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Das Unionskonzept des Kyjiver Metropoliten Petro Mogyla (1632-1647)

KAPITEL I: DIE GESCHICHTLICHEN VORAUSSETZUNGEN DER ÖKUMENE

3. DIE UNION VON BREST-LITOVSK 1595/96

3.4. Die Union von Brest aus orthodoxer Sicht

3.4.2. Das Unionskonzept des Kyjiver Metropoliten Petro Mogyla (1632-1647)

beiden Kirchen bei. Sie zeigen die Versuche der Überwindung der oft einander widersprechenden theologischen Differenzen. Die Ideen des Fürsten Konstantin sind bis heute aktuell geblieben. Die Union von Brest 1595/96 erzielte gerade das Gegenteil der unionistischen Ideen des Fürsten Konstantin von Ostrog, und deswegen stieß sie nach ihrem Abschluss auf heftigen Widerstand des Fürsten und seiner Anhänger. Die Erforschung der Ideen des Fürsten von Ostrog birgt ein großes ökumenisches Potential und könnte sich als wegweisend für den Dialog erweisen. Die gemeinsame Geschichte sowohl der orthodoxen als auch der unierten Ukrainer weist sehr oft, trotz vieler Konflikte, auf einen Weg hin, der mehr vom soteriologischen Universalismus als vom Exklusivismus geprägt war.240

Laien habe nach Mogyla zum Misserfolg der Unionsverwirklichung 1595/96 geführt.246 Seiner Ansicht nach hat die Union von Brest die grundsätzliche Bedingung einer Union nicht erfüllt. Der Metropolit unterscheidet deutlich zwischen unio „Union“ und unitas „Verschmelzung“. Nach Mogyla schließt der Begriff unio, im Gegensatz zu unitas, die Einheit der Verschiedenheit ein und deutet auf eine Verbindung von zwei Elementen, ohne Verzicht auf ihre jeweilige Identität.247 Er sprach sich entschieden für die Notwendigkeit der Bewahrung der eigenen östlichen Identität im Falle einer Kirchenvereinigung aus.

Viele strittige Fragen, die eher „in Worten“ bestehen, könnten friedlich gelöst werden, wie dies während der Union von Florenz geschehen sei. Die Anerkennung des Primats des römischen Bischofs schließe eine Ungleichartigkeit der kirchlichen Strukturen nicht aus. Sie verletze auch nicht die Zuständigkeit der

„Hirten und Patriarchen des griechischen Ritus’“. Das Ergebnis der Brester Union sei indessen die Unterstellung und die Abhängigkeit der ruthenischen Hierarchie von Rom. Die Promotoren der Union von Brest gingen nach Ansicht Mogylas über die Natur einer Union hinaus und erreichten statt Einigung eine dauerhafte Trennung. Sie missgestalteten „die heilige Lehre der Ruthenen, die mit der Lehre der Apostel und Roms übereinstimmt“.248

Bei den Bemühungen um Einigung und Übereinstimmung gilt es zwischen Erst- und Zweitrangigem zu unterscheiden. Weniger Wichtiges darf man nach Mogyla beiseite lassen.249 Auf das Wichtige müsse man sich konzentrieren. Die Ursache jeglichen Streites sieht er in der Diskussion um den Primat des Bischofs von Rom.250 Sie wurde von den Griechen an die Ruthenen weitergegeben. Der Metropolit weist unpräzis auf viele falsche Lehren hin, die zur Fortschreitung der Spaltung in der Kirche beitrugen.251 Er rief zur Rückkehr zu den „heiligen Prinzipien“ auf, die bei der Union von Brest missachtet worden seien. Nach Mogyla habe das Konzil von Florenz den richtigen Weg gewählt, weil es sich auf die Grundfragen, eben auf die bedeutsamste Kontroverse, den Primat konzentrierte. Die gleiche Methode schlug er jetzt als sicherste für die Unionsverhandlungen mit Rom vor.252

