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Fachtagung Religion

Im Dokument 2008 Qualität in Schule und Betrieb (Seite 104-111)

Qualitätskriterien für Religionsunterricht an berufsbildenden Schulen: Herausforderungen für die Aus- und Fortbildung von Lehrkräften

Fachtagung Religion

Roland Biewald

Einleitung

Die Fachtagung Religion ist eine der kleinsten zu den Hochschultagen Berufliche Bildung, aber seit vielen Jahren präsent und in das Tagungsprogramm integriert. In Deutschland ist Religionsunterricht an beruflichen Schulen ein allgemeinbildendes Fach, das den Qualitätsstandards und Anforderungen für ein ordentliches Lehrfach genügen muss. Die Besonderheit – und der Unterschied zum Religionsunter-richt an allgemeinbildenden Schulen – liegt darin, dass sich das Fach im Kontext der Beruflichen Bildung bewegt und von daher didaktisch fruchtbare Beziehungen zu dieser bestehen.

Das Rahmenthema der Hochschultage 2008 passte sehr gut in die zurzeit laufenden Bemühungen um Bildungsstandards für einen kompetenzorientierten Berufschulreligionsunterricht (BRU). Die Fachta-gung hat sich diesem Thema über vier Wege angenähert:

1. über die Frage nach Qualitätsmanagement und Qualitätssicherung in der schulischen und außerschu-lischen Bildung am Beispiel des Masterstudiengangs Management und Didaktik der Evangeaußerschu-lischen Fachhochschule Freiburg (Referat Jürgen Rausch, M.A.);

2. über Qualitätskriterien für den BRU und Ergebnisse entsprechender Evaluationen in Niedersachsen (Referat StD Joachim Kreter);

3. über eine kritische Bestandsaufnahme der Aus-, Fort- und Weiterbildung von katholischen Religions-lehrkräften in Bayern (Referat Dr. Ferdinand Herget) und

4. über ein konkretes Beispiel des Ausbildungsganges „Markt- und Sozialforschung“ an einer beruf-lichen Schule in Nürnberg, in den religiöse und ethische Bildung unter dem Ziel der Gewinnung und Verbesserung sozialer Kompetenzen integriert ist.

Daneben war der Erfahrungsaustausch zwischen den Vertretern aus verschiedenen Bundesländern zu Entwicklungen und Problemen des BRU eine wichtige Informationsplattform am Rande der Fach-tagung.

1 Management und Didaktik

Im ersten Vortrag der Fachtagung ging es um die Frage einer erfolgreichen Schulentwicklung, die vor allem durch die beiden Komponenten Schulführung und Unterrichtsqualität bestimmt ist. Jürgen Rausch stellte den neu entwickelten Masterstudiengang „Management und Didaktik“ der Evangelischen

Hochschule Freiburg vor. Bildungspolitisch ist eine Reihe von Prozessen im Gange, die Qualität von Schulen und außerschulischen Bildungseinrichtungen zu verbessern – auch unter dem Gesichtspunkt des lebenslangen Lernens. Daher macht es sich notwendig, neue Handlungsfelder zu erschließen, um die Qualität schulischer und außerschulischer Bildung voranzubringen. Im Hinblick auf die neuen Handlungsfelder wie z. B. Schulentwicklung, Evaluationsmaßnahmen oder zeitgemäße Unterrichtsent-wicklung gibt es für die Verantwortlichen und Akteure von Bildungseinrichtungen bislang nur ungenü-gende Qualifikationsangebote. Vor diesem Hintergrund hat sich die Evangelische Hochschule Freiburg zum Ziel gesetzt, Unterrichtende und Leitungsverantwortliche dahingehend zu qualifizieren, Schul- und Unterrichtsentwicklung und die außerschulische Bildung, unter Einbezug evangelischer Perspektiven auf Bildungs- und Entwicklungsprozesse zu qualifizieren. Dazu zählt in besonderer Weise auch die reli-giöse Bildung in den allgemeinbildenden sowie in den berufsbildenden Schulen.

Das Thema der religiösen Orientierung, der Werteorientierung und -bildung und deren Zusammenhang mit unterschiedlichen Bildungsverständnissen ist durch die Globalisierung verstärkt auf die Tagesord-nung getreten. Trotz unterschiedlicher Ansätze wird religiöse Bildung als Teil umfassender Menschen-bildung in einer interkulturellen Gesellschaft angesehen.

