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Der praktische Ökumenismus nach dem neuen Direktorium (1993)

KAPITEL III: DIE DIALOGDOKUMENTE UND IHRE VERWIRKLICHUNG

2. DIE PRAKTISCHE ÖKUMENE NACH DEM NEUEN DIREKTORIUM ZUM ÖKUMENISMUS

2.1. Der praktische Ökumenismus nach dem neuen Direktorium (1993)

Laut dem Zweiten Vatikanum macht der praktische Ökumenismus neben dem dogmatischen und dem geistlichen einen von drei Bereichen in der ökumenischen Bewegung aus. Er erscheint in der Zusammenarbeit der Christen in allen Gebieten und Bereichen, die ihnen angesichts des Gemeinwohls das christliche Gewissen stellt.386 Der praktische Ökumenismus ist die Verwirklichung des Guten, das im Herzen jedes Menschen entsteht, vornehmlich beim Christen durch den Heiligen Geist. Das Zusammenwirken aller Christen zugunsten des menschlichen Wohles ist eine Art Glaubensbekenntnis, das in der konkreten Tat in Erscheinung tritt. Das gemeinsame Gebet, das unentbehrlich ist, reicht nicht aus und kann das Tun nicht ersetzen. So erscheint der praktische Ökumenismus als “das Tun des Glaubens”, in dem die Liebe in der Einheit der Christen zum Ausdruck kommt. Der praktische Ökumenismus ist vor allem der Ausdruck und die Verwirklichung der suchenden Liebe Christi zur vereinigten Kirche.387 Deshalb ermuntert das neue Direktorium zur Aufnahme der Zusammenarbeit auf vielen Ebenen, wodurch das Zeugnis des Glaubensbekenntnisses an den dreieinigen Gott abgelegt wird.388 Der praktische Ökumenismus ist daher eine Bewegung, die unbedingt im Zusammenhang mit dem geistlichen und doktrinären Ökumenismus gesehen werden muss. Dies sind Erscheinungen derselben Wirklichkeit, deren Ziel darin besteht, die Einheit aller Christen zu erlangen. Die Dynamik der

386 Vgl. UR 12.

387 Vgl. UR 2; Päpstlicher Rat zur Förderung der Einheit der Christen; Direktorium zur Ausführung der Prinzipien und Normen über den Ökumenismus (1993), in: VApS 110, Bonn 1993, [weiter Direktorium] 9, 20.

388 Vgl. UR 12.

ökumenischen Bewegung ist keineswegs das Ergebnis des menschlichen Handelns. Sie ist das Geheimnis und vor allem ein Werk der Liebe, deren Quelle und erste Initiative der Heilige Geist ist. Sein Wirken vollzieht sich wiederum auf verschiedene Weise und in zahlreichen Bereichen des menschlichen Engagements. Die Tätigkeit soll ihrerseits eine Antwort auf die Gabe der Gnade Gottes sein, die alle Christen zum Glauben an das Geheimnis der Kirche herausfordert.

2.1.2. Die katholischen Prinzipien des praktischen Ökumenismus

Die Grundlage des neuen Direktoriums sind die Lehre des II. Vatikanischen Konzils und die normativen Regelungen im neuen CIC (1983) und im CCEO (1990). Das Direktorium konzentriert sich nicht nur auf die Ermutigung zur Zusammenarbeit, die durch die Konzilsväter aufgezeigt wurde, sondern es gibt die neuen Prinzipien vor, deren Verwirklichung Aufgabe und Herausforderung für das ganze Volk Gottes ist.