3.4.2.2. Der Primat des Bischofs von Rom in der vereinten Kirche

Quelle und Ursache der Einigkeit sah er in Verbindung mit der Frage des päpstlichen Primats in der vereinten Kirche. Die Primatsfrage hielt der Metropolit für entscheidend für den Erfolg der Union. Er betonte, dass die „griechische Religion“ rechtgläubig und heilig sei und dass sie von Anfang an den Grundsatz eines Primats des Heiligen Petrus als Apostelfürsten anerkannt habe. Dies sei in den „Dogmen der heiligen Väter“ festgelegt und werde täglich in Gebeten und Hymnen bezeugt.253 Streit entstand um die Art des Verständnisses des Primats und der Macht des römischen Bischofs als des Nachfolgers des Heiligen Petrus. Eine Übereinstimmung scheint nun ganz und gar unmöglich ohne gegenseitiges

246 Sententia, 376; A. G. Welykyj, Un progetto anonimo, 469; nach Hryniewicz zeigten sich Metropolit Mogyla und Kastellan Kisiel im Unionsprojekt als nüchterne Realisten. „Beide wussten sehr gut, dass der Römische Stuhl gegen gemeinsame Synoden von Orthodoxen und Katholiken war. Jede Erwähnung einer solch gemischten Synode hätte Vorbehalte und Widerstand erweckt. Deshalb schlugen sie vor, zunächst adlige Regionalversammlungen zivilen Charakters einzuberufen, um erneut das Bewusstsein von der Notwendigkeit einer Vereinigung zu wecken. Auf einer außerkirchlichen Versammlung könnte das Problem sowohl von Laien als auch von Geistlichen besprochen werden.“ Vgl. Unio sine destructione, Anm. 19.

247 „Unio duo sine unibilium destructione unico vult combinare nexu.“ Sententia, 375; A. G. Welykyj, Un progetto anonimo, 467.

248 Mogyla ist der Meinung, dass die Union der Ruthenen mit den Lateinern wegen der falschen angewandten Methode zum Misserfolg führte. „Porro Unio Ruthenorum cum Latinis practicata in hoc Regno videtur processisse supra naturam unionis, intendens non conservationem Religionis, sed transubstantiationem Graecae in Romanam, et ideo non habuit effectum.“ Sententia, 375; A. G. Welykyj, Un progetto, 468.

249 “(…) ut negligantur quae minoris sunt momenti.” Sententia, 377; Welykyj, Un progetto, 470.

250 „Radix autem omnium horum malorum fuit dissensio Graecorum cum Romanis circa Primatum Summi Pontificis.” Ebd. 378.

251 Nach W. Hryniewicz meinte Metropolit Mogyla die Propagierung radikaler ekklesiologischer Auffassungen, die von der anderen Kirche als Häresie betrachtet wurden. Vgl. Unio sine destructione, 178.

252 Sententia, 378; A. G. Welykyj, Un progetto anonimo, 470.

253 “Summa rei, scilicet quaestio de Primatu restat ponderando. Quare, indicta per Dei gratiam Synodo, his omnibus articulis in unum collectis, et ad ventilandum propositis, ante omnia concludendum esset, quod Ecclesia Graeca primitiva sempre sacrosante profitebatur haec omnia, et nunc veraciter profitetur in suis quotidianis orationibus, hymnis, et SS. Patrum dogmatibus, estque orthodoxa et sancta Graeca religio, quaecumque aut alia scripta sunt hucusque omnia anathematizantur.” Sententia, 378 f; A. G. Welykyj, Un progetto, 471 f.

Einlenken. Es bedürfe eines neuen Herangehens an diese Frage im Lichte des Heiligen Geistes.254 Somit erfordert der Begriff der Vereinigung, dass nichts von den Anfängen und Grundsätzen entfernt werden dürfe. Infolgedessen war nach seiner Überzeugung der Bischof von Rom von Anfang an als der „Erste und Höchste in der Kirche Gottes“ anerkannt, gleichsam als „Stellvertreter Christi.“255 Dabei sollte es nach Mogylas Ansicht weiter bleiben.

