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Die Reaktion auf die Erklärungen von Freising und Balamand

KAPITEL III: DIE DIALOGDOKUMENTE UND IHRE VERWIRKLICHUNG

1. DER THEOLOGISCHE DIALOG

1.5. Zur Diskussion in der zweiten Phase des theologischen Dialogs

1.5.1. Die Reaktion auf die Erklärungen von Freising und Balamand

Die zweite Phase der theologischen Debatten erweckte starkes Interesse in den am Dialog beteiligten Kirchen. Im Angesicht der politischen Veränderungen in Osteuropa und der Wiederbelebung der unierten Kirchen eröffnete sie viele Diskussionen, löste kontroverse Fragen aus und stellte somit gleichzeitig eine große Herausforderung für alle Mitglieder der Dialogkommission dar. Vor allem das Dokument von

D. W. Winkler, Übersichtstabelle zu den Ostkirchen, in: COst 49: 1994, 371-380; D. W. Winkler, K. Augustin (Hg.), Die Ostkirchen. Ein Leitfaden, Graz 1997, 91-123; zu einem geschichtlichen Überblick der Unionsbemühungen siehe Suttner, Die Christenheit aus Ost und West auf der Suche nach dem sichtbaren Ausdruck für ihre Einheit, in: ÖC 48: 1999; ein ausführliches Verzeichnis zur Ostkirchenkunde siehe Sacra Congregazione per le Chiese Orientali (Hg.), Oriente Cattolico. Cenni storici e statistiche, Vatikan 1974, 87-441.

76 W. Hryniewicz, Der Dialog ist ein heiliges Werk, 319.

77 W. Hryniewicz, Der Dialog der Schwesterkirchen. Nach dem wiederholten Treffen der Katholisch-Orthodoxen Kommission in Bari, in: OS 36: 1987, 320; das Abschlusskommuniqué der Beratungen in Bari betont ausdrücklich, dass die Vertreter der Orthodoxie ihrer Sorge über den Proselytismus von Seiten der Katholiken sowie über Existenz und Aktivität der mit Rom vereinten Kirchen östlicher Riten Ausdruck geben. Man schlug vor, beide Probleme zum Gegenstand eventueller Untersuchungen innerhalb der Kommission zu machen. Auch wurde die Einberufung entsprechender kirchlicher Instanzen empfohlen, die sich mit der Lösung praktischer Probleme beschäftigen sollten, die sich aus wirklichem oder scheinbarem Proselytismus ergeben. Vgl. ders., Der Dialog ist ein heiliges Werk, 325;

S. Harkianakis, Der offizielle Dialog, 161 f.

78 G. Larentzakis, Interview mit Erzbischof Stylianos zum Stand des Dialogs, 117.

79 Metropolit Antonie Plămădeală, Der Uniatismus als hinderndes Problem im ökumenischen Dialog, in:

A. Stirnemann (Hg.), Religion und Kirche im alten Österreich, Pro Oriente 18: 1996, 126 ff.

80 Zu einem ausführlichen Bericht über die Tagung in Baltimore/USA siehe E. Lanne, M. van Parys, Le dialogue catholique – orthodoxe à Baltimore – Emmitsburg, in: Irén. 3/4: 2000, 405-418.

Balamand fand eine hohe Resonanz.81 Seitens der Orthodoxen Kirche wurde die Freisinger Erklärung eher positiv angenommen. Während der Konferenz in Phanar, einberufen am 11.-12. Dezember 1990 vom Patriarchen Dimitrios von Konstantinopel, betonte der Metropolit Bartholomaios von Chalcedon, der spätere Ökumenische Patriarch, dass die Verwerfung des Uniatismus absolut gegensätzlich der Communio-Ekklesiologie und dem Geiste der Ekklesiologie der Schwesterkirchen sei. Der in Freising begonnene Dialog müsse fortgesetzt werden. In seiner Ansprache am 2. Dezember 1991 an die Sondersynode der katholischen Bischöfe in Europa sprach der Erzbischof Spyridon Papageorgiou von Venedig, delegiert vom Ökumenischen Patriarchat, von einem hohen Wert der erarbeiteten Erklärung für die Orthodoxe Kirche und drückte seine Überzeugung aus, dass die Beziehungen der Orthodoxen Kirche mit der Schwesterkirche von Rom auf der Basis der Communio-Ekklesiologie entfaltet werden können.82 Der Ökumenische Patriarch Bartholomaios I. schrieb am 23. Juni 1992 in seinem Brief an den Papst in Bezug auf die Freisinger Erklärung, dass die Communio-Ekklesiologie der Schwesterkirchen, geschichtlich gesehen, im Gegensatz zum Uniatismus stehe.83

