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Beiträge einzelner Modellversuche

Im Dokument 2008 Qualität in Schule und Betrieb (Seite 141-147)

Qualität Beruflicher Bildung durch kooperatives Lernen

3 Beiträge einzelner Modellversuche

Bei der Auswahl der Modellversuche wurde mehr Gewicht auf die Tiefe der Darstellungen gelegt und weniger auf ein breites, möglichst viele Modellversuche präsentierendes Programm. Gleichwohl wurde versucht, den Teilnehmern einen Eindruck von der Vielfalt der Elemente des Modellversuchsprogramms zu vermitteln. So wurden Modellversuche gewählt, die sich hinsichtlich ihrer beteiligten Akteure und Bundesländer ebenso wie der betroffenen Ausbildungsgänge unterscheiden. Die einzelnen Referen-ten setzReferen-ten bei ihren Vorträgen verschiedene Schwerpunkte. So ging Frau Pieringer vom sächsischen Staatsministerium für Kultus in ihrem Beitrag des Modellversuchs KOLLT (Kapitel 3.1) insbesondere auf die curricularen Grundlagen kooperativen Lernens ein. Der Beitrag des Modellversuchs SESEKO (Kapi-tel 3.2), vorges(Kapi-tellt von Frau Schröder von der Allgemeinen Berufsschule (ABS) in Bremen, s(Kapi-tellte Refle-xionsmethoden im Rahmen von kooperativem Lernen insbesondere für benachteiligte Jugendliche dar.

Herr Mylius und Herr Walther vom SBBZ Saale-Orla-Kreis gaben einen Einblick in den Modellversuch LASKO (Kapitel 3.3) und beleuchteten das Spannungsfeld zwischen Selbststeuerung und Instruktion bei der Gestaltung kooperativer Lernumgebungen. Den Abschluss bildete ein Beitrag von Herrn Hochleitner vom Staatsinstitut für Schulqualität und Bildungsforschung München (ISB) aus dem Modellversuch JoA (Kapitel 3.4), der insbesondere auf die veränderten Anforderungen für die Lehrenden einging. Nachfol-gend werden die Einzelbeiträge kurz skizziert.

3.1 Entwicklung von Teamkompetenz – Ergebnisse und Erfahrungen aus dem Modellversuch KOLLT

Der Modellversuch KOLLT („Kooperatives Lehren und Lernen in typischen Lernsituationen“) zielt auf die Förderung von Teamkompetenzen in Berufen des gewerblich-technischen und sozial-pflegerischen Bereiches in den Schularten Berufsschule und Berufsfachschule. Der Modellversuch verfolgt das Ziel, Lernsituationen zu entwickeln, zu erproben und zu evaluieren, die einerseits typisch sind für den Berufs-alltag der Auszubildenden, um eine Anbindung an die reale Berufswelt zu erreichen. Darüber hinaus sollen sie typisch für das Erlernen von kooperativem Arbeiten sein, in diesem Sinne also das notwendi-ge didaktische Potenzial besitzen, um tatsächlich Lernprozesse zur Förderung von Kooperations- und Teamfähigkeiten fördern zu können. Zudem werden nicht nur die Lernprozesse der Auszubildenden in den Blick genommen, sondern gleichzeitig die Lehrtätigkeiten der Lehrenden betrachtet: die Förderung von Teamfähigkeit stellt auch an die Lehrenden besondere Ansprüche, da sie in der Lage sein müssen, Kooperationssituationen didaktisch aufzubereiten, und kooperative Lernprozesse zielführend zu be-gleiten. In diesem Zusammenhang sollen zudem Instrumente zur Erfassung von Teamfähigkeit bei den Lernenden entwickelt werden, um diese zur Reflexion und Weiterentwicklung der individuellen Team-fähigkeiten nutzen zu können.

