―. Sie ist der Meinung, dass Menschen eine natürliche Sehnsucht danach haben, als menschliches Wesen anerkannt zu werden, wobei dies die Anpassung und das Mitmachen an restriktiven sozialen Normen implementiert, da sonst die gesellschaftliche Akzeptanz fehlt. Dementsprechend ist auch eine Unter- und Einordnung in das vorherrschende binäre Geschlechtssystem notwendig. Butler argumentiert nun jedoch, dass ein Aufbrechen dieser normativen Vorgaben und Zuordnungen sehr wohl möglich ist und eine rein binäre Kategorisierung durch Transgender bereits in Frage gestellt wird.

Immerhin haben sich die Kategorisierungen der Männlichkeits- und Weiblichkeitsbegriffe historisch immer schon im Kontext sozialer und politischer Veränderungen entwickelt (vgl. Kelan 2010: 186; Butler 2004: 10). Auch wenn diese transformativen Haltungen nicht außerhalb der binären Logik und Kategorisierung stattfinden, so stören und hinterfragen sie diese doch wesentlich. Prinzipiell entstehen und entwickeln wir uns auf Grund geltender Geschlechternormen. Gleichzeitig können diese Normen jedoch aufgebrochen werden, indem die Natürlichkeit der Genderbinarität beispielsweise durch Transidentitäten widerlegt wird und Geschlecht dementsprechend vielfältigere Bedeutungen annimmt, welche mehrere gesellschaftlich akzeptierte Identitäten beinhaltet (vgl. ebd.).

Die Darstellung und Diskussion der unterschiedlichen „Undoing gender― Theorien und Ansätze, sollte nun nochmals aus einem anderen Blickwinkel die Bedeutung der geltenden binären Geschlechtskategorisierung aufzeigen. Die Idee der kompletten - zumindest

sozialen - Geschlechtsneutralität scheint utopisch. Das Ziel einer Dekonstruktion des binären Geschlechtersystems durch das Zulassen multipler Geschlechteridentitäten, sowie dessen Aufbrechen durch den Relevanzverlust von Geschlechterzuschreibungen im sozialen Kontext, scheinen aber jedenfalls möglich.

Nachdem nun mit der Vorstellung der „Gendered Substructure― sowie der „Doing gender―

und „Undoing gender― Ansätze ein Schwerpunkt auf die Bedeutung der Produktion und Reproduktion binärer Geschlechterrollen und Geschlechternormen gegeben wurden, liegt der Fokus des anschließenden Teils auf dem Bereich der Führungskräfte in sozialwirtschaftlichen Organisationen. Da es die Intention der vorliegenden Arbeit ist, geschlechtsspezifische Herausforderungen im Karriereweg von Frauen sozial-wirtschaftlicher Organisationen zu identifizieren, wird nun Begriff der Führungskraft näher definiert, sowie bereits bestehende Forschungserkentnisse zu den Besonderheiten des Führens in sozialwirtschaftlichen Organisationen und weiblichen Führungskräften im sozialen Sektor vorgestellt.