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Pädagogische Konzepte und methodische Ansätze als Beitrag zur Lebensbewältigung von unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen

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Academic year: 2022

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Pädagogische Konzepte und methodische Ansätze als Beitrag zur Lebensbewältigung von

unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen

Eine vergleichende Analyse von ausgewählten Unterbringungseinrichtungen für UMFs

in Graz und Umgebung

MASTERARBEIT

zur Erlangung des akademischen Grades Master of Arts

an der Fakultät für Umwelt-, Regional- und Bildungswissenschaften der Karl-Franzens-Universität Graz

vorgelegt von

Nina KREUZER (1111004), BA und Sabrina RUPPITSCH (0812960), MA, BA

am Institut für Erziehungs- und Bildungswissenschaft Begutachter: Mag.rer.soc.oec Dr.phil. Michael Wrentschur

Graz, September 2016

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Hiermit versichere ich, dass ich die vorliegende Masterarbeit selbstständig und nur unter Zuhilfenahme der angegebenen Quellen erstellt habe. Die aus fremden Quellen direkt oder indirekt übernommenen Stellen sind als solche kenntlich gemacht. Diese Arbeit wurde noch keiner anderen Prüfungsbehörde vorgelegt.

Graz, 2016

(Nina Kreuzer)

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Selbstständigkeitserklärung:

Hiermit versichere ich, dass ich die vorliegende Masterarbeit selbstständig und nur unter Zuhilfenahme der angegebenen Quellen erstellt habe. Die aus fremden Quellen direkt oder indirekt übernommenen Stellen sind als solche kenntlich gemacht. Diese Arbeit wurde noch keiner anderen Prüfungsbehörde vorgelegt.

Graz, 2016

(Sabrina Ruppitsch)

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Danke

Mag. Dr.phil. Michael Wrentschur

Thomas Leitner, Andrea Prieschl, Kirsten Reiterer Fachkräfte der Unterbringungseinrichtungen

UMFs unseren Familien

(5)

Niemand sucht aus

„Man sucht sich das Land seiner Geburt nicht aus,

und liebt doch das Land, wo man geboren wurde.

Man sucht sich die Zeit nicht aus, in der man die Welt betritt, aber muss Spuren in seiner Zeit

hinterlassen.

Seiner Verantwortung kann sich niemand entziehen.

Niemand kann seine Augen verschließen, nicht seine Ohren,

stumm werden und sich die Hände abschneiden.

Es ist Pflicht von allen zu lieben, ein Leben zu leben, ein Ziel zu erreichen.

Wir suchen den Zeitpunkt nicht aus, zu dem wir die Welt betreten, aber gestalten können wir diese Welt,

worin das Samenkorn wächst, das wir in uns tragen“

(Gionda Belli 2016, Megaphon Nr. 242, Jahrgang – April 2016).

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Abstract

Erfahrungen auf der Flucht stellen eine enorme Belastung für Jugendliche dar. Minderjäh- rige, die sich ohne die Begleitung ihrer Eltern oder anderen erwachsenen Angehörigen – trotz aller hohen Kosten und Gefahren – auf dem Weg nach Österreich durchgeschlagen haben, können sehr wahrscheinlich nicht auf ein Aufwachsen unter förderlichen Bedingun- gen zurückblicken. Die Gruppe der unbegleiteten minderjährigen Flüchtlinge – kurz UMF – bildet keine homogene Einheit. Vielmehr handelt es sich um eine Vielfalt von Individuen, mit diversen Kulturen, welche unterschiedlichen Religionen angehören sowie zum Teil aus anderen Herkunftsländern stammen. Alle UMF als gleich anzusehen bzw. sie zu generali- sieren ist daher unmöglich, da jeder Jugendliche eine ganz persönliche Lebensgeschichte mitbringt und als eigenständiges Individuum angesehen werden sollte.

Im Zentrum unserer empirischen Forschung stehen unbegleitete minderjährige, männliche Flüchtlinge, die derzeit in Graz und Umgebung in UMF-Unterbringungseinrichtungen leben.

Um die Lebensbewältigung der alten und neuen Lebensumstände der Jugendlichen zu un- terstützen, verlangt es ein Zusammenspiel von verschiedenen pädagogischen Konzepten und methodischen Ansätzen. Anhand eines qualitativen Forschungsverfahrens, bei wel- chem Leitungspersonen, Fachkräfte sowie die Jugendlichen als ExpertInnen gelten, konn- ten Ergebnisse erlangt werden, welche die Notwendigkeit einer Betreuung durch ein fach- lich ausgebildetes Personal sowie den Einsatz von pädagogischen Konzepten und Metho- den aufzeigen.

Young refugees gain experiences during their escape, which are an enormous burden for them. Minors that are on their way to Austria without parental guidance or other adult rela- tives cannot grow up under conducive conditions.

Assuming the group of unaccompanied underage refugees is not a homogeneous group. It is a variety of individuals, countries, cultures and religions. Each of them has its own biog- raphy and has gained positive as well as negative experiences in their previous lifes. Hence, they are an independent individual.

To support in coping with life of unaccompanied minors it requires a combination of different pedagogical concepts and methodical approaches. Based on a qualitative research method, leaders, skilled workers and the young people themselves are referred to as ex- perts. Therefore, results can be obtained, which show the need for supervision by a profes- sionally trained staff and the use of educational concepts and methods.

(7)

Inhaltsverzeichnis

Einführung in die Thematik (Ruppitsch) ... 1

I. THEORETISCHE BASIS (Kreuzer/Ruppitsch) ... 4

1. Unbegleitete minderjährige Flüchtlinge – Jugendliche alleine auf der Flucht (Kreuzer) ... 4

1.1 Begriffserklärungen ...4

1.2 Asylstatistik in Österreich...9

1.3 Mögliche Fluchtgründe und ihre Auswirkungen ...11

1.4 Rechtliche Grundlagen ...12

1.4.1 Internationale Abkommen ... 12

1.4.2 Rechtslage in Österreich ... 15

1.5 Das System in Österreich – Wer macht was?! ...20

1.6 Unterbringung und Betreuung von UMFs ...23

1.6.1 Situation der Unterbringung in der Steiermark ... 24

1.6.2 Betreuung von UMFs in Unterbringungseinrichtungen ... 25

2. Pädagogische Konzepte und methodische Ansätze zur Bewältigung der alten und neuen Lebensumstände (Ruppitsch) ... 27

2.1 Lebensbewältigung (Ruppitsch) ...28

2.1.1 Begriffserklärung — Lebensbewältigung ... 30

2.1.2 Konzept und Grunddimensionen der Lebensbewältigung nach Lothar Böhnisch ... 32

2.1.3 Soziale Arbeit mit geflüchteten Menschen – Lebensbewältigung und soziale Integration im Jugendalter ... 35

2.1.4 Alltagsbewältigung, -orientierung ... 40

2.1.5 Von der Eskalation durch Intervention zur De-Eskalation (Kreuzer) ... 42

2.2 Lebensweltorientierung (Ruppitsch)...48

2.2.1 Begriffserklärung — Lebensweltorientierung ... 50

2.2.2 Konzept der lebensweltorientierten Sozialen Arbeit nach Klaus Grunwald und Hans Thiersch... 51

2.2.3 Lebensweltorientierte Jugendsozialarbeit im Speziellen mit geflüchteten Menschen ... 53

2.2.4 Ressourcenorientierung ... 55

2.3 Empowerment (Kreuzer) ...63

2.3.1 Begriffserklärung – Empowerment ... 63

2.3.2 Konzept des Empowerment ... 64

2.3.3 Anwendung in der Arbeit mit UMFs ... 65

2.3.4 Motivational Interviewing (MI) als angewandte Methode ... 67

(8)

2.4 Case Management (Ruppitsch) ...70

2.4.1 Begriffserklärung — Case Management ... 71

2.4.2 Case Management als Handlungskonzept ... 72

2.4.3 Case Management in der Kinder- und Jugendarbeit ... 78

2.5 Traumasensible Begleitung von UMFs (Ruppitsch) ...79

2.5.1 Begriffserklärung — Trauma ... 80

2.5.2 Traumabezogene Interventionen im sozialpädagogischen Alltag mit UMFs ... 82

2.5.3 Resilienz und Selbstwirksamkeit ... 84

2.6 Gruppenarbeit - Stärkung der Einzelnen durch die Gruppe (Kreuzer) ...87

2.6.1 Gruppenpädagogik und gruppendynamische Prozesse ... 87

2.6.2 Gruppenarbeit als angewandte Methode... 91

2.6.3 Anwendung in der Arbeit mit UMFs ... 91

3. Darstellung der ausgewählten Unterbringungseinrichtungen... 93

3.1 Unterbringungseinrichtung 1 »come in. Wohnen und Begleitung für geflüchtete Jugendliche« (Ruppitsch) ...93

3.2 Unterbringungseinrichtung 2 – „Caritas Welcome Hilmteich“ (Kreuzer) ...97

3.3 Unterbringungseinrichtung 3 – „Diakoniewerk Deutschfeistritz“ (Kreuzer) ...99

II. EMPIRISCHE FORSCHUNG (Kreuzer/Ruppitsch) ... 102

4. Ziel der empirischen Forschung (Ruppitsch) ... 102

5. Methodisches Vorgehen (Kreuzer/Ruppitsch) ... 103

5.1 Qualitative Forschung (Ruppitsch) ... 104

5.2 Erhebungsinstrument – das leitfadengestützte Interview als angewandte Methode der vorliegenden Forschung (Kreuzer) ... 105