Im Modellversuch KOLLT wird das Lernfeldkonzept dazu genutzt, diese Ziele umzusetzen. Die erfolgrei-che Umsetzung von Lernfeldern erfordert Kooperation seitens der Lehrenden. Sie müssen sich sowohl fachlich als auch methodisch abstimmen, um Lernumgebungen zu gestalten, die die genannten Anfor-derungen erfüllen.

Für den Modellversuch KOLLT zeigt sich Teamfähigkeit „in einer kooperativen Interaktion zwischen den Beteiligten, mit der Einordnung der eigenen Interessen in das gesetzte Ziel, durch Übernahme einer (de-finierten) Rolle, mit dem Ziel der engagierten und verantwortungsbewussten Bearbeitung und Lösung von Arbeitsaufgaben und Konflikten, durch die Fähigkeit eigenes und fremdes Handeln sowie das

Han-Workshop Qualität Beruflicher Bildung durch kooperatives Lernen

deln der Gruppe zu reflektieren und in der Teilung von Ressourcen und Nutzung von Synergieeffekten“

(KOLLT 2008, S. 35).

Daraus ergibt sich folgende Grundstruktur für die Konzeption kooperativen Lernens, die sich stets an einer beruflichen Arbeitsaufgabe ausrichtet:

Lernauftrag Absprache im Team über das Vorgehen

Teamgeplante Einzel- bzw.

Partnerarbeit

Absprache im Team

über die Ergebnisse Ergebnis Lernhandlung

Der Lehrer initiiert die Lernhandlung, indem er orientiert, reguliert, und kontrolliert.

Lehrer Lehrer

Abb.: Grundstruktur kooperativen Lernens (KOLLT 2008, S. 11)

Der Lernauftrag ist die didaktische Aufbereitung einer beruflichen Situation. Er initiiert berufliche Hand-lungsmuster im Unterricht, welche berufliche Wirklichkeit abbilden oder nachempfinden. Die Bearbei-tung des Lernauftrags erfolgt im Team, wobei zunächst im gesamten Team das Vorgehen abgesprochen wird, einzelne Arbeitsaufträge werden von den Lernenden erschlossen und untereinander verteilt. Die Bewältigung der einzelnen Aufträge erfolgt in Einzel- oder Partnerarbeit, schließlich werden, wiederum im gesamten Team, die Ergebnisse zusammengetragen und reflektiert.

Für jede Lernsituation werden die Lernziele anhand von zwei Dimensionen in einer Matrix operationali-siert. Zum einen werden entlang des Konzepts der vollständigen Handlung in Anlehnung an Meyer (vgl.

1987, S. 235 ff.) folgende Schritte differenziert: Analysieren/Informieren, Planen, Entscheiden, Durch-führen/Ausführen, Bewerten kontrollieren, Reflektieren/Auswerten. Zum anderen werden die Lernziele nach Fachkompetenz, Humankompetenz, Sozialkompetenz und Methodenkompetenz unterschieden.

Die Gesamtkonzeption des Unterrichts folgt zudem der Idee, den Lernenden immer höhere Freiheits-grade in der Planung, Durchführung und Reflexion ihrer Handlungen zu bieten und sie so mehr und mehr zur Selbständigkeit zu führen.

Aus den Erfahrungen ergeben sich aus der Sichtweise des Modellversuchs KOLLT Empfehlungen zur Gestaltung der Lernsituationen, welche die Ergebnisse bisheriger Forschung und bestehender Literatur gut bestätigen:

- Die Lernaufgabe sollte eine wirkliche Problemstellung (in Abgrenzung zu Dörners Begriff der Aufgabe, vgl. Dörner 1976, S. 10) enthalten und von angemessenem Anspruchsniveau für die Lernenden sein.

- Es empfiehlt sich, klare Gruppenregeln aufzustellen, die Gruppenmitglieder mit ihnen vertraut zu ma-chen und auf die Einhaltung der Gruppenregeln zu achten.

- Ebenso sollten Rollen beschrieben und verteilt werden, auch der Umgang mit den Rollen sollte geübt werden.

