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Der pneumatologische Aspekt der Communio-Ekklesiologie

KAPITEL II: DAS ZWEITE VATIKANISCHE KONZILUND DIE NEUEN PERSPEKTIVEN

2. DIE ÖKUMENISCHE BEDEUTUNG DER WIEDERENTDECKUNG DER THEOLOGIE DER

2.4. Der pneumatologische Aspekt der Communio-Ekklesiologie

Die Pneumatologie gehört konstitutiv zur Deutung der Kirche als Communio.61 Im Brief der Glaubenskongregation Communionis notio ist die Rede von der ontologischen und zeitlichen Voreingenommenheit der universalen Kirche vor der Lokalkirche (CN 9).62 Dies betrifft aber die Genese der Kirche und nicht ihr Handeln als „communio ecclesiarum“. Den inneren Anfang der Kirche in der Zeit verbindet Joseph Kardinal Ratzinger mit der Kraft und dem Handeln des Heiligen Geistes.63 Nach J. Ratzinger ist es der Geist Gottes, der die eine universale Kirche aus verschiedenen Sprachen und

56 Ebd. 112.

57 Vgl. Pottmeyer, Die Rolle des Papsttums im Dritten Jahrtausend, 141.

58 Der steigende Dissens in der Kirche beruhe, so Pottmeyer, auf dem Mangel an einer breiter angelegten Konsultation und Partizipation. Vgl. Die Rolle des Papsttums im Dritten Jahrtausend, 141 f.

59 „Nur das Walten des Heiligen Geistes kann immer aufs neue dafür sogen, dass dieser praktische Ausgleich im positiven Kirchenrecht und in der konkreten Handhabung dieses Rechtes so geschieht, wie es für das Wohl der Kirche am förderlichsten ist“. Vgl. K. Rahner, J. Ratzinger, Episkopat und Primat, Freiburg-Basel-Wien 1961, 33 ff.

60 H. Döring, Ökumene vor dem Ziel, 329.

61 M. Kehl, Die Kirche. Eine katholische Ekklesiologie, Würzburg 1992, 67; G. Greshake, Der dreieine Gott. Eine trinitarische Theologie, Freiburg-Basel-Wien 1997; zur ausführlichen Analyse der pneumatologischen Interpretation der Kirche als Communio in der nachkonziliaren deutschsprachigen theologischen Literatur siehe A. Czaja, Credo in Spiritum Vivificantem. Pneumatologiczna interpretacja Kościoła jako komunii w posoborowej teologii niemieckiej, Lublin 2003.

62 Kongregation für die Glaubenslehre, Schreiben an die Bischöfe der katholischen Kirche über einige Aspekte der Kirche als Communio, in: VApS 107: 1992.

63 „Wichtig bleibt, dass die Kirche in den Zwölf von einem Geist von Anfang an für alle Völker geboren wird, und daher auch vom ersten Augenblick darauf ausgerichtet ist, sich in allen Kulturen auszudrücken, um eben so das eine Volk Gottes zu sein: Nicht eine Ortsgemeinde erweitert sich langsam, sondern, der Sauerteig ist immer dem Ganzen zugeordnet und trägt daher Universalität vom ersten Augenblick an in sich“.J. Ratzinger, Über die Ekklesiologie der Konstitution „Lumen gentium“, in: Die Tagespost, Nr. 30 ASZ Nr. 10: 2000, 6; ders. Schauen auf den Durchbohrten. Versuche zu einer spirituellen Christologie, Einsiedeln 1984, 61 f.

Völkern der Welt zum einzigen Volk Gottes schafft.64 Die Vielfalt der Sprachen macht in der einen Kirche kein Hindernis aus. Im Gegenteil, sie wird zur gegenseitigen Bereicherung.

Im Schreiben Communionis notio kommt der pneumatologische Aspekt zu kurz. Ratzinger stellt fest, dass die Einheit unter den Lokalkirchen in der Universalkirche nicht nur in demselben Glauben, der Taufe, verwurzelt sei, sondern vor allem in der Eucharistie und dem Bischofskollegium (CN 11). H. J. Pottmeyer sagt, dass im Brief der Glaubenskongregation nicht deutlich darauf hingewiesen werde, dass der Heilige Geist an der Verwirklichung der Gemeinschaft der Kirche beteiligt sei.65 Er ist der Meinung, dass man eben deswegen das Amt des Papstes an Stelle des Geistes „eingeführt“ und ihm die Funktion zuerkannt habe, die dem Geist gebühre.66 Abgesehen von dieser Kritik kann man nach A. Czaja bei J. Ratzinger in seiner Gesamtinterpretation der communio ecclesiarum ziemlich deutlich die pneumatologischen Prinzipien erkennen, dank denen sich die Kirche von Anfang an als katholische und eine in vielen und verschiedenen Lokalkirchen verwirkliche.67