5.2.1 ExpertInneninterviews ... 106

5.2.2 Interviews mit ausgewählten UMFs ... 107

6. Strukturierung der empirischen Forschung (Kreuzer/Ruppitsch) ... 108

6.1 Beschreibung der Stichprobe (Ruppitsch) ... 109

6.2 Biografische Daten der befragten UMFs (Kreuzer/Ruppitsch) ... 110

6.3 Qualitative Inhaltsanalyse (Ruppitsch) ... 118

6.4 Erstellen des Kategoriesystems (Kreuzer/Ruppitsch ... 120

7. Auswertung der empirischen Daten und Interpretation (Kreuzer/Ruppitsch) ... 124

7.1 Die Unterbringungseinrichtung der UMFs ... 124

7.2 Die pädagogischen Fachkräfte und das Team als Ressource ... 131

7.3 Herausforderungen für die UMFs sowie für die Fachkräfte ... 139

7.4 Pädagogische Konzepte und methodische Ansätze als Beitrag zur Lebensbewältigung der UMFs ... 148

7.4.1 Lebensbewältigungsstrategien der UMFs ... 148

7.4.2 Traumasensible Begleitung ... 156

(9)

7.4.3 Empowerment ... 158

7.4.4 Case Management ... 160

7.4.5 Gruppenarbeit ... 162

8. Zusammenfassung der Ergebnisse und Schlussfolgerungen (Kreuzer) ... 165

Literaturverzeichnis ... 173

Anhang ... 182

Abbildungsverzeichnis Abbildung 1: Das Asylverfahren seit 2015 (Asylkoordination Österreich 2016, o.S.)... 19

Abbildung 2: Achse 1 des IC_flü (Baron/Schriefers et al. 2015, S. 141) ... 62

Abbildung 3: Komponenten des Motivational Interviewing-Ansatzes (Körkel 2003, S. 116).... 69

Abbildung 4: Logo »come in« ... 93

Abbildung 5: Logo Caritas. In: https://www.caritas-steiermark.at/hilfe-angebote/migrantinnen- fluechtlinge/unterbringung/quartiere-fuer-unbegleitete-minderjaehrige-fluechtlinge-welcome/ [02.08.2016] ... 97

Abbildung 6: Logo Diakoniewerk. In: http://www.diakoniewerk- steiermark.at/de/deutschfeistritz-fluechtlingshilfe/ [02.08.2016] ... 99

Abbildung 7: Ablaufschema einer strukturierten qualitativen Inhaltsanalyse (Kuckartz 2012, S. 78) ... 120

Grafikverzeichnis Grafik 1: Dreiklangmodell nachempfunden nach Burkhardt Müller (2010) ... 83

Tabellenverzeichnis Tabelle 1: BFA Kernkompetenzen (Bundesministerium für Inneres 2016, o.S.) ...20

Tabelle 2: Phasen des Case Management (Kleve 2011, S. 50) ...75

Tabelle 3: 5 Phasen der Gruppenentwicklung (Stahl 2002, S. 54) ...90

Tabelle 4: Phasenmodell zum Verhältnis qualitativer Analyse (vgl. Mayring 2010, S. 21). ....118

Tabelle 5: Phasen einer Inhaltsanalyse angelehnt an Diekmann (vgl. Diekmann 2008, S. 595). ...121

Tabelle 6: Kategoriesystem ...122

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Einführung in die Thematik

Warum Menschen zu Schutzsuchenden werdenoder sich immer wieder neuen Herausfor- derungen stellen müssen, ist auf ganz unterschiedliche Ursachen zurückzuführen. Im Falle der unbegleiteten minderjährigen Flüchtlinge – kurz UMF – ist es, da sie zum einen auf Grund von Kriegen, politischer oder religiöser Verfolgung und zum anderen aus wirtschaft- licher Not, materieller Verelendung und Hoffnungslosigkeit herausAsyl bzw. Schutz in ei- nem für sie fremden Land suchen. Sie flüchten aus ihrem Heimatland, um ihrer bisherigen fatalen Lebenslage zu entkommen und haben die Vermutung, bzw. besteht die Hoffnung, irgendwo anders, an einem für sie »besseren« Ort, ein humanes Leben führen zu dürfen (vgl. Hamburger 2004, S. 265 ff.). Die Themen Flucht, Asyl, Migration aber auch Integration haben aufgrund der vergangenen Flüchtlingsströme – welche zum größten Teil aus Afgha- nistan und Syrien hervorgingen – an Präsenz dazugewonnen und polarisieren die österrei- chische Gesellschaft wie kaum ein anderes Thema. Einerseits rufen diese Inhalte Betrof- fenheit und Mitgefühl in der Bevölkerung hervor, andererseits werden durch politische Machtkämpfe sowie die Instrumentalisierung der Medien durch die Politik oder auch umge- kehrt, die öffentliche Meinung beeinflusst sowie Ängste, Vorurteile und Misstrauen unter den Menschen geschürt. Aber vor allem durch Unwissenheit sowie unreflektiertem Han- deln, müssen sich UMFs1 – bei der Bewältigung ihres Alltags – immer wieder neuen Her- ausforderungen stellen. Für viele der Jugendlichen war der Start in Österreich nicht einfach und die Anfangsphase in einer für sie neuen Umgebung belastend.

Durch die vorliegende Masterarbeit soll der Versuch getätigt werden, einerseits durch die theoretische Basis Wissenslücken zu schließen und den LeserInnen einen grundsätzlichen Überblick zu den Themen Asyl, Rechtslage in Österreich, Unterbringungseinrichtungen und Betreuung von UMFs sowie über pädagogische Konzepte und methodische Ansätze zur Bewältigung der alten und neuen Lebensumstände der Jugendlichen zu bieten. Anderer- seits möchten wir durch unsere Forschung den LeserInnen, aber vor allem auch pädagogi- schen Fachkräften von UMF-Unterbringungseinrichtungen, einen genaueren Einblick in die Lebenslage und Bedürfnisse der UMFs ermöglichen und gleichzeitig als Sprachrohr für diese oft ungehörten Jugendlichen fungieren.

„Wenn das, was das Leben schwer macht, von Menschen gemacht ist, kann es auch verändert werden!“

(Katschnig-Fasch 2003, S.363).

1Um den Lesefluss zu erleichtern, wird die Formulierung »UMFs« in der gesamten Arbeit verwendet.

(11)

Als Forschungsgegenstände wurden drei UMF-Unterbringungseirichtungen, welche sich in Graz und Graz Umgebung befinden, ausgewählt. Im Zentrum der Betrachtung stehen un- begleitete minderjährige, männliche Flüchtlinge, die alleine nach Österreich geflohen sind und derzeit in den von uns ausgewählten Wohnheimen leben. Angesichts der Tatsache, dass wir durch unsere die jeweiligen Unterbringungseinrichtungen nicht kritisieren wollen bzw. unsere Intension nicht in der Aufzählung von negativen, sondern vielmehr in der Her- vorhebung der positiven Aspekte liegt, sollen unsere Ergebnisse unterstützend und als hilf- reich in der Arbeit mit UMFs wahrgenommen werden. Aufgrund dessen werden in der For- schungsarbeit die befragten TeilnehmerInnen nicht namentlich erwähnt, um so die Anony- mität zu wahren.

Unser Anliegen ist es, die Qualitätsdimensionen der vom pädagogischen Fachpersonal an- gewandten pädagogischen Methoden sowie Konzepte, welche den Jugendlichen bei ihrer Lebensbewältigung hilfreich sein sollten, zu erforschen. Angesichts dieser Zielsetzungen wird die vorliegende Masterarbeit von folgender Hauptforschungsfrage geleitet:

„An welchen methodischen Ansätzen und pädagogischen Konzepten orientieren sich Unterbringungseinrichtungen von UMFs, um zur Bewältigung ihrer Lebenssituation beizutragen?“

Daraus ergaben sich wiederum zwei Subfragen, die für unser Forschungsinteresse von Relevanz sind:

„Mit welchen Lebensherausforderungen müssen sich UMFs nach ihrer Ankunft in Ös- terreich auseinandersetzen?“

„Inwiefern sind pädagogische Methoden sowie die Unterstützung des Fachpersonals für die Lebensbewältigung und -weltorientierung von UMFs, in einem für sie neuen Umfeld, zielführend?“

Die Masterarbeit setzt sich aus zwei Hauptteilen zusammen, zum einen aus der theoreti- schen Basis [I.] und zum anderen aus der empirischen Forschung [II.]. Um unseren For- schungsinteresse nachgehen sowie die Forschungsfragen beantworten zu können, ist es zunächst notwendig, ein theoretisches Fundament zu schaffen. Das erste Kapitel des The- orieteils widmet sich der Ausgangssituation von UMFs – Jugendliche allein auf der Flucht.

Für ein besseres Verständnis soll in diesem ersten Kapitel der Begriff UMF definiert sowie mögliche Fluchtgründe genannt werden. Des Weiteren soll den LeserInnen ein allgemeiner Einblick in die rechtliche Grundlage, das System in Österreich sowie in die Unterbringung und Betreuung von UMFs gegeben werden. Im zweiten Kapitel wird unser Hauptaugenmerk auf die pädagogischen Konzepte und methodischen Ansätze, welche zur Bewältigung der alten sowie neuen Lebensumstände beitragen, gelegt. Die Rolle und Hilfestellungen der

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Sozialen Arbeit – vor allem aber jene der Sozialpädagogik – im Bereich der Flüchtlingsarbeit sowie das bestehende Hilfssystem in den ausgewählten Unterbringungseinrichtungen sol- len näher betrachtet werden. Dabei bildet unter anderem das Konzept der Lebensbewälti- gung nach Böhnisch [2.1] eine wichtige Grundlage, da der Fokus auf die Handlungsfähigkeit der Individuen, ihre Gewinnung bzw. Wiedergewinnung gelegt wird. Die Jugendlichen müs- sen in der Gesellschaft ihr Leben – welches durch ihre Biografien, ihr Lebenslagenkon- strukt, geformt wurde – bewältigen. Genau für diese Bewältigung ist eine professionelle Unterstützung relevant. Kapitel zwei bildet zugleich die Überleitung zum empirischen Teil.

