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8. Gesundheitsbezogene Orientierungen

8.5 Dimension II – Muster des Gesundheitshandelns

8.5.5 Ausbleiben/ Unterlassen von Gesundheitshandeln

Schließlich gibt es auch die negative Orientierung: ausbleibendes Gesundheitshandeln.

Wiederholt wird die (fehlende) Zeit von den Managern als limitierender Faktor genannt, aber auch die fehlende Energie für gesunde Aktivitäten spielt nach einem langen Ar-beitstag eine wesentliche Rolle: „Und man ist ja auch so, dass man sich das eine oder andere mal gar nicht mehr motivieren kann, weil auch für Gesundheit zu sorgen, ist Ar-beit“ (Werle, 279).

Im Folgenden wird ein Auszug aus einem Interview wiedergegeben, in dem dieses Nicht-Sorgen für die eigene Gesundheit beschrieben und aus der eigenen Perspektive erklärt wird. Das geschieht distanziert, zumeist mit dem unpersönlichen Indefinitpro-nomen „man". In dieser Weise wird zunächst die Entwicklung und Wahrnehmung des Älterwerdens beschrieben, wobei der Interviewpartner sich selbst eingesteht, dass er seine Einstellung verändern müsse und dazu aber wenig „Lust“ verspüre. Er hält also an

seinem bisherigen Lebensmodell fest, welches ein Gesundheitshandeln nur schwer zu-lässt.

I: „Wie leben Sie HEUTE Gesundheit?“

Be: „SCHLECHT (total schnelle Reaktion). Eigentlich schlecht. Gut, ich arbeite zu viel und treibe zu wenig Sport. Das hat in jungen Jahren keine Rolle gespielt, aber je älter man wird, desto mehr stellt man natürlich fest, dass auch der Körper selber abbaut. (…) Ich geh davon aus, man wird älter. Man wird dann sowieso schwerfälliger. Es fällt alles schwerer, um DA länger fit zu bleiben. Aber das ist natürlich auch, man seine ganze oder ICH muss meine ganze Einstellung ändern und dass (-) ich habe eigentlich keine LUST, früher nach Hause zu gehen und mich jetzt auf irgendein Trimmgerät zu setzen und Sport zu treiben“ (Ehrmann, 181-192).

In einem anderen Fall gesteht sich ein Manager „Schwäche“ ein: „Ich bin auch nur ein Mensch und der Mensch ist schwach“ (Beck, 243).

Eine weitere Erklärung für das Unterlassen von eigenem gesundheitsorientiertem Han-deln stellt die Annahme dar, dass die Arbeit unter Umständen nicht nach den eigenen Vorstellungen erledigt würde, wenn man zum Beispiel im Krankheitsfall zu Hause blie-be (Werle, 305).

Eine weitere Facette ist das theoretisch mögliche Für-sich-Sorgen, wenn die Führungs-kraft für sich zwar sachlich erkennt, dass sie durchaus entbehrlich ist und krank auch zu Hause bleiben sollte und könnte, aber dennoch ins Büro fährt. Dabei ist sie sich dieses Widerspruchs durchaus bewusst, aber agiert dennoch anders und zwar so, wie sie es sich selbst zugesteht:

Be: „Weil ganz ganz selten in dem, was ich tue, ist es so, dass es zwingend erfor-derlich ist, dass ich HEUTE ausgerechnet wirklich die drei Stunden dabei bin.

Da mache ich mir was vor, wenn ich das sagen würde. Die Besprechung KANN auch ohne mich laufen, die Besprechung wird auch nahezu das gleiche Ziel er-reichen oder das gleiche Ergebnis erer-reichen, wenn ich nicht da bin. Und ich könnte mich auch telefonisch einklinken, wenn es ganz notwendig wäre. Man tut es nicht. Ich tue es nicht.“

I: „Sie tun es nicht, Sie sind also tatsächlich dabei?“

Be: „Ich bin der: KÖNNTE man.“ (lacht) I: (lacht mit) „Ich bin der könnte man, mhm.“

Be: „Ich könnte zu Hause bleiben, aber ich bleibe nicht zu Hause.“

I: „Wie kommt es? Was ist stärker?“

Be: „Ja, ich fühle mich dann krank, wenn ich zu Hause bleiben würde“ (Dr. Fehling, 219-225).