Auf diese Situation reagiert die Evangelische Hochschule Freiburg mit ihrem Angebot eines Masterstu-dienganges mit drei Profilen: Religionsdidaktik, Bildungsmanagement und Schulmanagement.

Absolventinnen und Absolventen erwerben mit dem Profil Religionsdidaktik die Lehrerlaubnis für die Evangelische Religionslehre an Berufsschulen und beruflichen Gymnasien des Landes Baden-Württem-berg (Sekundarstufe II).

Mit dem Abschluss im Bildungsmanagement wird die Qualifikation erworben, die pädagogische und organisatorische Leitungsverantwortung in einer Bildungseinrichtung kirchlicher, kommunaler oder pri-vater Bildungsträger zu übernehmen.

Absolventinnen und Absolventen des Profils „Schulmanagement“ erwerben Kompetenzen, um Schule erfolgreich in pädagogischen wie ökonomischen und betriebswirtschaftlichen Belangen zu leiten und weiterzuentwickeln.

Der akademische Grad Master of Arts, mit dem alle drei Profile abschließen, beinhaltet die Zulassung zum Höheren Dienst, darüber hinaus erhalten die Studierenden die Promotionsberechtigung.

Die Ausführungen zu den Einzelheiten des Studienganges führen in eine Debatte sowohl über grund-sätzliche Fragen des Bolognaprozesses und die damit verbundene Modularisierung von Studiengängen als auch über die Qualifikationskriterien für Religionspädagogen, die an BBS unterrichten. Dieses The-ma ließ sich gut mit den weiteren Beiträgen verbinden. Die Freiburger Antwort im Rahmen des neuen Studienganges besteht in einer Konzentration auf theologische Fachkompetenz und auf weitere Schlüs-selqualifikationen (soziale, ästhetisch-kulturelle, religiös-ethische und Persönlichkeitskompetenzen), die das oben beschriebene umfassende Bildungsverständnis widerspiegeln.

Auch wenn die Profilbereiche Bildungsmanagement und Schulmanagement über die unmittelbaren Bedürfnisse des BRU hinausgingen, so stießen sie doch auf Interesse, weil sich daran grundlegende Fragen des Zusammenhanges von Unterricht und die dafür notwendigen Rahmenbedingungen zeigen und diskutieren ließen. Lehrerinnen und Lehrer bleiben „Einzelkämpfer“, solange sie nicht von der Schul-leitung und einem tragenden Bildungskonzept unterstützt werden. Ob die Trennung der SchulSchul-leitung in einen Managementbereich und einen pädagogischen Bereich sinnvoll und effektiv ist, kann kontrovers diskutiert werden. Offensichtlich ist, dass allein pädagogische Qualifikationen für ein modernes Bil-dungsmanagement nicht mehr ausreichen. Umgekehrt führt es zu verkürzten und langfristig nicht trag-fähigen Bildungskonzepten, wenn dem Management die pädagogischen Kompetenzen fehlen. Der

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burger Studiengang hat beides im Blick – jedoch in Profilbereiche getrennt. Die Chance besteht darin, dass die Studierenden vom jeweils anderen Bereich durch Wahlangebote profitieren und so einen Blick für die Zusammenhänge erhalten. Gerade das könnte ein Problem der neu konstruierten Studiengänge sein, dass sie zu eng profilieren.

Angesichts der Schwierigkeiten, die allerorts mit der Entwicklung neuer Bachelor- und Masterstudien-gänge auftreten und zu Recht beklagt werden, ist der vorgestellte Freiburger Masterstudiengang ein gu-tes Beispiel für ein kompetenzorientiergu-tes Studium, das übergreifende und profilierende Kompetenzen in einem ausgewogenen Verhältnis fördert.

2 Harte Zeiten für ein „weiches“ Fach

Religionsunterricht steht ab und zu im Verdacht, ein „weiches“ Fach zu sein, weil man keine „harten“

Bewertungskriterien an die Lernergebnisse anlegen kann, die in der Form von Erkenntnisprozessen und Herausbildung von Werteorientierung und Sozialkompetenz über längere Zeit hin entstehen und nur partiell als Faktenwissen abrufbar sind. Es liegt also in der Natur der Sache: Religionsunterricht (wie auch andere geisteswissenschaftliche Fächer) wird ein Stück weit mit dem Image des „weichen Faches“

leben müssen. Das darf jedoch nicht zum Argument für ein völlig bewertungs- und leistungsfreies Fach werden. Dann stünde der Status des „ordentlichen Unterrichtsfaches“ zur Disposition.