- Arbeitet die Gruppe selbständig und ist auf dem richtigen Weg, sollten Interventionen der Lehrkraft nach Möglichkeit vermieden werden.

- Der methodische Wechsel zwischen Gruppen- und Einzelarbeit ist lernförderlich. Für ihn sollten ge-nügend Pufferzeiten eingeplant werden.

Ähnlich ergeben sich Erkenntnisse für die Lehrenden als Gestalter der Lernsituationen: Wer Teamfä-higkeiten vermittelt, sollte nach Möglichkeit selbst teamfähig sein und über Erfahrungen mit der Arbeit in Teams verfügen. Hierzu empfiehlt sich einerseits die Bildung von Lehrerteams zur gemeinsamen didaktischen Arbeit und Vorbereitung der Lernsituationen. Vorzugsweise unterstützt die Schule selbst die Kooperation der Lehrenden und bietet Zeiten und Räume für diese gemeinsamen Arbeiten. Zudem erscheinen konkrete Trainings zur Entwicklung der Teamfähigkeit der Lehrenden sinnvoll. Durchgeführte Lernsituationen sollten gemeinsam im Lehrerteam reflektiert werden. Mit diesen Ansprüchen und Er-gebnissen unterstützt der Modellversuch schließlich die „Standards für die Lehrerbildung“ wie sie von der KMK beschlossen wurden (KMK 2004).

3.2 Reflexionsmethoden in kooperativen Lernprozessen für Jugendliche mit besonderem För-derbedarf (Modellversuch SESEKO)

Unter den SKOLA-Modellversuchen hebt sich SESEKO („Selbstwirksamkeit durch Selbststeuerung und Kooperatives Lernen“) durch seine besondere Zielgruppe hervor. „Nach den Angaben der Jugend-lichen leben 19 % nur von staatlicher Unterstützung (14 % überwiegend von Sozialhilfe oder Hilfen des Jugendamtes und 5 % von BaföG und BAB) und 37 % […] Jugendliche finanzieren ihren Lebensunter-halt mit einer Kombination aus den angeführten Möglichkeiten, davon 56 %, also mehr als die Hälfte, auch durch Nebenjobs.“ (SESEKO 2008a, S. 17). Etwa 20 % verfügen nicht über einen Schulabschluss, zudem sind viele aufgrund äußerer Rahmenbedingungen – z. B. dem zu geringen Angebot an Ausbil-dungsplätzen – benachteiligt, mehr als ein Drittel sind Migranten oder haben einen Migrationshinter-grund, mit den oftmals damit einhergehenden Problemen wie z. B. Sprachprobleme oder Probleme, die sich aus ihrem rechtlichen Status ergeben. Zu den Lernvoraussetzungen dieser Zielgruppe gehören entsprechend (SESEKO 2008b, S. 10):

- Unzureichende Beherrschung elementarer Kulturtechniken - Wenig ausgeprägte Methodenkompetenz

- Negative schulische Lernerfahrungen

- Negativsicht auf Lernen in theoretischen, praxisfernen Zusammenhängen

Der Modellversuch zielt daher insbesondere darauf ab, den Jugendlichen Lernerfahrungen zu bie-ten, die ihre Selbstwirksamkeit erhöhen. Insgesamt wurden verschiedene Projekte in unterschiedlichen Schulen und Bildungsgängen durchgeführt, alle unter Einbezug neuer Medien. Beispielhaft wurde im Workshop das Projekt „»50+« PC-Kurse für Ältere im Buntentor. Schüler und Schülerinnen unterrichten Senioren“ vorgestellt.

Dieses Projekt wurde mit Schülern der Berufseingangsstufe / Berufsfachschule (B/BFS) durchgeführt.

Dabei handelt es sich um Schülerinnen und Schüler ohne Schulabschluss, die in einem zweijährigen Bildungsgang theoretisch und fachpraktisch mit den Bereichen Bautechnik, Holztechnik und Farb- und Raumgestaltung vertraut gemacht werden sollen. Die Jugendlichen leben in der Mehrzahl nicht bei ihren Eltern.