Auf der theoretischen Basis aufbauend, folgt die empirische Forschung. Dieser zweite Part der Arbeit setzt sich aus weiteren vier Kapiteln zusammen. Zunächst wird in Kapitel vier das Forschungsziel der Arbeit dargestellt. Im darauffolgenden Kapitel fünf soll unser me- thodisches Vorgehen näher erläutert sowie die Erhebungsmethode (das leitfadengestützte Interview) genauer beleuchtet werden. Daraufhin folgt in Kapitel sechs der Aufbau unserer Forschung. Beginnend mit der Beschreibung der von uns gewählten Stichprobe [6.1], einer näheren Betrachtung der biografischen Daten der befragten Jugendlichen [6.2] sowie der Darstellung der qualitativen Inhaltsanalyse [6.3] und der Vorstellung unseres erstellten Ka- tegoriesystems [6.4]. Das von uns ausgewählte Erhebungsinstrument und unser methodi- sches Vorgehen ergeben unser Forschungsdesign und bilden gemeinsam mit der Theorie die Basis für die in Kapitel sieben folgende Datenanalyse und -auswertung. Im abschlie- ßenden Kapitel acht werden alle Ergebnisse zusammengefasst und die Forschungsfragen erneut zu beantworten versucht.

(13)

I. THEORETISCHE BASIS

1. Unbegleitete minderjährige Flüchtlinge – Jugendliche alleine auf der Flucht

‚Jugend‘ war für die Gesellschaft lange Zeit kein Thema. Es wurde davon ausgegangen, dass es ausreiche, wenn Familien und Frauen gefördert werden, um dadurch die Jugendli- chen zu erreichen. Mittlerweile findet weltweit ein Prozess statt, welcher zum Umdenken verhilft. Das Potential für eine gesellschaftliche Gestaltung, welches die Jugendlichen selbst mitbringen, führt dazu, dass sie als eigene Zielgruppe anerkannt werden. Vor allem in der Flüchtlingsarbeit und in der entwicklungsorientierten Nothilfe ist die Gruppe der Jugendli- chen von großer Bedeutung (vgl. Rudolph 2000, S. 58). Die so genannten unbegleiteten minderjährigen Flüchtlinge, kurz auch UMF genannt, befinden sich in einer ganz besonde- ren Situation und benötigen gesonderte Bestimmungen und eine gezielte Betreuung, da jene der Erwachsenen für diese Zielgruppe nicht förderlich genug sind. In folgendem Kapitel sollen anfangs einige Begriffe diskutiert werden, um eine Verwechslung dieser zu vermei- den. Anschließend wird die Asylstatistik vorgestellt, da aufgrund der vorliegenden Zahlen die Notwendigkeit unserer Forschung unterstrichen wird. Dabei sollen nicht nur die Länder, aus denen die Jugendlichen geflüchtet sind, aufgezeigt werden, sondern auch mögliche Fluchtgründe besprochen werden. Aufgrund der Sonderstellung der UMFs wird dann auf die Rechtlichen Grundlagen eingegangen, welche die internationalen Abkommen beinhal- ten, aber auch die Rechtslage und das System in Österreich einschließen. Abschließend werden in diesem Kapitel die Unterbringungssituation und Betreuung von unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen sowie vor allem auch die Situation in der Steiermark bespro- chen.

1.1 Begriffserklärungen

Anfangs soll der Unterschied zwischen den Begriffen Flüchtlinge, Asylsuchende und Mig- rantInnen genau definiert werden, da diese von der Gesellschaft häufig synonym verwendet werden. Anschließend wird der Fokus auf die Gruppe der unbegleiteten minderjährigen Flüchtlinge gelegt.

Für Menschen, die nach Österreich kommen, gibt es im alltäglichen Sprachgebrauch eine Vielzahl an Begriffen, die verwendet werden, um diese Personengruppe zu beschreiben.

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Dazu zählen zum Beispiel AusländerInnen, AsylantenInnen, MigrantInnen, Flüchtlinge, AsylwerberInnen, ZuwanderInnen. Anhand der verschiedenen Bezeichnungen kann abge- lesen werden, ob die Personen vor Verfolgung oder Krieg geflüchtet sind oder ob persönli- che Gründe dazu geführt haben, dass sie nach Österreich gekommen sind.

Der Begriff Flüchtlinge beschreibt jene Personengruppe, welche aufgrund von Ge- fahr im Herkunftsland die eigene Heimat verlassen musste. Damit festgestellt werden kann, ob jemand Schutz braucht, weil er/sie verfolgt wird, wurde in Österreich das so genannte Asylverfahren eingeführt [mehr dazu in Kapitel 1.4.2] (vgl. Schöffl/Sowinetz 2013, S. 3). Ein Flüchtling ist, laut UNHCR, eine Person, welche sich nicht in ihrem Herkunftsland befindet und eine begründete Furcht vor Verfolgung wegen ihrer Rasse, Religion, Nationalität, poli- tischen Meinung oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe hat (vgl.

Schöffl/Sowinetz 2013, S. 10).

Asylsuchende sind jene, die geflüchtet sind und sich nach ihrer Ankunft im Aufnah- meland im Asylverfahren befinden. Sie werden gleichbedeutend auch AsylwerberInnen ge- nannt. Es sind demnach Menschen, die in einem fremden Land Asyl, einen Schutz vor Verfolgung, suchen und deren Asylverfahren noch nicht abgeschlossen ist. Synonym kann dafür auch der Begriff AsylantIn im Sprachgebrauch hergenommen werden, jedoch ist die- ser eher negativ behaftet. Ob ein Asylsuchender in Österreich als anerkannter Flüchtling bleiben darf, wird im Asylverfahren entschieden. Die Gründe für eine mögliche Anerken- nung sind in der Genfer Flüchtlingskonvention und im österreichischen Asylgesetz genau definiert. Wenn im Asylverfahren festgestellt wird, dass die geflüchteten Personen im Her- kunftsland tatsächlich von Verfolgung oder Krieg bedroht sind, dürfen sie als anerkannte Flüchtlinge in Österreich bleiben (vgl. Schöffl/Sowinetz 2013, S. 3).

Der wesentliche Unterschied zwischen Flüchtlingen und MigrantInnen besteht darin, dass MigrantInnen keiner Verfolgung in ihrem Heimatland ausgesetzt sind und jederzeit in ihr Herkunftsland zurückkehren können. In den meisten Fällen kommen sie nach Öster- reich, um die persönlichen Lebensbedingungen zu verbessern, um in Österreich eine Arbeit zu finden oder auch aus familiären Gründen. Während sich Österreich und andere Länder durch internationale Abkommen dazu verpflichtet haben, jenen Personen, die aufgrund von Verfolgung Schutz suchen, diesen auch zu garantieren, obliegt es den Aufnahmeländern jedoch frei zu entscheiden, ob und wie viele MigrantInnen aufgenommen werden sollen (vgl. Schöffl/Sowinetz 2013, S. 3).

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Eine Teilgruppe derjenigen, denen es gelingt, über äußerst riskante Wege Europa zu erreichen, sind die unbegleiteten minderjährigen Flüchtlinge. Im alltäglichen Sprachge- brauch wird meist der Begriff UMF für diese Personengruppe gewählt. Auch in dieser vor- liegenden Arbeit wird die zuvor genannte Kurzbezeichnung häufig Gebrauch finden.

Im Artikel 1 der UN-Kinderrechtskonvention wurde die Personengruppe der unbegleiteten minderjährigen Flüchtlinge wie folgt definiert:

„Im Sinne der UN-Kinderrechtskonvention (Art 1 KRK) gelten als „Kinder“ alle Menschen bis zur Vollendung des 18. Lebensjahrs. Das Wohl des Kindes ist zu berücksichtigen. Im Asylverfahren sind unbegleitete Minderjährige alle Perso- nen unter 18 Jahren, bei denen kein Elternteil oder sonstiger Obsorgeberech- tigter anwesend ist. Für diese Kinder und Jugendlichen bestehen Sonderbe- stimmungen. Die Minderjährigen werden in speziellen Unterkünften unterge- bracht und erhalten eine besondere Betreuung und Versorgung“ (BM.I Bundes- ministerium für Inneres 2015, o.S.).

Es handelt sich hierbei um eine Gruppe geflüchteter Menschen, welche sich in einer sehr herausfordernden Situation befinden. Einen Minderjährigen2, der sich ohne die Begleitung der Eltern oder anderen erwachsenen Angehörigen, trotz aller hohen Kosten und Gefahren, auf dem Weg nach Österreich durchgeschlagen hat, kann sehr wahrscheinlich nicht auf ein Aufwachsen unter förderlichen Bedingungen zurückblicken. Vor allem die Erfahrungen auf der Flucht stellen eine enorme Belastung für die Jugendlichen dar, denn niemand, und schon gar nicht ein Minderjähriger, flieht ohne Grund. Ein Großteil der UMFs hat auch ein längeres Überleben unter Bedingungen der Illegalität hinter sich, was häufig zu einer Trau- matisierung der Jugendlichen führt. Es handelt sich hier also nicht nur um Heranwach- sende, sondern auch um Jugendliche, die zum Überleben unter äußerst gefährlichen Be- dingungen gezwungen waren (vgl. Scherr 2014, S. 314). Anders als bei Erwachsenen trifft die Jugendlichen die Flucht genau in einer Entwicklungsphase, der so genannten Adoles- zenz, in welcher vor allem die Persönlichkeitsentwicklung eine große Rolle spielt und noch nicht abgeschlossen ist. Nicht nur in Österreich ist es so, dass Kinder und Jugendliche in einem bestimmten Alter gewisse Dinge lernen sollten. Die Gesellschaft sieht vom Klein- kindalter bis hin zum Erwachsenenalter notwendige Schritte vor, welche jedes Individuum durchlaufen muss, welche aber kulturell unterschiedlich definiert werden und verschiedene Altersstufen umfassen. Unbegleitete minderjährige Flüchtlinge werden aber durch ihre Flucht aus ihrem Entwicklungsfeld und somit auch aus ihrer gewohnten Entwicklung her- ausgerissen. Ohne dass sie zunächst über die Ressourcen der für sie neuen Kultur verfü- gen, werden sie plötzlich in Österreich mit fremden Entwicklungsaufgaben konfrontiert. Die Folgen davon machen sich bemerkbar, indem eine Unsicherheit aufkommt, welche es den

2In den meisten Fällen handelt es sich im Zusammenhang mit UMFs um männliche Jugendliche, weshalb auch in dieser vorliegenden Arbeit nur auf diese Personengruppe eingegangen werden soll und der Aspekt des Genderns außer Acht gelassen wird.

