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I. THEORETISCHE BASIS (Kreuzer/Ruppitsch)

2. Pädagogische Konzepte und methodische Ansätze zur Bewältigung der alten und

2.4 Case Management (Ruppitsch)

2.4.2 Case Management als Handlungskonzept

Wenn sich SozialpädagogInnen oder SozialarbeiterInnen mit einem neuen Fall auseinan-dersetzen müssen – sei es jetzt in der Kinder-, Jugend-, Familienhilfe, Erwachsenen- oder Altenarbeit – treffen sie in aller Regel auf ein Geflecht von Systemen. Diese oft komplexen Anordnungen zeigen sich in Beziehungen, gesellschaftlichen Voraussetzungen, sozialen

Problemen oder institutioneller Beteiligung. Menschen sind mehrfachen Belastungen aus-gesetzt und können ihr Leben aus eigener Kraft, mit eigenen Ressourcen oder jener ihres Umfeldes nicht mehr bewältigen.

Der Bedarf nach Case Management müsste demnach steigen und sich dadurch die satzbereiche in der Sozialen Arbeit erweitern. Bis jetzt zeigt sich die Vielfältigkeit der Ein-satzbereiche für das Case Management Konzept wie folgt:

 In der Arbeit mit Kindern, Jugendlichen und Familien – Jugend- und Familienhilfe.

 In der Arbeit mit Erwachsenen.

 In der Arbeit mit der beruflichen (Re-) Integration.

 In der Arbeit im Gesundheitsbereich – Klinische Sozialarbeit.

 In der Arbeit mit älteren Menschen – Altenhilfe.

 In der Arbeit mit zu betreuenden Personen (vgl. Neuffer 2013, S. 63 ff.).

In dem ganzen Handlungsprozess des Case Management Konzeptes spielen Case Mana-gerInnen mehrere charakteristische Rollen. Wolf Rainer Wendt (2012) fasste diese wie folgt zusammen (vgl. Wendt 2012, S. 512):

 Case ManagerInnen nehmen „die selektierende Funktion eines Türöffners und Lot-sen (Gatekeeper) im Netz der Versorgung“ (ebd., S. 512). Dieser Gatekeeper schaut, welche Hilfsangebote passen bzw. welche Ressourcen noch benötigt sowie gestärkt werden können. Er vermittelt zwischen Leistungsnehmern, Leistungsträ-gern und LeistungserbrinLeistungsträ-gern und übernimmt eine Schlüsselrolle in der Disposition von Ressourcen.

 Des Weiteren übernehmen Case ManagerInnen die vermittelnde Funktion der/des MaklerIn (Broker). In dieser Funktion behält die/der Case ManagerIn den Überblick von Versorgungsstrukturen, Angeboten und Leistungsmöglichkeiten, um so pas-sende Angebote für die betroffene Person zu finden.

 Die/der Case ManagerIn übernimmt auch eine begleitende Funktion (Supporting), in der er die betroffenen Personen bis zur Erreichung bzw. Annäherung an ihre Ziele unterstützt sowie stärkt, bis sie eigenständig in ihrem Bewältigungsverhalten (Co-ping behaviour) und in ihrer eigenen Lebensführung zurechtkommen.

 Die/der Case ManagerIn übernimmt auch eine anwaltschaftliche Funktion ( Advo-cacy, Advocate), indem er die Interessen der KlientInnen bei allen Belangen im Ver-sorgungssystem vertritt und die nötigen Ressourcen sowie Dienstleistungen für den Hilfesuchenden zur Verfügung stellt.

In der vorliegenden Arbeit ist es uns ein Anliegen, in Verbindung mit der Empirie herauszu-finden, wie das Case Management Konzept insbesondere in der Arbeit mit Jugendlichen bzw. mit zu betreuenden Personen – UMFs - eingesetzt wird. Für ein allgemeines Verständ-nis sowie die spätere Verbindung von Theorie und Empirie ist es notwendig, zunächst die Grundlagen, einzelne Phasen sowie die Ziele des Case Management näher zu betrachten.