Diese Prinzipien sind folgende:

1) Das Prinzip des integralen Verstehens der Ökumene

Die praktische Ökumene soll im Zusammenhang mit dem geistlichen und doktrinären Ökumenismus betrachtet werden.389

2) Das Prinzip der Einheit mit der kirchlichen Hierarchie

In der lokalen Kirche sollen die Gläubigen ihr ökumenisches Engagement in Übereinstimmung mit dem Ordinarius vornehmen.390

3) Das Prinzip der allgemeinen Verpflichtung zum ökumenischen Engagement

Die Pflicht, sich in der ökumenischen Zusammenarbeit zu engagieren, liegt nicht nur bei der kirchlichen Hierarchie, sondern bei allen Gläubigen.391

4) Das Prinzip des ersten Schrittes

Die Katholiken sollen die Initiative in der ökumenischen Zusammenarbeit zeigen.392 5) Der christliche Charakter des Ökumenismus

In der ökumenischen Zusammenarbeit engagieren sich die Christen, die den dreieinigen Gott anrufen, Jesus als den Herrn und Erlöser bekennen.393

6) Das Prinzip der Einheit in der Vielfalt

Die Einheit der Kirche verwirklicht sich in der großen Vielfalt, die das Zeichen ihrer Katholizität ist.394 7) Das Prinzip der Notwendigkeit des Zeugnisses

Dank der Einheit untereinander sollen alle Christen das Zeugnis ihrer Zugehörigkeit zu Gott für die Welt ablegen.395

8) Die Suche und Wertschätzung der Güter bei anderen Kirchen und kirchlichen Gemeinschaften.

Die Katholiken sollen die Elemente und Güter der anderen Kirchen und kirchlichen Gemeinschaften wertschätzen, die der einen Kirche Christi gehören.396

9) Die Überzeugung von eigener Unvollkommenheit

Die Katholiken wissen selber, dass sie nicht immer vollen Gebrauch von Gnadenmitteln machen. Sie sind sich dessen bewusst, dass sie an der Spaltung der Kirche auch schuldig sind.397

389 Direktorium 212.

390 Direktorium 4, 30, 31; CIC 775; CCEO 902-904.

391 Direktorium 55; UR 5; CCEO 902-903.

392 Direktorium 23; UR 4.

393 UR 1, 12; Direktorium 5, 9, 35, 36.

394 Direktorium 16, 20, 58; UR 16f.

395 Direktorium 15, Kapitel V; UUS 98-99.

396 Direktorium 63a, 18, 61b, 104b; UR 3f, 12, 15, 21; UUS 47-48; KK 5.

397 Direktorium 17, 18; UR 3, 4, 7, 14; UUS 34-35.

10) Die Notwendigkeit der gründlichen Bildungsarbeit

Den Personen, die sich in der ökumenischen Zusammenarbeit engagieren, soll ermöglicht werden, eine gründliche Fachbildung zu bekommen.398

11) Der Glaube als Determinante der Zusammenarbeit

Die Christen sollen nur das zusammen tun, was ihnen ihr Glaube erlaubt.399 12) Die Normen als Leistungsprinzip

Die Diözesanbischöfe sollen die Normen aufstellen, gemäß derer die verantwortlichen Personen oder Kommissionen die ökumenische Arbeit leisten können.400

13) Die Vervollkommnung der Zusammenarbeit

Die Vervollkommnung der Zusammenarbeit soll vor allem die Lebensqualität derjenigen betreffen, die sich in der ökumenischen Arbeit engagieren.401

14) Ehrlichkeit, Klugheit und Sachkenntnis

Um die Gefahren des Indifferentismus oder des Proselytismus zu überwinden, sollen die Katholiken mit Ehrlichkeit, Klugheit und Sachkenntnis handeln.402

15) Die Geduld und die Beharrlichkeit

Im Falle des Widerstandes oder irgendwelcher Hindernisse sollen die Katholiken geduldig und beharrlich sein.403

16) Die Kenntnis des lokalen Kontextes

Die Zusammenarbeit hängt im großen Maße vom lokalen Kontext ab. Seine Kenntnis wäre sehr hilfreich für die Entwicklung der Zusammenarbeit in dieser Region.404

