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5. Interpretation ausgewählter zentraler Studienergebnisse

5.7. Auf dem Weg zum „guten“ Unterricht? Eine Mängelbeschreibung, die man ernst

HeribertSCHOPF

5.7.1. Einführung

Im ersten Projektabschnitt wurden im Rahmen der quantitativen Untersuchung mittels Fragebogen auch offene Fragen gestellt, die mit induktiver Kategorienbildung nach Mayring ausgewertet wurden.

Es handelt sich dabei um die Frage, die nach „Quellen für die Vorbereitung des Unterrichts“

und zwei Fragen, die nach „Materialien, die im tatsächlichen Unterricht zur Verfügung stehen, bzw. die fehlen“ fragen. Die vierte Frage, fragt nach „Ursachen und Gründen“, warum der Unterricht oft nicht nach den Vorstellungen der Lehrperson gestaltet werden kann.

Die vier Themenbereiche lassen sich folgendermaßen fassen:

 Für den Unterricht sind Lehr- und Sachbücher, das Internet und gezielte Fortbildungsveranstaltungen die wichtigsten Quellen der Vorbereitung.

 Experimentierboxen und Anschauungsmaterialien für die Hand des Kindes fehlen im Sachunterricht.

 Es fehlen in allen Bereichen der Mathematik aktuelle, kindgemäße und anschauliche Legematerialien für die Hand des Kindes zum Mathematikunterricht.

 Fehlende personale und materielle Ressourcen, sowie die mangelnde Ausstattung der Schule beschränken erheblich die Qualität des Unterrichts.

Hinweise zur Darstellung in diesem Kapitel: Einer grafischen Darstellung der Gesamtergebnisse folgen jeweils die Teilergebnisse in den identifizierten Kategorien.

Anschließend werden die Ergebnisse kurz zusammengefasst interpretiert.

5.7.2. Für den Unterricht sind Lehr- und Sachbücher, das Internet und gezielte Fortbildungsveranstaltungen die wichtigsten Quellen der Vorbereitung

573; 42%

357; 26%

216; 16%

170; 12%

43; 3%

16; 1%

Bücher Internet Umgang mit…

Anschauungsmaterial Sonstiges Audiovisuelle Medien

Abbildung 5: Gesamtübersicht der Angaben zu den verwendeten Quellen, die zur Gestaltung des Sachunterrichts und des Mathematikunterrichts verwendet werden

299; 84%

40; 11%

18; 5%

Websites Unterrichtsmaterialien Spiele

Abbildung 6: Verwendete Internetquellen

72; 33%

49; 23%

25; 12%

15; 7%

11; 5%

11; 5%

8; 4%

7; 3%

18; 8%

Fortbildungsinput erstelle eig. Mat.

Bibliotheken kollegialer Austausch Lehrausgänge Lehrplan habe alles anschauliches Lehren Sonstiges; Nennungen unter 7

Abbildung 7: Angaben, wie Lehrpersonen ihren Unterricht zu verbessern trachten – „Umgang mit …“

259; 45%

197; 34%

40; 7%

38; 7%

32; 6%

5; 1%

2; 0%

Lehrbücher Fachbücher Arbeitsblätter Zeischriften, Zeitungen Lexika

KK Zeitschriften Prospekte

Abbildung 8: Angaben zu verwendeten Printmedien

47; 28%

32; 19%

28; 16%

28; 16%

20; 12%

15; 9%

Montessori

Lernspiele

Karteien

Arbeitsmappen SU

Arbeitsmappen M

sonstiges Material, Plakate,Bilder, Boxen

Abbildung 9: Angaben zu Arbeitmaterialien für die Hand des Kindes

Es wird deutlich, dass die befragten Lehrpersonen sich überwiegend an Lehr- und Fachbüchern orientieren (siehe Abb. 5 und 8). Arbeitsblätter, Zeitschriften und Zeitungen werden dagegen eher wenig angegeben. Spezielle Kinderzeitungen spielen eine untergeordnete Rolle. Dieses Ergebnis überrascht ein wenig, hinsichtlich der Ergebnisse der Befragung der Kinder (Papierunterricht), die diesen Unterricht mehrheitlich angeben.