Wenn also Kranksein mit zu Hause bleiben verknüpft ist und der Arbeitsplatz mit Ge-sundsein und das verinnerlicht ist, dann stellt dieser Manager über das Feld (den Ar-beitsplatz) erst mal den gesunden Normalzustand her. Solange es eben geht.

Schließlich eignet sich der eigene Anspruch an Leistung bzw. Leistungserbringung da-zu, Gesundheitshandeln dahinter zu priorisieren. Zwar betont man die Bedeutung der Pflege von eigenen Ressourcen und Gesundheit, dennoch genügt man in erster Linie dem Leistungstreiber. Es kollidiert die theoretische „Pflicht“, etwas für sich und seinen Körper zu tun, mit dem Leistungsanspruch aus dem Beruf, wobei letzterer die Oberhand gewinnt:

I: „Ja, das heißt, es gab öfter schon mal so ein Abwägen...“

Be: „Gehe ich jetzt hin oder gehe ich nicht.“

I: „...kann ich mir das erlauben? Ist da so ein sich- etwas- Erlauben- Können drin?“

Be: „Ja, natürlich. Meistens immer abschlägig beurteilt. Erlaube ich mir nicht.

Ich gehe hin. Pflichterfüllung. Leistungserbringung.“

I: „Leistungserbringung, mhm.“

Be: „Das ist so ein mentaler Punkt, erbringe ich die Leistung oder erbringe sie nicht.“ (Werner, 230-235)

Dieses Bezugnehmen auf das Feld fällt bei allen Antworten auf, die dieser Orientierung zugeschlagen werden, und wird in der dritten Dimension (Treiber) zum Thema.

Auch wenn aus den oben zitierten bzw. angeführten Sequenzen einzelner Fallstudien das Ausbleiben von Gesundheitshandeln festgehalten wird: Es fließen nur die Fälle in

die Zuordnung dieser Orientierung ein, bei denen in anderen Sequenzen keine Hinweise auf tatsächliches Gesundheitshandeln gegeben werden. Hypothetisches Gesundheits-handeln im Sinne von ,man müsste‘ (vgl. Ehrmann) wird also dieser Orientierung zuge-schlagen. Vereinzelt eingestandene Schwächen, an der einen oder anderen Stelle nicht für die eigene Gesundheit zu sorgen (vgl. Beck), dagegen nicht.

Auch das Vernachlässigen konsequenter Aktivitäten, die der Betreffende selbst für ge-sundheitsförderlich hält, ist zwar festzuhalten, fällt aber insgesamt nicht unter ,Ausbleiben‘– wie im folgenden Fall, wenn auch die Familie in die eigenen Überlegun-gen mit einbezoÜberlegun-gen wird:

„Ja, ich glaube, wenn das andere, wenn der Sport eine höhere Wertigkeit hätte (...) nein, sage ich so herum: Ich hätte ein schlechtes Gefühl, wenn ich mich per-sönlich bereichere, indem ich einfach eine Stunde habe, während meine Frau vielleicht sich abrackern müsste“ (Dr. Fehling, 284).

Diese Führungskraft spricht vom schlechten „Gefühl“, wenn er sich selbst etwas zuge-steht. Er sieht sein Gesundheitshandeln also in einem sozialen Zusammenhang durch das Abwägen der Angemessenheit des eigenen Handelns.71 Das weist auf einen Außen-treiber im Sinne der Dimension III (vgl. S. 123) hin. Da diese Führungskraft jedoch einen starken inneren Treiber zum Gesundheitshandeln hat, der ihn ausmacht, soll die-ser Aspekt nicht außen vor bleiben, jedoch auf der Handlungsebene als Muster verstan-den werverstan-den.