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UMFs erschwert, Entscheidungen zu treffen, Selbstdefinitionen zu entwickeln, Rollen zu übernehmen und auch allgemein die Schwierigkeit aufwirft, das weitere Leben zu planen.

Die in Österreich vorgesehenen Vorstellungen der Adoleszenz sind - zu jenen der UMFs - kulturell so verschieden, sodass diese mit der Entwertung vieler Erfahrungen, die sie im Herkunftsland gemacht haben, einhergeht (vgl. Meißner 2003, S. 144 f.). Ein weiterer we- sentlicher Punkt im Zusammenhang mit der Adoleszenz, welcher häufig zu Diskussionen führt, ist das Alter der geflüchteten Jugendlichen. Sehr oft ist es der Fall, dass Behörden die Aussagen der Jugendlichen als falsch und unwahr ansehen und deshalb eine Alters- feststellung in Erwägung ziehen, welche nach keinen festgelegten Standards durchgeführt wird und auch in den verschiedensten europäischen Ländern sehr variiert (vgl. Hargasser 2015, S. 108). In vielen Fällen sind die Zweifel der Behörden aber auch gerechtfertigt, denn es gibt immer mehr erwachsene Flüchtlinge, welche sich als Minderjährige ausgeben. Doch welche möglichen Gründe und Motive gibt es, um sich vor den Behörden jünger zu machen als man wirklich ist?

Einer der wesentlichen Vorteile, den Minderjährige gegenüber Erwachsenen haben, ist die Vormundschaft, welche vom Vormundschaftsgericht angeordnet wird. Eine gesetzliche Vertretung wird den Jugendlichen zugeteilt, da davon ausgegangen wird, dass sie noch nicht reif genug sind und auch noch nicht genug Einsicht zeigen könnten. Für bereits Er- wachsene wäre eine solche Vormundschaft ebenfalls äußerst hilfreich und eine große Un- terstützung. Ein weiterer Vorteil könnte die Unterbringung sein, da unbegleitete Minderjäh- rige in einer Jugendhilfeeinrichtung untergebracht werden. Die Umstände dort sind bei wei- tem besser als jene in den großen Gemeinschaftsunterkünften für Erwachsene – ein verlo- ckender Grund, um sein Alter vor den Behörden zu verringern. Die Schwierigkeit, die dabei auf die scheinbar Minderjährigen zukommt, ist, dass sie sich in der Unterbringungseinrich- tung ständig mit wesentlich jüngeren Mitbewohnern auseinandersetzen und auch die Re- geln, laut des Jugendschutzgesetzes, akzeptieren und einhalten müssen. Auch der Besuch einer altersgerechten Schulstufe wird durch die Unterbringungseinrichtung erleichtert, je- doch kommt es hier wieder zum selben Problem, und zwar, dass die Klassengemeinschaft aus wesentlich jüngeren KlassenkollegInnen besteht, welche sich im geistigen und körper- lichen Entwicklungszustand noch auf einem anderen Niveau befinden. Diese damit verbun- dene pädagogische Problematik verlangt demnach eine Altersfeststellung durch die zustän- digen Behörden. In Einzelfällen wird diese Forderung einer genauen Feststellung des tat- sächlichen Alters von Jugendheimen und Schulen selbst beantragt. Behörden führen die- ses Verfahren häufig aufgrund dessen durch, weil es in Kriegs- und Krisengebieten oft der Fall ist, dass die Jugendlichen kaum Geburtsurkunden oder Dokumente erhalten haben.

Die Zeit vor der Flucht ist auch zu knapp, um sich noch um die Beschaffung dieser zu

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kümmern, da eine solche zumeist völlig unvorbereitet und plötzlich erfolgt (vgl. Riedelshei- mer 2010, S. 71 ff.). Laut dem statement of good practice im Seperated Children in Europe Programme (2012) soll eine Altersfeststellung immer nur dann durchgeführt werden, wenn ernsthafte Zweifel bestehen. Zuerst sollten andere Methoden, wie zum Beispiel eine Befra- gung, stattfinden oder es sollte versucht werden, schriftliche Dokumente, welche das Alter nachweisen könnten, zu beschaffen. Kommt es aber dennoch zu einer Altersfeststellung durch die Behörden, so muss der Jugendliche selbst dazu bereit sein und im Vorfeld über jeden Schritt genau informiert werden. Das Verfahren, dessen Ergebnis und auch die Fol- gen müssen in der Muttersprache erklärt werden, um sicher zu gehen, dass der Jugendliche alles verstanden hat. Unabhängige Fachkräfte, welche Erfahrung und unverzichtbares Wis- sen mitbringen, prüfen dann die körperliche und psychische Verfassung sowie den Entwick- lungsstand des Jugendlichen. Sollten Zweifel auftreten, so ist die Fachkraft verpflichtet, zu- gunsten des Jugendlichen zu entscheiden (vgl. Separated Children in Europe Programme Bundesfachverband Unbegleitete Minderjährige Flüchtlinge 2012, S. 46). Dies wurde auch in der allgemeinen Bemerkung Nr. 6 schriftlich festgehalten:

„Die Feststellung des Alters ist sicher, kindergerecht und dem Geschlecht des Kindes angemessen durchzuführen, und im Falle verbleibender Zwei- fel ist zugunsten des Betroffenen zu entscheiden“ (ebd., S. 96).

Als problematisch bei den Verfahren zur Altersfeststellung hat sich herausgestellt, dass es unklare Vorgehensweisen in den unterschiedlichen Regionen gibt. Oftmals wird nur eine Inaugenscheinnahme durch MitarbeiterInnen der Behörden, deren Qualifikation unklar ist, durchgeführt, um das Alter der Jugendlichen festzustellen. Es gibt auch die Möglichkeit medizinische Untersuchungen durchzuführen, um so das Alter zu beweisen. Häufig tragen die Kosten für eine Feststellung durch einen Arzt die Jugendlichen selbst. Bei diversen Un- tersuchungsmethoden kommt hinzu, dass diese zu Problemen im ethischen Bereich führen können, da körperliche Untersuchungen für junge Menschen aus einem anderen Kulturkreis häufig als massive Eingriffe empfunden werden. Durch die fehlende Anwesenheit von Dol- metscherInnen kann den unbegleiteten Minderjährigen oft nicht erklärt werden, was genau in der medizinischen Einrichtung geschehen wird und welche Untersuchungen stattfinden werden. Bei einigen Altersfeststellungen durch Ärzte werden sogenannte Handwurzeltests oder Röntgenuntersuchungen des Schlüsselbeins gemacht. Diese Methode zur Ermittlung des tatsächlichen Alters erscheint als nicht sinnvoll, da zum Beispiel bei einem Handwur- zeltest von einer Abweichung von ein bis zwei Jahren ausgegangen wird (vgl. Riedelshei- mer 2010, S. 73). Es lässt sich also sagen, dass die Feststellung eines genauen Alters bist jetzt noch keine Wissenschaft ist. Es ist notwendig, dass bei diesen Verfahren nach be-

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stimmten rechtsstaatlichen Kriterien gemessen wird und dass klare Regeln geschaffen wer- den. Die betroffenen Jugendlichen sollen dabei aktiv beteiligt werden, wobei eine persönli- che Anhörung mit dem Beisein eines Dolmetschers als erster Schritt erfolgen sollte.

Da in der vorliegenden Arbeit der Fokus auf genau diese Zielgruppe – jene der unbegleite- ten minderjährigen Flüchtlinge – gelegt wird, soll im folgenden Kapitel anhand von Statisti- ken die aktuelle Situation der UMFs in Österreich dargelegt werden.

1.2 Asylstatistik in Österreich

Dieses Kapitel beschäftigt sich mit den vorliegenden Zahlen der in Österreich gestellten Anträge auf Asyl, welche vom Bundesministerium für Inneres der Republik Österreich – Sektion ||| - Recht – zusammengefasst wurden. Die folgenden Zahlen stammen aus der vorliegenden Asylstatistik von Oktober 2015, welche aufgrund der großen Flüchtlingswelle im Juli 2015, herangezogen wurden. Die Aktualität und Notwendigkeit dieses Themas wird dadurch unterstrichen.

Im Zeitraum von 1. Jänner bis 30. August 2015 wurden in Österreich insgesamt 46.133 Asylanträge gestellt. Im Oktober 2015 waren es bereits 68.589 Asylanträge insgesamt. Im Vergleich dazu wurden im Jahr 2014 in derselben Zeitspanne (1.Jänner bis 31. Oktober) nur 20.169 Asylanträge gestellt. Dies bedeutet also eine Steigerung um 240,07%. Aus den insgesamt 68.589 gestellten Asylanträgen wurden davon 51.121 von Männern und 17.468 von Frauen beantragt. In Prozent bedeutet dies, dass von 1. Jänner bis 31. Oktober 2015 74,53% der Antragsteller männlich und 25,47% weiblich waren. Aus den Statistiken des Bundesministeriums für Inneres werden die Top 15 der Asylanträge, geordnet nach der Staatszugehörigkeit, aufgelistet. Diese Nationen sind Syrien (20.441 Anträge), Afghanistan (16.549 Anträge), Irak (11.190 Anträge), Pakistan (2.900 Anträge), Kosovo (2.447 Anträge), Iran (2.052 Anträge), Somalia (1.850 Anträge), staatenlos (1.717 Anträge), Russische Fö- deration (1.440 Anträge), Nigeria (1.135 Anträge), Algerien (788 Anträge), Bangladesch (648 Anträge), Ukraine (455 Anträge), Marokko (411 Anträge) und Indien (383 Anträge).

4.183 weitere Anträge wurden noch gestellt aus Nationen, welche nicht zu den Top 15 ge- zählt werden (vgl. BM.I 2015, S. 3 ff.).

