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I. THEORETISCHE BASIS (Kreuzer/Ruppitsch)

1. Unbegleitete minderjährige Flüchtlinge – Jugendliche alleine auf der Flucht

1.6 Unterbringung und Betreuung von UMFs

Da sich die unbegleiteten minderjährigen Flüchtlinge ohne Familienangehörige in Öster-reich befinden, muss die Obhut für sie von der Kinder- und Jugendhilfe übernommen wer-den. Im weiteren Verlauf wird die Hilfe zur Erziehung durch eine stationäre Unterbringungs-einrichtung (Heimunterbringung) übernommen. Durch diese soll den Jugendlichen eine Verbindung von Alltagsleben und pädagogischen sowie therapeutischen Angeboten als Hilfe zur Erziehung ermöglicht werden. Entsprechend dem Alter und dem Entwicklungs-stand sollen die Jugendlichen über eine längere Zeit auf ein selbstständiges Leben vorbe-reitet werden. Die Unterbringungseinrichtung kann als primärer Sozialisationsort für die Ju-gendlichen gesehen werden, weshalb es wichtig ist, auf eine möglichst geringe Zahl an Bewohnern zu achten. Aufgrund der besonderen Situation von UMFs soll die Einrichtung einen Schutzraum nach den psychischen und physischen Belastungen der Flucht bieten, um dann ein Gelingen des ‚neuen‘ Lebens zu ermöglichen. Durch das Schaffen eines ge-regelten Tagesablaufs sollen die Jugendlichen wieder eine Struktur in ihrem Alltag bekom-men und ein Gefühl von Sicherheit, welches dazu beiträgt, die altersspezifischen Aufgaben zu erfüllen. Grundsätzlich gibt es jedoch einen Unterschied zwischen einer Unterbringungs-einrichtung für österreichische Jugendliche und jener für geflüchtete Minderjährige. In der zuletzt genannten ist es das Ziel der Jugendlichen, einen sicheren Aufenthaltsstatus, also positiven Asylbescheid zu bekommen, und weniger sich auf die pädagogische Arbeit ein-zulassen. (vgl. Weeber/Gögercin 2014, S. 54 ff.).

Der Absatz 1 in Art. 27 der UN-Kinderrechtskonvention besagt, dass jedes Kind das Recht auf einen körperlichen, geistigen, seelischen, sittlichen und sozialen Lebensstandard hat, welcher seiner Entwicklung angepasst werden soll. In den verschiedensten Aufnahmelän-dern haben auch – wie aus den Kapiteln davor beschrieben – unterschiedliche Rechtsge-biete Einfluss auf die Lebens- und Aufenthaltssituation der UMFs. Jene Behörden, welchen die Aufgabe der Einwanderungskontrolle zugeteilt wird, setzen UMFs sehr oft mit erwach-senen geflüchteten Personen gleich und legen dabei hauptsächlich den Aufenthaltsstatus in den Fokus. Dabei gerät es völlig in den Hintergrund, dass es sich dabei um Kinder bzw.

Jugendliche handelt, die Hilfe benötigen. Im Gegensatz zu diesen Behörden werden die unbegleiteten minderjährigen Flüchtlinge von den Einrichtungen des Kinderschutzes und

der Jugendhilfe zuerst als Kinder angesehen und dann erst als Asylsuchende. Das Alter der geflüchteten Jugendlichen spielt dabei eine wesentliche Rolle für ihre weitere Zukunft.

Auch für die Unterbringung wird das Alter als Faktor für eine Entscheidung herangezogen, um zu bestimmen, in welche Einrichtung die Jugendlichen nach der Erstaufnahmeeinrich-tung gebracht werden. Zur Auswahl stehen folgende vier Unterbringungsmöglichkeiten:

 Vollstationäre Jugendhilfeeinrichtung

 Teilstationäre Maßnahme

 Speziell betreute Gemeinschaftsunterkunft für UMFs

 Unterbringung in einer allgemeinen Asylbewerberunterkunft für Erwachsene (vgl.

Hargasser 2015, S. 107 ff.).