Der Vatikan hat in Bezug auf die Erklärung der Dialogkommission wenig Stellung genommen. Kardinal Cassidy bezeichnete diese Erklärung in seinem Brief an den orthodoxen Bischof Vsevolod von Scopelos als unter Zwang der herrschenden Bedingungen erarbeitet und, dass die Katholische Kirche sie nicht akzeptiere, teilweise auch wegen der Proteste der Unierten.84

Die Synode der Ukrainischen Griechisch-Katholischen Kirche, die am 20. Juni 1991 im Vatikan zusammen kam, war widerwillig, ihre Stellung zur Erklärung, die der Synode offiziell nicht vorgestellt wurde, zu beziehen. In einer inoffiziellen Pressemitteilung erklärte die Synode, dass die UGKK weder in Freising noch während der Vorbereitungstreffen vertreten gewesen sei, daher sehe sie sich an diese Erklärung nicht gebunden.85 Keleher sieht das Hauptproblem der Freisinger Erklärung darin, dass die Unierten Kirchen aktiv aus dem theologischen Dialog ausgeschlossen wurden, was auch zur Verminderung der Bedeutung dieses Dokumentes beitrug. Seiner Meinung nach könne man von der Irrelevanz dieser Erklärung vor allem im Westen der Ukraine sprechen. Die Ukrainische Autokephale Orthodoxe Kirche war in Freising ebenfalls nicht vertreten, daher sah sie sich ebenfalls nicht an die Erklärung gebunden. Unter den Unierten war das Dokument fast unbekannt.

Abgesehen von der ablehnenden Haltung der griechisch-katholischen Bischöfe Rumäniens86 und der orthodoxen heiligen Synode von Hellas87 erweckte das Dokument von Balamand großes Interesse. In

81 Response to Balamand from France. Declaration of the Catholic-Orthodox Mixed Commission of France on the Balamand Agreed Statement ‘Uniatism, method of union of the past and the present search for full communion’

accepted in June 1993 by the Joint International Commission for the Theological Dialogue between the Roman Catholic Church and the Orthodox Church (Chatenay-Malabry, 19 November 1993), in: ECJ 1: 1993/94, H. 2, 57-62; S. Keleher, Comments on the US Dialogue Statement, in: ECJ 1: 1993/94, H. 3, 19-21; A Response of the Orthodox/Roman Catholic Consultation in the United States to the Joint International Commission for Theological Dialogue regarding the Balamand Document (dated June 23, 1993): „Uniatism, Method of Union of the Past and the Present Search for Full Communion“, in: J. Borelli, J. H. Erickson (Hgg.), The Quest for Unity: Orthodox and Catholics in Dialogue. Documents of the Joint International Commission and Official Dialogues in the United States 1965-95, Crestwood/Washington 1996, 184-190; E. F. Fortino, Reception of the Balamand Statement Will Advance Ecumenical Discussions, in: ECJ 2: 1995, H. 1, 12-18; D. M. Petras, The Balamand Statement and Hierarchial Reception, in: ECJ 1: 1993/94, H. 2, 69-88.

82 Siehe die Ansprache des Erzbischofs Spyridon Papageorgiou von Venedig in: Information Service, Pontificial Council for Promotion Christian Unity, Nr. 81, 3-4: 1992, 123-125, zitiert bei S. Keleher, The Freising, Ariccia and Balamand Statements: An Analysis, in: Logos 34: 1993, 454 f.

83 Siehe vollständige Fassung des Briefes des Ökumenischen Patriarchen Bartholomaios, in: OR(E) 26: 1992, 2.

84 Siehe den Ausschnitt aus dem Briefe des Kardinals Cassidy an den Bischof Vsevolod in: Keleher, The Freising, Ariccia and Balamand, 456.

85 S. Keleher, The Freising, Ariccia and Balamand, 440, 450, 453.

86 In einem Brief vom 8. Juli 1993 forderte Bischof George Gutiu von Cluj-Gherla Papst Johannes Paul II.im Namen aller rumänischen katholischen Bischöfe des byzantinischen Ritus auf, das Dokument von Balamand ohne eine Konsultation mit dem rumänischen unierten Episkopat keineswegs zu akzeptieren. Vgl. Romanian Greek-Catholic Bishops on Balamand, in: ECJ 1: 1993/94, H. 2, 49-52; rumänisch in: Viata crestina 20: 1993.