Die Überlegungen zur Formulierung von Bildungsstandards haben in letzter Zeit auch die Debatte um die Kompetenzorientierung des Religionsunterrichts und deren Überprüfbarkeit neu belebt. In Nieder-sachsen gibt es seit 2003 ein Modell von Qualitätskriterien für den BRU, das zusammen mit Lehrerin-nen und Lehrern entwickelt, praktisch erprobt und evaluiert wurde. Joachim Kreter, Studiendirektor am Niedersächsischen Landesinstitut für Schulentwicklung und Bildung, hatte dieses bereits zu den Hochschultagen in Darmstadt 2004 auf der Fachtagung Religion vorgestellt. Nun ging es darum, den neuesten Stand zu markieren, Evaluationsergebnisse vorzustellen und auf dem Hintergrund der damit verbundenen bildungspolitischen Debatte kritisch zu bewerten.

Problematisch erscheint demnach, dass im Zuge der Schulinspektionen an BBS die Qualitätskriterien für den BRU in den Hintergrund getreten sind. Seit 2005 gelten in Niedersachsen die EFQM (Excellence der European Foundation for Quality Management) als TQM (Total Quality Management) und werden entsprechend evaluiert. Deren Evaluationskriterien werden dem BRU nur ungenügend gerecht und führen daher oft zu dem Eindruck, dass der Unterricht im Sinne von abrufbaren Lernergebnissen nicht effizient ist. Die für den BRU entwickelten Gütekriterien hingegen erfassen die Bedingungen, Kernwege und Zielorientierungen des BRU besser. Schülerpartizipation, Nähe zu lebensweltlichen Fragen, kla-re Unterrichtsstruktur, Methodenvielfalt, fachliche Qualität, christliche Orientierung, flexibler Unterricht und Lernatmosphäre sind Formulierungen für Gütemerkmale, nach denen dann differenzierter gefragt wird. Die Kriterien sind jeweils definiert, an Beispielen ausgeführt und durch Indikatoren für die Selbst-evaluation durch die Lehrkräfte ergänzt. Damit haben die Lehrerinnen und Lehrer ein Instrumentarium in der Hand, mit dem sie eigenen oder auch fremden Unterricht überprüfen und zielgeleitet verbessern können. Das funktioniert natürlich nur, wenn die Bereitschaft zum kritischen Umgang mit dem eigenen Unterricht besteht und die Gütekriterien als angemessen beurteilt werden. Da diese sozusagen von der Basis her entwickelt wurden, kann man das für die meisten BRU-Lehrkräfte voraussetzen.

Die Darstellung ausgewählter Aspekte der niedersächsischen Schulinspektion samt ihrem praktischen Vollzug machte deutlich, dass beide Verfahren weithin nicht kompatibel sind. Wenn die – sozusagen im Selbstversuch entwickelten – Gütekriterien unter dem Verdacht stehen mögen, den BRU positiv darzu-stellen, zeigt das genaue Hinsehen, dass sie das Unterrichtsgeschehen sehr differenziert erfassen, wie es nur aus Insider-Sicht möglich ist. Die notwendigerweise viel allgemeineren Kriterien der Evaluation nach EFQM nivellieren sehr stark und erfassen die Besonderheiten des BRU kaum.

Eine Folgerung aus dieser Bestandsaufnahe ist die Forderung, recht bald Kompetenzen für den BRU zu entwickeln, die entsprechend der verschiedenen Schulformen an Berufschulzentren differenziert werden. Dazu sind empirische Erhebungen bei den „Interessengruppen“ (Lehrkräfte, Schüler, Schullei-tung und –verwalSchullei-tung, Kirche, Ausbildungsbetriebe) des BRU nötig. Auf der Grundlage von formulierten Kompetenzen als Zielperspektive für den „output“ des BRU würden sich die Unterrichtenden auf siche-rerem Terrain als im Augenblick bewegen, die Schülerinnen und Schüler könnten klarer über die Ziele, Aufgaben und Bildungsfunktion des BRU Auskunft geben und die Ausbildungsbetriebe könnten den Nutzen für ihre Auszubildenden und den Betrieb erkennen.

