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Vorbemerkung / Überblick

Im Dokument 2008 Qualität in Schule und Betrieb (Seite 92-95)

Die Fachtagung Politik der Hochschultage Berufliche Bildung bildet seit mehr als 20 Jahren das bun-deslandübergreifende Forum für die politische Bildung an berufsbildenden Schulen. Dabei findet - das jeweilige Rahmenthema überragend - ein intensiver Diskurs über die aktuelle Lage des Faches statt.

Diese muss - speziell in der Berufsschule - weiterhin als nicht optimal bezeichnet werden. Angesichts der Bedeutung und Dominanz beruflich-fachlicher Bildungsziele und der curricularen und lerngrup-penspezifischen Vielfalt der Beruflichen Bildung ist die politische Bildung im beruflichen Schulwesen Bedingungen unterworfen, die sich einschränkend auf das Unterrichtsgeschehen auswirken. Wichtige Richtziele wie Mündigkeit, Urteils- und Handlungsfähigkeit können nur begrenzt gefördert werden, wenn die zeitlichen Ressourcen fehlen oder wenn die Heterogenität der Lernenden differenzierte Angebote und Anregungen erforderlich machen. Diese Einschränkungen wiegen umso größer, stellt der Politik-unterricht - an der Schwelle zur Volljährigkeit, zur vollen Staatsbürgerschaft und zur vollen Geschäfts-fähigkeit - für die meisten Lernenden doch die zeitlich letzte Bildungsinstanz dar, in der sie gezielt und angemessenen mit gesellschaftlich bedeutsamen Gegenstandsbereichen konfrontiert werden können (JUNG 2004, S. 124).

Unter diesen Voraussetzungen erscheint es erforderlich, mit den verbleibenden Spielräumen effizient umzugehen und solche Lernanregungen zu planen und durchzuführen, mit denen eine möglichst günsti-ge Wirkung erzielt werden kann. Damit rückt die Fragünsti-ge der Qualität von politischen Bildungsprozessen in den Fokus der Betrachtung, und die ausgewählten Tagungsbeiträge versuchen unter dieser Perspektive einzelne Aspekte der Planung, Umsetzung und Reflexion von Lehr-/Lernsituationen aufzugreifen und zu erörtern.

Die Fachtagung Politik wurde in Kooperation mit der Bundeszentrale für politische Bildung durchgeführt, die die bundesweite Bedeutung des Forums schätzt und fördert. Die Struktur der Veranstaltung erfolgte in bewährter Weise. An einen rahmenthemenbezogenen Leitvortrag schließen sich zwei thematische Schwerpunkte und eine Abschlussdiskussion an.

Im rahmenthemenbezogenen Leitvortrag „Zur Relevanz von ‚Qualität‘ in der schulischen politischen Bildung“ führt Prof. Dr. Peter Massing, Hochschullehrer an der Freien Universität Berlin und namhafter Fachdidaktiker der Politischen Bildung, gekonnt in das Tagungs- und Fachtagungsthema ein, indem er die aktuellen Qualitätsbestrebungen über die Begründung eines normativen Bezugssystem mit den An-forderungen eines „guten Politikunterrichts“ verbindet.

Die Perspektive von Themenschwerpunkt I: Inputqualitäten und Lernprozessplanung liegt auf Fak-toren, die als Bedingungen und Voraussetzungen auf die Lehr-/ Lernsituation im politischen Unterricht Einfluss nehmen. In Anlehnung an das klassische „Didaktische Dreieck“ stehen Lernende, Lehrende aber auch die durch das Curriculum vorgegeben Ziele und Inhalte des Unterrichts im Fokus der Betrach-tung. Die Beiträge greifen in unterschiedlicher Weise diese Eingangsgrößen auf:

Dr. Thilo Hardt, Professor an der FH Münster, lenkt seinen Blick auf die Lernfeldstrukturen, mit denen an beruflichen Schulen eine curriculare Wende eingeläutet wurde. Er geht dabei besonders der Frage nach, inwiefern die neuen Lehrplanvorgaben Spielräume für eine sinnvolle Vernetzung zwischen der beruflichen Fachbildung und der politischen Bildung bieten.

Dipl. Gwl. Stephan Abele, wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Universität Stuttgart, beleuchtet Unter-richtskonzepte von 80 PolitiklehrerInnen aus dem Raum Stuttgart. Am Beispiel der Aspekte „Handlungs-orientierung“ und „Indoktrinationsverbot“ untersucht er, in welcher Art und Weise diese politik-didakti-schen Essentials in den Unterrichtsplanungen der Lehrenden eine Rolle spielen.

Dipl. Gwl. Anne Fladerer, Referendarin für das berufliche Schulwesen an der Steinbeisschule Stuttgart, legt den Fokus ihrer Analyse auf die Voraussetzungen der Lernenden. Sie untersucht das politische Inte-resse von 480 BerufsschülerInnen der Region Stuttgart, die gerade eine Ausbildung absolvieren. Damit belegt sie, welche Kontextvariablen das politische Interesse bestimmen.

Dr. Martin Kenner, wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Universität Stuttgart, richtet den Blick ebenfalls auf die Lernenden und geht an Hand einer Gruppe von 102 Berufsfachschülern dem Zusammenhang zwischen der moralischen Urteilsfähigkeit und fremdenfeindlichen Einstellungen nach (s. I- 4).