87 Vgl. Chronique des Eglise, Grèce, in: Irèn. 67: 1994, 537-554, hier 541; der Patriarch von Jerusalem hat an den Dialogverhandlungen in Balamand nicht teilgenommen, und die Hierarchie der Kirche enthielt sich ebenso der Teilnahme, denn „agreement on documents would not in itself bring sufficient change in the objectionable aspects of Rome’s behaviour.“ Siehe auch in: Ecumenical Press Service 02.07.93.

seiner Ansprache an die Delegation des Ökumenischen Patriarchates würdigte Papst Johannes Paul II. am 29. Juni 1993 das Dokument von Balamand als einen Fortschritt, der allen lokalen orthodoxen und allen katholischen Kirchen, den lateinischen und orientalischen, die in der gleichen Region leben, helfen werde, sich vor allem im Dialog der Liebe zu engagieren und die Beziehungen der Zusammenarbeit auf dem Gebiet ihres pastoralen Wirkens weiterzuführen.88 Zum Fest des Heiligen Andreas 1993 schrieb der Papst an den Ökumenischen Patriarchen, dass die Probleme, die den Fortgang des theologischen Dialogs gehindert hätten, überwunden seien. Die Bedingungen für ein schnelleres Tempo der theologischen Diskussionen seien nunmehr geschaffen worden. Die katholische Kirche sei bereit, alles zu tun, um die Fortsetzung des gemeinsamen Weges zu erleichtern.89

Am 1. September 1993 bekräftigte der Ökumenische Patriarch Bartholomaios I. beim Bischof Isidor der UGKK von Toronto und ganz Ost-Kanada offiziell, dass das Ökumenische Patriarchat sich in der Hoffnung auf die erfolgreiche Lösung der theologischen Kontroversen für die Prinzipien des Dokumentes von Balamand nachdrücklich einsetze.90 Vor der römischen Delegation in Phanar zeichnete der Ökumenische Patriarch, Bartholomaios I. am 30. November 1993 die Arbeit der Internationalen Kommission für den theologischen Dialog als Ausdruck des guten Willens beider Seiten zur Überbrückung der neu entstandenen Probleme aus.91 Obwohl Erzbischof Stylianos, der Kopräsident der orthodoxen Delegation vom Ökumenischen Patriarchat, die Fortsetzung des Dialogs mit der RKK für notwendig hielt, sagte er kurz nach der Unterzeichnung des Dokumentes von Balamand, dass die Orthodoxen immer bereit seien, mit römisch-katholischen Christen in Verbindung zu kommen, zu diskutieren, zusammenzuarbeiten. Mit den Unierten aber würden sie nie bereit sein, irgendeine Diskussion zu führen, weil sie in der Unia eine Fälschung ihrer Identität sehen.92

Der rumänische orthodoxe Patriarch Teoctist bezeichnete die Erklärung von Balamand als einen entscheidenden Erfolg im Dialog zwischen der katholischen und der orthodoxen Kirche. Die Inhalte dieses Dokumentes sollten aber auch in die Praxis umgesetzt werden. In einem Interview unterstrich er die Bedeutung der „Abschwörung des Uniatismus“ sowie aller Formen des Proselytismus. Die Einheit der Kirche sei keine Utopie mehr, so der Patriarch.93 Er betonte die Notwendigkeit der Wiederherstellung des gegenseitigen Vertrauens zwischen der unierten und der orthodoxen Kirche in Rumänien und bedauerte, dass die rumänischen Unierten sich von der Dialogbereitschaft distanzierten.

Während des bilateralen Treffens in Genf am 22. März 1994 wurde die Geltung des Dokuments von Balamand von der Seite der Russisch-Orthodoxen Kirche bestätigt.94 Im Gespräch zwischen dem Metropoliten Volodymyr (Sabodan) von der UOK von Kyjiv und der ganzen Ukraine und dem Bischof Duprey, dem Sekretär des Päpstlichen Rates für die Einheit der Christen, in Kyjiv wurde eine günstige Annahme des Dokumentes von Balamand in der Ukraine festgestellt.95

Offiziell hat das Oberhaupt der UGKK, Großerzbischof von Lemberg, Kardinal Myroslav Lubačivs’kyj Stellung zur Erklärung von Balamand in seinem Schreiben an den Präsidenten des Päpstlichen Rates für

88 Siehe Ansprache von Johannes Paul II. an die Delegation des Ökumenischen Patriarchen von Konstantinopel bei der Sonderaudienz am 29. Juni 1993, Brüderliche Liebe und wechselseitiges Vertrauen ermöglichen Fortschritte im theologischen Dialog, in: OR(D) 29: 1993, 4; vgl. auch in: Information Service 84: 1993, 145.