Freilich bleibt die Frage, ob das Anliegen und die Eigenheit des BRU tatsächlich hinreichend über Kom-petenzformulierungen erfasst werden können oder ob man damit einem modernen Trend folgt – nur um up-to-date zu sein. In der Religionsdidaktik ist der Streit um Ziel- und Prozessorientierung ein altes Thema. Religiöse Lernprozesse gehen oft mit länger dauernden Einstellungs- und Bewusstseinsände-rungen einher. Sie lassen sich schwer im Rahmen des Unterrichts evaluieren. Evaluation ist aber eine Grundvoraussetzung für kompetenzorientierten Unterricht, denn was nützen in der Zielspalte formulierte Kompetenzen, wenn diese selbst bei den Auszubildenden nicht nachweisbar sind?

Eine Lösung könnte darin bestehen, eine prozessorientierte Taktik der kleinen Schritte mit einer kompe-tenz- und zielorientierten Strategie des Bildungsauftrages des BRU zu verbinden.

3 Kompetenzorientierung – aber welcher Kompetenzbegriff?

BRU gibt es in „zweierlei Gestalt“ – als evangelischen und als katholischen Religionsunterricht. Das hat seinen Grund in einer Differenzierung nach den Lehrgrundlagen der beiden großen Kirchen, die das Grundgesetz für den Religionsunterricht festgeschrieben hat. Freilich zeigt sich in der Praxis, dass beide Fächer ein breites Überschneidungsfeld haben. Vor allem haben sie es mit der gleichen Klientel zu tun:

Jugendliche, die nur noch zum Teil in ihrer Kirche sozialisiert sind und Religion eher als Bildungsfach besuchen, indem sie Neues lernen und über ihr Leben, ihren Beruf, ihre Zukunft, ihr Glück und ihre Be-ziehungen reflektieren. Die religiösen und ethischen Fragen kann man aus evangelischer oder katholi-scher Sicht durchaus unterschiedlich beantworten. Insofern macht die Differenzierung Sinn. Aber die zu initiierenden Lernprozesse, die Begleitung der Auszubildenden, die Befähigung zur Reflexion und zum Handeln unterscheiden sich nicht. Religionspädagogische und didaktische Fragestellungen lassen sich im ökumenischen Kontext sehr gut diskutieren. Gerade im BRU gibt es erfahrungsgemäß eine gut funk-tionierende Kooperation zwischen den beiden Religionsfächern. Diese geschieht nicht nur aus pragma-tischen Gründen, sondern verfolgt auch Ansätze eines konfessionell-kooperativen Religionsunterrichts, der in verschiedenen Bundesländern durch Vereinbarungen zwischen den Kirchen und Kultusministe-rien möglich ist. Die Fachtagung Religion zu den Hochschultagen Berufliche Bildung versteht sich seit jeher konfessionell-kooperativ.

Fachtagung Religion

Insofern bezog sich der Beitrag von Dr. Ferdinand Herget, wissenschaftlicher Referent für berufsbildende Schulen am Religionspädagogischen Zentrum in München zwar auf den Hintergrund des katholischen BRU, er thematisierte aber durchweg allgemeine und übergreifende pädagogische, religionsdidaktische und bildungspolitische Fragestellungen. Es ging im Rahmen der Strukturdebatte über Lehrerbildung und Lehrerfortbildung, um Klärungen zum Kompetenzbegriff und die damit verbundene Notwendigkeit von Evaluierungen.

Kompetenzbegriffe verschiedener relevanter Veröffentlichungen (z. B. Europäische Kommission, KMK, Deutsche Bischofskonferenz, evangelisches Positionspapier) wurden untersucht und im Hinblick auf den notwendigen professionellen „Habitus“ von BRU-Lehrern reflektiert. Zu diesem gehören neben der Fachkompetenz auch persönliche Aspekte, die im Bereich der Religion als orientierende Lebenshaltung untrennbar mit der Profession verbunden sind – ja erst zu dieser verbunden werden. Diese Komplexität macht es schwierig, sich auf einheitliche Formulierungen zu einigen und zugleich der Besonderheit des Faches gerecht zu werden (vgl. auch den zweiten Beitrag oben).