Weitere rechtliche Regelungen für die Unterbringung von UMFs finden sich seit 2004 in der Grundversorgungsvereinbarung (GVV). Dort wurden in Art. 7 Sonderbestimmungen festge-legt, welche für UMFs gelten sollen - dazu zählen zum Beispiel eine bessere pädagogische und psychologische Betreuung. Es wurde auch vorgeschrieben, dass die Unterbringung in geeigneten Wohnformen zu erfolgen hat, in denen ein bestimmter Betreuungsschlüssel festgelegt wird [mehr dazu im folgenden Kapitel 1.6.2]. Die GVV legt ebenfalls fest, dass den UMFs eine angepasste Tagesstruktur in den Betreuungsstellen angeboten werden muss, welche vor allem die Bereiche Bildung, Freizeit und Sport abdeckt (vgl. Fronek 2010, S. 118 ff.).

1.6.1 Situation der Unterbringung in der Steiermark

Seit noch nicht allzu langer Zeit, ca. seit 10 Jahren, beschäftigen sich Organisationen mit der Zielgruppe der UMFs. Aufgangspunkt dafür war, dass in den 90er Jahren keine spezi-elle Betreuung für unbegleitete minderjährige Flüchtlinge vorgesehen war und sie einfach in den Erwachsenenquartieren untergebracht wurden. Es wurden dann zu dieser Zeit die ersten Projekte und Einrichtungen entwickelt, welche sich auf UMFs spezialisiert hatten und die ersten betreuten Wohnheime in fast allen Bundesländern wurden eröffnet. Allerdings ließen sich enorme Unterschiede zwischen den einzelnen Ländern bezüglich Konzeption, Trägerschaft sowie der Betreuungsqualität erkennen. Eine der ersten Einrichtungen für UMFs wurde in Graz aufgebaut. Im Auftrag des Franziskushauses wurde die Caritas in Kooperation mit Omega und Zebra aufgefordert, ein Unterbringungs- und Betreuungsange-bot für UMFs zu entwickeln und realisieren. Ein Unterschied zu anderen Einrichtungen der Bundesbetreuung wurde durch eine höhere Betreuungsintensität, Sprachkurse und ein psy-chotherapeutisches Angebot erreicht. In Graz wurde die Caritas für die rechtliche Vertre-tung der unbegleiteten minderjährigen Flüchtlinge in asyl- und fremdenrechtlichen

Verfah-ren beauftragt, wodurch die Jugendwohlfahrt bzw. das Jugendamt Graz in Sachen Vertre-tung nicht selbst aktiv wurde. Im Laufe der Jahre haben sich die Unterbringungs- und Wohn-formen für UMFs wie zuvor bereits erwähnt ausdifferenziert und es werden unter anderem Wohnheime mit ca. 40 Betreuungsplätzen oder auch Wohngemeinschaften angeboten. Bis vor kurzem war es üblich, dass die Unterbringungseinrichtungen von privaten Trägern wie zum Beispiel der Caritas, der Diakonie, dem SOS-Kinderhaus, der Volkshilfe uvm. geführt wurden, da sie schon viele Jahre im Handlungsfeld der Flüchtlingsarbeit tätig sind. Seit 2009 ist es in Kärnten und der Steiermark möglich, dass Quartiere für UMFs auch von Pri-vatpersonen geführt werden können. In allen anderen Bundesländern Österreichs sind NGOs für dieselben Tätigkeiten zuständig. Den privaten Personen wird dabei allerdings ein erhöhter Tagsatz für die UMFs zur Verfügung gestellt, welche dabei meistens in einem Gasthof untergebracht werden. Allerdings zeigt sich dabei aus dieser Praxis, dass die bis-herigen Standards dadurch gebrochen werden, da nur fachlich kompetente Einrichtungen mit der Unterbringung und Betreuung dieser Personengruppe betraut werden sollten. In der Steiermark werden im Zuge der Grundversorgung 60 Euro Tagsatz für UMFs bezahlt, im Vergleich zu den Bundesländern Oberösterreich, Tirol und Niederösterreich, in welchen zum Beispiel 75 Euro Tagsatz ausgezahlt werden. Vergleicht man die Steiermark mit an-deren Bundesländern, so kann ebenfalls festgestellt werden, dass die rechtliche Vertretung der UMFs in anderen Bundesländern von MitarbeiterInnen der Jugendwohlfahrt wahrge-nommen wird. Es kann dadurch eine direkte Involvierung dieser in die Betreuung der Ju-gendlichen erzeugt werden. Nur in Ausnahme- oder Einzelfällen wurden in der Steiermark Maßnahmen der Jugendwohlfahrt für UMFs bewilligt und finanziert. In den anderen Bun-desländern übernimmt die Jugendwohlfahrt zum Beispiel Sprachkurse, Fahrtkosten, Dol-metscherkosten sowie Sonderunterbringungen für unmündige Minderjährige oder psy-chisch kranke Minderjährige (vgl. Arbeitskreis Unbegleitete Minderjährige Flüchtlinge et.al 2009, S. 1 ff.). Somit lässt sich sagen, dass die Unterbringung und Betreuung von UMFs in den Bundesländern Österreichs sehr unterschiedlich geregelt und gehandhabt wird. Die Steiermark steigt dabei im Vergleich schlechter aus als andere. Dies wirkt sich in ver-schiedensten Bereichen wie zum Beispiel im Alltag, in der Betreuung, in der Freizeitgestal-tung uvm. auf die UMFs negativ aus.