Die Gruppe bereitete einen zweistündigen PC-Kurs vor, in dem Senioren an die Grundlagen der Be-dienung eines Computers und das Verfassen und Verwalten eines Textes herangeführt werden sollten.

Der Kurs wurde von ihnen selbst unterrichtet, d. h. sie übernahmen gegenüber den Senioren selbst die Rolle des Lehrers und mussten während des Kurses entsprechend auch moderierende und beratende Aufgaben übernehmen.

Workshop Qualität Beruflicher Bildung durch kooperatives Lernen

Durch den Realcharakter des Projektes wurde nicht nur die Motivation gesteigert, die Gegenstände des regulären Unterrichts (EDV, Rechnungswesen, Deutsch, Fachpraxis, BWL) konnten auch fächerüber-greifend in die Projektarbeit einfließen. Die Schüler wurden als wirkliche „Mitarbeiter“ angesprochen, an den Einnahmen beteiligt und hatten entsprechend auch eine Verantwortung gegenüber ihren Kunden, den Senioren.

Unter Anleitung der Lehrenden wurden zunächst die Inhalte des PC-Kurses geplant und Zuständigkei-ten einzelner Schüler für je verschiedene Inhalte (z. B. Erläuterung der Symbolleiste, Einstellungen beim Ausdrucken und Ähnliches) verteilt. Diese Aufteilung bildete die wesentliche Grundlage für das koope-rative Design des Projektes: die Inhalte des Kurses folgten einer inneren Logik und bauten aufeinander auf. Dadurch wurde es notwendig, dass jeder Schüler einerseits eine eigenständige Arbeitsaufgabe bewältigte, aber gleichzeitig Verantwortung gegenüber dem Team hatte, da die Sequenz, die er inner-halb des PC-Kurses unterrichtete, an seine Mitschüler, die vor und nach ihm unterrichten, anschließen musste. Weil bei diesen Jugendlichen nicht mit regelmäßiger Anwesenheit im Unterricht gerechnet werden kann, wurden zu jedem inhaltlichen Abschnitt des PC-Kurses Hauptverantwortliche und Stell-vertreter gewählt.

Durch diese Konzeption werden seitens der Schüler wirkliche Teamfähigkeiten gefordert, da sie sich gegenseitig absprechen und zuverlässig die Absprachen erfüllen müssen – fällt der Beitrag eines Kol-legen aus, muss ein anderer einspringen, vergisst einer, im PC-Kurs bestimmte Inhalte zu vermitteln, auf denen sein Nachfolger aufbaut, muss letzterer dieses Defizit ausgleichen. Schließlich wird also eine Situation aufgebaut, in der diese Zielgruppe in einer realen und motivierenden Situation erfährt, was es bedeutet, dass das Ganze mehr als die Summe der Teile sein kann. Zugleich wird die Selbstwirksamkeit des Einzelnen gefördert, indem er seinen eigenen Verantwortungsbereich erhält und einen eigenen Teil des Kurses unterrichten muss.

Die Projektarbeit wurde durch verschiedene Reflexions- und Dokumentationsarbeiten didaktisch ange-reichert, um den Lernerfolg sicherzustellen und das Projekt um weitere Lerninhalte anzureichern (z. B.

Reflexionsfähigkeit, schriftliche Ausdrucksfähigkeit). Die zunächst übersichtlich und einfach erschei-nende Aufgabe erhielt damit für die Zielgruppe ein durchaus hohes Anspruchsniveau. „Ein somit recht komplexes System von Anforderungen führte die teilnehmenden Jugendlichen teilweise an die Grenzen ihrer Leistungsfähigkeit“ (Hammer et al. 2007, S. 12).

