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2. Ergebnisse des 1. Projektabschnitts: Fragebogenbefragung von

2.2. Unterrichtsstile

2.2.4. Typologie der Unterrichtsstile

Nach der Berechnung der Faktoren hinter der Unterrichtsgestaltung wird im folgenden Abschnitt eine explorative Typologie von Unterrichtsstilen aufgestellt. Dazu werden dieselben

Variablen wie im letzten Abschnitt herangezogen. Methodisch erfolgt die Typenbildung über eine hierarchische Clusteranalyse11 mit vorgeschalteter Hauptkomponentenanalyse.12

Die Analyse der gebildeten Typen nach den Werten auf den oben gebildeten Faktoren ergibt ein erstes Bild der aus den einzelnen Unterrichtsaspekten geclusterten Unterrichtsstiltypen.

Die Tabelle enthält die durchschnittlichen Faktorwerte für die fünf Gruppen, auf den vier Faktoren. Positive Werte bedeuten eine überdurchschnittliche Häufigkeit, negative Werte dagegen eine unterdurchschnittliche Häufigkeit jener Aspekte der Unterrichtsgestaltung die den Faktoren zugrunde liegen. Der Betrag des Werts gibt das Ausmaß der Abweichung vom Mittelwert an, wobei dieser Wert aber nicht direkt (als Häufigkeit o. ä.) interpretierbar ist, sondern nur seiner Differenz zu den anderen Unterrichtstypen.13

Typ 1 (25%): offener, vergleichsweise am stärksten individualisierter Unterricht mit überdurchschnittdurchschnittlichem Ausmaß an Anleitung und Strukturierung, überdurchschnittlicher Autonomie der Schüler/innen und überdurchschnittlichem Ausmaß zeitlicher Reglementierung

Typ 2 (24%): geschlossener, etwas unterdurchschnittlich individualisierter Unterricht mit hohem Ausmaß an Anleitung und Strukturierung, durchschnittlicher Autonomie und Häufigkeit von Stationenbetrieb und unterdurchschnittlichem Ausmaß an zeitlicher Reglementierung

Typ 3 (31%): geschlossener, wenig individualisierter Unterricht mit leicht unterdurchschnittlicher Anleitung und Strukturierung, geringer Schüler/innenautonomie, geringer Häufigkeit von Stationenbetrieb und überdurchschnittlicher zeitlicher Reglementierung

Typ 4 (14%): offener Unterricht mit durchschnittlicher Individualisierung, unterdurchschnittlichem Ausmaß an Regulierung und Strukturierung, im Vergleich höchster Autonomie, häufigem Stationenbetrieb und überdurchschnittlicher zeitlicher Reglementierung

11 Hierarchische Clusteranalyse; Distanzmaß: quadrierte euklidische Distanz; Fusionierung mittels Ward-Verfahren; visuelle Bestimmung der Clusteranzahl aus dem Screen-Plot nach „Elbow-Kriterium“ (vgl. z.B.

BACKHAUS et al. 2008, S. 389ff.).

12 Die Hauptkomponentenanalyse wird hier zur Datenreduktion eingesetzt um eine unterschiedliche, von der Variablenzahl abhängige Gewichtung latenter Faktoren zu vermeiden. Wie bei der weiter oben angewandten Hauptachsenanalyse setzt auch die Hauptkomponentenanalyse intervallskalierte Merkmale voraus. Hier wird wieder die vorliegende ordinale Skalierung als Intervallskalierung behandelt. (Anmerkungen zur Durchführung:

Hauptkomponentenanalyse; KMO=0,87; Kaiser-Kriterium (Eigenwert>1); 4 extrahierte Faktoren; erklärte Varianz=51,9%; orthogonale Varimax Rotation)

13 Ein Lesebeispiel: Der Wert von -0,5 bei Typ 3 (s. Tabelle) deutet auf eine unterdurchschnittliche Häufigkeit von Aspekten der Individualisierung im Unterricht hin, während ein Wert von 1,0 bei Typ 1 für eine überdurchschnittliche Häufigkeit solcher Aspekte der Unterrichtsgestaltung steht.