So wie die göttliche Natur in drei Personen existiert, so besteht die Kirche in vielen Lokalkirchen und wird aus ihnen gebaut (LG 23).68 Walter Kardinal Kasper spricht von „einer gegenseitigen Einwohnung“, die zwischen der Universalkirche und den Einzelkirchen besteht.69 Der pneumatologischen Perspektive widmet sich W. Kasper in seiner ekklesiologischen Darstellung begrenzt. Sie unterscheidet sich aber ganz deutlich von der von J. Kardinal Ratzinger. „Verstreute“ Elemente in den getrennten Kirchen und kirchlichen Gemeinschaften sind als Gaben bzw. Wirken des Heiligen Geistes zu sehen. In Ihm sei schon jetzt eine wirkliche, obwohl nicht volle Einheit der Kirche, die Gemeinschaft der christlichen Kirchen und kirchlichen Gemeinschaften präsent. Er führe die Kirche Christi zur Fülle der Communio-Einheit und antizipiere sie in sich.70 Der Weg zur volleren sichtbaren Einheit der Gemeinschaft der Kirchen soll durch die gegenseitige Anerkennung der sich durch den Geist verwirklichenden Wirklichkeiten geschehen. Das ist nur dann möglich, wenn die Kirchlichkeit und die verschiedenen Charismen von jeder Kirche und kirchlichen Gemeinschaft anerkannt sind.71

„Kirche und das Petrusamt muss man zuerst pneumatologisch als Wirklichkeiten verstehen, die sich geschichtlich im Geist gebildet haben, nur im Geist können sie verstanden werden und im Geist müssen sie auch ständig neu auf charismatische Weise verwirklicht werden“.72 Im Geist Christi realisiert sich, notwendig für die Existenz sowohl der Universal- als auch der Lokalkirche, die personale „Vertretung“

bzw. das Bischofsamt. Der Geist sei nach W. Kasper das Prinzip der Verschiedenheit, Besonderheit und des Reichtums der Kirche und jeder Partikularkirche als der Geber vielfältiger Charismen, Ämter und Dienste.73 Analogisch zu seiner hierarchisch74 konzipierten Trinitätslehre kennzeichnet nach Kasper auch

64 J. Ratzinger, Kirche als Communio. Gemeinschaft der Glaubenden als sichtbares Zeichen der Gabe des Herrn, in:

OR(D) 28: 1992, 4.

65 H. J. Pottmeyer, Kirche als Communio. Eine Reformidee aus unterschiedlichen Perspektiven, in: StZ 117: 1992, 579-589.

66 Pottmeyer weist auf das Kapitel CN 13 hin, in dem nur die Rede von der Rolle des Papstes in der gegenseitigen Durchdringung der Lokal- und Universalkirche ist. Die Rolle des Heiligen Geistes wird verschwiegen. Vgl. Die zwiespältige Ekklesiologie des Zweiten Vatikanums – Ursache nachkonziliarer Konflikte, in: TThZ 92: 1982, 283;

vgl. G. Greshake, An den drei-einen Gott glauben. Ein Schlüssel zum Verstehen, Freiburg i. Br. 1996, 101.

67 A. Czaja, Credo in Spiritum Vivificantem, 246 f. Der Autor sieht eine Übereinstimmung mit der Katechese des Johannes Paul II. über den Heiligen Geist. Vgl. Johann Paul II. Ich glaube an den Heiligen Geist, den Herrn und Lebensspender. Katechese „Universalität und Vielfalt“, Libreria Vaticana – Città del Vaticano 1992.

68 W. Kasper, Die Kirche als Mysterium, Was glaubt die Kirche von sich selber? in: M. Seybold (Hg.), Fragen in der Kirche und an die Kirche, Eichstätt 1988, 45.

69 W. Kasper, Kirche als communio. Überlegungen, 78.

70 W. Kasper, Die Kirche als Sakrament des Geistes, in: W. Kasper, G. Sauter (Hgg.), Kirche – Ort des Geistes, Freiburg i. Br. 1976, 48 f.

71 „Es geht also um eine immer stärkere Realisierung der im einen Geist schon bestehenden Einheit in der Vielheit, besser: um eine Entwicklung, in der auf dem Weg gegenseitiger Rezeption und Anerkennung die jetzt trennende Vielheit zur Vielfalt in der Einheit wird (…)“ W. Kasper, Die Kirche als Sakrament des Geistes, 49 f.