Grundlagen des Case Managements

Das Konzept des Case Managements wird nach Neuffer (2013) als Handlungskonzept der Sozialen Arbeit, welches sich in die theoretische wie praktische Orientierung einfügt, ver-standen und bezieht sich auf gewisse Grundlagen und Leitideen. Das Fachkonzept Case Management zeichnet sich durch wesentliche Elemente aus:

 Eine ausführliche Erhebung der Lebenssituation sowie problematischer Lebensla-gen bei Menschen mit Unterstützungsbedarf.

 Beziehungsarbeit sowie Sensibilität hinsichtlich der individuellen Bedürfnisse sind dabei notwendig und unumgänglich.

 Die hilfebedürftigen bzw. –suchenden Subjekte sollen bei der Hilfeplanung mitein-gebunden werden, dies erfordert meist ein hohes Maß anFlexibilität und Koopera-tionsfähigkeit seitens der PädagogInnen.

 Weiteres sollen persönliche wie auch gesellschaftliche Ressourcen nutzbar ge-macht sowie die Eigenverantwortung (im Sinne des Empowerments) bei den Adres-satInnen gestärkt werden.

 Die Unterstützung der jeweiligen Fälle soll dokumentiert werden und es bedarf dem Aufbau eines System-Managements zur Optimierung der Verläufe. Durch perso-nelle wie institutioperso-nelle Netzwerkarbeit kann es zur Entwicklung eines professionel-len und nicht professionelprofessionel-len Unterstützungssystems kommen (vgl. Pantuček-Ei-senbacher 2014, S. 6/vgl. Neuffer 2013, S. 21 f.).

„Case Management stellt ein komplexes Handlungssystem dar, und es ist aus sich selbst heraus entwicklungsfähig“ (Raiff/Shore 1997, S. 10). Dieses System erschließt sich aus einzelnen flexiblen und zum Teil ausbaufähigen Komponenten bzw. Phasen. Heiko Kleve (2011) fasst diese möglichen Phasen in einer Tabelle zusammen und lehnt sich dabei an

Raiff und Shore, Wendt sowie Löcherbach an, welche sich detailliert mit der Ablauforgani-sation des Case Managements, im Sinne eins Systemmanagements, auseinandergesetzt haben. Das Augenmerk wird dabei auf den Gesamtprozess der Entstehung von Hilfsbe-dürftigkeit, der Hilfesuche durch betroffene Personen, der Kontaktaufnahme sowie der an-schließenden Hilfeplanung bis -beendigung gelegt.

Mögliche Phasen des Case Management:

1. Phase: Falleinschätzung (Assessment) 2. Phase: Hilfeplanung (Service Planning) 3. Phase: Durchführung der Hilfe (Intervention)

4. Phase: Begleitung und Überprüfung der Hilfen (Monitoring)

5. Phase: Klient[Innen]fürsprache – Anwaltschaftliche Vertretung (Advocacy) 6. Phase: Beendigung und Evaluation der Ergebnisse/Dokumentation

(Evalua-tion)

Tabelle 2: Phasen des Case Management (Kleve 2011, S. 50)

In Anlehnung an Kleve (2011) werden die einzelnen Phasen wie folgt beschrieben (vgl.

Kleve 2011, S. 50 ff.):

1. Falleinschätzung (Assessment)

Wenn sich die jeweilige sozialpädagogische Einrichtung dazu befähigt fühlt, bei einem vor-liegenden Fall Hilfe leisten zu können, wird in einer ersten Phase dieser Fall eingeschätzt und hinsichtlich der professionellen wie lebensweltlichen Seite kontextualisiert. Es wird mit den Betroffenen ein erstes Gespräch durchgeführt, wo zunächst besprochen wird, wie die KlientInnen ihre Probleme selbst wahrnehmen und wo sie sich Hilfe erwarten. Des Weiteren wird eine ausführliche Ressourcen- und Netzwerkanalyse im Hinblick auf die geschilderte Problemlage und deren Verbesserung durchgeführt. Wichtig dabei ist, wie die betroffenen Personen in die Unterstützung mit eingebunden werden können.