Typ 5 (7%): offener Unterricht mit durchschnittlicher Individualisierung, dem geringsten Ausmaß an Anleitung und Strukturierung, hoher Autonomie, relativ häufigem Stationenbetrieb und der geringsten zeitlichen Reglementierung

Tabelle 13: Faktorwerte der Unterrichtsstile

Typ 1 Typ 2 Typ 3 Typ 4 Typ 5 Gesamt

Individualisierung 0,8 -0,2 -0,5 -0,1 0,1 0,0

Anleitung / (Strukturierung) 0,2 0,6 -0,2 -0,5 -1,1 0,0

Autonomie / Stationenbetrieb 0,4 -0,1 -0,7 0,7 0,5 0,0

zeitliche Reglementierung 0,4 -0,3 0,1 0,3 -1,4 0,0

Anzahl 141 131 173 76 36 557

Anteil an allen Befragten 25,3% 23,5% 31,1% 13,6% 6,5% 100%

(Quelle: IST – Pädagogische Hochschule Wien)

Die folgende Abbildung stellt die einzelnen Typen in allen abgefragten Unterrichtsaspekten gegenüber. Dafür wurden die Durchschnittswerte der Häufigkeiten der einzelnen Aspekte („selten (oder nie)“=1, „manchmal“=2, „häufig“=3, „(fast) immer“=4) in einem Netzdiagramm aufgetragen.14

14 Die Mittelwerte dieser Skala sind für sich zwar aufgrund des Ordinalskalenniveaus nur eingeschränkt direkt interpretierbar, ermöglichen aber einen übersichtlichen Vergleich zwischen den einzelnen Typen.

1

Typ 1: "offener", stark individualisierter Unterricht mit durchschnittlicher Strukturierung und überdurchschnittlicher Schüler/innenautonomie Typ 2: "geschlossener", unterdurchschnittlich individualisierter und stark strukturierter Unterricht mit mittlerer Schüler/innenautonomie Typ 3: "geschlossener", schwach individualisierter Unterricht mit geringer Schüler/innenautonomie

Typ 4: "offener", mittel individualisierter Unterricht mit geringer Strukturierung, höchste Schüler/innenautonomie

Typ 5: "offener", mittel individualisierter Unterricht mit sehr geringer Strukturierung, hoher Schüler/innenautonomie

Abstufung: „selten (oder nie)“ (1), „manchmal“ (2), „häufig“ (3), „(fast) immer“ (4); je höher der Wert, desto öfter kommt der abgefragte Punkt im Unterricht vor; die Prozentangaben entsprechen dem Anteil der Unterrichtsstil-Typen in der Stichprobe; die Nummern 1 bis 20 entsprechen der folgenden Reihung der Items:

In meinem Unterricht…

(1) stelle ich eine weitgehend offene Lernumgebung mit mehreren verschiedenen Lernangeboten zur Verfügung.

(2) wählen die Schüler/innen ihren Lernweg und die Art und Weise, in der sie die Lerninhalte erschließen, selbst.

(3) bereite ich eine entsprechende Lernumgebung vor, in der die Schüler/innen die Lerninhalte entsprechend ihrer Interessen frei wählen können.

(4) können die Schüler/innen ihre Arbeit frei einteilen.

(5) stelle ich für jedes Kind ein eigenes Angebot zur Verfügung.

(6) gebe ich den Schüler/innen einen fixen Arbeitsplatz vor.

(7) wählen die Schüler/innen die Reihenfolge der zu erarbeitenden Aufgaben selbst.

(8) können die Schüler/innen ihre/n Arbeitspartner/in frei wählen.

(9) bearbeite ich die Themen gleichzeitig mit allen Schüler/innen gemeinsam.

(10) zeige ich den Schüler/innen alle Inhalte vor und erkläre sie genau.

(11) teile ich den Schüler/innen ganz genau mit, was sie bearbeiten sollen und wie sie es bearbeiten sollen.

(12) gebe ich klare Regeln für die Arbeitsaufgaben vor.

(13) ist der Ablauf klar strukturiert.

(14) stelle ich den Schülern/innen den "Fahrplan" zur zeitlichen Organisation ihrer Arbeit zur Verfügung.

(15) stelle ich den Schüler/innen genau jenes Material zur Verfügung, das sie gerade brauchen.

(16) baue ich neben Pflichtaufgaben auch freiwillige Aufgaben in den Stationenplan ein.

(17) arbeiten die Schüler/innen in einem Stationenbetrieb.

(18) sollen alle Schüler/innen ihre Arbeit zu einem festgelegten Zeitpunkt beendet haben.

(19) gebe ich den Schüler/innen den Zeitrahmen vor.

(20) können die Schüler/innen so lange an einer Arbeit bleiben, wie sie brauchen.

