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Der Uniatismus als Widerspruch der Communio-Ekklesiologie der Schwesterkirchen

KAPITEL III: DIE DIALOGDOKUMENTE UND IHRE VERWIRKLICHUNG

1. DER THEOLOGISCHE DIALOG

1.5. Zur Diskussion in der zweiten Phase des theologischen Dialogs

1.5.3. Der Uniatismus als Widerspruch der Communio-Ekklesiologie der Schwesterkirchen

Gleich zu Beginn der Gespräche über den Uniatismus in Bari stellten alle Beteiligten der orthodox-katholischen Dialogkommission fest, dass der Terminus „Uniatismus“ einer gründlichen Erläuterung

109 M. Basarab, Balamand – und wie geht es weiter? in: US 50: 1995, 72.

110 Interview mit Erzbischof Stylianos, 118.

111 M. Basarab, Balamand – und wie geht es weiter? 74.

112 Päpstliche Kommission “Pro Russia”, Allgemeine Prinzipien und praktische Normen für die Koordinierung der Evangelisierung und des ökumenischen Engagements der katholischen Kirche in Russland und den anderen Ländern der GUS, in: VApS 109: 1992.

113 Ansprache des Papstes an die Delegation des Ökumenischen Patriarchates von Konstantinopel am 28.7.1994, in:

OR(D) 29: 1994, 8.

114 A Response of the Orthodox-Roman Catholic Consultation in the United States, Art. 6.

bedarf.115 Man sah die Aufgabe darin, diesen Terminus zu präzisieren und von dem negativen Inhalt zu befreien. Das Problem erfordere eine unparteiische und aufrichtige Betrachtung im Lichte der Geschichte und der heutigen theologischen ökumenischen Reflexion, frei von polemischen Vorurteilen und Feindschaft, so W. Hryniewicz. Berechtigt in diesem Zusammenhang ist die Frage nach dem Inhalt des Begriffes des „Uniatismus“ in der Freisinger Erklärung, die ihn als eine falsche Methode der Suche nach der Einheit bezeichnet und konsequenterweise verwirft. Eine offizielle Ablehnung des Uniatismus brachte keine automatische endgültige Lösung des Problems. So geben sich die unierten Ukrainer mit der Rede von einer Verwerfung des Uniatismus ohne die Nuancierung des Problems auf gar keinen Fall zufrieden.

„Für die Unierten und den Klerus der Ukrainisch-katholischen Kirche ist es völlig unverständlich, dass sie, die doch Jahrzehnte gerade wegen ihrer Treue zum römischen Stuhl verfolgt worden sind und gelitten haben, von der eigenen katholischen Kirche in ihrer Existenz angezweifelt und als Störfaktor der Ökumene behandelt werden“. R. Hotz bezieht sich auf die ökumenischen Versammlungen mit den Orthodoxen, im Verlauf derer von katholischer Seite die „Teilunionen“ als ein „untaugliches Mittel“ und somit „als überflüssige Restbestände gescheiterter Unionsversuche“ erklärt wurden. Das enthalte keine Zukunftsperspektiven, so R. Hotz.116

Unter „Uniatismus“ versteht man laut der Freisinger Erklärung „den Versuch, die Einheit der Kirche durch Trennung von Gemeinden oder orthodoxen Gläubigen von der orthodoxen Kirche zu verwirklichen, ohne zu bedenken, dass nach der Ekklesiologie die orthodoxe Kirche eine Schwesterkirche ist, die selbst Gnaden- und Heilsmittel anbietet“ (6 b). Der unierte Archimandrit Keleher betrachtet die Definition des Uniatismus, die nur von einer „Trennung“ ausgeht, als unzutreffend, denn sie nehme keine Rücksicht auf Konversion, bei der es sich um eine erzwungene Trennung von der Orthodoxen Kirche und im nachhinein um einen vollständigen Verzicht auf die eigene Identität handle. Im Falle einer Union hingegen durften die „Unierten“ ihre eigene Spiritualität, Liturgie, Theologie und Kirchenordnung im Großen und Ganzen beibehalten,117 selbst wenn sie im Laufe der Geschichte einer starken Latinisierung ausgesetzt waren und bis heute damit zu kämpfen haben. Nach E. Ch. Suttner bestand der Uniatismus im