Der Einsatz des Computers als Medium der Lehrpersonenvorbereitung scheint im gegenwärtigen Unterricht nicht mehr wegzudenken zu sein (siehe Abb. 6). Die Lehrpersonen recherchieren für ihren Unterricht mehrheitlich auf Websites. Dagegen wird die Verwendung des Computers im Unterricht, in Form von Lernspielen und digitalen Unterrichtsmaterialien sehr wenig genannt.

In der Kategorie „Umgang mit ...“ findet sich ein Sammelbecken verschiedenster Angaben, wie sich Lehrpersonen zu verschiedenen Themenbereichen der Mathematik und des Sachunterrichts inhaltliche Hilfe holen. Am meisten wird in diesem Bereich auf eine einschlägige Fortbildung gesetzt. Das Erstellen eigener Materialien und das Nutzen von Bibliotheken werden immerhin noch von 40 Lehrpersonen angegeben. Der kollegiale Austausch wird von 15 Lehrpersonen genannt. Der Lehrplan kommt in diesen Überlegungen

offensichtlich nicht als „Quelle“ ins Bewusstsein, weil ihn nur 11 Personen angeben (siehe Abb. 7).

In der Kategorie „Anschauungsmaterialien“ (siehe Abb. 9) wird das Montessorimaterial als erstes genannt, gefolgt von Lernspielen, Karteien und spezieller Arbeitsmappen für Mathematik und Sachunterricht.

Audiovisuelle Medien sind angesichts der Nennungen in den anderen Kategorien eine vernachlässigbare Größe. Dies dürfte der Ausstattung der Schulen geschuldet sein.

5.7.3. Experimentierboxen und Anschauungsmaterialien für die Hand des Kindes fehlen im Sachunterricht

Abbildung 10: Gesamtübersicht der verwendeten Materialien

67%

Abbildung 11: Angaben zu speziellen Materialien, die im Sachunterricht fehlen

42%

Abbildung 12: Angaben zu fehlenden Arbeitsmaterialien – allgemein

10; 24%

Abbildung 13: „Sonstiges“: grundsätzliche Forderungen

Diese Frage soll Auskunft darüber geben, welche Materialien sich Lehrpersonen für ihren Sachunterricht wünschen (siehe Abb. 11). Auf den ersten Blick kann man erkennen, dass den meisten befragten Personen völlig klar ist, was für einen anschaulichen Unterricht zu fehlen scheint. Es sind dies spezielle Experimentierboxen für den naturwissenschaftlichen Bereich des Sachunterrichts. Gebraucht würden aber auch Magnete, ein Kompass, funktionierende Thermometer und verschiedenste Präparate und Materialien für den Körper, Waagen und ganz allgemein gesprochen „funktionierende Versuchsgeräte“, wie z.B. ein Spiritusbrenner (siehe Abb. 11). Nimmt man diese Ergebnisse ernst, dann müsste ernsthaft über eine Neuausstattung der Volksschulen diskutiert werden.

In der Kategorie „Anschauungsmaterial – allgemein“ finden Lehrpersonen die Ausstattung ihrer Schule in Bezug auf die Anschauungsmaterialien für die Hand des Kindes defizitär. Es fehlt an Plänen, Plakaten Wandtafeln, Folien und Karteien (siehe Abb. 12).

Selbst wenn man hinzunimmt, dass viele Lehrpersonen sich Materialien auf eigene Kosten selber erstellen (49 Nennungen bei Frage V08) und dies wohl auch zu den Aufgaben dieses Berufes zählt, so kann man nicht davon ausgehen, dass die komplette Ausstattung einer Schule für einen anschaulichen Unterricht gänzlich von den Lehrpersonen getragen werden kann. Es mangelt nicht nur an geeigneten Räumen, sondern auch oft am Geld. Dass nur drei Lehrpersonen angeben, dass sie alles haben, spricht wohl für sich (siehe Abb. 13).

