• Keine Ergebnisse gefunden

3. Theoretische Grundlagen

3.1 Grundbegriffe des praktischen Bezugsrahmens ,Unternehmen‘

3.1.1 Unternehmen und Unternehmenskultur

Um das Forschungsfeld zu definieren, muss der Begriff ‚Unternehmen‘ eingegrenzt werden. Es soll sich dabei um die Betrachtung von Geschäftsbetrieben handeln, die mit ihren Aktivitäten Gewinne erwirtschaften.6 Außerdem ist die Organisation ausreichend groß, dass es dort formale Hierarchien gibt, die die Position Führungskraft ermöglichen.

Für diese Arbeit spielt die genaue Größe der Unternehmen keine Rolle. Wichtiger ist es, Führungskräfte in die Befragung einzubeziehen, die in ihrer Position mehrere Jahre Er-fahrung haben, wobei die Hierarchie des Unternehmens so differenziert ist, dass diese Führungskräfte ebenfalls noch einen Vorgesetzten vor sich haben, also nicht agieren, ohne selbst noch weisungsgebunden zu sein. Grundsätzlich ist es möglich, auch Mana-ger der ersten Ebene zu diesem Problembereich zu befragen. Da sich aber der eigene Handlungsspielraum grundlegend verändert, wenn noch eine übergeordnete Instanz in Entscheidungen oder Handlung einbezogen werden muss, soll hier klar getrennt werden und bleibt dieser Personenkreis von der Untersuchung ausgeschlossen.

Dem Gebilde ‚Unternehmen‘ kann man sich über die formale Aufbauorganisation, Be-richtslinien, Regelungen über betriebliche Abläufe usw. nähern. Um es aber wirklich zu

6 Vgl. Weniger, 2013, S. 34.

verstehen, muss man tiefer gehen als es Formalitäten erlauben – auf die Ebene der han-delnden Personen.

Sackmann fasst Unternehmenskultur folgendermaßen zusammen: „Die von einer Grup-pe gemeinsam gehaltenen grundlegenden Überzeugungen, die deren Wahrnehmung, Denken, Fühlen und Handeln bestimmen und insgesamt typisch für die Gruppe sind“

(2006, S. 13). Bei einem erneuten Blick auf diese Definition nach der Einführung in den hier verwendeten Habitus-Ansatz von Bourdieu wird deutlich werden, dass diese Defi-nition mit leichten Modifikationen den Habitus – aus einer anderen Perspektive und vor einem anderen Erkenntniszusammenhang – zu beschreiben vermag.

Diese Anschlussfähigkeit an Bourdieus Habitus tritt auch bei Schein zutage, wenn er strukturelle Stabilität einer Gruppe als Basis einer Unternehmenskultur betrachtet und ausführt, es ginge um die „weniger bewußte und damit weniger faßbare Tiefe und Stabi-lität dieser Sache“ (1995, S.22). Bourdieu würde hier mit Bezug auf das Handeln des einzelnen Akteurs ebenfalls von unbewusst sprechen (Bourdieu & Wacquant, 1996, S.

170-171), denn ein Habitus wird in einem neuen Kontext zunächst auf Passung geprüft, wobei sich die Passung aus der gelebten Praxis ergibt und sich im stimmigen Handeln zeigt.7

Wie erfasst man Unternehmenskultur? Schein schlüsselt sie folgendermaßen auf, um sie greifbar zu machen: Er unterscheidet zwischen der beobachtbaren Ebene der Artefakte, den dahinter liegenden bekundeten Werten sowie den Grundprämissen.

