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Die Union von Užhorod (1646)

KAPITEL I: DIE GESCHICHTLICHEN VORAUSSETZUNGEN DER ÖKUMENE

3. DIE UNION VON BREST-LITOVSK 1595/96

3.3. Die Union von Užhorod (1646)

eigenen östlichen Ritus beibehalten. Die Prinzipien der Eingliederung des westlichen Teils der ruthenischen orthodoxen Kirche in die katholische Kirche wurden in der Unionsbulle Magnus Dominus vom 23. Dezember 1595 niedergeschrieben.213

Der Papst hatte sich nicht auf die Forderungen der ruthenischen Bischöfe eingelassen, er gewährte ihrer Kirche nur einige Privilegien und verlangte zudem, dass die Union durch eine Bischofssynode feierlich proklamiert und ratifiziert werden müsse. Anfang März 1596 kehrten die beiden Bischöfe nach Polen zurück, wo der Widerstand gegen die Union immer stärker wuchs. Die Unionsbedingungen, die in Rom vorgeschlagen wurden, waren für die Laien wie es im Brief des Fürsten Konstantin von Ostrog ausgedrückt wird,214 zu verschieden und deswegen unannehmbar.

Nach der Rückkehr der Bischöfe aus Rom, Ende März 1596, begannen die Vorbereitungen für die nächste Synode, die für Oktober 1596 in Brest am Bug angesetzt war.215 Die Synode vom 8.-18. November 1596, die unter der Leitung von Metropolit Rohosa in der Nikolaj-Kirche stattfand, nahm die kirchliche Union feierlich an, und rief alle Angehörigen der Ostkirche in Polen und Litauen auf, diese zu akzeptieren.

Somit bestätigten die ruthenischen Bischöfe die Unionsdokumente.216 Die Union wurde offiziell ratifiziert und fand Anerkennung auch durch den polnischen Staat, der sie als allgemein betrachtete und nur die unierte Hierarchie anerkannte.217

In der Zwischenzeit war die Opposition gegen die geplante Union unter der Leitung des Fürsten von Ostrog erstarkt. Führend darin war auch der von Patriarch Jeremias eingesetzte Nykyfor, sowie zwei weitere Bischöfe, die noch 1590 zu den Initiatoren der Union gehört hatten, jedoch im Laufe des vergangenen Jahres vom Konzept einer Unterordnung unter Rom abgerückt waren.218 Zur Synode von 1596 waren also zwei Parteien nach Brest gekommen. Die orthodoxe Opposition lehnte die Union ab und bildete eine eigene Gegensynode. Beide Synoden verdammten sich in der Folge gegenseitig.219 Durch die Opposition des Fürsten Konstantin und anderer Adeliger hatte die Union nicht den ersehnten allgemeinen Erfolg und konnte nur partiell durchgeführt werden. Beide Lager gehen seit dieser Zeit bis heute getrennte Wege.220

1613/1614 scheiterte der erste Versuch des katholischen Landesherrn von Humenné Georg Drughet, mit Hilfe des unierten Bischofs von Przemyśl Afanasi Krupezki, die zum größten Teil orthodoxe Bevölkerung von Karpato-Ukraine/Subkarpatien für die Union mit der katholischen Kirche zu gewinnen.

Man erstrebte, durch die Union vor allem der niedrigen kirchlich-sozialen Lage der Bevölkerung sowie der Gefahr des Protestantismus entgegenwirken zu können. Auf Ersuchen der katholischen Magnatenfamilien aus Österreich setzten sich die Jesuiten und die Basilianer des östlichen Ritus sehr aktiv für eine Union ein. Der orthodoxe Bischof Basilios Tarasovič (1633-1651) von Mukačevo verhandelte seit 1638 mit dem katholischen Bischof von Erlau, Georg Jakušič über die Union, wofür er vom Landesherrn Georg I. Rákóczy (1630-1648), der für den Calvinismus bei den Rumänen Siebenbürgens sowie bei den podkarpatischen Ruthenen warb, gefangen genommen wurde. Nach seiner Freilassung durch die Intervention des Kaisers Ferdinand III. musste Bischof Tarasovič den Bischofsitz in Mukačevo verlassen. Im Mai 1642 legte er in Wien in der Kapelle der kaiserlichen Sommerresidenz Laxenburg – in Anwesenheit Kaiser – vor dem Apostolischen Nuntius Gaspar Mattei das katholische Glaubensbekenntnis ab. Nach seiner Rückkehr aus Wien verlegte Bischof Tarasovič seine Residenz von Mukačevo nach Kalov und warb dort für die Union. Während des Aufstandes des Fürsten Georg Rákóczy gegen den Kaiser (1643) wurde Bischof Tarasovič erneut gefangen genommen, nach Mukačevo gebracht und war somit gezwungen, dort bis zu seinem Tod 1651 zu bleiben. Noch zu Lebzeiten des Bischofs Tarasovič verbreitete sich die Unionsbewegung im Herrschaftsgebiet der katholischen Magnatenfamilie Drughet so weit, dass am 24. April 1646 in der Schlosskapelle von Užhorod eine Union von dreiundsechzig ruthenischen Priestern (zehn Prozent der Gesamtzahl der Priester in der Diözese Mukačevo) geschlossen wurde. Der lateinische Bischof von Erlau Georg Jakušič nahm das Glaubensbekenntnis und die Unionsbedingungen der ruthenischen Priester entgegen. Laut den Bedingungen verlangten die Ruthenen: 1. die Bewahrung des byzantinisch-slawischen Ritus und seiner Gebräuche; 2. das Recht der Wahl des Bischofs von Mukačevo seitens der Geistlichkeit, der dann vom Heiligen Stuhl in Rom zu bestätigen sei; 3. die gesellschaftliche Gleichstellung der unierten Geistlichkeit mit der lateinischen.