Da die vorliegende Masterarbeit die Gruppe der unbegleiteten minderjährigen Flüchtlinge in den Fokus stellt, sind vor allem diese statistischen Daten von großer Bedeutung. Sie stellen zwar quantitativ nur eine kleinere Teilgruppe dar, gleichwohl aber eine enorme Her- ausforderung für die Soziale Arbeit (vgl. Scherr 2014, S. 314).

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Im Zeitraum von 1. Jänner bis 30. August 2015 wurden insgesamt 5.559 Asylanträge von unbegleiteten Minderjährigen gestellt. 333 der AntragstellerInnen waren unter 14 Jahre alt und 5.226 Anträge wurden von 14-18-jährigen gestellt (vgl. BM.I 2015, S. 9). Am 31. Okto- ber 2015 waren es bereits 7.155 unbegleitete Minderjährige die einen Asylantrag stellten – 459 unter 14 Jahre und 6.696 ab 14 bis 18 Jahre. Im Vergleich dazu haben im selben Zeitraum (1. Jänner bis 31. Oktober) im Jahr 2014 insgesamt 1.632 unbegleitete Minder- jährige einen Asylantrag gestellt, wovon 81 Personen unter 14 Jahre alt waren und 1.551 im Alter zwischen 14-18 Jahre (vgl. BM.I 2014, S. 7).

Auch für die Gruppe der unbegleiteten minderjährigen Flüchtlinge hat das Bundesministe- rium für Inneres eine Aufstellung der Top 15 der Asylanträge, gegliedert nach der Staats- angehörigkeit, veröffentlicht. Die Nationen für die Gruppe der unter 14-jährigen sind: Afgha- nistan (256 Anträge), Syrien (124 Anträge), Irak (37 Anträge), staatenlos (18 Anträge), Iran (5 Anträge), Kosovo (4 Anträge), Russische Föderation (3 Anträge), Somalia (3 Anträge), Marokko (2 Anträge), Pakistan (2 Anträge), Algerien (1 Antrag), Georgien (1 Antrag), Mon- golei (1 Antrag), Nigeria (1 Antrag), Sonstige (1 Antrag). Für die Gruppe der 14 bis 18 jäh- rigen sind die Nationen folgende: Afghanistan (4.443 Anträge), Syrien (859 Anträge), Irak (278 Anträge), Somalia (215 Anträge), Pakistan (205 Anträge), Nigeria (173 Anträge), Al- gerien (106 Anträge), staatenlos (74 Anträge), Iran (65 Anträge), Bangladesch (51 Anträge), Kosovo (40 Anträge), Gambia (27 Anträge), Marokko (22 Anträge), Libyen (12 Anträge) und Vietnam (10 Anträge). 116 Anträge wurden aus Ländern gestellt, welche nicht zu den Top 15 Nationen zählen (vgl. BM.I 2015, S. 10 f.).

Aus der Asylstatistik geht hervor, dass die Zahlen der gestellten Anträge drastisch steigen.

Nicht nur ein jährlicher Unterschied ist zu erkennen, auch ein enormer Anstieg von Monat zu Monat lässt sich aus den Zahlen herauslesen. Vor allem die Statistik der unbegleiteten minderjährigen Flüchtlinge in Österreich veranschaulicht deutlich, dass die Anzahl der allein geflüchteten Kinder und Jugendlichen sehr hoch ist. Genau aus diesem Grund ist es den beiden Autorinnen dieser vorliegenden Arbeit wichtig, die Gruppe der unbegleiteten min- derjährigen Flüchtlinge in den Fokus zu stellen. In diesem Zusammenhang stellt sich auch die Frage, warum die Zahlen so drastisch gestiegen sind? Warum verlassen die Jugendli- chen ganz alleine ihr Heimatland und ihre Familie und flüchten in ein anderes Land?

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1.3 Mögliche Fluchtgründe und ihre Auswirkungen

Warum Kinder und Jugendliche alleine das Heimatland verlassen, kann eine Vielzahl von Gründen haben. Die Kinder fliehen vor Bürgerkrieg und Angst, als Kindersoldaten Stellung beziehen zu müssen, oder vor körperlicher und sexueller Ausbeutung, also einer Form der Sklaverei. Ein weiterer Grund kann die Zugehörigkeit zu einer bestimmten Religion sein, aufgrund welcher eine Verfolgung droht. Andere machen sich auf den Weg in ein neues, fremdes Land, um die Chance auf Bildung zu erlangen und eine positivere Lebensperspek- tive sowie ein Leben in Würde aufzubauen. Auch die politischen Aktivitäten der Eltern kön- nen dazu führen, dass Kinder und Jugendliche in ihrem Heimatland als Geiseln festgehalten und gefoltert werden (vgl. Rieger 2010, S. 22). Neben Hunger, Armut, Krieg und der Ver- letzung der Menschenrechte ist auch die Zerstörung der Umwelt zu einer Ursache der Flucht geworden. Diese Personen werden „Umweltflüchtlinge“ genannt, was allerdings von der Genfer Flüchtlingskonvention nicht als ein Grund für die Gewährleistung von Schutz anerkannt wird (vgl. Biermann 2001, S. 1).

Die meisten Fluchtgründe beruhen jedoch, laut dem Asyl- und Fremdenrecht, auf einer Ver- folgung durch den Staat. Da der Begriff der Verfolgung sehr weit gefasst ist, werden folgend einige Beispiele genannt, warum und wodurch es zu einer Verfolgung kommen kann. Von einer solchen kann dann gesprochen werden, wenn Leib, Leben oder die körperliche Frei- heit sowie die Menschenrechte in irgendeiner Form beeinträchtigt werden. Es wird im Asyl- und Fremdenrecht von folgenden Arten der Verfolgung gesprochen:

 gegenwärtig drohende Verfolgung,

 begründete Verfolgungsfurcht,

 Verfolgung aufgrund von Rasse, Religion, Nationalität,

 Individualverfolgung und Gruppenverfolgung sowie

 politische Verfolgung (vgl. Rogowicz 2009, S. 45 ff./Schumacher/Peyrl 2006, S.

175).

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass es eine Vielzahl an Fluchtgründen gibt und dass UMFs aus den genau gleichen Gründen flüchten können wie Erwachsene. Die Umstände, warum Kinder und Jugendliche alleine aus ihrer Heimat flüchten, müssen wirklich sehr zwin- gend gewesen sein, denn kein Minderjähriger würde diesen Weg sonst auf sich nehmen.

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1.4 Rechtliche Grundlagen

Da die Gruppe der UMFs einen Anspruch auf besondere rechtliche Bestimmungen hat, wurden auch verschiedenste Abkommen für ihre spezielle Situation verfasst. Das folgende Kapitel beschäftigt sich daher mit den rechtlichen Grundlagen und beschreibt anfangs die internationalen Abkommen zwischen Staaten wie die UN-Kinderrechtskonvention (KRK), die Genfer Flüchtlingskonvention (GFK), UNHCR und das Separated Children in Europe Programm“ (SCEP). Anschließend wird auf die Situation in Österreich Bezug genommen und der für die Jugendlichen sehr belastende Weg des Wartens – von der Ankunft bis zum Bescheid – dargestellt.

1.4.1 Internationale Abkommen

Weltweit wurde über die Gruppe der unbegleiteten minderjährigen Flüchtlinge häufig dis- kutiert und es ist unabdingbar, spezielle Vereinbarungen und Gesetzestexte, in welchen deren Rechte und Pflichten festgehalten werden, zu verfassen. In diesem Kapitel soll es um jene Abkommen, welche sich für genau dies international einsetzen, gehen.

UN-Kinderrechtskonvention (KRK)

Die UN-Kinderrechtskonvention, abgekürzt auch als KRK bezeichnet, ist ein internationaler Vertrag über die Rechte des Kindes und wird wie folgt definiert:

„Die Kinderrechtskonvention ist ein internationaler Vertrag mit dem Ziel, die Le- bensbedingungen von Kindern und Jugendlichen weltweit zu verbessern. Sie erkennt Kinder und Jugendliche als TrägerInnen grundlegender Rechte an und verpflichtet Staaten, diese Rechte auch tatsächlich zu garantieren“ (Kaselitz 2011, S. 2).

Insgesamt haben 192 Staaten diesen Vertrag unterzeichnet und sich somit verpflichtet, die- sen sehr ernst zu nehmen und dafür zu sorgen, dass die Inhalte auch wirklich im eigenen Staat umgesetzt werden. Beschlossen wurde die KRK im Jahr 1989 von der UNO. Öster- reich ratifizierte die Kinderrechtskonvention im Jahr 1992. Der berühmte polnische Päda- goge Janus Korczak brachte am Anfang des 20. Jahrhunderts zum Ausdruck, dass Kinder und Jugendliche nicht nur Personen sind, welche besonderen Schutz benötigen, sondern vor allem Menschen sind, die die Möglichkeit haben sollen, bei der Durchsetzung ihrer Rechte mitzubestimmen und ernst genommen zu werden (vgl. ebd., S. 4).

Die KRK besteht aus 54 Artikeln, welche in drei größere Teilbereiche unterteilt werden kön- nen:

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 Vorsorge: dazu zählen das Recht auf Leben, Nahrung, Bildung und Freizeit, Unter- stützung für Flüchtlingskinder und Kinder mit Behinderung sowie Rehabilitation für Opfer von Gewalt und Ausbeutung.

 Schutz: dazu zählen das Recht auf Schutz vor körperlicher oder geistiger Gewalt, Schutz vor sexueller Ausbeutung, Schutz vor wirtschaftlicher Ausbeutung wie zum Beispiel Kinderarbeit sowie Schutz bei bewaffneten Konflikten.

 Beteiligung: dazu zählen das Recht auf Partizipation (Berücksichtigung der Meinung der Kinder und Jugendlichen), auf Informations- und Meinungsfreiheit, auf Pri- vatsphäre und auf Gedanken-, Gewissens- und Religionsfreiheit (vgl. Kaselitz 2011, S. 5).

