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Das Vorfeld der Union von Brest-Litovsk

KAPITEL I: DIE GESCHICHTLICHEN VORAUSSETZUNGEN DER ÖKUMENE

3. DIE UNION VON BREST-LITOVSK 1595/96

3.1. Das Vorfeld der Union von Brest-Litovsk

Die Kyjiver Kirche bemühte sich, die ihr spezifische Idee der kirchlichen Beziehungen zwischen einer autonomen Kyjiver Metropolie und der universalen Kirche zu realisieren. Sie wirkte als eine autonome Kirche sowohl gegenüber dem Patriarchat von Konstantinopel als auch in Beziehung zu Rom. Das Bewahren dieser Autonomie bildete ein Grundprinzip und wurde in die Unionskonzepte der Kyjiver Metropoliten miteinbezogen.

Die Union von Florenz stellt ein Modell dar, dessen Ziel es war, die Einheit zwischen Ost- und Westkirche zu erreichen. Die Kyjiver Kirche hat dabei einen wichtigen Beitrag geleistet, indem sie sich als eine autonome Kirche gegenüber dem Patriarchat von Konstantinopel verhielt und die ökumenischen Entwürfe erarbeitete, die, basierend auf den Prinzipien der Gleichheit der lokalen Kirchen im juridischen und liturgischen Sinn, als ein Unionsmodell im heutigen ökumenischen Dialog noch immer aktuell sind.

Der Westen betrachtete Russland als von ihm getrennte unverständliche Welt, die praktisch undurchdringbar sei. Patriarchaler mittelalterlicher Despotismus, verwandt mit der mongolischen Tyrannei passte auf keinen Fall mit dem damaligen Europa zusammen, wo neben dem Adel das Bürgertum eine immer stärkere Rolle in der Entwicklung spielte.

Die russische Kirche erlebte Mitte des 16. Jahrhunderts eine tiefgehende Krise. In der zweiten Hälfte des Jahrhunderts stand die Kirche vor einer Aufgabe, die ihre Möglichkeiten überstieg, denn sie hätte mit dem Luthertum, dem Katholizismus und den Muslimen kämpfen müssen.184 Die Errichtung des Patriarchats von Moskau 1589 machte nur einen Schritt in Richtung der Bekräftigung der Lage der Kirche in Russland aus. Es ist offensichtlich, dass die orthodoxe Hierarchie, besonders in den westlichen Gebieten, in immer größerem Maße der Anziehungskraft der lateinischen Kultur aufgeliefert war und in Rom die Hoffnung auf eine Vereinigung der römischen mit den östlichen Kirchen bestand.185 Der Katholizismus ging in dieser Zeit nach dem tridentinischen Konzil, gekennzeichnet vom exklusivistischen ekklesiologischen Denken, in die Offensive. Den Unionsgedanken mit der ganzen orthodoxen Kirche im Osten nahm deutlich Papst Gregor XIII. (1572-1585) auf, der 1573 die „Kongregation für den Griechischen Orient“

ins Leben rief. Im Jahre 1581 schickte er den Jesuiten A. Possevino in den Osten, voller Hoffnung, dass dieser Russland für die Union gewinne.186 Außerdem interessierte man sich auch sowohl in Polen als auch in Litauen für die Union. Dem zugeneigt waren auch die religiöse Erneuerungsbewegung der katholischen Kirche in Polen und die Jesuiten, die 1564 nach Polen gekommen waren. Das Hauptzentrum, in dem man die Unionsgedanken pflegte, war Wilna, Wohnstätte einer jesuitischen Universität und Residenz des Metropoliten der Kyjiver Metropolie Polen-Litauens.

Die vor- und nachreformatorische Strömung der Erneuerung der katholischen Kirche im Westen wirkte mit beachtlichem Einfluss auf die orthodoxe Kirche in Polen. Diese Strömung erfasste zuerst die Laien:

Adel und Bürgertum. Die Entstehung der zahlreichen Bruderschaften in dieser Zeit, die sich im übrigen sehr schnell von der kirchlichen Hierarchie unabhängig machten, und die Gründung der sogenannten Akademie Ostrogsky (1580) waren ein Beweis für das Dasein zunehmender Erneuerungstendenzen.187 Als es in der ersten Hälfte des 15. Jahrhunderts zum Abschluss der Union von Florenz kam, waren die Orthodoxen, von eigenen Interessen geleitet, sehr zahlreich am Konzil unter der Leitung des Patriarchen Joseph beteiligt. Hundert Jahre später war das Interesse des Patriarchats von Konstantinopel nicht mehr da. In Rom war man der Ansicht, dass es zur Vereinigung der östlichen und westlichen Kirche nicht soschnell kommen werde, und hat auch mit der Möglichkeit, ruthenische Bischöfe in eine Union einzubeziehen, nicht gerechnet.