Der Erzbischof von Gran und Primas von Ungarn Georg Lippay bestätigte in seiner Stellung als „legatus natus Apostolicae Sedes per Hungariam“ die mit den Ruthenen abgeschlossene Union und informierte erst 1650 die Konzilskongregation und 1651 Papst Innozenz X. (1644-1655) vom Geschehenen. Nach dem Tod von Bischof Tarasovič (1651) wurde Parthenios Petrovič zum neuen Bischof gewählt. Seine Weihe empfing er vom orthodoxen Erzbischof von Alba Julia Stefan Simonovič. 1655 erteilte Papst Alexander VII. Erzbischof G. Lippay die Vollmachten, den Bischof Parthenios als „Bischof der Ruthenen in Mukačevo und in anderen (vom Primas zu bestimmenden) Teilen Ungarns“ zu bestätigen.

Anschließend erteilte Primas Lippay Bischof Parthenios die Bischofsweihe.

Bald fand die Union rasche Verbreitung, zuerst in den Bezirken der heutigen Slowakei (Spiš, Šariš, Zemplin, Ung), dann aber auch – nach der Bekehrung der Witwe des Fürsten Georg II. Rákóczy, der Fürstin Sophie Báthory von Mukačevo im Jahre 1660 – in den transkarpatischen Bezirken der heutigen Ukraine. Im Jahre 1759 berichtete der unierte Bischof Manuel Olšavsky (1743-1767) nach Rom von einer vollständigen Annahme der Union durch die Bevölkerung seiner Region. Die heutigen orthodoxen Gemeinden der Karpato-Ukraine sind erst im 18.-19. Jh. wieder gegründet worden. Die unierte Kirche zählte 657 Pfarreien mit 839 Kirchengebäuden. Bald entstand die Gefahr für die Unierten, in die Abhängigkeit der Hierarchie der lateinisch-katholischen Kirche zu geraten. Mit viel Mühe gelang es Bischof Manuel Olšavsky, mit Hilfe der Kaiserin Maria Theresia die Unabhängigkeit der unierten Ruthenen der lateinischen Ortskirche gegenüber zu erhalten. Papst Clemens XIV. richtete auf Ersuchen der Kaiserin mit der Bulle Eximia regalium vom 19. September 1771 die Diözese Mukačevo als unabhängiges Bistum für die Ruthenen ein. Die Union von Užhorod stand Mitte des 18. Jahrhunderts auf einem festen Fundament und hatte bis Anfang des 20. Jahrhunderts Bestand, als sich infolge der ungarischen Gesinnung des Klerus und der zunehmenden Latinisierung eine Gegenbewegung bildete.

Ungarn. Nur die nach Jugoslawien und Amerika ausgewanderten Ruthenen halten an der alten Bezeichnung noch fest. Siehe J. Kulič, Art. Ruthenen, LThK Bd. 8, Freiburg-Basel-Rom-Wien 1999, 1392.

222 Das Gebiet Pod(Sub)-karpaten umfasste im Königreich Ungarn die Diözese Mukačevo, die sich über 13 nordöstliche Bezirke erstreckte. Zu dieser Diözese gehörten Ostslawen, Slowaken, Rumänen und eingewanderte Serben. Seit den territorialen Umwälzungen nach den beiden Weltkriegen des 20. Jahrhunderts ist das betreffende Gebiet kein politisch geschlossenes Territorium mehr, sondern umfasst jeweils die Randgebiete der Ukraine, der Slowakei, Ungarns und Rumäniens.