Darüber hinaus erhielten die Teilnehmerinnen und Teilnehmer der Fachtagung einen umfassenden Ein-blick in die Ausbildung von katholischen BRU-Lehrkräften im Bachelor-/Masterstudiengang an der LMU München. Die recht knappe fachdidaktische Ausbildung einschließlich des Praktikums scheinen ein deutschlandweites Problem zu sein. Zwar unterscheiden sich die Modelle an den verschiedenen Uni-versitäten, jedoch zeigt z. B. der direkte Vergleich mit dem Studiengang an der TU Dresden, dass auch hier die Anforderung an eine spezifische Lehrkompetenz für das Fach Religion unter besonderer Aus-richtung auf die berufsbildenden Schulen mit den vorhandenen Lehrkapazitäten kaum eingelöst werden kann. Es besteht also Diskussions- und Verbesserungsbedarf, wozu der Austausch auf der Fachtagung hilfreiche Impulse lieferte.

Schließlich wurden Möglichkeiten der Qualitätssicherung durch Evaluationen aufgezeigt, wie sie zurzeit in Bayern durch das Staatsinstitut für Schulqualität und Bildungsforschung praktiziert werden.

Die Ausführungen regten zu einer intensiven Debatte über Lernprozesse im BRU an, die einerseits dem Gegenstand des Faches und andererseits den Auszubildenden gerecht werden. Strebt man „re-ligiöse Kompetenz“ an, dann besteht diese zu einem ganzen Teil aus Beurteilungsfähigkeit hinsichtlich von Geschichte, Tradition, Lehre und Praxis der Religionen sowie aus eigener Handlungsfähigkeit im sozialen und ethischen Bereich. Das Ausüben von religiösen Handlungen oder das Erlernen dieser ist nicht Aufgabe des BRU. Kompetenzorientiertes Lernen im BRU setzt also die Auswahl adäquater Lern-gegenstände und Lernwege voraus, die religiöse Bildung als hermeneutische Kompetenz (Beurteilung, Positionierung) und Handlungskompetenz im genannten Sinn ermöglichen.

Der Vortrag bot eine Fülle von Informationen und diskussionswürdigen Problemanzeigen, die nur an-satzweise aufgearbeitet werden konnten. Insofern ist es wichtig, dass die Debatte um den kompetenz-orientierten BRU deutschlandweit weitergeführt wird und die in vielen neuen Studienordnungen und Evaluationsmodellen verwendeten Begriffe nochmals einer kritischen Prüfung unterzogen werden.

4 Religiöse Bildung und Sozialkompetenz

Der Religionsunterricht an berufsbildenden Schulen trägt bei zur Herausbildung von religiösen, ethi-schen und sozialen Kompetenzen. Religiöse Kompetenz ist im Sinne von religiöser Bildung zum einen Sachwissen und Beurteilungskompetenz hinsichtlich von Religionen und Religiosität, zum anderen aber auch die Fähigkeit, sich zu Werten zu positionieren und ethisch begründet zu handeln. Insofern über-schneiden sich religiöse, ethische und soziale Kompetenzen. Das darf freilich nicht dazu führen, dass der BRU allein dadurch legitimiert wird, dass er (erwünschte) Sozialkompetenzen fördert. Der Eigen-anspruch liegt gerade auch in einer vom Evangelium her begründeten Kritikfähigkeit gegenüber gesell-schaftlichen „Mainstreams“ oder gegenüber fraglichen Menschenbildern, wie z. B. der „human resour-ce“. Dieses Überschneidungsfeld macht einen kooperativen Unterricht zwischen den Fächern Religion, Ethik und Sozialkunde interessant. In Form von Projektunterricht gibt es dazu bereits eine Reihe von Erfahrungen.