„Herüberziehen“ von Kirchengemeinden, Bistümern, Metropolitanverbänden oder auch den Einzelkonversionen. Das gemeinsame Merkmal aller Formen des Uniatismus, in denen er sich im Laufe der Kirchengeschichte durchsetzte, ist die im Sinne einer soteriologisch-exklusivistischen Ekklesiologie ausgelegte Einstellung, bei der sich eine Kirche als „Lehrmeisterin“ über die andere entweder in radikaler oder gemäßigterer Weise stellte.118 In Bezug auf den Exklusivismus unterstrich die

115 W. Hryniewicz, Der Dialog der Schwesterkirchen, 321.

116 R. Hotz, Zwischen Nationalismus und Ökumene. Die Ukrainische Kirche zwischen allen Stühlen, in: COst 51:

1996, 12.

117 S. Keleher beruft sich auf den ukrainischen Metropoliten A. Šeptyc’kyj, der gegen die gewaltsamen Maßnahmen der polnischen Regierung gegenüber der Orthodoxen Kirche protestierte. Siehe Cyril Korolevsky, Metropolitan Andrew (1865-1944), L’viv-Stauropegion 1993, 504 ff., zitiert bei S. Keleher, The Freising, Ariccia and Balamand Statements: An Analysis, 441 ff; zum Thema der gewaltsamen Durchführung der Konversion, siehe K. S. Draganović, Massenübertritte von Katholiken zur „Orthodoxie“ im kroatischen Sprachgebiet zur Zeit der Türkenherrschaft, in: OCP 3: 1937, 181-232; ders., Über die Gründe der Massenübertritte von Katholiken zur

„Orthodoxie“ im kroatischen Sprachgebiet, OCP 3: 1937, 550-599.

118 Suttner weist auf die Wandlung des Unionsverständnisses im Laufe der Kirchengeschichte hin. Er schreibt vom Uniatismus vor dem 18. Jahrhundert, als einer schismatischen Kirche trotz der Lehrunterschiede nicht abgesprochen wurde, Kirche Christi zu sein. Von sich selber glaubten die Kirchen, „dem Auftrag Christi die Treue gehalten“ zu haben. Im Falle der anderen Kirche war man überzeugt, dass eine Korrektur notwendig sei. Nach dem 18. Jahrhundert setzte sich die sich nach dem Konzil von Trient verbreitete Überzeugung durch, dass „die Zugehörigkeit zur Kirche Gottes unabdingbar gebunden sei an die Gemeinschaft mit dem römischen Papst“. Die schärfste Fassung erhielt diese Lehre in den Enzykliken Mystici corporis vom 22.06.1943 und Humani generis vom 12.08.1950. Zu derselben Zeit erklärten die Orthodoxen Kirchen die Katholiken für „ungetauft und ungeheiligt“.

Vgl. Dialog und Uniatismus, US 45: 1990, 90; Suttner macht auf die Ereignisse des 16. und 17. Jahrhunderts, wie der Union von Brest, aufmerksam, die noch vor dem Wandel bzw. vor dem 18. Jahrhundert liegen. „Sie geschahen, als die breite Mehrheit der östlichen und westlichen Christen ihre Kirchen noch füreinander gleichrangig hielten: für

‚Schwesterkirchen in fast vollendeter Gemeinschaft’, wie neuerdings Papst Paul VI. dieses Verhältnis umschrieb.“

siehe ders., Wandlungen im Unionsverständnis vom 2. Konzil von Lyon bis zur Gegenwart, in: OS 34: 1985, 128-150; ders. Unionsabschlüsse, 238 ff.; Pater R. Taft, SJ, spricht vom „katholischen Angriff“ auf den Osten, besonders Russland, der von einem „objektiven Beobachter aus heutiger Sicht nur als eine Komödie der Irrtümer“

angesehen werden könnte. The Problem of “Uniatism”, 159; siehe auch A. Tamborra, Chiesa cattolica e Ortodossia russa. Due secoli di confronto e dialogo. Dalla Santa Alleanza ai nostri giorni, Mailand 1991; vom Uniatismus als