72 W. Kasper, Dienst an der Einheit und Freiheit der Kirche, in: H. J. Fischer (Hg.), Wozu noch einen Papst? Vier Plädoyers für das Petrusamt, Köln 1993, 53.

73 W. Kasper, Kirche – Werk des Heiligen Geistes, in: D. Bader (Hg.), Freiburger Akademiearbeiten 1979-1989, München-Zürich 1989, 89.

die communio ecclesiarum eine gewisse unaustauschbare Ordnung der Einheit. Für ihn aber steht nicht der Vorrang der Universalkirche im Vordergrund, sondern die des Bischofs in jeder Lokalkirche und besonders des Bischofs von Rom als Träger der Einheit und Katholizität der Gesamtkirche.75

Greshake sieht im Mangel an der pneumatologischen Perspektive die Ursache der vorkonziliaren zentralistischen und pyramidalen Kirchenvorstellung76 und auch der nachkonziliaren Unterordnung der Partikularkirche unter die Universalkirche:77 Das Wesen der Universalkirche bestehe in der perichorese der Lokalkirchen. Die Reinterpretation der „communio ecclesiarum“ würde nach Greshake den Abschied vom zentralistischen und pyramidalen Kirchenbild bedeuten. Man sollte sich laut dem Konzil mehr in das Verständnis der Osttradition bezüglich der Trinitäts- und Kirchenlehre vertiefen.78 Man dürfe nicht vergessen, dass der Geist Christi unmittelbar im eigentümlichen Tun jedes Gläubigen und in der Gemeinschaft der Glaubenden schöpferisch tätig sei.79 Er sei die Garantie dafür, dass sich die Kircheneinheit nicht in der Homogenität realisiere, sondern in der Vielfalt der verschiedensten Formen, und diese Vielfalt bilde dank dem gegenseitigen Austausch die Einheit.80

Wie in der Heiligen Trinität besteht nach H. Mühlen die Funktion des Heiligen Geistes in der Welt in der Einigung aller Christen mit Christus und untereinander und so in der Vereinigung der einzelnen Partikularkirchen. Durch seine Präsenz in ihnen ist Er das „unsichtbare“81, ungeschaffene Prinzip der Einheit der Kirche. „Die einzelnen Teilkirchen bilden nicht ein Ganzes auf Grund einer übergreifenden Organisation, auch nicht allein deshalb, weil und insofern sie in einem Verhältnis zu dem Bischof von Rom stehen, sondern weil der eine und ganze Heilige Geist ganz in jeder dieser Teilkirchen gegenwärtig ist und sie so jeweils zu einer Repräsentation des Ganzen der Kirche macht“.82 Der Geist ist auch das Prinzip der Differenzierung der Lokalkirchen.83 Mühlen weist hiermit auf den qualitativen und den dynamischen Charakter der katholischen Einheit der Kirche hin.84

Das Streben nach der Fülle Christi vollziehe sich in der Offenheit auf den Geist, der sich selbst in verkündetem Wort, gespendeten Sakramenten und der „Kette der Handauflegungen“ der verschiedenen Traditionen überliefert.85 Darin gerade bestehe nach Mühlen die grundsätzliche Möglichkeit dieses unbegreifbaren Mysteriums, dass der eine und ganze Geist in getrennten Kirchen und kirchlichen Gemeinschaften präsent sein könne. Und wenn sich das Mysterium Christi und die Ganzheit seiner einen

74 Siehe eine Verwandtschaft der theologischen Darstellung mit der orthodoxen Tradition, J. Zizioulas, Being as Communion. Studies in Personhood and the Church, London 1985; ders., The Mystery of the Church in Orthodox Tradition, OiC 24: 1988, 294-303.

75 W. Kasper, Die Kirche als Sakrament der Einheit, in: IKaZ 16: 1987, 7.

76 G. Greshake, An den drei-einen Gott glauben, 96 f.

77 G. Greshake, Der dreieine Gott, 426 f, Anm. 565.

78 Ebd. 427 ff.

79 Ebd. 420.

80 G. Greshake, An den drei-einen Gott glauben, 93.

81 H. Mühlen, Una Mystica Persona. Die Kirche als das Mysterium der heilsgeschichtlichen Identität des Heiligen Geistes in Christus und den Christen: Eine Person in vielen Personen, Paderborn 1967, 521.