1.6.2 Betreuung von UMFs in Unterbringungseinrichtungen

Wie zuvor erwähnt, wird sehr viel vom gesetzlich vorgegebenen Tagsatz der UMFs abhän-gig gemacht. Vor allem der Bereich der Betreuung ist dabei betroffen, da durch einen be-stimmten Betreuungsschlüssel auch der Tagsatz der UMFs vorgegeben wird. Laut der Grundversorgungsvereinbarung (GVV) werden in folgenden Formen der Unterbringung, Verpflegung und Betreuung verschiedene Euro-Beträge pro Person pro Tag vorgesehen:

 in Wohngruppen (Betreuungsschlüssel 1:10): 75 Euro

 in Wohnheimen (Betreuungsschlüssel 1:15): 60 Euro

 im betreuten Wohnen (Betreuungsschlüssel 1:20): 37 Euro

 in sonstigen geeigneten Unterkünften: 37 Euro.

Wohngruppen werden für jene UMFs vorgesehen, die einen besonders hohen Betreuungs-bedarf benötigen. Wohnheime sollen für jene Jugendlichen dienen, die nicht selbstversor-gungsfähig sind. Betreutes Wohnen kommt für jene UMFs in Frage, welche sich unter An-leitung selbst versorgen können. In Bezug auf die Betreuung von UMFs wurde in Art. 19 der Aufnahmerichtlinie ein Absatz verfasst, in welchem genau festgelegt wurde, dass un-begleiteten minderjährigen Flüchtlingen ein adäquat ausgebildetes Personal, welches der Schweigepflicht unterliegt, zur Verfügung gestellt werden muss. Das Betreuungspersonal muss speziell ausgebildet sein bzw. werden, bevor es in die Arbeit mit UMFs einsteigen darf (vgl. Fronek 2010, S. 119 f.).

In den Unterbringungseinrichtungen, in denen UMFs in Österreich untergebracht werden, wird ein so genanntes ‚Bezugsbetreuungssystem‘ angewendet, bei welchem die Betreue-rInnen in einem professionellen Verhältnis zu den unbegleiteten minderjährigen Flüchtlin-gen stehen. Durch das Bezugsbetreuungssystem wird jedem JuFlüchtlin-gendlichen ein/e Sozialpä-dagogIn zugeteilt, welche/r nicht nur über ein bestimmtes Fachwissen verfügt, wie zum Bei-spiel über rechtliche, psychiatrische oder schulische Handlungsfelder, sondern auch als Ansprech- bzw. Vertrauensperson in verschiedensten psychosozialen Anliegen gesehen werden kann. Wie intensiv die Betreuung stattfinden soll, variiert und hängt von den Ju-gendlichen ab. In der sozialpädagogischen Betreuung und Begleitung von zumeist trauma-tisierten UMFs ist es wichtig, dass die Bezugsbetreuungsperson regelmäßig und aufmerk-sam zuhört und stets ein offenes Ohr für den Schützling hat. Es soll dabei respektvoll mit-einander umgegangen werden, um somit auch die Würde des Jugendlichen wiederherzu-stellen. Da die UMFs in ihrer Heimat keine professionelle pädagogische Unterstützung ken-nen bzw. erfahren haben, fällt es ihken-nen schwer, diese hier in Österreich anzuerkenken-nen.

Ebenso das Zusammenleben mit vielen anderen Jugendlichen, in einem Heim als Unter-bringungsform, ist für viele von ihnen fremd und/oder befremdlich. Es ist deshalb äußerst wichtig, dass die Bezugsbetreuungsperson mit seinen/ihren Jugendlichen eine Vertrauens-basis herstellt und eine professionelle Beziehung aufgebaut wird (vgl. Weeber/Gögercin 2014, S. 82 f.).

2. Pädagogische Konzepte und methodische Ansätze zur