Katholische Konsultation in den USA in ihrer Antwort an die Internationale Gemischte Kommission für den Theologischen Dialog bezüglich des Dokuments von Balamand die Rolle und die Bedeutung der protestantischen Reformation für die Entwicklung der römisch-katholischen Ekklesiologie. „Eine Erwähnung dessen würde helfen zu erklären, wie sich Ansätze wie der Exklusivismus, der im Dokument zu Recht kritisiert wird, unter den Römisch-Katholiken nicht in erster Linie als Antwort auf die Orthodoxen entwickelten, sondern auf andere Krisen und Kontroversen“.119 Es wird in der orthodox-katholischen Diskussion um den Uniatismus oft darauf hingewiesen, dass beide Kirchen in ihrer Vergangenheit durch die Unionen gegen die alte Tradition der kirchlichen Communio verstoßen haben.120 Aus der heutigen ökumenischen Perspektive ist der Uniatismus in jeder Hinsicht als eine Methode für die Verwirklichung der Einheit inakzeptabel. Mit Sicherheit brachte der „Uniatismus“, als Folge der einst in beiden Kirchen herrschenden exklusivistischen Ekklesiologie121, keine Kircheneinigung und zerstört den gegenwärtigen ökumenischen Dialog. „Man soll in ihm aber nicht nur ein Instrument des Proselytismus gegenüber der orthodoxen Kirche sehen, ebenso keine ihr feindliche kirchliche Strategie.“122 Der unierte Archimandrit Keleher findet die Aussage der Freisinger Erklärung nicht ganz gerecht, denn sie übersehe die positive Erfahrung der mit Rom unierten Kirchen. „Keiner würde ernsthaft behaupten, dass der Patriarch Maximos IV. von Antiochien oder der Metropolit Andrej Šeptyc’kyj123 von Kyjiv-Halyč eher neue Trennungen verursachten, als die Annäherung.“124 Mit der jahrhundertlangen Tradition der unierten Kirche in der Ukraine verbindet sich neben der schmerzhaften auch eine bedeutende positive Erfahrung.

Die Unierten, die ihrem Gewissen nach immer wieder versuchten, eine Bewegung zur Einheit zwischen der gespaltenen Ost- und Westkirche anzuzünden, verdienen mit Sicherheit vollen Respekt für ihre Offenheit und ihren Mut, selbst wenn der Weg des Uniatismus aus heutiger Perspektive ohne Zweifel abgelehnt werden muss. „Die Ehrfurcht vor Gott, dem Urheber geistlichen Wachstums, verbietet, diese Einigung gering zu achten.“125

Die Bestrebungen der östlichen Christen, die Einheit zwischen der Kirche des Ostens und der Kirche des Westens wiederherzustellen, brachten keine ganzheitliche Einigung, sondern führten meist zu Teilunionen. Die „Vereinigung mancher Gemeinschaften mit dem Römischen Stuhl“ hatte den Abbruch der Kircheneinheit dieser einzelnen „Gemeinschaften“ mit ihren östlichen „Mutterkirchen“, wie auch ein hohes Maß an Auseinandersetzung und Leiden „zuerst für die Orthodoxen, dann aber auch für die Katholiken“ als Folge, so die Erklärung von Balamand (8). So seien nicht ohne äußere Einflüsse oder Einwirkung außerkirchlicher Bestrebungen die katholischen Ostkirchen entstanden. H. J. Vogt findet, dass die Verwendung des Begriffes „Mutterkirchen“ in der Mehrzahl inkorrekt ist: zunächst wegen dem negativen Beigeschmack, den dieser Begriff bei der Aufhebung der unierten Kirchen in der Ukraine 1946

einem “Hinüberziehen” schreibt ebenso Y. Congar. “Während der Jahrhunderte einer Trennung, die nie vollständig durchgeführt worden ist, wurden Bestrebungen unternommen, die Gemeinschaft wieder herzustellen und zu einem Einvernehmen zu gelangen. Leider ging man auf beiden Seiten nur darauf aus, die andere Seite zu sich herüberzuziehen“. Vom Heiligen Geist, Freiburg 1982, 444; siehe auch W. Hryniewicz, Soteriological Exclusivism at the Basis of Uniatism, in: K. Ch. Felmy u.a. (Hgg.), Kirchen im Kontext unterschiedlicher Kulturen. Auf dem Weg ins dritte Jahrtausend, Göttingen 1991, 521-533, besonders 521-524.