Das Lernprojekt wurde insgesamt als motivierend und positiv erlebt. Die Erfahrungen zeigen, dass die angestrebten Lernziele in den Bereichen der Fachkompetenzen ebenso wie den Teamkompetenzen und der Selbstwirksamkeit mit diesem Konzept gut erreicht werden können. Die Schüler haben gelernt, Auf-gaben als Gruppe anzugehen, einen Arbeitsplan zu erstellen, TeilaufAuf-gaben zu verteilen und zudem Selb-ständigkeit zu erfahren. „Jeder erhält eine Aufgabe in der Arbeitsteilung, die für das Gelingen des Gan-zen notwendig ist. Wer schlecht arbeitet, muss auch dafür einstehen. Wer gut arbeitet, kann auf neue Freunde oder Freundinnen hoffen. Diese Verantwortung ist eine Rollenerwartung, die benachteiligten Jugendlichen besonders fern liegt.“ (Hammer et al. 2007, S. 24 f.). Fehlzeiten, die in dieser Zielgruppe zur Tagesordnung gehören, waren in dieser Gruppenarbeit problematisch, konnten jedoch entsprechend lernförderlich reflektiert werden. Von Ausnahmen abgesehen, die auch bei ‚normalen‘ Zielgruppen auf-treten, haben die Schüler über die Reflexionen gelernt, ihre eigenen fachlichen und Teamfähigkeiten richtig einzuschätzen und weiterzuentwickeln.

3.3 Kooperatives Lernen zwischen Selbststeuerung und Instruktion (Modellversuch Lasko) Der Modellversuch LASKO („Gestaltung von Lern- und Arbeitsumgebungen in der Berufsschule durch instandhaltungsorientierte Konzepte zum selbstgesteuerten und kooperativen Lernen“) ist ein Verbund-modellversuch der Länder Thüringen und Brandenburg im Berufsfeld Metalltechnik. Zielsetzung des Modellversuchs ist „eine Unterrichtsplanungs- und Umsetzungskonzeption einschließlich didaktischer Materialien für selbstgesteuertes und kooperatives Lernen in berufsschulischen Lern- und Arbeitsum-gebungen in ausgewählten industriellen und handwerklichen Metallberufen zu entwickeln, zu erproben und zu evaluieren“ (Pahl et al. 2007, S. 13). Dabei wird ein besonderes Gewicht auf Instandhaltungsauf-gaben gelegt, da im Zuge der technologischen Entwicklungen die Instandhaltung für Unternehmen in den letzten Jahren einen höheren Stellenwert gewonnen hat (Pahl et al. 2007, S. 11 f.).

Bei dem im Workshop vorgestellten Projekt wurde die Instandsetzung einer Ständerbohrmaschine be-schrieben. „Diese Maschinen sind als ‚Technisches System‘ für berufliches Lernen besonders geeignet, da sie überschaubar, platzsparend, in ihren Grundprinzipien langlebig und zugleich vergleichsweise transparent sind sowie exemplarischen Charakter für andere Maschinen mit elektrischem Antrieb ha-ben.“ (Pahl et al. 2007, S. 33). Für die Akquise der Maschinen kooperiert der Modellversuch mit regiona-len Firmen, um Realaufträge zu erhalten und die Projektarbeit zu verstetigen. Es handelt sich also nicht um einen singulären Auftrag, sondern ein Konzept mit Langzeitcharakter.

Die Wartungsarbeit an der Maschine wurde nicht von einer Lerngruppe alleine durchgeführt, sondern über mehrere Lerngruppen verteilt. Der Nachteil, dass aus organisatorischen Gründen nicht eine einzige Gruppe die vollständige Wartungsarbeit alleine bearbeiten konnte, wurde in einen Vorteil verwandelt: die Gruppen, die nacheinander am Wartungsauftrag beteiligt waren, mussten ihre Arbeiten dokumentieren, um sie für die jeweils nachfolgende Gruppe anschlussfähig zu halten. Auf diese Weise wurde eine Art virtuelle Kooperation über mehrere Gruppen hinweg simuliert, wie sie auch in der beruflichen Praxis durchaus üblich ist.