82 Ebd. 523.

83 „Insofern der Heilige Geist selbst die Differenzierung der kirchlichen Ganzheiten verwirklicht, stellen sie die Ganzheit der Kirche auf vollkommene Weise dar; insofern jedoch sind sie gleichzeitig geschaffene Ganzheiten, ist in ihnen jene Ganzheit präsent (ganzer Geist Christi), aber sie stellen sie nicht vollkommen, sondern in der Vielfalt verschiedenartiger Elemente dar.“ H. Mühlen, Der eine Geist Christi und die vielen Kirchen nach den Aussagen des Vaticanum II, in: ThG 55: 1965, 354 f.; Communio ecclesiarum beruhe nach M. Kehl auf dem gleichzeitig sowohl einigenden als auch differenzierenden Wirken des Heiligen Geistes und dieses Wirken spiegle sich in seiner Struktur wider. Die Kirche existiere dank dem Geist als die Gemeinschaft der Kirchen, die in ihrer differenzierten Vielfalt der Universalkirche die Fülle der Einheit gewährleiste. M. Kehl, Die Kirche, 75 f.

84 „Die Einheit der einen Kirche Christi wird in dem Maße erreicht, als die Konkretheit der geschichtlichen Existenz des übergeschichtlichen Geistes Christi anerkannt, geglaubt und verwirklicht wird. Damit ist zunächst ausgesagt, dass die Einheit der Kirche nie ganz und zu selbstgenügsamer Zufriedenheit verleitend je schon erreicht ist, so sehr auch immer schon wenigstens jenes Maß an Einheit erreicht sein müsste, dass die Welt aufweckt zum Glauben an die konkrete Gesandtheit des Herrn und Heilandes Jesus Christus. (...) Alle schuldhaft getrennten Kirchen sind de facto jetzt auf dem Wege zu dieser Einheit“. H. Mühlen, Der eine Geist Christi und die vielen Kirchen, 360.

85 H. Mühlen, Una Mystica Persona, 530 ff.

Kirche in ihnen verwirkliche und offenbare auf „gebrochene“ Weise, dann werde die römische Kirche dasselbe auch von sich eingestehen.86

Die pneumatologische Perspektive des Verständnisses der Kirche als „communio ecclesiarum“ weist im Zusammenhang der Interpretation des Kirchenbildes als „Ikone“ der Heiligen Trinität auf wesentliche Anknüpfungspunkte der beiden orthodoxen und katholischen Kirchentraditionen hin.87 Der dynamische Charakter des gemeinschaftlichen Lebens der Kirche findet seine Quelle im Mysterium der Heiligen Trinität und spiegelt sich im ekklesiologischen Modell der Kirche als „Gemeinschaft der Schwesterkirchen“. 88 Diese trinitarische Communio sei aber, so W. Kasper mit Blick auf die orthodoxe Trinitätslehre eine hierarchische und habe ihren Ursprung und ihre Quelle beim Vater.89 Der Begriff

„communio-hierarchica“, der vom Zweiten Vatikanischen Konzil benutzt wird (LG 21; Nota praeviae 2, 4)90, gehört konstitutiv zur „communio-ecclesiarum“.91 Nach der katholischen Lehre sei der Papst als Nachfolger Petri „das immerwährende, sichtbare Prinzip und Fundament“ der communio-hierarchica (LG 18). Man darf aber nicht vergessen, dass das unsichtbare Einheitsprinzip der communio-hierarchica der Heilige Geist ist.92 Das tiefste Einheitsprinzip neben der Einheit des Glaubens, der Sakramente, des Zusammenlebens und Zusammenwirkens, „der letzte Antrieb zur Communio und Ordner der Communio“

sei doch der Heilige Geist und „die Kirche hier auf Erden eine sichtbare Manifestation der heiligen Gemeinschaft der drei Personen“, die in Ihm ihren krönenden Abschluss finde.93 Denn der Heilige Geist selbst ist es, der sie sammelt – sie ist „in Spiritu Sancto congregata“ (CD 11).

Das Zweite Vatikanum hat ohne Zweifel eine breite Perspektive eröffnet. Diese aber bedarf einer inhaltlichen Füllung, die es, ernährt von der alten Tradition der ungeteilten Kirche und gebunden an die verbindliche Kirchenlehre, ermöglicht, eine Lösung für die Überwindung der bestehenden Trennung zu finden. Ein Kompromiss ist nur in Sicht, wenn beide kirchlichen Traditionen in einer Synthese münden, die sowohl die eucharistisch-pneumatologische Ortskirchen- als auch die Universalkirchentheologie in gleicher Weise berücksichtigen würde.

3. DIE ÖKUMENISCHE PERSPEKTIVE DER THEOLOGIE DER SCHWESTERKIRCHEN

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