119 A Response of the Orthodox/Roman Catholic Consultation in the United States, Punkt 8; siehe deutsche Übersetzung in: Th. Bremer, J. Oeldermann, D. Stoltman, (Hgg.), Orthodoxie im Dialog, 107-112.

120 H. M. Biedermann, Orthodoxie und Unia. Das Dokument von Balamand (17.-24.6.1993), in: OS 44: 1995, 15;

vgl. auch Suttner, Dialog und Uniatismus, 89; R. Taft, The Problem of „Uniatism“, 190; A. de Halleux, Uniatism et communion. Le texte catholique – orthodoxe de Freising, in: Revue théologique de Louvain 22: 1991, 3-29.

121 W. Hryniewicz, The Florentine Union, 521-554; ders., Ecumenical Lessons, 521-533; zum Exklusivismus in der orthodoxen Ekklesiologie siehe ders., Droga ku zatraceniu. Argumenty soteriologiczne w prawosławnej opozycji wobec Unii Brzeskiej, in: P. Jaskóła (Hg.), Veritati et caritati, Opole 1992, 255-269.

122 W. Hryniewicz, Der Dialog der Schwesterkirchen, 321; H. M. Biedermann wagt ebenso, auf die positiven Seiten der Unia hinzudeuten. Ohne das angeklagte „System“ des Uniatismus rechtfertigen zu wollen, was auch aus inneren Gründen unmöglich wäre, geschehe der Unia, so Biedermann, selbst Unrecht, sie damit gleichzusetzen und in Bausch und Bogen zu verurteilen. Vgl. Orthodoxie und Unia, 14.

123 Der orthodoxe Bischof Kallistos von Diokleia hebt die Pionierarbeit des unierten Metropoliten Sheptitsky hervor, der sich für die Kircheneinheit zwischen der römisch-katholischen und der Orthodoxen Kirchen einsetzte.

„Orthodox can acknowledge with gratitude the irenic initiatives of such pioneers on the Roman Catholic side as Andrei Sheptitsky (1865-1944) (…).” T. Ware, The Orthodox Church, London 1993, 314 f.

124 S. Keleher, The Freising, Ariccia and Balamand, 450 f.

125 E. Ch. Suttner, Dialog und Uniatismus, 93.

und in Rumänien 1948 hinterlassen hat, als die unierten Kirchen gewaltsam in die orthodoxen Patriarchate von Moskau und Bukarest eingegliedert wurden. In diesem Fall ist die Rede von orthodoxen Kirchen als „Mutterkirchen“ gegenüber den unierten Kirchen geschichtlich nicht richtig, denn das rumänisch-orthodoxe Patriarchat ist viel später gegründet worden, nachdem es zur Entstehung der katholischen Ostkirche in Rumänien gekommen war.126 Nach H. Vogt könne das Moskauer Patriarchat ebenfalls nicht als Mutterkirche der Unierten in der Ukraine verstanden werden. Die Frage nach der Beziehung zwischen der katholischen Ostkirche und den Orthodoxen Kirchen, die sich in derselben Tradition der Kyjiver Kirche verwurzelt sehen, zur Russischen Orthodoxen Kirche und zur Kirche von Konstantinopel des Ökumenischen Patriarchats, ist von großer Bedeutung für den Dialog zwischen der unierten Kirche und der Orthodoxen Kirche in der Ukraine, vor allem jedoch für die Überwindung der Kirchenspaltung innerhalb der ukrainischen Orthodoxie. Der Vorschlag, den H. J. Vogt anbietet, ist: eine unierte Kirche, die aus einem Schisma hervorgegangen sei, als Schwesterkirche der anderen nicht unierten Kirche zu betrachten. Das würde aber die neue Einsicht in die Ekklesiologie der Schwesterkirchen erfordern. H. Biedermann teilt die Position von H. J. Vogt, wenn dieser sich für die Verwendung des Begriffes „Mutterkirchen“ in der Einzahl während der theologischen Diskussion der Dialogkommission in Balamand einsetzte. Geschichtlich gesehen könnte man, fährt er fort, „die Einzahl im Blick auf die Kirche von Konstantinopel wohl rechtfertigen, insofern die Kirche der Ukraine wie auch der rumänischen Fürstentümer damals in einem mehr oder weniger engen Verband mit dem Ökumenischen Patriarchat standen, und jedenfalls hatten sie von Konstantinopel her einmal ihr Christentum empfangen“. Ebenso sieht Biedermann die Einzahl im Hinblick auf die gesamte Orthodoxie als die eine orthodoxe Kirche für berechtigt.127

