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8. Gesundheitsbezogene Orientierungen

8.5 Dimension II – Muster des Gesundheitshandelns

8.5.3 Gesundheitshandeln als ,Wartungspflicht‘

Schon im Bestreben, Gesundheit begrifflich zu fassen, steckt für manchen eine Hand-lungsaufforderung. Diese folgt nicht primär einem individuell formulierten Anliegen und Ziel, sondern stellt sich geradezu als Wartungspflicht für Führungskräfte dar: zum Sporttreiben, zum gesunden Essen, zum Nicht-Rauchen etc. Diese wird von den Füh-rungskräften als umso dringlicher empfunden, weil man älter wird, zu viel sitzt und eben „die Erkenntnis von allein kommt“, wie dies in den Interviews zum Ausdruck kommt (Völkers 148). Man akzeptiert die Erfordernisse, wie sie sind und wie sie Körper und Geist anmelden.

Was heißt das für die interviewten Manager? Ein Befragter sieht Gesundheit als etwas an, das erst einmal gegeben ist und dann in der Verantwortung des Einzelnen liegt.

Die-ses Verständnis von Gesundheit findet sich auch bei anderen wieder, wenn Gesundheit über Aktivität in Form von Vorsorge bspw. entsteht (Borgmann, 85).

Eine andere, die Gesundheit aufrechterhaltende Aktivität, die häufig in einem Atemzug mit Gesundheit genannt wird, ist der Sport.

Be: „Die Vorgehensweise war eigentlich im Prinzip alles auf einen zukommen lassen, ruhig viel arbeiten und ein bisschen Sport treiben, wenn es einem Spaß gemacht hat. Also dann ist man eben Fahrrad mal gefahren oder ist/ hat man Roller Skater gemacht oder sonst was. Aber jetzt muss man sich eigentlich dazu zwingen, WENIGER zu arbeiten und dem Sport oder der Bewegung mehr Raum zu geben“ (Ehrmann, 188).

Muss man also Gesundheit – über die idealerweise naturgegebene positive Grundaus-stattung hinaus – in einer Form leisten oder eventuell sogar erzwingen? Weitere Fälle bestätigen das insofern, als die Gesprächspartner eine Reihe von Aktivitäten oder Grundeinstellungen aufzählen (weniger Alkohol, gesünder essen, regelmäßiger bewe-gen, Kopf trainieren, schlafen, Zahnpflege etc.), die sie im Sinne der Gesundheit unter-nehmen.

Herr Völkers gebraucht dafür bezeichnenderweise sogar ein Wort aus dem Finanzwe-sen: Er „investiert“ in seine Gesundheit als sein Kapital und erhofft sich dann durch dieses Investment auch einen Ertrag, nämlich nicht tot vom Stuhl umzufallen, wie er schildert:

Be: „Ich versuche so zweimal die Woche, dreimal die Woche eigentlich einein-halb Stunden zu investieren (…), um hier nicht irgendwann tot vom Stuhl zu fal-len“ (Völkers, 214-216).

Be: „Und da (ein längerer Heilungsprozess nach einem Skiunfall, V.H.) ist mir erstmals bewusst geworden, dass ich älter geworden bin.“

I: „Was hat das ausgelöst?“

Be: „Man geht ein bisschen sorgsamer mit sich um.“

I: „Und wie sieht das dann aus?“

Be: „Wie gesagt, man erholt sich länger, man GÖNNT sich längere Erholungs-pausen. Man achtet so ein bisschen mehr auf den Ausgleich. Also, ich habe in

meinem Terminkalender konsequent zwei Termine stehen, wo ich abends dann laufe. Ausdauer betreibe. Muss nicht immer laufen sein, kann auch Ellipsentrai-ner oder sonst was sein. Im Winter gehe ich dazu ins Fitnessstudio, im Sommer bin ich gern draußen und laufe weiter, fahre viel Fahrrad. Also, ich gehe schon sehr bewusst mit dem Thema BEWEGEN um, weil wir hier viel sitzen und doch immer viel Kaffee und wenig Bewegung, immer angespannt, das belastet schon“

(Völkers, 142-146).