2.1.3. Die Bereiche und Formen des praktischen Ökumenismus

Die Verschiedenartigkeit der Bereiche und der Formen der Zusammenarbeit weist auf Reichtum und Kompliziertheit der ökumenischen Bewegung hin, die besonders die konkreten existentiellen Bedürfnisse vieler Menschen, sowohl materieller als auch geistlicher Art betreffen. Der praktische Ökumenismus ist eine Antwort auf die Bedürfnisse der ganzen zeitgenössischen Welt. Nach dem neuen Direktorium kann die Zusammenarbeit in den folgenden Formen geschehen:

a) in der Teilnahme der verschiedenen Kirchen und kirchlichen Gemeinschaften an einem, schon von einem Mitglied begonnenen Programm;

b) in der Koordination der unabhängigen Tätigkeiten;

c) in gemeinsamen Initiativen und Programmen.405

Indem das Direktorium die Bereiche und die Formen der Zusammenarbeit behandelt, empfiehlt es auch die Bildung verschiedener Räte und Komitees, die zur Erleichterung der Kontakte und Unterstützung der Zusammenarbeit zwischen den Kirchen und kirchlichen Gemeinschaften beitragen. Die Entscheidung über den Anschluss der katholischen Seite an einen Rat trifft der Ortsbischof in Verbindung mit dem Päpstlichen Rat zur Förderung der Einheit der Christen.406 Die ökumenische Zusammenarbeit auf der lokalen Ebene kann sich auch in verschiedenen informellen Gruppen spontanen Charakters realisieren.

398 Direktorium 55-58, 24, 72; Direktorium (1970) Kapiteln I-III; UR 5, 9-11.

399 Direktorium 162.

400 Direktorium 6, 40, 50g, 63b; UR 8.

401 UR 4, 7, 12; Direktorium 63; UUS 15-17.

402 Direktorium 23.

403 Ebd. 23.

404 Ebd. 31-34.

405 Ebd. 163.

406 Ebd. 163, 168.

Ihre Tätigkeit soll im Verhältnis zum Ganzen der ökumenischen Bewegung unter der Leitung des Ordinarius verwirklicht werden.

Eine sehr wichtige Rolle in der ökumenischen Zusammenarbeit spielt der Dialog, der am Anfang aller ökumenischen Handlungen steht. Er entsteht in der Begegnung mit Christen der anderen Kirchen und sollte zum konkreten Tun führen.407 Das Direktorium charakterisiert die Formen der Zusammenarbeit, die schon vorher entstanden sind und deutet gleichzeitig auf die neuen Bereiche und Formen der praktischen Ökumene hin. Diese Bereiche und Formen sind folgende:

• die gemeinsame Bibelarbeit;408

• die Verfassung von gemeinsamen liturgischen Texten;409

• die ökumenische Zusammenarbeit auf dem Gebiet der Katechese;410

• die Zusammenarbeit in Hochschuleinrichtungen;411

• die pastorale Zusammenarbeit in besonderen Situationen;412

• die Zusammenarbeit in der missionarischen Tätigkeit;413

• die ökumenische Zusammenarbeit im Dialog mit den anderen Religionen;414

• die ökumenische Zusammenarbeit im sozialen und kulturellen Leben.415

Die neuen Bereiche der Zusammenarbeit sind:

• Die Zusammenarbeit im gemeinsamen Studium sozialer und ethischer Fragen;416

• Die Zusammenarbeit auf dem Feld der Entwicklung, der Bedürfnisse der Menschen und der Bewahrung der Schöpfung;417

• Die Zusammenarbeit auf medizinischem Gebiet;418

• Die Zusammenarbeit in den sozialen Kommunikationsmitteln.419

Die genannten Bereiche und Formen der ökumenischen Zusammenarbeit sind nur ein Ausschnitt, ein Versuch, sich der reichen Wirklichkeit des praktischen Ökumenismus anzunähern. Das Direktorium selbst sagt, dass es auch weitere Formen der ökumenischen Zusammenarbeit gibt, die sich jedoch erst in der Zukunft zeigen werden.

407 Vgl. Ebd. 172-182.

408 Direktorium 183-186; CIC 825; CCEO 665.

409 Direktorium 187.

410 Ebd. 188-190; Ctr 33.

411 Direktorium 191-201; ebd., II Kapitel V.

412 Direktorium 204.

413 Ebd. 205-209.

414 Ebd. 210.

415 Direktorium 211; UR 12.

416 Direktorium 214.

417 Direktorium 215; RH 8, 15-16.

418 Direktorium 216.

419 Ebd. 217-218.

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