Von sehr großer Bedeutung ist der Artikel 22 der KRK, da dieser die Vertragsstaaten ver- pflichtet, geeignete Maßnahmen zu treffen, um sicher zu gehen, dass geflüchtete Kinder angemessenen Schutz und eine humanitäre Hilfe erhalten. Im Absatz 2 desselben Artikels wird festgehalten, dass die Behörden verpflichtet sind, die Kinder bei der Suche nach Eltern oder Familienangehörigen zu unterstützen. Gleichzeitig erklärt der Artikel 20, dass jene Kinder, die vorübergehend oder dauernd ohne eine familiäre Begleitung sind, einen An- spruch auf besonderen staatlichen Schutz und Beistand haben (vgl. Theilmann 2005, S.

62).

Es lässt sich also sagen, dass bei der Kinderrechtskonvention nicht nur der Schutzgedanke im Fokus steht, sondern vor allem die kinderrechtlichen Aspekte, welche zur Förderung, zur Selbstbestimmung und zum Schutz der Kinder im Sinne der Erfüllung der kindlichen Grund- bedürfnisse beitragen (vgl. Haversiek-Vogelsang, S. 195).

Genfer Flüchtlingskonvention (GFK)

Der Beginn der Genfer Flüchtlingskonvention lässt sich mit dem Ende des Zweiten Welt- krieges definieren. Schon zu dieser Zeit waren Flüchtlinge in ganz Europa unterwegs und viele von ihnen hatten keine Chance, wieder in ihr Herkunftsland zurückzukehren bzw. viele von ihnen wollten das auch einfach nicht. Auf dies reagierten die Vereinigten Nationen dann 1946 und gründeten die Internationale Flüchtlingsorganisation, welche heute als Vorreiter- organisation der UNHCR gilt und erarbeiteten einen völkerrechtlichen Vertrag über die Rechtsstellung von Flüchtlingen. 1950 wurde der UNHCR dann gegründet. Nach jahrelan- ger Beratung wurde am 28. Juli 1951 die Genfer Flüchtlingskonvention (GFK) von den Staa- tenvertretern unterzeichnet (vgl. Schumacher/Peyrl 2006, S. 163). Gedacht war diese ei- gentlich für die Schutzgewährung von Flüchtlingen auf dem europäischen Kontinent und war deshalb auch beschränkt auf europäische Flüchtlinge sowie Ereignisse, die sich vor dem 1. Jänner 1951 ereignet hatten. Im Laufe der Jahre wurde aber immer mehr klar, dass

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das Flüchtlingsthema die gesamte Welt betrifft und sich auch zeitlich kaum eingrenzen lässt. Somit wurde die GFK 1967 um einige Zusatzprotokolle erweitert, in welchen neu be- schlossen wurde, dass die zeitliche und räumliche Begrenzung der Konvention aufgehoben wird (vgl. Rogowicz 2009, S. 33). In der GFK wurde schriftlich festgelegt, wer zur Gruppe der Flüchtlinge gezählt werden darf und welche Rechte und Pflichten ihm/ihr im Zufluchts- land zukommen. Bis heute sind insgesamt 146 Staaten beigetreten, wodurch die GFK zum weltweit wichtigsten Instrumentarium des Flüchtlingsschutzes zählt. Österreich hat die GFK am 26. August 1954 unterzeichnet und am 30. Jänner 1955 ist die Konvention in Kraft ge- treten. Als zweitwichtigstes völkerrechtliches Dokument, aus welchem die Rechte und Pflichten der Flüchtlinge herausgelesen werden können, gilt die Europäische Menschen- rechtskonvention (EMRK), welche 1950 in Europa beschlossen wurde. Da die GFK nach dem Zweiten Weltkrieg konzipiert wurde, kann sie den heutigen Phänomenen der Flücht- lingsströme nur zum Teil gerecht werden, da eine Beschränkung auf nur fünf Verfolgungs- gründe vorgenommen wurde (vgl. Schumacher/Peyrl 2006, S. 163 f.).

Einer der wichtigsten Grundsätze in der GFK ist das Gebot des Non-Refoulement, welches im Art. 33 I GFK verschriftlicht wurde. Dieser Artikel befasst sich mit der Auslieferung, der Abschiebung und auch mit der Zurückweisung an der Grenze. Er verpflichtet die Staaten, den neu Ankommenden Zuflucht zu gewähren vor dem unmittelbaren Zugriff des Verfolger- staates. Es geht dabei aber nicht um einen subjektiven Asylanspruch bzw. um eine staatlich verbindliche Aufnahmepflicht (vgl. Rogowicz 2009, S. 34).

United Nations High Commissioner for Refugees (UNHCR)

Wie bereits erwähnt, kann UNHCR als Nachfolgemodell der Genfer Flüchtlingskonvention gesehen werden. Bei beiden Abkommen steht der internationale Flüchtlingsschutz im Fo- kus. UNHCR setzt sich stark für die internationale Anerkennung der in der GFK festgehal- tenen Grundrechte ein und arbeitet daran, dass die Regierungen diese auch beachten.

Auch für das Respektieren der Menschenrechte der Flüchtlinge, für die Suche nach Asyl und gegen den Zwang der Rückkehr in ein Land, in welchem Verfolgung droht, setzen sie sich stark ein. Vor allem die Versorgung von Flüchtlingen mit lebenswichtigen Gütern zählt zu den Hauptaufgaben. UNHCR kümmert sich nicht nur um den internationalen Flüchtlings- schutz, sondern auch um den Schutz von Staatenlosen, Binnenvertriebenen, Asylsuchen- den und Menschen, die freiwillig in ihre Heimat zurückgekehrt sind. Außerdem unterstützt UNHCR die Staaten und hilft bei der Suche nach dauerhaften Lösungen (vgl. Schöffl 2016, o.S.).

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Das „Separated Children in Europe Programme“ (SCEP)

Das Separated Children in Europe Programme ist vor allem in den letzten Jahren sehr ge- wachsen und hat sich weiterentwickelt. Es besteht aus einer Vielzahl von nichtstaatlichen Partnern in ganz Europa und arbeitet eng mit UNHCR zusammen. Zu Beginn galt dieses Programm als eine gemeinsame Initiative von Mitgliedern der International Save the Child- ren Alliance und des UN-Flüchtlingshochkommissariats UNHCR. Auch hier gelten die Ver- wirklichung der Rechte aller Kinder sowie die Gewährung von Schutz für Flüchtlinge und Asylsuchende, in diesem Falle vor allem Kinder, als zentrale Themen der Hauptaufgaben.

UNICEF arbeitet mit Save the Children und UNHCR stark zusammen und setzt sich für die Rechte von unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen ein und sorgt für deren Schutz. Die Generalversammlung der Vereinten Nationen hat UNICEF damit beauftragt, dass sie mit- helfen, sich für die Grundrechte der Kinder einsetzen und die Grundbedürfnisse zu befrie- digen. Das Ziel des Separated Children in Europe Programm ist es, dass die Rechte und das Wohl von unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen, welche in Europa bleiben möch- ten oder welche den Kontinent auch nur durchqueren, sichergestellt werden. Um dieses Ziel zu erreichen, werden Partnerschaften mit Organisationen aufgebaut, welche in der Be- treuung von unbegleiteten Minderjährigen in europäischen Ländern aktiv sind. Die Vision, dass die geflüchteten Jugendlichen die Chance erhalten, ihr Potential voll zu entwickeln und dass sie sich aktiv an der Gestaltung politischer Strategien und politischer Maßnahmen, welche ihr Leben maßgebend betreffen, beteiligen, kann als die treibende Kraft für dieses Programm gesehen werden (vgl. Separated Children in Europe Programme Bundesfach- verband Unbegleitete Minderjährige Flüchtlinge 2012, S. 18 f.).

1.4.2 Rechtslage in Österreich

Der Begriff Asyl stammt ursprünglich vom griechischen Wort asylon ab, welcher so viel bedeutet wie unverletzlich. Im Zusammenhang mit dem Asylgesetz versteht sich der Begriff aber auch vor allem als Ort, an dem ein/e Verfolgte/r nicht ergriffen werden darf und an welchem die Verfolgten Schutz finden können (vgl. Rogowicz 2009, S. 27). Heutzutage ist der Begriff Asyl im Zusammenhang mit dem Recht wesentlich konkreter zu sehen und soll in folgendem Zitat beschrieben werden:

„Unter Asylrecht ist die Summe der Rechtsnormen zu verstehen, welche die Schutzgewährung regelt, und nach einem engeren, subjektiven Verständnis auch der Anspruch eines Betroffenen auf Einräumung des Schutzes“ (ebd., S.

27).

Im folgenden Kapitel soll nun basierend auf der österreichischen Asylrechtsgrundlage der lange Weg des Wartens für neu ankommende Personen beschrieben werden und welche

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verschiedenen Schritte notwendig sind, um einen positiven oder negativen Asylbescheid zu bekommen.

Der Weg des Wartens – Von der Ankunft bis zum Asylbescheid

Für die meisten AsylwerberInnen, vor allem für unbegleitete minderjährige Flüchtlinge, stellt die Zeit des Wartens während des Asylverfahrens eine besonders große Herausforderung dar. Doch wie gestaltet sich der Ablauf, wenn eine geflüchtete Person neu in Österreich ankommt? Folgend soll der Weg von der Antragstellung bis hin zum Asylbescheid beschrie- ben werden.