Nach dem Ersten Weltkrieg konvertierten über 100.000 Gläubige zur orthodoxen Kirche. 1946, drei Jahre vor der Aufhebung der Union von Užhorod durch das Sowjetregime, zählten die aus ihr stammenden Ostkatholiken rund 1,35 Millionen Gläubige. Zur katholischen Kirche der Union von Užhorod gehörten das Bistum Mukačevo in der Karpato-Ukraine, das Bistum Prešov in der Slowakei, das Bistum Hajdudorog und die Apostolische Exarchie Miskolc in Ungarn, die Apostolische Exarchie Pittsburgh in den USA, teilweise das Bistum Maramures in Rumänien und das Bistum Križevci in Jugoslawien, in geringem Maße auch die Apostolische Exarchie von Kanada. Im Laufe des Zweiten Weltkrieges wurde das Siebenbürgengebiet auf vier Staaten verteilt: Ost-Slowakei, Karpato-Ukraine, Nordwest-Rumänien und Nord-Ungarn. 1949 wurde die Union von Užhorod in der Ukraine und 1950 in der Slowakei offiziell aufgehoben und verboten. In der Diözese Maramures/Rumänien wurde die Union 1948 aufgelöst. Nach dem Zweiten Weltkrieg existierte die katholische Kirche der Union von Užhorod offiziell außer in Ungarn und Jugoslawien nur noch in der Diaspora: in den USA – in den zwei Bistümern Pittsburgh und Passaic N.J. (seit 1963), und in Kanada (1964).223 Die Unierten in der Ukraine, der Slowakei und in Rumänien wurden teils in die Orthodoxe Kirche eingegliedert, teils waren sie dazu gezwungen, als Untergrundkirche zu existieren. Seit Anfang 1990 durften die unierten Kirchen in der Ukraine ihre Tätigkeit frei ausüben. Erst 1991 konnte die Diözese von Mukačevo wieder neu gegründet und mit dem Aufbau der Ortskirche fortgefahren werden.

Die etwa 530.000 Gläubigen der ruthenischen Kirche (1 % der Gesamtbevölkerung der Ukraine, USA und Tschechien) pflegen enge Beziehungen mit der zahlenmäßig überlegenen UGKK, lehnen jedoch entschieden jede Verschmelzung oder Aufsaugung ab. Immerhin halten die Bischöfe beider Kirchen gemeinsame Synoden ab und versuchen in pastoraler Hinsicht den schwierigen Schritt in die Moderne gemeinsam zu wagen. Von Anfang an wollte die Griechisch-Katholische Kirche in der Karpaten-Ukraine sich nicht der UGKK unterordnen. Die unierten Ruthenen mit ihrer an Ungarn orientierten Tradition werden dem Vatikan direkt unterstellt.

Zu den charakteristischen Merkmalen, die die Union von Užhorod von der von Brest/Litovsk unterscheiden, gehört, dass diese auf ganz anderer Grundlage entstanden ist. Während die Union von Brest durch direkte Verhandlungen der Hierarchen der Kyjiver Kirche mit dem Apostolischen Stuhl auf der Basis eines Vertrages zustande kam, handelten die Ruthenen individuell. Nicht einmal der Bischof von Mukačevo konnte beim Abschluss der Union dabei sein. Der Primas von Ungarn, Erzbischof Georg Lippay von Gran, bestätigte die Union und setzte den Papst erst wenige Jahre später davon in Kenntnis.

Die unierte Kirche Galiziens stand unter polnischer geistiger Prägung und war auf Habsburg ausgerichtet.

Die unierten Ruthenen befanden sich dagegen stark im ungarischen Einflussbereich.

223 Zur Union von Užhorod siehe M. Lacko, Unionsbewegungen im slawischen Raum und in Rumänien, in: HOK Bd. 1, Düsseldorf 1984, 273-278; ders., Die Union von Užhorod (1646), in: W. de Vries, Rom und Patriarchate, 114-131; ders., Unio Užhorodensis Ruthenorum Carpaticorum cum Ecclesia Catholica, in: OCA 143, Rom 1955;

G. Stricker, 350 Jahre Union von Uschhorod. Eine griechisch-katholische Kirche im Schatten, in: G2W 24: 1996 (Nr. 9), 18-23.

Abbildung 2: Geografische Darstellung der Ausbreitung der Union von Brest 1595/96 und Užhorod 1646.224

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