(Quelle: IST – Pädagogische Hochschule Wien) Abbildung 2: Typologie der Unterrichtsstile

Neben der verdichteten Darstellung der Unterrichtsaspekte der verschiedenen Typen mittels Faktorwerten können die Unterrichtsstiltypen auch detailliert nach den einzelnen Aspekten der Unterrichtsgestaltung analysiert werden. Es bestätigt sich dabei die oben mit den Faktorwerten vorgenommene Interpretation der Typen. Die zum überwiegenden Anteil deutlichen Unterschiede zwischen den Typen können als erste Bestätigung für den Erklärungswert dieser explorierten Typologie angesehen werden.

Die Typen sollen hier nochmals in einigen Kerncharakteristika dargestellt werden: 15

Typ 1 liegt in der Individualisierung des Unterrichts voran: „Eine entsprechende Lernumgebung […], in der die Schüler/innen die Lerninhalte entsprechend ihrer Interessen frei wählen können“ gibt Typ 1 zu 48% „(fast) immer“ vor, die Reihenfolge der zu erarbeitenden Aufgaben können die Kinder häufig selbst wählen (40%) und ihre Arbeit frei einteilen (26%), wobei ein Zeitrahmen vorgegeben wird (59%) bzw. ein „Fahrplan" zur zeitlichen Organisation (55%). Ein fixer Arbeitsplatz wird dagegen selten vorgegeben (14%) und die Wahl des/der Arbeitspartner/in steht den Schülern verhältnismäßig oft frei (36%).

Lehrer/innen, die Typ 1 zugeordnet werden können, stellen mit Abstand am öftesten „eine weitgehend offene Lernumgebung mit mehreren verschiedenen Lernangeboten zur Verfügung“ (38%) und geben öfter als andere an, „für jedes Kind ein eigenes Angebot zur Verfügung zu stellen“. Auch wenn es um die Anleitung der Schüler/innen und um die Strukturierung des Unterrichts geht weist Typ 1 hohe Werte (die jeweils zweithöchsten Werte, nach Typ 2) auf: „[ich] zeige den Schüler/innen alle Inhalte vor und erkläre sie genau“

(49%), „[ich] teile den Schüler/innen ganz genau mit, was sie bearbeiten sollen und wie sie es bearbeiten sollen“ (38%), „[ich] gebe klare Regeln für die Arbeitsaufgaben vor“ (75%).

Dass der Ablauf des Unterrichts klar strukturiert sei, geben bei Typ 1 86% aller Lehrer/innen an, dies ist der höchste Wert aller Typen.

Typ 2 weist für die Offenheit und die Individualisierung des Unterrichts relativ geringe Werte aus. 53% der Lehrer/innen dieses Typs geben den Kindern „(fast) immer“ einen fixen Arbeitsplatz vor; 31% bearbeiten die Themen „(fast) immer“ gleichzeitig mit allen Schüler/innen gemeinsam, weitere 59% „häufig“ – in Summe 90%. Das Ausmaß der Strukturierung des Unterrichts und der Anleitung der Schüler/innen ist bei Typ 2 im Vergleich am höchsten: 57% teilen den Schüler/innen ganz genau mit, was sie bearbeiten sollen und wie sie es bearbeiten sollen“, 76% geben „klare Regeln für die Arbeitsaufgaben“ vor, bei zwei Drittel der Lehrer/innen ist der Ablauf des Unterrichts „(fast) immer“ klar strukturiert (66%). Insgesamt 96% geben den Kindern immer oder häufig einen fixen Arbeitsplatz vor.

Die zeitliche Reglementierung ist bei Typ 2 relativ gering: bei 42% können die Schüler/innen

„(fast) immer) so lange an einer Arbeit bleiben, wie sie brauchen und nur bei 19%

(zweitniedrigster Wert nach Typ 5 – 0%) sollen alle Schüler/innen ihre Arbeit zu einem festgelegten Zeitpunkt beendet haben.

Typ 3 zeichnet sich im Vergleich durch die geringste Offenheit und Individualisierung des Unterrichts aus, sowie durch die geringste Autonomie der Schüler/innen. Die Anteile für

„(fast) immer)“ bei diesen Merkmalen bleiben fast durchgehen im einstelligen Bereich. Knapp

15 Die Werte in den folgenden Typbeschreibungen beziehen sich, wo nicht anders angegeben, auf den Anteil der Kategorie „(fast) immer“.

4% stellen eine offene Lernumgebung zur Verfügung, in 2% der Fälle dürfen die Kinder den Lernweg selbst wählen und bei knapp 1% ihre Arbeit frei einteilen. Bei keinem der Lehrer/innen von Typ 3 arbeiten die Schüler/innen „(fast) immer“ in einem Stationenbetrieb (0%), in vergleichsweise niedrigen 5% der Fälle können die Schüler/innen „so lange an einer Arbeit bleiben, wie sie brauchen“ und in 4% können diese ihre/n Arbeitspartner/in frei wählen.