2. Hilfeplanung (Service Planning)

In dieser zweiten Phase wird ein Selbsthilfeplan in Kooperation mit den betroffenen Perso-nen erarbeitet, welcher in der Evaluationsphase zur Auswertung und Erfolgsbewertung der geleisteten lebensweltlichen wie professionellen Hilfen dienen sollte. Positive Ziele (Nah- wie auch Fernziele) werden gemeinschaftlich formuliert. Dabei werden erneut die Ressour-cen und das Netzwerk der KlientInnen mit einbezogen, denn die Zielsetzung sollte aus-schließlich von den zur Verfügung stehenden Mitteln der KlientInnen ausgehen und diese sollten weiter gestärkt werden. Anschließend an die Hilfeplanung folgt die Umsetzung die-ser.

3. Durchführung der Hilfe (Intervention)

Nun soll der gemeinschaftlich erstellte Selbsthilfeplan Umsetzung finden. Die KlientInnen sollen in ihrer Selbstständigkeit wie Eigenverantwortung bestärkt sowie die lebensweltli-chen bzw. persönlilebensweltli-chen Möglichkeiten mobilisiert werden. Das individuelle Netzwerk (Freunde, Familie) der Betroffenen, welche wenn möglich zur Unterstützung gewonnen werden sollen. Sollten alle lebensweltlichen Ressourcen ausgeschöpft und für eine Hilfe-leistung nicht vorhanden sein, müssen professionelle Fachkräfte (wie u.a. TherapeutInnen, Schulden-, SuchtberaterInnen oder andere Kontakte zu Beratungsstellen) in Betracht ge-zogen bzw. vermittelt werden. Diese Vermittlung geschieht fallspezifisch und wird vom der/dem SozialpädagogIn bzw. der/dem SozialarbeiterIn (in der Position der/des Case Ma-nagerIn) übernommen. Die/der Case ManagerIn hält aber kontinuierlichen Kontakt zu der/dem KlientIn, berät und unterstützt sie/ihn, wo sie/er Beistand benötigt.

4. Begleitung und Überprüfung der Hilfen (Monitoring)

Hier geht es darum aufzuzeigen, welche ersten Erfolge sich bereits beobachten lassen bzw.

wo sind neue Probleme aufgetaucht. In dieser vierten Phase besteht die zentrale Aufgabe demnach darin, in Kooperation mit den KlientInnen ein Evaluationskonzept auszuarbeiten, wodurch sich „die Erfolge und Zielerreichungen bzw. »Korrekturen«, »Nachbesserungen«

der professionellen und lebensweltlichen (informellen) Hilfen […]“ (Kleve 2011, S. 54) fest-stellen lassen. Lücken im Unterstützungssystem gilt es aufzuspüren, um die Erreichung der formulierten Ziele zu generieren.

5. Klient[Innen]fürsprache – Anwaltschaftliche Vertretung (Advocacy)

Grundsätzlich verfolgt das Case Management Konzept das Ziel, persönliche Ressourcen nutzbar zu machen sowie die Eigenverantwortung der KlientInnen zu stärken. Befinden sich die Betroffenen jetzt aber nicht in der Lage, selbstständig Hilfen zu suchen bzw. sich durch Mobilisierung eigener Kräfte zu helfen, ist es notwendig, mit bestimmten Stellen Kontakt aufzunehmen. Dadurch kann eine individuelle Unterstützung gewährleistet und ein infor-melles wie auch forinfor-melles Netzwerk für die betroffenen Personen bereitgestellt werden.