Im Falle einer Vereinigung mit Rom dürfte weder die Kyjiver Kirche noch irgendeine andere orthodoxe Kirche das Band mit Konstantinopel brechen. Eine Teilunion der Ruthenen, wie dies im Falle der Union von Brest geschehen sei, dürfe auf keinen Fall den Patriarchen der Initiativen berauben, der Teilnahme am heiligen Werk der Vereinigung. Es gebe keine wahre und dauernde Union ohne die Teilnahme der Griechen. Brächen die Ruthenen die Gemeinschaft mit dem Patriarchen ab, würden sie die Situation nur verschlechtern und die Griechen ganz von der Union abhalten. Deshalb sollten die Ruthenen, die sich der Freiheit erfreuen, die Union annehmen, die Einheit im Glauben und den Primat des Papstes in der Kirche anerkennen, zugleich aber in der kanonischen Gemeinschaft mit dem Patriarchen, ihrem „Vater und Hirten“, verbleiben.256 Mogyla hoffte, dass der ökumenische Patriarch von Konstantinopel, sobald er aus der türkischen Gefangenschaft befreit sei, ebenso nach der „heiligen allgemeinen Eintracht und Vereinigung“ streben werde.

Die Ruthenen sollten nach seiner Meinung bei ihren Kirchenstrukturen und Riten „vorläufig verbleiben“.

Man solle sich nicht um die Würde eines Patriarchen für die Kyjiver Kirche bemühen. Die ruthenische Kirche sollte aber auch nicht der unmittelbaren Jurisdiktion des Papstes unterstellt werden. Bis der Patriarch, mit seinem ganzen griechischen Volk befreit, die Orthodoxen „zu dieser rettenden Einheit“

führen könnte, sollte die Kirche in der Rus’ in einer vorläufigen Autonomie bestehen.257 Sowohl für den von den ruthenischen Bischöfen neu gewählten Metropoliten als auch für die übrigen Bischöfe genüge es, dass sie nach ihrer Wahl den Primat des römischen Bischofs feierlich anerkennen. Die Kyjiver Kirche sollte in der Jurisdiktion des ökumenischen Patriarchen von Konstantinopel bleiben. Trotz einmütiger Anerkennung der Autorität des Papstes muss nach Mogyla die kanonische Gemeinschaft sowohl der Kyjiver als auch der anderen orthodoxen Kirchen mit dem Patriarchen von Konstantinopel bewahrt bleiben.258

Die Hauptprinzipien der Vereinigung, die Metropolit Mogyla vorschlug, unterschieden sich grundsätzlich von denen, die bei der Durchführung der Brester Union verwendet wurden. „Die (Teil)Union mit Rom war zu Lasten einer neuen Spaltung abgeschlossen worden, und genau dies wollte Mogyla im Namen der alten Tradition der Schwesterkirchen vermieden wissen.“259 Eine dauerhafte Vereinigung ist nach Mogyla nur dann möglich, wenn beide Kirchen bei einem Unionsabschluss die jeweilige Identität des gemeinsamen Glaubens gegenseitig voll anerkennen. Dies entspreche den Grundprinzipien der östlichen Kirchentradition, in der der gemeinschaftliche Charakter der Kirche im Mittelpunkt stehe. Die Verschiedenheiten der Traditionen sprächen nicht für die soteriologisch-ekklesiologische Ausschließlichkeit. Im Gegenteil, sie seien komplementär in der einen Kirche Christi, die als ganze das Geschenk der Erlösung empfangen hat. Somit ist der Unionsvorschlag Mogylas an das altchristliche Denkmodell vom Heil und von der Kirche gebunden. In seiner Kirchenvorstellung schreibt er dem Bischof von Rom die höchste Bedeutung zu.260 Dies bedeutete aber nicht, dass eine orthodoxe Kirche der Jurisdiktion des Bischofs von Rom unterstehen musste. Für Mogyla galt die ganze Kirche als Gemeinschaft von Ortskirchen. Im Falle des Unionskonzeptes des Kyjiver Metropoliten ist das

254 “haec autem fieri posse non videtur, nisi aut pars parti cedat, aut novum quoddam medium per Spiritum S.

suggeratur.” Sententia, 378 f; A. G. Welykyj, Un progetto, 471.