5.7.4. Es fehlen in allen Bereichen der Mathematik aktuelle, kindgemäße und anschauliche Legematerialien für die Hand des Kindes zum Mathematikunterricht

160; 47%

78; 23%

68; 20%

34; 10%

Konkrete Wünsche Materialien allg.

Grundsätzliches Montessori

Abbildung 14: Gesamtübersicht über jene Materialien, die im Mathematikunterricht fehlen

45; 28%

42; 26%

19; 12%

16; 10%

15; 9%

9; 6%

6; 4%

6; 4%

2; 1%

Legematerial für L und SS

Geometriematerial ( Dreieck, Lineal, Spiegel, Zirkel,..)

Zusatzm.(f.

Grundrechnungsarten, Themen, Textbeispiele)

100/1000 Tafel

Waagen, Gewichte , Messgeräte, Uhren ,

Rechengeld

Mat. Zu log. Denken

Magnetmaterial für alle math.

Bereiche

1mal 1

Abbildung 15: Konkrete Wünsche der Lehrpersonen

52; 66%

Abbildung 16: Unpräzise Angaben zu Materialien

17; 26%

Abbildung 17: Grundsätzliches zur besseren Durchführung des Mathematikunterrichts

Fragt man Lehrpersonen, was ihnen für einen anspruchsvollen Mathematikunterricht fehlt, so können sie mehrheitlich präzise angeben, wo der Schuh drückt. Die konkreten Wünsche der Lehrpersonen sind indes aber nicht utopisch und unerfüllbar (siehe Abb. 14 und 15).

Sie fordern aktuelles und neues Material, das in Klassenstärke zur Verfügung stehen sollte.

Lege- und Geometriematerialien sind oft veraltet oder gar nicht vorhanden, sodass dieser Wunsch auf ein akutes Problem der Veranschaulichungsmöglichkeiten der Lehrpersonen in ihrem Unterricht hinweist. Funktionierende Waagen und die dazugehörenden Gewichte werden genauso gefordert, wie Rechengeld und Magnetmaterial für alle mathematischen Bereiche (siehe Abb. 14).

Da nimmt es nicht Wunder, dass Lehrpersonen sich anschauliche Materialien wünschen, die sie in Freiarbeitsphasen einsetzen können. Lernspiele und Rechenspiele werden dagegen weniger häufig genannt. Dies deutet möglicherweise auf eine Sättigung dieses Bereichs hin.

Mit anderen Worten. Lehrpersonen haben Lernspiele in ausreichender Zahl zu Verfügung.

Nur die funktionierenden Waagen und Legematerialien als Anschauungshilfen, die sie dafür bräuchten, haben sie nicht.

Unter der Kategorie „Grundsätzliches“ finden sich jene Aussagen der Lehrpersonen, die man auch als Zusammenfassung dieses Themenfeldes lesen könnte. Diese 68 Personen benennen letztendlich grundsätzliche „Leerstellen“ des Systems. Die Ergebnisse geben einen Einblick in die teilweise trostlose Ausstattung der Schule (siehe Abb. 17).

5.7.5. Fehlende personale und materielle Ressourcen, sowie die mangelnde Ausstattung der Schule beschränken erheblich die Qualität des Unterrichts

102; 38%

Abbildung 18: Gesamtübersicht, welche Faktoren verantwortlich sind, dass Unterricht nicht so stattfinden kann, wie er notwendig wäre

74; 72%

Geld für Dinge , die die KK nicht haben (Schere, Lineal,..)

Abbildung 19: Angaben über fehlende Ressourcen

30; 45%

30; 44%

5; 7%3; 4% zusätzliche Lehrer fehlen,

Begleitlehrer, Stütz.- bzw.