Die von den Orthodoxen und Katholiken in Wien, Freising und Ariccia erarbeiteten Prinzipien und Empfehlungen seien für die Orthodoxen vollkommen annehmbar und könnten eine feste Grundlage für effiziente Einigungsdialoge darstellen, so der rumänisch-orthodoxe Metropolit Antonie Plămădeală. Die Union von Siebenbürgen lässt sich jedoch seiner Ansicht nach nicht positiv bewerten. Gegen die Zentralaussagen dieser Erklärungen, dass der Uniatismus keine Methode der Eintracht, sondern der Zwietracht gewesen sei, bezeichnete Johannes Paul II. den auf der Synode in Alba Iulia vom 7. Oktober 1698 verwirklichten Uniatismus in Siebenbürgen als ein „glückliches und gesegnetes Ereignis“ und stellte für 1998 die Jubiläumsfeier in Aussicht. Die Rede vom „glücklichen Ereignis“ sei in Anbetracht der Geschichte des Uniatismus in Siebenbürgen und in der Literatur aus Ost und West unangemessen,128 so der orthodoxe Metropolit. Ebenso problematisch sieht er die „besondere Rolle“ der Ostkatholiken, die ihnen vom Zweiten Vatikanum im Sinne der „Förderung der Einheit aller Gläubigen, insbesondere mit den Orthodoxen“ zuerkannt wird (OE 24). Nach dem Metropoliten Antonie gebe es keine Kohärenz zwischen den Dokumenten von Wien, Freising und Ariccia und dem römischen Magisterium.129 Somit erscheinen die katholischen Ostkirchen nicht als die rechtmäßigen Mitglieder der orthodoxen Familie, ein Hindernis eher als eine Brücke im orthodox-katholischen Dialog.

Im Widerspruch zum Uniatismus steht die Theologie der Schwesterkirchen, die aus der Zeit der ungeteilten Kirche des ersten Jahrtausends resultiert und vom Zweiten Vatikanum emporgehoben wurde.

Trotz des zunehmenden Problems des Uniatismus, das sich mit der politischen Wende in Ost- und

126 Siehe die Anmerkung 3 zu deutscher Übersetzung des französischen Originaltextes der Erklärung von Balamand, H. J. Vogt, in: US 48: 1993, 263 f.; die Autokephalie der Rumänisch-Orthodoxen Kirche wurde 1855 durch das Ökumenische Patriarchat von Konstantinopel bestätigt. Verbreitung: 19,8 Millionen Gläubige (Rumänien, Westeuropa, Nordamerika). Zur Entstehung der katholischen Ostkirche in Rumänien kam es 1698, als Metropolit Athanasios von Transsylvanien die Gemeinschaft mit Rom akzeptierte. Im September 1700 wurde die Union durch eine Synode formell bestätigt. Verbreitung: 1,5 Millionen Gläubige (in Rumänien, USA, Kanada). 1589 errichtete das Patriarchat von Konstantinopel ein russisch-orthodoxes Patriarchat mit Sitz in Moskau. In der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts kam es zur Angliederung der UOK an das Moskauer Patriarchat. Verbreitung: ca. 80 Millionen;

Russland, GUS, Westeuropa, Nord und Südamerika. Zur Entstehung der unierten Kirche in der Ukraine kam es 1595/96 während der Union von Brest/Litowsk. Verbreitung: 5,8 Millionen (Ukraine, Polen, USA, Kanada, Brasilien, Argentinien, Australien, Westeuropa). Siehe D. W. Winkler, K. Augustin, Die Ostkirchen, 37 f., 46, 102 f., 107.

127 H. M. Biedermann, Orthodoxie und Unia, 19.

128 Metropolit Antonie Plămădeală verweist auf die Buchposition von Dumitru Staniloae, Uniatismul in Transilvania. Incercare de dezmembrare a popurul roman, Bukarest 1973, 207.