255 „Semper Primus et Supremus in Ecclesia“ (...) „Vicarus Christi“. Vgl. Sententia, 379; A. G. Welykyj, Un progetto, 471 f.

256 “(…) et quia magna spes est aliquando Christianos, ope divina, ad suam libertatem e manibus Gentilium venturos, secum vero in concordiam redituros, proinde non est praeripienda palma huic sanctae universali concordiae et unioni, particolari concordia Ruthenorum; neque sunt alienandi animi Graecorum ab unione per aversionem Ruthenorum a suo Pastore et Patriarcha;” Sententia, 379 f; A. G. Welykyj, Un progetto, 472.

257 Sententia, 380; A. G. Welykyj, Un progetto, 473.

258 Sententia, 379; A. G. Welykyj, Un progetto, 472 f.

259 W. Hryniewicz, Unio sine destructione, 182.

260 “(…) semper Beatum Petrum Apostolum, sicut discimus ex Hymnis nostris Ecclesiasticis, fuisse Principem Apostolorum successoresque suos Pontifices Romanos, perpetuo supremam habuisse in Ecclesia Dei auctoritatem.“

Sententia, 380.

altslawische Prinzip der doppelten Loyalität deutlich zu sehen. Die Ruthenen können ihm zufolge unmöglich die Gemeinschaft mit ihrem Patriarchen und Vater abbrechen, der durch die Taufe261 die Initiation ihrer Vorväter in das Mysterium der Erlösung vollzogen hat.262 In der gegenseitigen Anerkennung sah Mogyla die dauerhafte Vereinigung der ganzen Ostkirche mit der Kirche von Rom.

Eine solche Anerkennung der Ostkirche als Schwesterkirche würde der Stärkung des Vertrauens aller Ruthenen gegenüber der römischen Kirche dienen und konsequenterweise der Vereinigung mit den Griechen.263

Der volle Erhalt des östlichen Ritus und die kanonische Gemeinschaft der orthodoxen Kyjiver Kirche mit dem ökumenischen Patriarchen von Konstantinopel stehen im Memorandum von Mogyla als Hauptbedingungen einer möglichen Vereinigung der ganzen Ost- und Westkirchen. Dies wurde seiner Ansicht nach im Falle der Union von Brest missachtet. Deswegen hatte die Union ihr Ziel nicht erreicht, sondern zu noch größerer Spaltung geführt. Diese Spaltung musste am deutlichsten die Kyjiver Kirche erfahren, die durch die Union von Brest in zwei konfessionelle Lager geteilt wurde. Mit seinem Unionsprojekt wollte Metropolit Mogyla diese Spaltung vermeiden. Für den Metropoliten war das wichtigste Prinzip der Union der Ost- und Westkirchen die Anerkennung der Legitimität der Vielfalt. Die Vereinigung durfte keine Verschmelzung sein.264 Die Ost- und Westkirchen sind als Schwesterkirchen anzusehen.

Der Metropolit Mogyla gehört zu den Vorläufern des ökumenischen Denkens seiner Zeit. 1645 wurde sein Unionsprojekt in Rom ernsthaft diskutiert. Leider gerieten die ökumenischen Ideen Mogylas nach seinem Tod 1647 in Vergessenheit. Die ekklesiologischen Ansätze Mogylas verdienen jedoch im Kontext des andauernden orthodox-katholischen Dialogs vor allem in der strittigen Frage des Uniatismus ein gebührendes Überdenken. Die Denkschrift des Metropoliten besitzt nach Hryniewicz zweifellos einen bleibenden Wert auf dem Feld der Ökumene.265

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