Die Führungskräfte achten auf sich und pflegen ihr Kapital. Diese Perspektive nahm auch dieser Befragte sehr explizit ein, indem er die rhetorische Frage stellte: „Was ist Ihr höchstes Gut und mein höchstes Gut? Es ist eigentlich unsere Gesundheit. Weil, was anderes habe ich ja im Endeffekt auch nicht zu verkaufen“ (Dr. Albrecht, 79). Vor dem Hintergrund dieses Treibers beschreibt der Interviewpartner später, wie er mit dem Ka-pitalstock dieses Gutes umgeht (vgl. Dr. Albrecht, 228).

Einen Manager treibt vor allem die intrinsische Motivation an, sich später mal keine Vorwürfe machen zu müssen, nicht alles getan zu haben (Beck, 162). In diesem Fall und dieser Sequenz geht es um die Betrachtung der eigenen Gesundheit und darüber hinaus aus der Blickrichtung der Führungskraft. Diesen Wechsel führt die Interviewerin durch die Fragen an dieser Stelle aktiv herbei, daher soll dies nicht als Beleg dazu die-nen, die eine oder andere Sichtweise wäre die bei diesem Manager die vorherrschende.

Im Gespräch gestaltet sich der Perspektivwechsel wie selbstverständlich, erzeugt keinen Moment der Irritation oder des Überlegens. Herr Beck erzählt, dass ihm bei seinem Tun (wie z.B. der Essenswahl) bewusst ist, dass er damit auch sichtbar wird und es Teil sei-nes Vorbildverhaltens ist. Er betont aber, dass er in Sachen Sport z.B. nicht die „ge-sundheitsbewusste Sportkanone“ abgebe, also sein Verhalten hier im Sinne der Rolle bewusst steuere. Auch in einem anderen Fall ist sich der Befragte seiner Vorbildfunkti-on bewusst und versucht ausdrücklich, seine Mitarbeiter dazu „zu motivieren, dass sie was für sich tun“ (Völkers, 240). In den weiteren Ausführung wird deutlich, dass der Ursprung seines Handelns bei sich selbst und seinen eigenen Bedürfnissen liegt:

„Ich spreche auch darüber, dass ich Sport treibe, die meisten wissen es auch.

Dass es vielleicht den einen oder anderen motiviert, es auch selber zu tun, weil man (-) wenn einer sagt: Heute Nachmittag um 18 Uhr mache ich keinen Termin mehr, weil: ich hab da Sport“ – womit er gleich ganz praktisch anschließt, wel-chem Beispiel andere folgen könnten (Völkers, 242).

Die Handlungsaufforderung ist dabei noch zur Verpflichtung zu steigern, sodass diese zur Pflicht wird, die über den Einzelnen und seinen Bedürfnisse hinausgeht und damit im Grunde als gleichberechtigt mit der Aufgabenerfüllung zu sehen ist:

„Und ich glaube auch, dass es auch hier für Geschäftsführer nicht anders sein sollte. Nämlich, wenn sie sich sonst nichts vorzuwerfen haben, sprich, der Laden läuft doch gut, warum sollen sie denn dann nicht gehen? (Schon am Mittag statt zu einer üblichen Zeit am Nachmittag oder Abend, V.H.) Auch das ist doch nur ein Mensch. Auch der hat ein Recht und der hat auch eine Pflicht, sich eigentlich um seine Gesundheit zu kümmern. Also ich habe eigentlich das RECHT auch und die PFLICHT auch“ (Werner, 183).

Eine Verbindung zu einem der zentral genannten Aspekte der individuellen Vorstellung von Gesundheit, dem Wohlfühlen, wird auch unter der Überschrift der Wartungspflicht deutlich. Auch Wohlfühlen ist herzustellen. Dieser Eindruck wird zumindest in einem Interview vermittelt, in dem über das erfolgreiche Gesundheitshandeln gesprochen wur-de und wie es funktioniere. Dort wird betont, dass man auf Ausgleich achten, Stress-vermeidung durch entspannendes Privatleben am Wochenende fördern und Sport trei-ben solle – sowie eine grundlegende Achtsamkeit im Job gegetrei-ben sein soll, die die Füh-rungskraft folgendermaßen auf den Punkt bringt: „Weil ich aufpasse, dass ich mich wohlfühle, auch wenn es stressig wird. Ich achte darauf, dass mir die Jobs Spaß ma-chen“ (Dr. Albrecht, 228).