3.1.2. Die kirchliche Krise in Konstantinopel und Kyjiv

Nach der Eroberung des Byzantinischen Reiches durch die Türken mussten die Patriarchen von Konstantinopel auf den Schutz der orthodoxen Kaiser verzichten, den sie ein Jahrtausend lang genossen hatten. Der Prozess der Anpassung an die osmanische Herrschaft war schmerzhaft. Die Unterdrückung führte zur Einschränkung des kirchlichen Lebens. Im Laufe der Jahrhunderte während der türkischen Herrschaft wurde die orthodoxe Kirche zu dem durch innere Zwistigkeiten geschwächt.

Durch die institutionelle Schwächung des Patriarchats von Konstantinopel unter der osmanischen Herrschaft und die kritische innere Lage der Kyjiver Metropolie188 im 16. Jahrhundert litten die Beziehungen zwischen der Konstantinopler Mutterkirche und der Kyjiver Tochterkirche unter erheblichen Einschränkungen. Beispielsweise erhielten damals nur wenige Metropoliten in der Kyjiver Kirche ihre Bestätigung aus Konstantinopel. Zahlreiche Bitten von Bischöfen und sogar Patriarchen der

184 Vgl. E. Ch. Suttner, Die Christenheit aus Ost und West, 124 f.

185 Vgl. W. A. Serczyk, Europa Środkowa i Wschodnia u schyłku XVI wieku, 18 f.

186 Vgl. L. Pastor, Geschichte der Päpste, Bd 9, Gregor XIII (1572-1585), Freiburg i. B. 1928, 179-181, 708, 737 f, 745 ff.

187 Vgl. A. Ammann, Abriss der Ostslawischen Kirchengeschichte, Wien 1950, 202 ff.

188 „Unfortunately, at the present time this shrine has become a shelter for cattle, horses, dogs and swine and its rich adornments are washed away by rain trickling down through the holes in the roof. In some places its walls have begun to collapse.“ Während dieser Zeit fanden natürlich keine Gottesdienste in der Kathedrale statt. Siehe die Beschreibung der Heiligen Sofia Kathedrale in Kyjiv 1595, verfasst vom römisch-katholischen Bischof von Kyjiv Wereszczynski, in: O. Powszenko, The Cathedral of St. Sophia in Kiev, New York 1954, 14.

Kirche von Konstantinopel an den Moskauer Zaren, ihnen zu helfen, machen deutlich, dass die Griechen kaum imstande waren, sich mit kirchlichen Angelegenheiten der Kyjiver Metropolie zu befassen.

Andererseits trug der geschwächte Zustand der griechischen Orthodoxie damals indirekt zur Erneuerung der griechisch-ostslawischen Kontakte bei, denn die wachsende Abhängigkeit der Kirche von Konstantinopel von Moskauer Hilfsgeldern führte immer wieder Kirchenvertreter aus Byzanz auch in die Ukraine und nach Weißrussland.

In den ukrainisch-weißrussischen Gebieten lag die politische Macht in hohem Maße in den Händen der katholischen Herrscher. Dieser Umstand hatte negative Auswirkungen auf das innere Leben der Kirche.

So nahm die polnische Regierung Einfluss auf die Zusammensetzung des Episkopats der Kyjiver Metropolie. Die polnischen Könige und Adeligen hatten das Recht, jene kirchlichen Amtsträger zu ernennen, die das kirchliche Eigentum verwalteten. Da das Bischofsamt, wie auch im Westen vor der Reformation, meistens an die politisch einflussreichsten Kandidaten vergeben wurde, gelangten mitunter Männer zu bischöflichen Würden, denen die notwendigen moralischen und intellektuellen Voraussetzungen fehlten. Ein Zusammenwirken dieser Bischöfe zugunsten der Kirche gab es kaum, was die Metropolie noch weiter schwächte. Die Bischofssynode als zentrale Institution der kirchlichen Ordnung war in der Kyjiver Kirche praktisch nicht existent. Das geistliche Leben der Kirche lag im 16.