Der gesamte Wartungsauftrag wurde daher in Teilaufträge zerlegt, wobei darauf geachtet wurde, durch diese Gliederung keine zu enge didaktische Führung der Lernenden zu erzeugen. Vielmehr wurden Auf-träge für eine gesamte Gruppe formuliert, wobei die Abstimmung und Aufteilung untereinander sowie die Erstellung eines entsprechenden Arbeitsplanes Teil der Aufgabe war. Der Unterrichtsentwurf für jede Unterrichtseinheit folgte dem Konzept der vollständigen Handlung – angefangen von der Motivation der Lernenden und dem thematischen Einstieg, über Planung, Durchführung und Kontrolle bis hin zu Refle-xion der eigenen Arbeit.

Die offene, handlungsorientierte Unterrichtsform war für einige Auszubildende noch ungewohnt. Sie waren mit eigenen Zielsetzungen und Abstimmungen noch nicht vertraut und kannten auch nicht die Situation, sich beispielsweise in einem ersten Schritt relativ frei mit dem Zustand der Maschine ausein-anderzusetzen und grundsätzliche Überlegungen darüber anzustellen, was zu tun sei.

Die geforderte Dokumentation der Einzel- wie auch Gruppenarbeit machte einerseits den Lernzuwachs der Auszubildenden deutlich und bildete damit die Quelle für die Bewertung der Unterrichtseinheit. Das Problem der Bewertung von Gruppenarbeit war von gleicher Bedeutung wie in allen Projekten dieser Art, in der für eine Gruppenleistung letztlich individuelle Noten gefunden werden mussten. Der Modell-versuch machte hier gute Erfahrungen mit der Poolnote, wenn die Schüler behutsam an dieses Konzept herangeführt werden.

Workshop Qualität Beruflicher Bildung durch kooperatives Lernen

3.4 Auswirkungen von Elementen des kooperativen Lernens auf die Lehrenden (Modellversuch JoA)

Am Modellversuch JoA („Jugendliche ohne Ausbildungsplatz – Unterrichts-, Personal- und Organisa-tionsentwicklung zur individuellen Förderung“) sind acht Schulen im Bundesland Bayern beteiligt. „Der Modellversuch gestaltet und überprüft ein flexibles modulares Förderkonzept, wie ausbildungslose Jugendliche durch den Besuch einer Berufsschule eine umfassendere und individuellere Förderung erfahren können.“ (ISB 2005, S. 1). Der Beitrag von JoA verschob den Fokus der Betrachtung von den Auszubildenden auf die Lehrenden. Diese müssen über besondere Fähigkeiten verfügen, wenn sie die Kooperationsfähigkeit ihrer Lernenden fördern wollen. Besondere Anforderungen liegen in diesem Zu-sammenhang beim Modellversuch JoA vor, da sich das Klientel dieses Modellversuchs, ähnlich wie das des Modellversuchs SESEKO, tendenziell aus benachteiligten Jugendlichen zusammensetzt:

- 21 % besitzen keinen Abschluss,

- 42 % besitzen einen Hauptschulabschluss,

- 34 % besitzen den Quali2 („Qualifizierter Hauptschulabschluss“ in Bayern), der Rest hat andere zum Teil bei weitem höhere Abschlüsse.

- 58 % besitzen einen Migrationshintergrund und in 65 % dieser Familien ist Deutsch nicht die Haupt-sprache.

Auch in diesem Modellversuch sind hohe Fehlzeiten nicht ungewöhnlich, ebenso Defizite bei Sozial-kompetenzen und Disziplinschwierigkeiten. Diese begründen sich meist daraus, dass die Jugendlichen mehrfache Frustrationserlebnisse im Verlaufe ihrer Bildungsbiografie erlebten und die Schule häufig nicht im direkten Fokus ihres Interesses liegt – weil sie beispielsweise ihren Lebensunterhalt selbst ver-dienen müssen.