Eine besondere Form des integrierten Unterrichts konnte die Fachtagung an der Berufsschule 4 in Nürnberg erleben. Im Ausbildungsgang „Markt- und Sozialforschung“ arbeiten die Religions- und Ethik-lehrerinnen kooperativ mit der Lerngruppe. Das ist auf Grund der besonderen Konstruktion des Aus-bildungsganges möglich. Der Unterricht ist fast durchweg Projektunterricht. Er baut auf bereits erwor-benen religiösen und ethischen Kompetenzen der Auszubildenden auf und erweitert diese in Form von Beurteilungs-, Positionierungs- und Handlungskompetenzen. Zum einen tragen diese Projekte direkt zur Verbesserung des Schulklimas bei, indem „Problemzonen“ der Schule, angefangen von der Farbgebung der Klassenräume bis hin zum sozialen Miteinander der Schüler, erkannt, diskutiert und kreativ beho-ben werden. Eine Werbeaktion für die Blutspende wurde unterstützt und hat zu nachhaltiger Bewusst-machung der Wichtigkeit dieser persönlichen Hilfsbereitschaft geführt. Zum anderen dient der Kom-petenzerwerb dem zukünftigen Tätigkeitsfeld. Die Absolventen des Ausbildungsganges sollen später Unternehmen und Geschäftsleute beraten, die – etwas vereinfacht gesagt – gute Produkte an die dafür geeigneten Menschen verkaufen wollen. Wenn das nicht lediglich über plumpe Werbestrategien oder manipulative Werbepsychologie erfolgen soll, dann brauchen die Berater ein hohes Reflexionsvermögen hinsichtlich ethischer und sozialer Fragen. Religions- und Ethikunterricht helfen dabei, Menschenbilder kritisch zu reflektieren und Handlungsstrategien zu begründen, die dem Unternehmen nützen und zu-gleich den Kunden bzw. Verbraucher in der Würde ihres selbstbestimmten Menschseins wahrnehmen.

Das mag etwas „hochgestochen“ klingen und wird in dieser Form des Unterrichts bei weitem nicht im-mer explizit thematisiert. Implizit ist es jedoch imim-mer Thema, wenn die sehr anschaulich demonstrierten und kreativ umgesetzten Projekte vorgestellt und reflektiert werden.

Das ist zugleich auch die Anfrage an diese besondere Form des BRU: Bleibt genug Raum für die tiefer gehende Reflexion der Praxisprojekte? Handlungskompetenzen sind tatsächlich nachgewiesen worden – sogar in der Weise, dass eines der Schülerprojekte für eine Veröffentlichung in einer BRU-Fachzeit-schrift geeignet erschien. Doch erreicht solcher handlungsorientierter Projektunterricht auch dasselbe Niveau hinsichtlich der Sach-, Beurteilungs- und Positionierungskompetenz? Hier müssten noch deut-lichere – durchaus auch kreative – Evaluierungen und Rückmeldungen erfolgen. Sicher wird das Nürn-berger Beispiel nicht unbedingt für viele Berufsschulen Schule machen. Dafür ist die Konstruktion des Ausbildungsganges zu spezifisch. Aber es ist in jedem Falle ein gutes und bedenkenswertes Modell für die Kooperation der „Fächergruppe“ Religion/Ethik, wenn es um das Überschneidungsfeld der oben genannten Kompetenzen geht.

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Schluss

Insgesamt fügten sich die verschiedenen Beiträge der Fachtagung sowie die Praxiserkundung an der Berufsschule sehr gut unter einem Leitmotiv zusammen: Qualitätssicherung des BRU braucht a) grund-legende Klärungen über den oder die verwendeten Kompetenzbegriffe und b) eine funktionierende Evaluationspraxis. Vorsicht ist geboten, wenn in anderen Zusammenhängen entstandene Begriffe oder externe Modelle unkritisch übertragen werden. Religion hat ein eigenes Bildungspotential, d. h. einen vom christlichen Menschenbild herkommenden Bildungsbegriff und auf den Menschen als religiöses Wesen bezogene Bildungschancen, die spezifische Lernprozesse und damit spezifische Lehrkompeten-zen erfordern. Frei nach Luther: Der BRU ist ein „dienstbarer Knecht“, weil er die berufliche Bildung hin-sichtlich notwendiger Menschenbildung unterstützt; er ist aber gleichermaßen ein „freier Herr“, weil er seinen Eigenanspruch gegenüber Vereinnahmungstendenzen – seien sie bildungspolitisch, ökonomisch oder pädagogisch – bewahrt. Die engagierte Diskussion der Teilnehmerinnen und Teilnehmer an der Fachtagung Religion hat jedenfalls gezeigt, dass es ihnen in erster Linie um die betroffenen Menschen, nämlich die Auszubildenden, geht.

Die Förderung der Sprachfähigkeit als Beitrag

Im Dokument 2008 Qualität in Schule und Betrieb (Seite 104-111)