Der Themenschwerpunkt II: Qualitätsmerkmale in arbeits- und berufsbezogenen Sonderklassen reflektiert die Besonderheiten politischen Lernens in Schulklassen beruflicher Schulen mit besonderem Förderbedarf. Dieser Schwerpunkt wurde erstmals auf den Hochschultagen 2000 in Hamburg the-matisiert, wo der Erwerb von Sozialkompetenz im Rahmen eines vernetzten kooperativen politischen Lernens den Gegenstand von Betrachtung und Reflexion bildete. Mit Bezug zum Rahmenthema der Hochschultage begründet Prof. Dr. Eberhard Jung, Pädagogische Hochschule Karlsruhe, lerngruppen-spezifische Besonderheiten von Qualität, die er an der individuellen Situation und gesellschaftlichen Lage der Lernenden und den sich daraus ergebenden Bildungszielen orientiert. Der Grad deren Errei-chung definiert ein relatives Verständnis von Qualität, das sich über besondere Merkmale, Parameter und Indikatoren verdeutlicht.

Der Nachweis der Realisierbarkeit des anspruchsvollen Konzepts wird von Herrn Studienrat Hans-Jörg Moos von der Werner-von-Siemens Schule in Wetzlar (Hessen) erbracht, der unter der Überschrift „In-tegration politischer und beruflicher Bildung als Qualitätsmerkmal, Anmerkungen zum EIBE – Konzept“

die Realisierbarkeit eines interdisziplinären, multidimensionalen, kompetenzfördernden und kompensa-torischen politischen Unterrichts eindrucksvoll belegt.

Im Abschlussforum: Zur aktuellen Lage der arbeits- und berufsbezogenen politischen Bildung:

Entwicklungen - Diskurse - Meinungen erfolgte eine Zusammenfassung und Bewertung der Ta-gungsergebnisse sowie eine Diskussion über eine mögliche Verdichtung bisheriger Aktivitäten. Dabei bestätigt Dr. Harald Geiss, die Bereitschaft der Bundeszentrale für politische Bildung, der politischen Bildung im beruflichen Schulwesen eine besondere Beachtung zukommen zulassen.

Fachtagung Politik

Leitvortrag

Peter Massing: Zur Bedeutung von Qualität in der schulischen politischen Bildung

In der Einführung des thematischen Leitvortrags verweist Peter Massing darauf, dass der „Qualitätsbe-griff“ in jüngster Zeit innerhalb des Bildungswesens im Allgemeinen und in der schulischen politischen Bildung im Besonderen zunehmend im Zusammenhang mit quantitativer empirischer Forschung einer-seits, in der Diskussion von Verfahren der Messung von Lernleistungen andererseits seine Verwendung findet. Es gehe um PISA-Bewältigung, um die Klieme-Expertise, den Wandel „von der Input- zur Output-orientierung“ und darum, was die jeweilige Kultusadministration dazu alles inszeniere. Leider sei dabei in den Hintergrund gerückt, dass Qualität - insbesondere Unterrichtsqualität - kein objektiver Begriff ist und es deshalb nur Sinn mache, vor dem Hintergrund eines klaren normativen Bezugssystems von Qualität zu sprechen.

Dieses allgemein gültige normative Bezugssystem für einen guten Politikunterricht, das auch für die ar-beits- und berufsbezogene politische Bildung Gültigkeit besitzt, zentriert Peter Massing im Zentrum sei-nes Vortrags. Dabei erläutert und begründet er die Qualitätskriterien, die einen „guten“ Politikunterricht definieren. Diese beziehen sich sowohl auf den Unterrichtsprozess selbst als auch auf die Ergebnisse, die „Outcomes“ des Unterrichts.

Das normative Bezugssystem für einen guten Politikunterricht begründet Peter Massing anhand von fünf interdependenten Dimensionen, die in ihrem Zusammenwirken „den guten politischen Unterricht“

konstituieren:

1. Ein guter Politikunterricht ist politikorientiert

Das bedeutet, dass Politik (nicht die Politikwissenschaft) den integrierenden Kern politischer Bildung bilde, wobei die konkreten Inhalte durchaus inderdisziplinären gesellschaftlichen Zusammenhängen entstammen können.

2. Ein guter Politikunterricht ist exemplarisch

Das bedeutet, dass angesichts einer ausufernden Stofffülle der Unterricht sich inhaltlich auf das Be-deutsame, das Beispielhafte zu begrenzen habe.

3. Ein guter Politikunterricht ist problemorientiert

Das bedeutet, dass das Kontroverse, das Unentschiedene, das sich im gesellschaftlichen Diskurs / in der Auseinandersetzung Befindliche Gegenstand des Unterrichtes sei.

4. Ein guter Politikunterricht ist kategorial

Das bedeutet, dass Lernende die Wirklichkeit anhand von Kategorien untersuchen, die gewonnene Erkenntnisse in strukturierter Form beinhalten und isoliertem Detailwissen (Begriffsinseln) entgegen-stehen.

5. Ein guter Politikunterricht ist handlungsorientiert

Das bedeutet, dass die Erkenntnisse politischer Bildung im Rahmen aktiver Prozesse seitens der Lernenden erworben werden.

Im Verlauf des Vortrags referiert Peter Massing (vom Politikzyklus bis zu den Bildungsstandards) be-deutsame Erkenntnisse der Politikdidaktik, die er gekonnt in die Begründung des normativen Bezugs-system und das Fachtagungsthema integriert. Ebenfalls geht er auf den aktuellen politikdidaktischen Diskurs um „Basiskonzepte“ ein, indem er danach fragt, inwieweit diese einen Fortschritt für die schuli-sche politischuli-sche Bildung bedeuten.

Im Dokument 2008 Qualität in Schule und Betrieb (Seite 92-95)