Eine Befragung der Lehrenden ergab nun, dass der Anteil des Frontalunterrichts mit über 50 % überwog.

Schüleraktivierende Sozialformen wurden deutlich seltener eingesetzt. Zugleich konnten bei einzelnen Lehrenden hohe Schwankungen festgestellt werden, d. h. es gab Lehrende, die sich gleichermaßen schüler- wie lehrerzentrierten Lehrformen bedienten, ebenso wie solche, die bestimmte Lehrformen be-vorzugten. Einzelne Schulen stachen jedoch im Bereich der schüleraktivierenden Sozialformen hervor.

Eine Befragung derjenigen Schulen, bei denen schüleraktivierende Formen in erhöhtem Maße ein-gesetzt wurden, zeigte, dass die Kooperationsbeziehungen der Lehrenden durchaus unterschiedlich waren. Häufig wurden gar keine Teamsitzungen der Lehrenden abgehalten oder sie fanden in großen und unregelmäßigen Abständen statt. Nur wenige Schulen hielten regelmäßige Teamsitzungen in kurzen Abständen ab. Einzelinterviews mit den betroffenen Lehrkräften ergaben folgendes Bild:

- Eine Verbindung zwischen eigenem kooperativem Lernen und dem Einsatz dieser Sozialformen im eigenen Unterricht wird kaum gesehen, auch wenn diese Sozialformen häufig genutzt werden.

- Der Einsatz wird unterschiedlich begründet und als selbstverständlich und ohne Alternative ge-sehen.

- Die Lehrer geben an, durch unterschiedliche Ereignisse zu kooperativen Lehrformen gelangt zu sein.

Aus den Interviews kann die Erkenntnis gezogen werden, dass theoretische Kenntnisse nur teilweise zu einem nachhaltigen Einsatz kooperativer Sozialformen führen. Das Tagesgeschäft mit seinen Anforde-rungen an Unterrichtssituationen sowie die Bewältigung von Stofffülle und Lehrplan lässt methodische 2 In Bayern gibt es den so genannten „Qualifizierenden Hauptschulabschluss (Quali)“. Dafür unterzieht sich der Schüler

am Ende der neunten Klasse der Hauptschule einer besonderen Prüfung (schriftlich, praktisch und mündlich). Wer bei der Gesamtbewertung mindestens die Note 3,0 erreicht, erhält das Zeugnis über den qualifizierenden Hauptschulab-schluss. Die Teilnahme ist freiwillig.

Überlegungen in den Hintergrund treten, so dass Lehrer die Gründe des Methodeneinsatzes nicht oder nur wenig zu reflektieren scheinen. Allerdings konnte in manchen Kollegien erreicht werden, dass durch Teamteaching, Jour fixe, Rollenverteilung in Teamsitzungen und Unterrichtsvorbereitung im Team ko-operatives Lernen für die Lehrkräfte zu einem selbstverständlichen Mittel des Unterrichts wurde. So wirkt sich kooperatives Lernen der Lehrenden offensichtlich positiv auf den Einsatz von kooperativen Sozialformen im Unterricht aus.

Zudem konnte gezeigt werden, dass die Betonung kooperativer Lernformen in der Lehrerausbildung einen erhöhten Einfluss auf den Einsatz solcher Methoden in der eigenen Unterrichtspraxis hat. Damit scheint sich der Satz zu bewahrheiten: „Teachers teach as they were taught, not as they were taught to teach“ (Busian/Pätzold 2004, S. 2). Dies lässt andererseits wiederum den Schluss zu, dass methodische Gestaltungselemente des Unterrichts und ihre Reflexion in Hinblick auf die angestrebten Lernziele eine stärkere Betonung in der Lehrerausbildung erfahren sollten.

Im Dokument 2008 Qualität in Schule und Betrieb (Seite 141-147)