129 Plămădeală, Der Uniatismus als hinderndes Problem, 129.

Südeuropa besonders zuspitzte, kennzeichnete den offiziellen orthodox-katholischen Dialog in den letzten Jahrzehnten des 20. Jahrhunderts ein großes Vertrauen zur altchristlichen Idee der Schwesterkirchen. Das dritte Kapitel des Münchner Dokuments beginnt mit einer gravierenden Feststellung, die sich gegen die exklusivistische Ekklesiologie richtet: Der Leib Christi sei ein einziger. Es existiere deshalb nur eine Kirche Gottes, die aus mehreren Eucharistie feiernden Ortskirchen bestehe (III,1). Damit wurde die Communio-Ekklesiologie der einen Kirche Gottes sehr deutlich zum Ausdruck gebracht. Die Theologie der Schwesterkirchen stand auch im Mittelpunkt der zweiten Phase des bilateralen Dialogs. Als Modell künftiger Einigung wurde die Communio-Gestalt der Kirche herausgearbeitet, ein Konzept, das in der Sakramenten- und Glaubensgemeinschaft frühchristlicher Zeit vorgebildet und vom Zweiten Vatikanum hervorgehoben wurde. Die neue ekklesiologische Orientierung kam deutlich im Text von Ariccia zum Vorschein und bereitete somit eine feste Basis für die Arbeit der 7. Vollversammlung der Dialogkommission in Balamand, auf der sich die Orthodoxe und Katholische Kirche als Schwesterkirchen, die das Apostolische Glaubensbekenntnis, dieselben Sakramente, vor allem die Rolle des Priestertums und der Apostolischen Sukzession bewahrten, neu entdecken und anerkennen (12, 14).

Die Konzeption von „Schwesterkirchen“, die aus der Communio-Ekklesiologie resultiert, stelle, so die Antwort der Orthodox/Römisch-Katholischen Konsultation in USA über das Dokument von Balamand, die Beziehungen zwischen den beiden Kirchen auf eine neue Grundlage. Das Konzept von Schwesterkirchen beinhalte den Begriff von gegenseitigem Respekt für den pastoralen Dienst der anderen und schließe auch den Begriff der gegenseitigen Verantwortung der beiden Kirchen dafür ein, „die Kirche Gottes in Treue zu ihrem göttlichem Zweck zu bewahren, besonders hinsichtlich der Einheit“, wie dies im Dokument von Balamand im Klartext zum Ausdruck kommt (14). Der Text der Konsultation aus den USA sieht letztendlich die Bischöfe „nicht nur für die pastorale Sorge ihrer eigenen Gläubigen als verantwortlich, sondern auch für den guten Zustand und den Aufbau der ganzen Kirche und für die Evangelisierung der Welt“.130 Damit wird der universale Charakter der Theologie der Schwesterkirchen zum Ausdruck gebracht.

Die Stellung der Konsultation der katholisch-orthodoxen Theologen schenkt dem Begriff der

„Schwesterkirchen“ volles Vertrauen. Während der Tagung im Juni 2000, gewidmet der gemeinsamen Sorge um den Dienst an der Versöhnung zwischen den Kirchen, knüpften sie an die Aussage des Patriarchen Bartholomaios I. an, als er 1993 den „entschlossenen Willen der beiden Schwesterkirchen“

unterstrich, „um nicht im Zustand der gegenseitigen Entfremdung zu verbleiben, sondern sich zu bemühen, auf aufrichtiger, ehrlicher und entsprechender Weise den Weg zur Wiederherstellung der Einheit und der Gemeinschaft in Christus vorzubereiten“. Am Schluss ihrer Erklärung schrieben die Teilnehmer der Konsultation: „(…) als Mitglieder der Schwesterkirchen, die für die Aufrechterhaltung des apostolischen Glaubens Verantwortung tragen, können wir den Sieg einer Tradition über die andere nicht suchen. Wir suchen eher den Sieg Christi über unsere Spaltungen um des Heiles Aller willen“.131 Mit diesen Worten wird die Gleichstellung der beiden Kirchen zum Ausdruck gebracht, die sich im Dialog als Schwesterkirchen begegnen.