Was dem Beobachter unmittelbar zugänglich ist, sind die Artefakte. Es sind die Struktu-ren und Prozesse innerhalb eines Unternehmens. Was abläuft, ist dabei leicht zu sehen, aber das dahinter liegende Prinzip schwer zu entschlüsseln. Dahinter befinden sich dann die bekundeten Werte: die Strategien, Ziele und die Unternehmensphilosophie. Hier sind die Leitlinien für das alltägliche Verhalten festgelegt, die sich aus einer gemeinsa-men Einschätzung von ,richtig‘ ergeben haben. Zunächst, so Schein, bringt ein Verant-wortlicher eine Problemlösung ein. Sobald sich diese als adäquat erweist, nimmt diese Lösung den Weg vom richtigen Ansatz zum Wert: „Dann tritt der solchermaßen

7 Auch diese Beschreibung von Habitus stimmt mit den Betrachtungen zur Unternehmenskultur von Schein überein: „Ein Muster gemeinsamer Grundprämissen, das die Gruppe bei der Bewältigung ihrer Probleme externer Anpassung und interner Integration erlernt hat, das sich bewährt hat und somit als bindend gilt; und das daher an neue Mitarbeiter als rational und emotional korrekter Ansatz für den Umgang mit diesen Problemen weitergegeben wird“ (Schein, 1995, S. 25, Hervorhebung im Original).

genommene Wert (…) in einen Prozess kognitiver Umwandlung. Zunächst wird er in einen gemeinsamen Wert und letztlich in eine gemeinsame Grundprämisse verwandelt“

(Schein, 1995, S. 32, Hervorhebung im Original). Auf der Ebene der Grundprämissen schließlich finden sich die unbewussten Selbstverständlichkeiten. Diese Grundprämis-sen werden von Schein als Ausgangspunkt für Werte und Handlungen beschrieben und fallen dabei „in den Bereich des Nichtverhandelbaren“ (ebd., S. 29).

Kultur ist also entscheidend für den Verhaltensspielraum im Unternehmen. Außerdem bedient sie – trotz oder gerade wegen ihrer Leitplanken – Bedürfnisse: „Die Herausbil-dung von Kultur läßt sich daher immer per definitionem als Streben nach Integration bestimmen“ (ebd., S. 25). Genau dieses (oder ein derartiges) Verlangen ermöglicht viele Handlungen, die möglicherweise von außen betrachtet nicht unbedingt verständlich, sinnvoll oder zweckdienlich sind.8 Ein tiefgehender Blick ist vonnöten, um die Treiber zu erfassen, die in einer Gruppe von Menschen – oder in diesem Fall Rolleninhabern – zu bestimmten Handlungsweisen führen. Dabei soll hier explizit nicht der Blick auf psychologische, sondern soziologische Prozesse gerichtet werden.

In Bezug auf die Akteure innerhalb eines Unternehmens, auf die sich der Blick dieser Arbeit richtet, sind es die Führungskräfte. Und es klingt das Bündel an Erwartungen an, mit denen sie in ihren Umgebungen und in ihrer Rolle konfrontiert werden. Das folgen-de Zitat unterstreicht die besonfolgen-dere Anforfolgen-derung an die Führungskraft zur kulturellen Ausrichtung eines Unternehmens, was den Rollenträger noch stärker mit dem Unter-nehmen verbindet:

„Weder die Kultur noch die Führung eines Unternehmens lassen sich voneinan-der wirklich isoliert begreifen. Die Schaffung und die Steuerung von Kultur ma-chen die einzige wirklich wichtige Tätigkeit von Führungspersönlichkeiten aus, und das besondere Talent zur Führung liegt in der Kenntnis und der Fähigkeit zur Arbeit mit der Kultur“ (Schein, 1995, S. 20).

Kultur ist außerdem ein Phänomen, das ‚unter‘ dem Handeln liegt. Die Betrachtungs-ebene der Ressourcen, aus denen sich Kultur speist, ist das System einer konkreten Gruppe von Menschen in ihrem Miteinander.

8 So ist der Anschluss an das, was bei Bourdieu die Logik des Spiels ist, leicht möglich, worauf weiter unten eingegangen wird.

Das, was hier betrachtet wird, bezieht sich nicht nur auf den Einspeise-Prozess einer aktuellen Umgebung, sondern auch auf das, was sich vor dem Eintritt in solche Systeme bereits dem Handeln zugrunde gelegt hat. An dem Punkt also, an dem alte Einspei-sungs- oder Einschreibungsprozesse auf neue Prägungsversuche in einem neuen sozia-len Kontext (dem Unternehmen) treffen, sollte die Wirkung früherer Prägungen beson-ders sichtbar werden.