Typ 4 weist bei der Strukturierung des Unterrichts unterdurchschnittliche, bei der Offenheit des Unterrichts leicht überdurchschnittliche und bei der Schüler/innenautonomie z.T. weit überdurchschnittliche Werte auf und zeichnet sich vor allem durch die im Typenvergleich häufigste Nennung der Durchführung eines Stationenbetriebes aus (17% „(fast) immer“, 59%

„häufig“) aus. Die zeitliche Reglementierung ist überdurchschnittlich stark: dass „alle Schüler/innen ihre Arbeit zu einem festgelegten Zeitpunkt beendet haben“ sollen, trifft überdurchschnittlich oft zu (42% „(fast) immer“, 40% „häufig“).

Typ 5 zeigt ein hohes Maß an Schüler/innenautonomie, so wird nur in 8% der Fälle „(fast) immer“ ein fixer Arbeitsplatz vorgegeben. Die zeitliche Reglementierung ist schwach: in keinem der Fälle wird den Schüler/innen „(fast) immer“ ein Zeitrahmen vorgegeben (0%) und ebenfalls keine Nennung dieser Kategorie erhält das Item „alle Schüler/innen [sollen] ihre Arbeit zu einem festgelegten Zeitpunkt beendet haben“ (0%). Der Unterricht ist offen und wenig strukturiert: nur 8% zeigen den Schüler/innen „(fast) immer“ alle Inhalte vor und erklären diese genau, 6% geben klare Regeln für die Arbeitsaufgaben vor, ebenfalls 6%

bearbeiten „die Themen gleichzeitig mit allen Schüler/innen gemeinsam“ und keiner der Lehrer/innen dieses Typs (0%) teilt den Schüler/innen (fast) immer „ganz genau mit, was sie bearbeiten sollen und wie sie es bearbeiten sollen“. Dass der Unterricht „(fast) immer“ klar strukturiert sei, geben schließlich vergleichsweise geringe 8% der Lehrer/innen von Typ 5 an.

Tabelle 14: Unterrichtsaspekte nach Unterrichtsstiltypen (Häufigkeit)

wählen die Schüler/innen ihren Lernweg und die Art und Weise, in der sie die Lerninhalte erschließen, selbst.

Lernumgebung vor, in der die Schüler/innen die Lerninhalte entsprechend ihrer Interessen

4 können die Schüler/innen ihre Arbeit frei einteilen.

5 stelle ich für jedes Kind ein eigenes Angebot zur Verfügung.

6 gebe ich den Schüler/innen einen fixen Arbeitsplatz vor.

7 wählen die Schüler/innen die Reihenfolge der zu erarbeitenden Aufgaben selbst.

8 können die Schüler/innen ihre/n Arbeitspartner/in frei wählen.

9 bearbeite ich die Themen gleichzeitig mit allen Schüler/innen gemeinsam.

10 zeige ich den Schüler/innen alle Inhalte vor und erkläre sie genau.

teile ich den Schüler/innen ganz genau mit, was sie bearbeiten sollen und wie sie es bearbeiten sollen.

12 gebe ich klare Regeln für die Arbeitsaufgaben vor.

13 ist der Ablauf klar strukturiert. 85,8%

12,8%

stelle ich den Schülern/innen den "Fahrplan"

zur zeitlichen Organisation ihrer Arbeit zur Verfügung.

stelle ich den Schüler/innen genau jenes Material zur Verfügung, das sie gerade brauchen.

16 baue ich neben Pflichtaufgaben auch freiwillige Aufgaben in den Stationenplan ein.

69,5%

17 arbeiten die Schüler/innen in einem Stationenbetrieb.

18 sollen alle Schüler/innen ihre Arbeit zu einem festgelegten Zeitpunkt beendet haben.

19 gebe ich den Schüler/innen den Zeitrahmen vor.

20 können die Schüler/innen so lange an einer Arbeit bleiben, wie sie brauchen.

Ausgewiesen sind die Häufigkeiten der genannten Kategorien „(fast) immer“ und „häufig“, als oberer bzw. unterer Wert in den Zellen. 1 Die Signifikanztestung der Gruppenunterschiede erfolgte aufgrund des ordinalen

Skalenniveaus mittels Kruskal-Wallis-Test auf Gleichheit der zentralen Tendenz;

*/** statistisch signifikant (p<0,05/ p<0,01) (Quelle: IST – Pädagogische Hochschule Wien)

2.2.5. Unterrichtsstiltypen nach Merkmalen von Lehrperson und Schulklasse