Asylantrag / Erstaufnahmestelle

Wenn eine geflüchtete Person nach Österreich einreist, um hier Asyl zu erhalten, so ist es notwendig, persönlich einen Asylantrag in einer Erstaufnahmestelle zu stellen. In den meis- ten Fällen reisen diese Personen unrechtsmäßig nach Österreich ein, da sie in ihrem Land kein Visum für Österreich erhalten können, wenn sie mit der Absicht einen Asylantrag zu stellen, einwandern. Der illegale Weg der Einreise bringt hohe Risiken mit sich und das Geld für die teuren Dienste eines Schleppers muss auch aufgebracht werden, um die be- wachten Außengrenzen zu überwinden. In Österreich ist für die Bearbeitung der Asylan- träge in erster Instanz das Bundesasylamt (BAA) zuständig. Dies ist eine Bundesbehörde, welche dem Bundesministerium für Inneres untergeordnet ist und deren Sitz sich in Wien befindet. Das Bundesamt befindet sich auch in so genannten Außenstellen, welche in Graz, Innsbruck, Eisenstadt, Linz, Salzburg und Traiskirchen positioniert sind. Zum Bundesasyl- amt gehören auch die Erstaufnahmestellen (EASt), in welchen neu ankommende Asylwer- ber anfangs untergebracht werden und in welchen auch das Zulassungsverfahren durch- geführt wird. In Österreich befinden sich diese Erstaufnahmestellen in Traiskirchen (EASt Ost), St. Georgen im Attergau (EASt West) und am Flughafen Schwechat (vgl. Schuma- cher/Peyrl 2006, S. 190 ff.).

Zulassungsverfahren

Durch die persönliche Einbringung des Asylantrages soll erreicht werden, dass alle neu ankommenden Asylwerber freiwillig oder unfreiwillig in eine der Erstaufnahmestellen ge- hen, wo dann ein 20-tägiges Zulassungsverfahren durchgeführt wird. Eine geflüchtete Per- son, welche einen Asylantrag gestellt hat, wird dadurch vorläufig vor einer Abschiebung geschützt. Das heißt, dass er/sie so lange nicht zurückgewiesen, zurückgeschoben oder abgeschoben werden darf, bis ein positiver oder negativer Bescheid des Asylverfahrens verkündet wird. Im Zulassungsverfahren wird überprüft, ob die österreichischen Asylbehör- den überhaupt für das Asylverfahren des Antragstellers/der Antragstellerin zuständig ist.

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Österreich ist nämlich nicht zuständig, wenn der Asylwerber auch in einem anderen Staat Schutz vor Verfolgung finden kann oder wenn ein anderer Staat zur Prüfung des Asylan- trags aufgrund der Dublin II-Verordnung verpflichtet ist. In solchen Fällen werden die Asyl- gründe nicht überprüft und der Asylantrag wird als unzulässig zurückgewiesen. Um die Zu- ständigkeit des Landes zu ermitteln, werden folgende Kriterien überprüft.

 Wenn es sich um einen unbegleiteten minderjährigen Flüchtling handelt, dann ist jener Staat zuständig, in welchem sich die zugehörige Familie befindet. Dies muss aber ebenfalls im Interesse des Jugendlichen liegen. In vielen Fällen ist es jedoch so, dass die Jugendlichen ohne Begleitung nach Österreich gekom- men sind. Wenn es demnach keine Familienangehörigen gibt, dann ist jener Staat zuständig, in welchem ein Asylantrag von dem Minderjährigen selbst ge- stellt wurde.

 Wenn der Asylwerber Familienangehörige hat, welchen in einem Mitgliedsstaat Asyl gewährt wird oder aber auch noch keine erste Entscheidung über deren Antrag verkündet wurde, dann ist ebenfalls dieser Staat zuständig.

 Wenn ein Asylwerber illegal über die Land-, See- oder Luftgrenze eines Mit- gliedsstaates gelangt, dann ist dieser Mitgliedsstaat zuständig für den gestellten Asylantrag.

 Wenn keine der zuvor genannten Kriterien für die Zuständigkeit zutreffen, dann ist jener Staat zuständig, in dem der Erstantrag gestellt wurde.

Trifft eines dieser genannten Kriterien zu, so ist der Staat zuständig für das Asylverfahren.

Pro Asylwerber kann nur ein Antrag in einem Mitgliedsstaat gewährt werden. Um sicher zu gehen, dass nur ein Antrag in einem EU-Mitgliedsstaat gestellt wurde, wird das Eurodac- System benutzt. Dabei werden im europäischen Raum durch Scan-Geräte die Fingerab- drücke der AsylwerberInnen gespeichert und abgeglichen. Wenn ein Antrag bereits in ei- nem anderen Staat gestellt wurde, dann wird diese Person dem zuständigen Staat über- stellt. Das Zulassungsverfahren kann also positiv oder negativ entschieden werden. Wenn Österreich für das Asylverfahren zuständig ist, dann erhält der Asylwerber / die Asylwerbe- rin eine sogenannte Aufenthaltsberechtigungskarte (vgl. Schumacher/Peyrl 2006, S. 193 ff.).

Inhaltliches Verfahren

Wurde ein Asylantrag in Österreich gestellt, so wird innerhalb von 48 Stunden, jedoch längstens 72 Stunden, eine erste Befragung durch öffentliche Sicherheitsorgane durchge- führt. Es geht dabei darum, die Identität und die Reiseroute der geflüchteten Person her- auszufinden. Die näheren Umstände und Fluchtgründe sind noch nicht Teil dieses Ge-

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sprächs. Diese werden dann in der Einvernahme durch Organe des Bundesasylamts ermit- telt. Jener Beamte, der diese Befragung durchführt, entscheidet schlussendlich über den Asylantrag, da er sich während des Gesprächs einen persönlichen Eindruck machen kann, ob der Asylwerber glaubwürdig ist oder nicht. Der Schilderung der geflüchteten Personen wird ein hoher Stellenwert zugeschrieben, da meistens keine speziellen Beweismittel vor- gelegt werden können. Durch die sprachliche Barriere der Neuankömmlinge kann auf einen Dolmetscher bei einem solchen Gespräch nicht verzichtet werden. Am Anfang der Einver- nahme werden die Asylwerber darauf hingewiesen, die Fragen wahrheitsgemäß zu beant- worten und auch ein Vertreter oder eine Vertrauensperson darf als Begleitperson hinzuge- zogen werden. Das Bundesasylamt hat nach der Durchführung der notwenigen Ermittlun- gen eine positive oder negative Entscheidung zu treffen. Dabei werden inhaltlich drei Fra- gen abgeklärt:

 Wird der Asylwerber/ die Asylwerberin im Sinne der GFK verfolgt und liegen keine Asylausschluss- oder endigungsgründe vor? Ist dies der Fall, dann wird dem Asyl- werber/ der Asylwerberin der Status eines Asylberechtigten zugeschrieben und an- erkannt.

 Wenn der Asylantrag abgelehnt wird, dann stellt sich folgende Frage: Ist eine Ab- schiebung ins Herkunftsland im Sinne des Non-Refoulement Schutzes (auch Grundsatz der Nichtzurückweisung) zulässig oder nicht? Für den Fall, dass eine Abschiebung nicht zulässig ist, ist dem Asylwerber/ der Asylwerberin ein Status als subsidär Schutzberechtigte/r anzurechnen.

 Sollte kein Asylstatus oder kein Status als subsidär Schutzberechtigte/r3 erfolgen, dann wird die Ausweisung der Asylwerberin/des Asylwerbers beschlossen. Sie/Er wird aufgefordert, das Bundesgebiet zu verlassen.

Die Entscheidung über den Asylantrag wird der geflüchteten Person in Bescheidform über- mittelt und in eine Sprache übersetzt, die für sie/ihn verständlich ist (vgl. Schumacher/Peyrl 2006, S. 201 ff.). Für unbegleitete minderjährige Flüchtlinge gelten nach dem Asylgesetz Sonderbestimmungen. Unter 18-Jährige sind nicht befähigt, selbstständig im Verwaltungs- verfahren zu handeln. Grundsätzlich werden die Minderjährigen von einem gesetzlichen Vertreter vertreten, welcher vom Gesetz als ein solcher bestellt wird. Im Zulassungsverfah- ren ist diese Person ein Rechtsberater, nach der Zulassung des Asylantrags ist es der Ju- gendwohlfahrtsträger des Bundeslandes. Alle UMF haben in der Regel das Recht, einen Asylantrag zu stellen. Über 14-jährige gelten als so genannte mündige Minderjährige und

3 Subsidiärer Schutz wird geflüchteten Menschen zugesprochen, wenn diese laut der Europäischen Menschen-

rechtskonvention Schutz benötigen. Dazu zählen zum Beispiel die Befürchtung, im Heimatland gefoltert oder grausam behandelt zu werden, aber auch, wenn diese Menschen einer ernsthaften individuellen Bedrohung des Lebens oder der Todesstrafe ausgesetzt sind (vgl. Fronek 2010, S. 98).

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können daher selbst einen Antrag in einem Erstaufnahmezentrum stellen. Für jene, die un- ter 14 Jahre alt sind, wird dies von einem gesetzlichen Vertreter erledigt. Nach der Zulas- sung des Verfahrens werden die UMFs einer bestimmten Betreuungsstelle zugewiesen, in welcher dann der örtlich zuständige Jugendwohlfahrtsträger zuständig ist. Dieser hat die gesetzliche Obsorge für den Jugendlichen zu übernehmen (vgl. Schumacher/Peyrl 2006, S. 214 f.). In der folgenden Grafik soll der Ablauf des Ankommens bis hin zum Asylbescheid nochmals zusammengefasst dargestellt werden:

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1.5 Das System in Österreich – Wer macht was?!

Zusätzlich zu den sprachlichen Barrieren, welche sich für UMFs in Österreich ergeben, gibt es noch viele weitere Herausforderungen, auf die sie treffen. Eine der für sie wohl schwie- rigsten Aufgaben ist es, das System im Aufnahmeland zu verstehen, da es zu jenem im Heimatland sehr große Differenzen aufweist. Aufgrund dessen soll in diesem Kapitel näher darauf eingegangen und die Aufgaben der jeweiligen Zuständigen erläutert werden.