6. Beendigung und Evaluation der Ergebnisse/Dokumentation (Evaluation) In der letzten Phase bzw. am Ende eines Case Management Prozesses werden die Erfolge, die erreicht wurden sowie die positive Entwicklung der KlientInnen betrachtet. Dabei wird der Fokus ganz besonders auf die lebensweltliche Selbstständigkeit wie auch auf die An-eignung neuer Ressourcen gelegt. Der Selbsthilfeplan wird ausgewertet und Erfahrungen sowie wichtige Ergebnisse werden verschriftlicht. „Genau genommen geht es in dieser Phase um die Einschätzung der Effektivität und der Effizienz des Case Management […]“

(Kleve 2011, S. 55).

Fachkräfte der Sozialen Arbeit konzentrieren ihre „Tätigkeit nicht mehr auf die Verhaltens-änderung des [der] Klienten[In] mittels psychosozialer Interventionstechniken, sondern [sie finden] den Kern [ihrer] Aufgaben in Ermittlung, Konstruktion und Überwachung eines prob-lemadäquaten Unterstützungsnetzwerkes […]“ (Galuske 2013, S. 203). Case Management versucht so effektiv und effizient wie möglich, lebensweltliche nicht-professionelle und pro-fessionelle Hilfen zu verknüpfen, dabei setzt es beim Höchstmaß der »Subsidiarität« an.

Formelle Hilfeleistungen sollen erst dann zum Einsatz kommen, wenn eine lebensweltliche Unterstützung aus eigener Kraft, mit eigenen Mitteln wie Ressourcen, nicht mehr möglich ist. Persönliche Ressourcen sowie lebensweltliche Netzwerke sollen zunächst erschlossen und langfristig nutzbar gemacht werden. Der Fokus der Sozialen Arbeit befindet sich beim Konzept des Case Managements demnach nicht auf den Defiziten, sondern der Bandbreite an Ressourcen, die ein Individuum mit sich bringt. Nur dort, wo sich Menschen nicht mehr selbst zu helfen wissen, sollen Hilfsdefizite durch professionelle Unterstützung vorüberge-hend kompensiert werden (vgl. Kleve 2011, S. 47 f.).

Die wichtigsten Grundlagen zusammengefasst:

Bei den von Neuffer, Pantuček-Eisenbacher und Kleve et al. genannten wesentlichen Ge-sichtspunkten bietet das Case Management Konzept die Chance, „einzelfallorientiertes Vorgehen mit personaler Netzwerkarbeit und Sozialraumorientierung ganzheitlich verbin-den zu können“ (Neuffer 2013, S. 20). Die betroffenen Subjekte bekommen so die Sicher-heit, eine passgenaue, auf ihre Person abgestimmte Hilfestellung zu erhalten. Zu Beginn eines Hilfeprozesses ist dementsprechend beim Case Management die Einschätzung der Situation, der Ressourcen und der Probleme der betroffenen Personen von Bedeutung. Ziel dieses Fallkonzept ist es:

1. Systemisches Handeln in sozia-len Problemen und Konflikten

2. Ressourcenorientierte Soziale Arbeit

3. Beziehungsarbeit

4. Beteiligung der betroffenen Subjekte – Subsidiarität

5. Reduktion von Komplexität 6. Verringerung der professionel-len Hilfe

7. Aktivierung personeller Res-sourcen und lebensweltlicher Netzwerke

8. Berufsethische Grundsätze – Ideologien, Werte, Normen

 Unterstützung anzubieten, welche so wenig wie möglich in die Lebenswelt der Be-troffenen einzugreifen vermag und dabei die Entfaltung sowie den Gebrauch eige-ner Ressourcen fördert.

 Daraus ergibt sich eine maximale Beteiligung der Individuen am Veränderungs-prozess sowie eine individuelle Förderung und Erfassung ihrer Stärken (vgl. Pan-tuček-Eisenbacher 2014, S. 6/vgl. Neuffer 2013, S. 21).