Eine eingeschränkte Interpretation des Begriffes „Schwesterkirchen“ brachte das Schreiben der Glaubenskongregation über einige Aspekte der Kirche als Communio (1992), in dessen Lichte die orthodox-orientalischen „Teilkirchen“ wegen ihres Mangels an der Gemeinschaft mit dem Nachfolger Petri „in ihrem Teilkirchesein“ als „verwundet“ betrachtet werden.132 Eine solche Perspektive der

„Verwundung“, die sich nur einseitig auf die Orthodoxen Kirchen bezieht, kann von ihnen zweifelsohne nicht akzeptiert werden. Aus dem Kommuniqué des gemeinsamen Komitees von orthodoxen und katholischen Bischöfen über Osteuropa des XI. Treffens in Tenafly (Oktober 1992) heißt es, der Brief der Glaubenskongregation sei ein Zeichen, dass die Römisch-Katholische Kirche ihre Haltung hinsichtlich der Grundvoraussetzungen ändere, aufgrund derer die Orthodoxe Kirche und die Römisch-Katholische

130 A Response of the Orthodox/Roman Catholic Consultation in the United States, Punkt 11, siehe deutsche Übersetzung in: Th. Bremer, J. Oeldermann, D. Stoltman (Hgg.), Orthodoxie im Dialog, 107-112.

131 „As members of sister Churches which are responsible for upholding the apostolic faith, we cannot seek the victory of one tradition over another. Rather, we seek the victory of Christ over our divisions, for the sake of the salvation of all”. Siehe Sharing the Ministry of Reconciliation. Statement on the Orthodox-Catholic Dialogue and the Ecumenical Movement. North American Orthodox-Catholic theological Consultation. Brookline, Massachusetts, June 1, 2000, in: ECJ 7: 2000, H. 2, 136.

132 Kongregation für Glaubenslehre, Schreiben an die Bischöfe der katholischen Kirche über einige Aspekte der Kirche als Communio, in: VApS 107, Nr. 14 und 17; auch in: AAS 85: 1993, 838-850.

Kirche sich als gleiche Kirchen träfen und die Fülle der Katholizität der einen, heiligen, katholischen und apostolischen Kirche manifestierten.133 Man muss hier aber gleichzeitig auf den abschließenden Satz des IV. Kapitels über die „Einzigkeit und Einheit der Kirche“ der Erklärung der Glaubenskongregation Dominus Iesus (2000) hinweisen, in dem von einer sich aus der Kirchenspaltung resultierenden „Wunde“

die Rede ist, die eher auf die gesamte Kirche ausgerichtet zu sein scheint (17).134

In Bezug auf die Kirchen und die kirchlichen Gemeinschaften der Reformation hat die Glaubenskongregation ebenso einen scharfen Ton angeschlagen. Laut der Erklärung der Glaubenskongregation Dominus Iesus (2000) befinden sich in anderen Kirchen lediglich „vielfältige Elemente der Heiligung und der Wahrheit“, „deren Wirksamkeit sich von der der katholischen Kirche anvertrauten Fülle der Gnade und Wahrheit herleitet“ (16). Von den „kirchlichen Gemeinschaften“, „die den gültigen Episkopat und die ursprüngliche und vollständige Wirklichkeit des eucharistischen Mysteriums nicht bewahrt haben“, wird ausgesagt, dass sie nicht Kirchen im eigentlichen Sinne seien (17). Dieselbe Aussage erscheint auch in der Note der Glaubenskongregation Ende Juni 2000, die einer Präzisierung der Verwendung des Begriffes „Schwesterkirchen“ gewidmet wird, wo es im Klartext heißt, dass der „Ausdruck Schwesterkirchen im richtigen Sinn gemäß der gemeinsamen Tradition von Abendland und Orient ausschließlich auf jene kirchlichen Gemeinschaften angewendet werden kann, die den gültigen Episkopat und die gültige Eucharistie bewahrt haben“ (12).135 Durch den in den Schreiben der Glaubenskongregation eingeführten Ausdruck „ausschließlich“ wird den anderen Kirchen ihr kirchlicher Status entzogen. Daher dürfen die evangelischen wie auch die anglikanischen Kirchen nicht