Bundesamt für Fremdwesen und Asyl (BFA) Graz

Das BFA ist vor allem für die Durchführung von erstinstanzlichen asyl- und fremdenrechtli- chen Verfahren sowie die Erteilung von Aufenthaltstiteln aus berücksichtigungswürdigen Gründen zuständig (vgl. Bundesministerium für Inneres 2016, o.S). Weitere wichtige Auf- gaben des BFA sind folgende und werden anschließend tabellarisch zusammengefasst:

 „Asylverfahren 1. Instanz

 zuständige Behörde für Dublin-Verfahren und die Kommunikation mit europäi- schen Partnerbehörden

 Vollzug des Grundversorgungsgesetzes als Bundesbehörde

 Entscheidung über Aufenthaltstitel in berücksichtigungswürdigen Fällen sowie in Fällen der "Duldung"

 Vollzug fremdenrechtlicher aufenthaltsbeendender Maßnahmen, inklusive Einrei- severbot und freiwillige Ausreise sowie Anordnung der Außerlandesbringung

 Ausstellung von Dokumenten, wie Konventionsreisepässe, Fremdenpässe, Dul- dungskarte“ (Bundesministerium für Inneres 2016, o.S).

Tabelle 1: BFA Kernkompetenzen (Bundesministerium für Inneres 2016, o.S.)

Niederlassung Fremdenwesen Asylangelegenheiten

Aufenthaltstitel aus

berücksichtigungswürdigen Gründen

Aufenthaltsbeendende Ent-

scheidungen Asylverfahren zu 100%

Schubhaft und gelindere Mittel

Dokumente und Karten

Internationaler Schutz inkl. Dublin (In und Out) Kostenbescheide

Freiwillige Rückkehr Koordinationsmaßnahmen bei unfreiwilliger Rückkehr

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Referat Integration und Flüchtlingsangelegenheiten

Das Referat Integration und Flüchtlingsangelegenheiten kümmert sich darum, dass das Steiermärkische Betreuungsgesetz 2005 ordnungsgemäß umgesetzt und eingehalten wird.

Es geht dabei um die Unterbringung, Versorgung, medizinische Leistungen, Sozialmanage- ment und Krisenmanagement für AsylwerberInnen in der Steiermark. Weitere Tätigkeiten sind das Erledigen von Anträgen, die Vertretung in Bund, Länder, Gremien, Beirat für Asyl- und Migrationsangelegenheiten im Bundesministerium für Inneres sowie der Steiermärki- sche Landesflüchtlingsplan in Ausnahmesituationen (vgl. Amt der Steiermärkischen Lan- desregierung 2015, o.S). Folgend noch weitere Aufgabenbereiche im Detail:

 „Information über Ansprüche und Regelung nach den gesetzlichen Vorschriften (Steiermärkisches Grundversorgungsgesetz)

 Vollziehung des Steiermärkischen Grundversorgungsgesetzes (Landesbetreuung von hilfs- und schutzbedürftigen Fremden)

 Soziales Management für AsylwerberInnen

 Zuerkennung von Leistungen aus der Grundversorgung

 Quartiermanagement (Unterkünfte in der gesamten Steiermark)

 Krisenmanagement

 Allgemeine Angelegenheiten im Bereich Flüchtlingswesen

 Gesetzliche Grundlage: Steiermärkisches Betreuungsgesetz - StBetrG 2005, Art 15a B-VG Grundversorgungs-Vereinbarung

 Koordination der Umsetzung der Charta des Zusammenlebens in Vielfalt in der Steiermark“ (Amt der Steiermärkischen Landesregierung 2015, o.S).

Flüchtlings-Regionalbetreuung

Das Land Steiermark hat die Caritas als Flüchtlings-Regionalbetreuung beauftragt, Asyl- werberInnen, Asylberechtigten, subsidär Schutzberechtigten und Fremden, welche sich in der Grundversorgung des Landes befinden, zu betreuen (vgl. Caritas der Diözese Graz- Seckau 2015, o.S.). Zu den wesentlichen Aufgaben gehören:

 „Mobile Betreuung, Information und soziale Beratung der Zielgruppe

 Auszahlung von Verpflegungsgeld, Taschengeld, Mietunterstützungsleistungen, Schulbedarf, Bekleidungshilfe etc.

 Unterstützung der Zielgruppe bei der Anbringung von Anträgen bei Behörden und öffentlichen Einrichtungen

 Perspektivenabklärung unter Berücksichtigung der jeweiligen Rechtssituation

 Unterstützung von Asylberechtigten und subsidiär schutzberechtigten Personen bei Integrationsmaßnahmen“ (Caritas der Diözese Graz-Seckau 2015, o.S.)

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Jugendwohlfahrtsträger

Die Aufgaben des Jugendwohlfahrtsträgers im Rahmen der Obsorge für unbegleitete min- derjährige Flüchtlinge in der Steiermark sind sehr vielfältig und lauten wie folgt:

 „Führung der gesamten Obsorge mit Ausnahme der den Unterbringungsein- richtungen übertragenen Aufgaben (Obsorge im Bereich Pflege und Erzie- hung).

 Vertretung der Mj. in Verwaltungsstrafverfahren und bei polizeilichen Einver- nahmen insbes. Anwesenheit bei Einvernahmen etc.

 Hilfestellung bei der Lehrstellen- und Arbeitssuche für jene Minderjährigen, die Zugang zum Arbeitsmarkt haben.

 Unterbringung von schwierigen Jugendlichen und solchen mit besonderem Be- treuungsbedarf in geeigneten Einrichtungen, insbesondere solchen der Ju- gendwohlfahrt.

 Sozialarbeiterische Betreuung der Jugendlichen, dazu ist ein regelmäßiger Kontakt zum Minderjährigen notwendig.

 Unterbringung und adäquate Betreuung von anerkannten, minderjährigen Flüchtlingen.

 Vorbereitung einer allfälligen freiwilligen Rückkehr ins Heimatland.

 Übernahme von Heil- und Pflegekosten sowie der Kosten für Heilbehelfe, so- fern sie nicht durch die Krankenversicherung und durch die Grundversorgung gedeckt werden können (Zahnspangen, Hörgeräte, Sehbehelfe).

 Übernahme sonstiger Kosten, die nicht durch die Grundversorgung gedeckt sind (z.B. zusätzliche Kosten bei Schulbesuch, Kosten bei Schulveranstaltun- gen, Arbeitstraining, Beschäftigungstherapie, …).

 Übernahme der Kosten für Dolmetscher bei Obsorgebestellungen (die Jugend- lichen werden vom Bezirksgericht zu einem Gespräch eingeladen!), Behörden- wegen, Arztbesuchen und Polizeieinvernahmen.

 Übernahme sämtlicher Kosten bei Verwaltungsbehörden (Strafregisterauszug und Beglaubigung bzw. Übersetzung von Dokumenten...).

 Kosten einer psychotherapeutischen Behandlung soweit sie nicht von der Krankenversicherung übernommen werden.

 Beschaffung von persönlichen Dokumenten.

 ev. Hilfe bei der Kontaktaufnahme zur Herkunftsfamilie“ (UMF – Arbeitsgruppe unbegleitete minderjährige Flüchtlinge 2015, o.S.).

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Anhand dieser Auflistung kann gezeigt werden, dass der Jugendwohlfahrtsträger für die meisten Bereiche, welche die UMFs betreffen, zuständig ist. Die Übernahme dieser vielfäl- tigen Tätigkeiten ist daher unabdingbar. Einige Aufgaben werden jedoch den Unterbrin- gungseinrichtungen bzw. Betreuungspersonen übergeben, da diese in einem näheren Ver- hältnis zu den Jugendlichen stehen.

1.6 Unterbringung und Betreuung von UMFs

Da sich die unbegleiteten minderjährigen Flüchtlinge ohne Familienangehörige in Öster- reich befinden, muss die Obhut für sie von der Kinder- und Jugendhilfe übernommen wer- den. Im weiteren Verlauf wird die Hilfe zur Erziehung durch eine stationäre Unterbringungs- einrichtung (Heimunterbringung) übernommen. Durch diese soll den Jugendlichen eine Verbindung von Alltagsleben und pädagogischen sowie therapeutischen Angeboten als Hilfe zur Erziehung ermöglicht werden. Entsprechend dem Alter und dem Entwicklungs- stand sollen die Jugendlichen über eine längere Zeit auf ein selbstständiges Leben vorbe- reitet werden. Die Unterbringungseinrichtung kann als primärer Sozialisationsort für die Ju- gendlichen gesehen werden, weshalb es wichtig ist, auf eine möglichst geringe Zahl an Bewohnern zu achten. Aufgrund der besonderen Situation von UMFs soll die Einrichtung einen Schutzraum nach den psychischen und physischen Belastungen der Flucht bieten, um dann ein Gelingen des ‚neuen‘ Lebens zu ermöglichen. Durch das Schaffen eines ge- regelten Tagesablaufs sollen die Jugendlichen wieder eine Struktur in ihrem Alltag bekom- men und ein Gefühl von Sicherheit, welches dazu beiträgt, die altersspezifischen Aufgaben zu erfüllen. Grundsätzlich gibt es jedoch einen Unterschied zwischen einer Unterbringungs- einrichtung für österreichische Jugendliche und jener für geflüchtete Minderjährige. In der zuletzt genannten ist es das Ziel der Jugendlichen, einen sicheren Aufenthaltsstatus, also positiven Asylbescheid zu bekommen, und weniger sich auf die pädagogische Arbeit ein- zulassen. (vgl. Weeber/Gögercin 2014, S. 54 ff.).

Der Absatz 1 in Art. 27 der UN-Kinderrechtskonvention besagt, dass jedes Kind das Recht auf einen körperlichen, geistigen, seelischen, sittlichen und sozialen Lebensstandard hat, welcher seiner Entwicklung angepasst werden soll. In den verschiedensten Aufnahmelän- dern haben auch – wie aus den Kapiteln davor beschrieben – unterschiedliche Rechtsge- biete Einfluss auf die Lebens- und Aufenthaltssituation der UMFs. Jene Behörden, welchen die Aufgabe der Einwanderungskontrolle zugeteilt wird, setzen UMFs sehr oft mit erwach- senen geflüchteten Personen gleich und legen dabei hauptsächlich den Aufenthaltsstatus in den Fokus. Dabei gerät es völlig in den Hintergrund, dass es sich dabei um Kinder bzw.

Jugendliche handelt, die Hilfe benötigen. Im Gegensatz zu diesen Behörden werden die unbegleiteten minderjährigen Flüchtlinge von den Einrichtungen des Kinderschutzes und

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