89 Vgl. Information Service 85: 1994, 38.

90 „On 1 September 1993, His All Holiness Patriarch Bartholomaios of Constantinople stated formally to the Ukrainian Greek-Catholic Bishop Isidore of Toronto and Eastern Canada that the Ecumenical Patriarchate stands firmly on the Balamand Statement, and hopes that with this successful resolution of the controversy, the Theological Dialogue will now be able to return to the primarily theological matters for which it was created“. Siehe S. Keleher, Comments on Balamand, in: ECJ 1: 1993/94, (H. 1), 44.

91 Siehe Ansprache des Patriarchen vom 30.11.1993 zum Thronfest der Heiligen Großen Kirche Christi, Bartholomaios I. (Patriarch von Konstantinopel), La fête patronale de l’Eglise de Constantinople, in: Episkepsis Nr. 499 vom 31.12.1993, 8 f.; vgl. auch Information Service 8: 1994, 38 f.

92 Vgl. G. Larentzakis, Interview mit Erzbischof Stylianos zum Stand des Dialogs, in: OeFo 16: 1993, 118 f.

93 Siehe das Schreiben des orthodoxen Patriarchen Teoctist an Kardinal E. Cassidy. Lettre au Cardinal Cassidy in:

Chrétiens en marche 31: 1994, Nr. 43, 2.

94 Vgl. Communiqué of the Bilateral Meeting of the russian-orthodox and the roman-catholic churches, in: ECJ (H. 1), 3: 1993/94, 184 f.

95 Vgl. Information Service 91: 1996, 16.

die Einheit der Christen, Kardinal Cassidy, genommen.96 Er würdigte die Bereitschaft der am Dialog Beteiligten, die Spaltung zwischen West- und Ostkirche zu überwinden. Die bestehende Zwietracht sei schmerzhaft für beide Seiten (8) und gegen den Willen Christi gerichtet (6). Den Unionsanstrengungen sei der aufrichtige Wille, dem Gebot Christi zu entsprechen, zugrunde gelegen (9). Lubačivs’kyj schätzt die vom Dokument betonte Gewissensfreiheit (15) und besonders die Einladung der Unierten zur Teilnahme am theologischen Dialog hoch ein (16). Im Schreiben wird eindeutig betont, dass die UGKK die Schwesterkirche sei, und zwar sowohl für die lokalen orthodoxen Kirchen als auch für die römisch-katholische Kirche (14). Die Grundlagen dafür seien „das Verständnis der Kirche als Gemeinschaft, die gegenseitige Anerkennung als Schwesterkirchen und die als unveräußerliches Erbe anvertrauten Elemente dieser Anerkennung: Bekenntnis des apostolischen Glaubens, Teilhabe an denselben Sakramenten, besonders die Feier der Eucharistie, die apostolische Nachfolge ihrer Bischöfe und die gemeinsame Verantwortung dafür, dass die Kirche Gottes ihrer göttlichen Bestimmung treu bleibt“. In der Fortsetzung der ökumenischen Arbeit seiner Vorgänger, des Metropoliten Šeptyc’kyj (†1944) und des Großerzbischofs Slipyj (†1984) verpflichtet er sich zur Einhaltung der in Balamand vorgelegten Regeln zur Praxis (19-35). Diese findet er in der schwierigen interkonfessionellen Situation in der Ukraine sehr hilfreich. Die Verbesserung der ökumenischen Lage wäre seiner Meinung nach in der Erwerbung der Selbständigkeit durch die ukrainische Orthodoxie erreichbar. Der Status der Ukrainischen Orthodoxen Kirche im Verbund des Moskauer Patriarchats scheint für ihn keine befriedigende Lösung zu sein. Am Ende seines Briefes weist er auf den ökumenischen Beitrag der „Studiengruppe der Kyjiver Kirche“ hin, die aus den Mitgliedern der UGKK und des Ökumenischen Patriarchats besteht.

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