23; 57%

17; 41%

1; 2%

Verhaltensauffälligkeit, Disziplinprobleme, Niveau der SS, schwache SS, Unaufmerksamkeit, unkonzentrierte SS Verständigungsprobleme, mangelnde D-Kenntnisse

Leistungsdruck

Abbildung 21: Angaben zu Lernpersonen

14; 70%

6; 30%

Freiarbeit, off.

Unterrichtsformen funktionieren nicht, Differenzierungsmaßnahm en funktionieren nicht, individuelles Arbeiten nicht gebundener Unterricht bei KK mit nichtdeutscher Muttersprache nachhaltiger

Abbildung 22: Angaben zum Unterricht

Dramatisch erscheint vielen befragten Lehrpersonen das Platzproblem. Damit sind fehlende Präsentationsflächen genauso gemeint, wie Unterbringungsprobleme ihrer Materialien. In den Schulen der Befragten fehlt es an allen Ecken und Enden. Gruppenräume und sinnvolle Möbel wünschen sich 74 Personen; eine grundlegende Erneuerung immerhin noch 19 Lehrpersonen (siehe Abb. 19).

In der Kategorie „Lehrer“ wird der Mangel an zusätzlichen Lehrpersonen für den Begleit- und Stützunterricht moniert. 30 Lehrpersonen wünschen sich für eine Verbesserung des Unterrichts eine weitere Verkleinerung der Klassenschülerzahl (siehe Abb. 20).

Auffällig wenig – im Verhältnis zur Gesamtzahl der Befragten – kommt das Thema Verhaltensauffälligkeit zur Sprache. Dies lässt sich als Hinweis lesen, dass Lehrpersonen ihren Unterricht an diese Schülergruppe anzupassen wissen und sie nicht für mangelnde Ressourcen der Schule in die Verantwortung nehmen. Es gibt einen Zusammenhang zwischen den Arbeitsbedingungen der Lehrpersonen, der Unterrichtung von Kindern mit nichtdeutscher Muttersprache und dem Einsatz von Freiarbeitsformen (siehe Abb. 21 und 22).

5.7.6. Abschließende Bemerkungen

Die Auswertung der vier Fragen gibt einen realistischen Blick auf die Wiener Volksschule (IST-Zustand). In skeptischer Lesart ist dieser Blick ernüchternd. Die Forderungen nach einem anschaulichen und materialintensiven Sach- und Mathematikunterricht sind allen

Lehrpersonen klar, sie könnten nämlich sonst nicht auf die evidenten Mängel und auf die fehlende Ausstattung ihrer Schule hinweisen. Diese Differenz zwischen einem Sollen und dem Ist hat diese Untersuchung deutlich gemacht.

Es wird an den verantwortlichen Stellen liegen, diese „Leerstellen“ zu füllen und in didaktischer Hinsicht den Lehrpersonen jene Ressourcen zur Verfügung zu stellen, die sie für ihren anspruchsvollen Unterricht brauchen.

Das Zentrum der PH Wien kann diese Untersuchungsergebnisse aufgreifen und für eine entsprechende Fortbildung der Lehrpersonen sorgen. In didaktischer Hinsicht macht eine solche Fortbildung in jedem Fall einen Sinn.

Wenn aber gleichzeitig und konsequent den Kolleginnen und Kollegen in ihrer Schule jene Materialien und Ressourcen nicht zur Verfügung stehen, die sie in ihrer Fortbildung kennen gelernt haben, dann wird sich der tatsächliche Unterricht nicht entscheidend verbessern können. Man würde die Differenz nur noch deutlicher merken als bislang.

Zu wissen, was man für einen anspruchsvollen Unterricht alles braucht ist das eine, man muss ihn auch machen können. Dies scheint eine Kernaussage dieser vier Fragen zu sein.

In Anlehnung an Hartmut von Hentig kann man daher sagen, dass die Schule neu gedacht werden muss. In Anbetracht der Ergebnisse lässt sich sagen, dass den Lehrpersonen die Möglichkeit geboten werden muss, sie auch neu machen zu können.