Jahrhundert also sehr darnieder. Der Erfolg der protestantischen Strömungen in Polen und Litauen in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhundert verdeutlichte die Schwächen der ruthenischen und weißrussischen Orthodoxie.189

3.1.3. Die geistliche Erneuerung der Kyjiver Metropolie

Am Ende des 16. Jahrhunderts kam es in der Kyjiver Metropolie zu einer geistlichen, kirchlichen und kulturellen Wiedergeburt, die in der Ukraine und in Weißrussland von Laien, d.h. von einzelnen Adligen, wie dem Fürsten Konstantin von Ostrog, und von Bürgern getragen war. In den 80er bis 90er Jahren haben sowohl die Gruppen um Fürst Konstantin als auch die zahlreichen städtischen Bruderschaften den ruthenischen Buchdruck begründet, die Bildung gefördert und so die Basis für die Reform der Kirche geschaffen. Anfangs habe, nach Ansicht von Ammann und Suttner, Konstantinopel Interesse an der Kyjiver Metropolie gehabt und sei auch bereit gewesen, die Reformbestrebungen dieser Metropolie zu unterstützen. Das zeigt der viermonatige Aufenthalt des Patriarchen von Konstantinopel, Jeremias II., in den östlichen Gebieten Polens im Jahre 1589. Fürst Konstantin und die Laienbruderschaften hätten sowohl von den Kenntnissen der Griechen, die in den Druckereien und in den ruthenischen Schulen tätig waren, als auch von den erfolgreichen Beispielen der Jesuiten, die einen ziemlich starken Einfluss auf die Gebiete Polen-Litauens ausübten und besonders im Schulwesen das Vorbild für die Bruderschaften gewesen waren, profitiert.190

Außerdem brachte das Eintreffen des Patriarchen eine bedeutende Änderung in der Kyjiver Metropolie mit sich, da er das Oberhaupt der Kyjiver Kirche, den Metropoliten Onissyfor (Diwočka), wegen seines unmoralischen Verhaltens absetzte und einen neuen Bischof zu seinem Statthalter ernannte, einen Exarchen, dem er die Aufsicht über alle russischen Hierarchen, sogar über Metropoliten, übertrug. Diese Art konkurrierender Führung rief erhebliche Spannungen im hierarchischen System der Kyjiver Metropolie hervor. Darüber hinaus verlieh der Patriarch den Bruderschaften große Kompetenzen, indem er sie aus der Befehlsgewalt der Ortsbischöfe herauslöste. Die Laienorganisationen bekamen so das Recht, die Hierarchien und Geistlichen zu kontrollieren. Nach Suttner hat der Besuch des Patriarchen also zur Folge gehabt, dass es zu einer gewissen Spaltung zwischen Laien und Bischöfen in der Kyjiver Metropolie gekommen sei. Er habe aber auch den Bischöfen der Kyjiver Metropolie als ein Anstoß zur Notwendigkeit von Reformen gedient. Die ruthenische Hierarchie wünschte, dass sich der Patriarch von Konstantinopel nicht mehr in ihre Angelegenheit einmische.191 Sein nicht gerade taktvolles Eingreifen brachte sie gegen ihn auf.

189 Vgl. E. Ch. Suttner, Die Christenheit aus Ost und West, 124; vgl. B. Gudziak, Kyjivska Ijeparchija, Berestecki Synody i ukladennia Berestec’koi Unii, in: B. Gudziak (Hg.), Istoryčnyj kontekst, ukladennia Berestetskoi Unii i perše pounijne pokolinnia, Lemberg 1995, 104 ff., 109.

190 Vgl. E. Ch. Suttner, Die Christenheit aus Ost und West, 124 f.

191 Ebd. 125.

Die komplizierte Lage der Kyjiver Metropolie, sodann das gleichzeitige Vordringen der Reformation und schließlich das Eingreifen des Patriarchen weckten die ruthenischen Bischöfe aus ihrer Lethargie. Sie suchten einen Weg, der Bischofssynode ihre alte Machtfülle wiederzugeben. Der Episkopat der Kyjiver Kirche unter der Leitung des Metropoliten Michail Rohoza (1589-1599) hat ab 1590 selbst auf der Grundlage traditioneller ekklesiologischer Grundsätze des christlichen Ostens die Initiative ergriffen und rief jährlich eine Synode zusammen.192

3.2. Der Verlauf der Union von Brest

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