„Schwesterkirchen“ genannt werden, weil ihnen „nur kirchliche Elemente“ zur Verfügung stehen. Nach W. Hryniewicz lasse sich diese Position mit der dogmatischen Konstitution nicht in Einklang bringen, gemäß der die „Elemente“ keineswegs ausschließlich auf die Sakramente und einzelne Christen eingeschränkt werden dürften. Die Gläubigen empfangen Sakramente „in ihren eigenen Kirchen oder kirchlichen Gemeinschaften“ (LG 15). Hryniewicz beruft sich auf die Theologische Konzilskommission, die erklärte, dass sich die „Grundlage der ökumenischen Bewegung auf der Anerkennung der Tatsache stützt“,136 dass in diesen Gemeinschaften die eine Kirche Christi gegenwärtig sei, obwohl unvollkommen, und in der Kraft der kirchlichen Elemente in ihnen in gewisser Weise die Kirche Christi wirke.137 In der Enzyklika Ut unum sint schreibt Johannes Paul II. von „Elementen“, durch welche die Kirche Christi in anderen christlichen Gemeinschaften gegenwärtig wirksam sei. „Deshalb spricht das II. Vatikanische Konzil von einer gewissen, wenngleich unvollkommenen Gemeinschaft. Die Konstitution Lumen Gentium unterstreicht, dass die katholische Kirche sich mit diesen Gemeinschaften sogar durch eine bestimmte, echte Verbindung im Heiligen Geist ‚aus mehrfachem Grunde verbunden weiß’“ (11). Daher spricht das Konzil von „vielen Elementen“ des Heils und der Wahrheit. „Der Geist Christi hat sich gewürdigt, sie als Mittel des Heiles zu gebrauchen“ (UR 3).

Die Kirche Christi „ist verwirklicht in der katholischen Kirche, die vom Nachfolger Petri und von den Bischöfen in der Gemeinschaft mit ihm geleitet wird. Das schließt nicht aus, dass außerhalb ihres Gefüges vielfältige Elemente der Heiligung und der Wahrheit zu finden sind“, so das Zweite Vatikanum in der Konstitution über die Kirche (LG 8). Das Dekret über den Ökumenismus lehrt von „vielen und bedeutenden Elementen und Gütern, aus denen insgesamt die Kirche erbaut wird und ihr Leben gewinnt“.

Diese Elemente „können auch außerhalb der sichtbaren Grenzen der katholischen Kirche existieren“

133 Vgl. Communique on Eastern Europe. Joint Committee of Orthodox and Catholic Bishops, 1992, in: J. Borelli, J. H. Erickson (Hgg.), The Quest for Unity, 173; vgl. deutsche Übersetzung in: Th. Bremer, J. Oeldemann, D. Stoltmann (Hgg.), Orthodoxie im Dialog, 106; von einer „schlechten Communio-Ekklesiologie“ sprachen:

B. Bobrinskoy, L’uniatisme a la lumiere des ecclésiologies que s’affrontent, in: Irén. 65: 1992, 435; vgl. Bischof Vsevolod Majdansky, Comments on the „Church Understood as Communion“, in: ECJ 2: 1994, 151-160; zu den kritischen Stellungnahmen in Bezug auf die Erklärung der Glaubenskongregation “Dominus Jesus” siehe Chronique des Églises. Église catholique, in: Irén. 73: 2000, 461-469.

134 Kongregation für die Glaubenslehre, Erklärung DOMINUS IESUS. Über die Einzigkeit und die Heilsuniversalität Jesu Christi und der Kirche, 06. August 2000, in: VApS 148: 2000.

135 Siehe Note über den Ausdruck „Schwesterkirchen“ auf der offiziellen Webseite der Kongregation für die Glaubenslehre, http://www.vatican.va/roman_curia/congregations/cfaith/documents/; vgl. auch in: Kathpress.

Sonderpublikation der Österreichischen Katholischen Presseagentur 5: 2000, 21-23.

136 Acta Synodalia, Sacrosancti Concilii Oecumenici Vaticani Secundi, B. III, 1, Typis Polyglottis Vaticanis 1973, 204, zitiert bei W. Hryniewicz, Kościół jest jeden. Ekumeniczne nadzieje nowego stulecia, Krakau 2004, 213.

137 Acta Synodalia, B. III, 2, 1974, 335.

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